20.11.2012 Aufrufe

Gedenktafel - carocktikum.de

Gedenktafel - carocktikum.de

Gedenktafel - carocktikum.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erscheinungen, die uns in <strong>de</strong>n Irrenhäusern begegnen. Sigmund Freud meint: Der Traum ist<br />

eine Psychose mit allen Ungereimtheiten, Wahnbildungen, Sinnestäuschungen einer Solchen.<br />

An an<strong>de</strong>rer Stelle behauptet er: Es ist wahrscheinlich, dass eine verän<strong>de</strong>rte Auffassung <strong>de</strong>s<br />

Traumes unsere Meinungen über <strong>de</strong>n inneren Mechanismus <strong>de</strong>r Geistesstörungen mit beeinflussen<br />

muss, und so dürfen wir sagen, dass wir an <strong>de</strong>r Aufklärung <strong>de</strong>r Psychosen arbeiten,<br />

wenn wir uns bemühen, das Geheimnis <strong>de</strong>s Traumes aufzuhellen. Allan Hobson, <strong>de</strong>r heute<br />

noch leben<strong>de</strong> Traumforscher <strong>de</strong>r Harvard University, hofft durch die Erforschung <strong>de</strong>r<br />

Hirnaktivität während <strong>de</strong>s Traumes mehr herauszufin<strong>de</strong>n über die Ursachen <strong>de</strong>r Psychose.<br />

Er meint: Die Träume versuchen uns zu sagen, was eine Psychose beinhaltet.<br />

Alle Zitate weisen auf die Analogie von Traum und Psychose. In diesem Sinne ist es<br />

für <strong>de</strong>n Irrenarzt Kraepelin durchaus respektabel, sich 1906 mit <strong>de</strong>m Traum als Forschungsobjekt<br />

zu beschäftigen.<br />

In seiner Monographie sagt Kraepelin nach <strong>de</strong>n Anfangszeilen: ... in ganz auffallen<strong>de</strong>r<br />

Weise wur<strong>de</strong>n die sprachlichen Äußerungen im Traume vernachlässigt, obgleich gera<strong>de</strong> sie<br />

mir für <strong>de</strong>n Psychologen wie für <strong>de</strong>n Irrenarzt eine Reihe von beachtenswerten Tatsachen zu<br />

liefern scheinen. Bis 1906 waren also die sprachlichen Äußerungen im Traum unbeachtet<br />

geblieben und Kraepelin hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese gründlich zu studieren.<br />

Wie und wann ist er dazu gekommen? Durch zufällige Erfahrungen, so sagt er, bin ich seit<br />

mehr als 20 Jahren auf die abson<strong>de</strong>rlichen Gestaltungen aufmerksam gewor<strong>de</strong>n, welche die<br />

Traumsprache darbietet. Nämlich die Ähnlichkeit <strong>de</strong>rselben mit <strong>de</strong>r Sprachverwirrtheit, auf<br />

die ich schon 1889 hinweisen konnte, hat mir <strong>de</strong>n Anlass gegeben, im Laufe <strong>de</strong>r Jahre gelegentlich<br />

eine größere Zahl von Sprachbeispielen <strong>de</strong>s Traumes zu sammeln. Ein Teil <strong>de</strong>rselben<br />

stammt von Personen meiner Umgebung, die ich bat, auf <strong>de</strong>rartige Erfahrungen zu achten;<br />

die meisten aber habe ich mir selbst verschafft, in<strong>de</strong>m ich zeitweise eine Tafel an mein Bett<br />

legte, um nach <strong>de</strong>m Erwachen sofort das Geträumte nie<strong>de</strong>rzuschreiben.<br />

Wie Traum und Geisteskrankheit sich ähneln, so ähneln sich also Sprachstörungen im<br />

Traume und die schizophrene Sprachverwirrtheit.<br />

Immer wie<strong>de</strong>r hat Kraepelin diese Ähnlichkeit betont. Die Re<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Geisteskranken<br />

so behauptet Kraepelin schon 1889 erinnern an die ganz ähnlichen Re<strong>de</strong>n, die wir im Traume<br />

zu halten pflegen und noch 1920 wird Kraepelin sagen, dass die Traumsprache in allen Einzelheiten<br />

<strong>de</strong>r schizophrenen Sprachverwirrtheit entspricht.<br />

Welche Erfahrungen Kraepelin nun veranlasst haben, Vorbil<strong>de</strong>r von Traumsprache zu<br />

sammeln ist uns lei<strong>de</strong>r unbekannt. Angefangen hat dieses Sammeln vor 1886. Kraepelin<br />

und an<strong>de</strong>re Personen (man <strong>de</strong>nke an Familienmitglie<strong>de</strong>r wie seine Frau und später seine<br />

Kin<strong>de</strong>r) sammeln seit<strong>de</strong>m Vorbil<strong>de</strong>r von Traumsprache. Nun ist das Behalten von einem<br />

Stück Traumsprache noch schwieriger als das Behalten von Traumbil<strong>de</strong>rn, und <strong>de</strong>shalb<br />

wie<strong>de</strong>rholte Kraepelin laut beim Erwachen die Sprachstörung solange, bis er sie nie<strong>de</strong>rschreiben<br />

konnte. Das muss sich komisch angehört haben im Hause Kraepelin!<br />

Warum, so fragt man sich, studiert Kraepelin die schizophrene Sprachverwirrtheit nicht<br />

direkt, son<strong>de</strong>rn über <strong>de</strong>n Umweg <strong>de</strong>r ähnlichen Traumsprache? Der Grund dafür ist, dass<br />

bei <strong>de</strong>r Sprachverwirrtheit die Schwierigkeit <strong>de</strong>r Deutung ungleich größer ist, da wir, an<strong>de</strong>rs<br />

als im Traume, nur selten feststellen können, was <strong>de</strong>r Kranke eigentlich hat sagen wollen.<br />

Wenn man nicht weiß, was <strong>de</strong>r Kranke eigentlich hat sagen wollen, wie soll man dann<br />

die Entstehungsgeschichte <strong>de</strong>r gestörten Sprachäußerung studieren? Das Problem, das<br />

Kraepelin anrührt kann man auch so verstehen: Der Kranke – <strong>de</strong>r Psychotiker – kann sich<br />

nicht von seiner Welt in unsere Welt versetzen, er kann uns nicht klar machen, was er eigentlich<br />

sagen wollte.<br />

Dem Träumer aber gelingt es aus seiner Traumwelt beim Erwachen in unsere Welt<br />

hinüberzutreten. So scheint Kraepelin eine Sprachstörung in <strong>de</strong>n ersten Sekun<strong>de</strong>n nach<br />

<strong>de</strong>m Erwachen noch fehlerlos, erst beim Aufschreiben wird ihm <strong>de</strong>r fehlerhafte Charakter<br />

50

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!