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Gedenktafel - carocktikum.de

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Kraepelin erklärte die Entstehungsgeschichte <strong>de</strong>r Sprachstörungen in <strong>de</strong>n Träumen meistens<br />

nur pauschal, manchmal gar nicht. Manchmal auch ist Kraepelins Analyse zweifelhaft. Und<br />

so verstehen wir, dass Kraepelin später mal sagte, das es ihm nur ganz ausnahmsweise gelinge,<br />

die Entstehungsgeschichte seiner eigenen Träume einigermaßen klarzulegen.<br />

Da Kraepelin 1906 seine Träume nur pauschal analysierte und die Träume von 1906 bis<br />

1926 fast gar nicht analysiert sind, stellt sich die Frage, ob es möglich sei, die Entstehungsgeschichte<br />

<strong>de</strong>r Sprachstörungen klarzulegen nach Kraepelins Tod. O<strong>de</strong>r aber wird Kraepelins<br />

Traumsprache eine tote Sprache bleiben, eine Sprache <strong>de</strong>ssen grundlegen<strong>de</strong> Struktur<br />

niemals mehr ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n wird?<br />

Schauen wir doch mal kurz auf die tote Sprache <strong>de</strong>r alten Ägypter. Auf die Analogie<br />

von Traum und Hieroglyphensprache hat schon <strong>de</strong>r französische Dichter Charles Bau<strong>de</strong>laire<br />

1856 hingewiesen: er hielt die Träume für eine Art Hieroglyphensprache, <strong>de</strong>ssen<br />

Schlüssel er nicht besitzt. Vergleichen wir also das Verstehen <strong>de</strong>r Traumsprache mit <strong>de</strong>r<br />

Entzifferung <strong>de</strong>r Hieroglyphen.<br />

Entschei<strong>de</strong>nd für die Entzifferung <strong>de</strong>r Hieroglyphen war <strong>de</strong>r Fund einer zweisprachigen<br />

Inschrift: <strong>de</strong>r Stein von Rosetta. Dieser wur<strong>de</strong> im Jahre 1799 gefun<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Nähe<br />

von Alexandrien bei Al-Raschid, Rosette, wie die Franzosen sagen. Nach <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlage<br />

<strong>de</strong>r Franzosen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Stein als Kriegsbeute von <strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>rn nach London geführt.<br />

Es ist heute eines <strong>de</strong>r wertvollsten Stücke <strong>de</strong>s British Museum in London. Die obere Inschrift<br />

<strong>de</strong>s Steins ist in Hieroglyphen gestellt, die untere Inschrift ins Griechische. Der griechische<br />

Text konnte gelesen wer<strong>de</strong>n und so hoffte man jetzt, <strong>de</strong>n gleichen Text in Hieroglyphen<br />

entziffern zu können und dann Schritt für Schritt auch Hieroglyphen lesen zu<br />

können, wenn ein griechischer Text fehlte. Diese Hoffnung ging in Erfüllung: nach<strong>de</strong>m die<br />

alt-ägyptische Schrift 1500 Jahre rätselhaft war, wur<strong>de</strong> sie 1822 vom Franzosen Champollion<br />

verstan<strong>de</strong>n.<br />

Kehren wir jetzt zurück zur Traumsprache. Bei Sprachstörungen im Traume wird <strong>de</strong>m<br />

Träumer beim Erwachen meistens klar, was er zu sagen meinte im Traum. Zum Beispiel ist<br />

Euer Majestät Bergholz ein Zeitungshalter als Symbol <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong>. Die Sprachstörung Euer<br />

Majestät Bergholz an sich ist rätselhaft, wie es die Hieroglyphen waren. „Zeitungshalter als<br />

Symbol <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong>“ aber ist an sich zu verstehen, wie <strong>de</strong>r Text in griechischer Sprache auf<br />

<strong>de</strong>n Rosettenstein zu verstehen war. Nur die Verbindung zwischen Sprachstörung und „Erklärung“<br />

ist noch zu erörtern, wie das mit <strong>de</strong>r Verbindung zwischen <strong>de</strong>n Hieroglyphen und<br />

<strong>de</strong>m griechischen Text <strong>de</strong>r Fall war. Im Beispiel muss noch erklärt wer<strong>de</strong>n, auf welche Weise<br />

<strong>de</strong>r Name Bergholz in Verbindung mit <strong>de</strong>m Begriff „Zeitungshalter“ steht. Dies ergibt<br />

sich zwar nicht leicht, ist aber prinzipiell ein nicht unlösbares Problem5 .<br />

So kann man erhoffen, dass sich <strong>de</strong>r Ko<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Traumsprache knacken lässt, und dass<br />

damit auch Äußerungen von schizophrener Sprachverwirrtheit verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können,<br />

weil ja die schizophrene Sprachverwirrtheit in allen Einzelheiten <strong>de</strong>r Traumsprache<br />

entspricht. Man kann nun sagen:<br />

Kraepelins Träume bil<strong>de</strong>n eine Art von Rosettenstein für die schizophrene Sprachverwirrtheit.<br />

Kraepelin hat während <strong>de</strong>s Schlafes 40 Jahre lang „gemeißelt“ an einem Rosettenstein.<br />

Wir haben daher genügend Material, um <strong>de</strong>n Ko<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Traumsprache zu knacken. Das<br />

Knacken dieses Ko<strong>de</strong>s ist zum Glück leichter als die Entzifferung <strong>de</strong>r Hieroglyphen.<br />

5 Nur durch Anwendung <strong>de</strong>r kombinatorischen Metho<strong>de</strong> gelingt dies: man sucht dabei u.a. in <strong>de</strong>n Träumen<br />

Kraepelins nach weiteren Erwähnungen <strong>de</strong>s Wortes „Zeitung“.<br />

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