Gedenktafel - carocktikum.de
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„Die vier archimedischen Punkte“<br />
Archime<strong>de</strong>s suchte, für die physikalische Welt <strong>de</strong>n einen festen Punkt, von <strong>de</strong>m aus er<br />
sich´s zutraute, sie aus <strong>de</strong>n Angeln zu heben.<br />
Die soziale, moralische und politische Welt, die Welt <strong>de</strong>r Menschen nicht aus <strong>de</strong>n Angeln,<br />
son<strong>de</strong>rn in die rechten Angeln hineinzuheben, dafür gibt es in je<strong>de</strong>m von uns mehr<br />
als einen archimedischen Punkt. Vier dieser Punkte möchte ich aufzählen.<br />
Punkt 1: Je<strong>de</strong>r Mensch höre auf sein Gewissen! Das ist möglich. Denn er besitzt eines.<br />
Diese Uhr kann man we<strong>de</strong>r aus Versehen verlieren noch mutwillig zertrampeln. Diese Uhr<br />
mag leiser o<strong>de</strong>r lauter ticken – sie geht stets richtig. Nur wir gehen manchmal verkehrt.<br />
Punkt 2: Je<strong>de</strong>r Mensch suche sich Vorbil<strong>de</strong>r! Denn es existieren welche. Und es ist unwichtig,<br />
ob es sich dabei um einen großen toten Dichter, um Mahatma Gandhi o<strong>de</strong>r um<br />
Onkel Fritz aus Braunschweig han<strong>de</strong>lt, wenn es nur ein Mensch ist, <strong>de</strong>r im gegebenen<br />
Augenblick ohne Wimpernzucken das gesagt und getan hätte, wovor wir zögern. Das Vorbild<br />
ist ein Kompass, <strong>de</strong>r sich nicht irrt und uns Weg und Ziel weist.<br />
Punkt 3: Je<strong>de</strong>r Mensch ge<strong>de</strong>nke immer seiner Kindheit! Das ist möglich. Denn er hat<br />
ein Gedächtnis. Die Kindheit ist das stille, reine Licht, das aus <strong>de</strong>r eigenen Vergangenheit<br />
tröstlich in die Gegenwart und Zukunft hinüberflutet. Sich <strong>de</strong>r Kindheit wahrhaft erinnern,<br />
das heißt: plötzlich und ohne langes Überlegen wie<strong>de</strong>r wissen, was echt und falsch,<br />
was gut und böse ist.<br />
Die meisten vergessen ihre Kindheit wie einen Schirm und lassen sie irgendwo in <strong>de</strong>r<br />
Vergangenheit stehen. Und doch können nicht vierzig, nicht fünfzig spätere Jahre <strong>de</strong>s<br />
Lernens und Erfahrens <strong>de</strong>n seelischen Feingehalt <strong>de</strong>s ersten Jahrzehnts aufwiegen. Die<br />
Kindheit ist unser Leuchtturm.<br />
Punkt 4: Je<strong>de</strong>r Mensch erwerbe sich Humor! Das ist nicht unmöglich. Denn immer und<br />
überall ist es einigen gelungen. Der Humor rückt <strong>de</strong>n Augenblick an die richtige Stelle. Er<br />
lehrt uns die wahre Größenordnung und die gültige Perspektive. Er macht die Er<strong>de</strong> zu<br />
einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selber beschei<strong>de</strong>n.<br />
Das ist viel.<br />
Bevor man das Erb- und Erzübel, die Eitelkeit, nicht totgelacht hat, kann man nicht<br />
beginnen, das zu wer<strong>de</strong>n, was man ist: ein Mensch.“ Soweit die Gedanken Erich Kästners.<br />
Meine lieben Absolventinnen und Absolventen,<br />
das Gewissen hat Sie in <strong>de</strong>n letzten Jahren sicher so manches Mal geplagt. Hausaufgaben<br />
waren nicht zu schaffen, die Klausurvorbereitungen häuften sich, daneben galt es, Vorträge<br />
vorzubereiten und eine Einladung zu einer wirklich wichtigen Party stand auch im<br />
Kalen<strong>de</strong>r. Was soll man streichen, an welcher Stelle soll man versuchen, die Fülle von Aufgaben<br />
zu umgehen? Und dann mel<strong>de</strong>t es sich – unser Gewissen, das sittliche Bewusstsein<br />
von Gut und Böse.<br />
Es lässt sich nicht so einfach beruhigen, es mahnt uns immer wie<strong>de</strong>r. Und das ist gut so.<br />
Um die richtigen Entscheidungen zu fin<strong>de</strong>n, helfen uns Menschen, die wir an unserer<br />
Seite haben. Sie kennen es auch. Sie haben Ihre Eltern, Ihre Großeltern, die beson<strong>de</strong>rs in<br />
<strong>de</strong>n letzten 13 Schuljahren immer wie<strong>de</strong>r an Ihrer Seite stan<strong>de</strong>n, die für Sie zum Vorbild<br />
wur<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nen Sie nacheifern wollten. Und vielleicht gab es auch <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Lehrer unserer Schule, <strong>de</strong>r für Sie zu einem Leitbild wur<strong>de</strong>, an <strong>de</strong>m Sie sich orientieren<br />
konnten und wollten.<br />
Kästner ist <strong>de</strong>r Meinung, man solle sich immer an seine Kindheit erinnern. Vielleicht<br />
ist es Ihnen im Moment noch nicht möglich, die Tragweite dieses Gedankens zu erfassen.<br />
So lange liegt Ihre Kindheit noch nicht zurück. Für mich drängt sich hier ohnehin die<br />
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