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Kuxing: Folter in Tibet

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1<strong>Tibet</strong>an Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)Top Floor, Narthang Build<strong>in</strong>g, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P., Indiaphone/fax +91/1892/23363/25874, e-mail: dsala@tchrd.org, www.tchrd.orgFebruar 2006<strong>Kux<strong>in</strong>g</strong>: <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>E<strong>in</strong> SonderberichtDieser Bericht ist all jenen <strong>Tibet</strong>ern gewidmet, die <strong>in</strong> dem von Ch<strong>in</strong>abesetzten <strong>Tibet</strong> durch <strong>Folter</strong> umkamenInhalt:Teil IVorwort......................................................................................................................................................2Kapitel 1: E<strong>in</strong>führung ..............................................................................................................................3Kapitel 2: Def<strong>in</strong>ition und Rechtsdokumente der UNO zur <strong>Folter</strong> .......................................................4Kapitel 3: <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>..........................................................................................................................5Zeugnis von Nyima Drakpa................................................................................................................7E<strong>in</strong> Appell aus me<strong>in</strong>em tiefsten Herzen .............................................................................................7Aussage von Nyima, e<strong>in</strong>er Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen .....................................8Aussage der Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen Nyidron............................................10Kapitel 4: Internationale und nationale Bestimmungen gegen <strong>Folter</strong>...............................................111) Die UN-Konvention gegen <strong>Folter</strong> (CAT).....................................................................................112) Weitere UN Mechanismen zur Abschaffung der <strong>Folter</strong>...............................................................12a) Der Ausschuß gegen <strong>Folter</strong>...................................................................................................12b) Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong>....................................................................................14c) <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> der ch<strong>in</strong>esischen Verfassung..................................................................................16Kapitel 5: Dokumentation der Todesfälle, die e<strong>in</strong>e Folge von <strong>Folter</strong> waren.....................................20Kapitel 6: Politische Aktivität und ihre Folgen....................................................................................20Kapitel 7: Lhasa unter Kriegsrecht ......................................................................................................21Kapitel 8: Verlagerung des Epizentrums nach Osten .........................................................................22Kapitel 9: Die häufigsten <strong>Folter</strong>methoden............................................................................................23a) Hand- und Fußschellen .........................................................................................................24b) Elektroschocks......................................................................................................................25c) Aufhängen <strong>in</strong> der Luft...........................................................................................................25d) Extremen Temperaturen aussetzen.......................................................................................25e) Kampfhunde .........................................................................................................................26f) Sexuelle Übergriffe ...............................................................................................................26g) Isolationshaft ........................................................................................................................26h) <strong>Folter</strong>videos ..........................................................................................................................26i) In den Mund des Opfers ur<strong>in</strong>ieren.........................................................................................26j) Zwangsentnahmen von Blut und Körperflüssigkeiten ..........................................................27k) Andere <strong>Folter</strong>techniken ........................................................................................................27


5Mit anderen Worten, <strong>Folter</strong> verursacht vielerlei Formen von Schmerzen, sowohl körperliche als auchseelische. Insbesondere sollte man die psychischen Formen der Mißhandlung nicht vergessen, dennoftmals haben gerade sie die schwersten und dauerhaftesten Konsequenzen für die Opfer, die zwarkörperlich wiederhergestellt werden können, aber weiterh<strong>in</strong> an tiefsitzenden psychologischen Traumenleiden.Während sowohl das Völkerrecht als auch die diversen Gesetze der e<strong>in</strong>zelnen Länder verschiedeneDef<strong>in</strong>itionen von <strong>Folter</strong> be<strong>in</strong>halten, nennen sie alle die wesentlichen Merkmale der <strong>Folter</strong>, wie sie vomUNCAT beschrieben werden. Die Def<strong>in</strong>ition der <strong>Folter</strong>konvention listet <strong>in</strong>dessen noch verschiedeneZwecke auf, weshalb gefoltert wird. Diese Liste gibt e<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf die Zwecke, die h<strong>in</strong>ter der Zufügungschwerer physischer oder psychischer Schmerzen stehen könnten. Zudem sollten bei der Beurteilung,ob e<strong>in</strong> Akt der Zufügung von Schmerzen schwerwiegend genug ist, um als <strong>Folter</strong>ung e<strong>in</strong>gestuftzu werden, die besonderen Umstände e<strong>in</strong>es jeden Falles <strong>in</strong> Betracht gezogen werden.Im Unterschied zur <strong>Folter</strong> werden Akte von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlungoder Strafe von der <strong>Folter</strong>konvention oder anderen Regelwerken nicht ausdrücklich def<strong>in</strong>iert. DieUNCAT nennt sie e<strong>in</strong>fach Akte, die gemäß dem Art. 1 der Konvention nicht unter die Def<strong>in</strong>ition von<strong>Folter</strong> fallen. Dies kann zu e<strong>in</strong>er rechtlichen Unklarheit führen, welche sonstigen Formen von Mißhandlungtatsächlich gleichbedeutend mit <strong>Folter</strong> s<strong>in</strong>d. Solche Akte wurden jedoch von den Juristen <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalenund regionalen Menschenrechtsgremien weitgehend def<strong>in</strong>iert. Die derzeitige Auffassunggeht dah<strong>in</strong>, daß solche Akte nicht mit <strong>Folter</strong> gleichzusetzen s<strong>in</strong>d, wenn sie zu ke<strong>in</strong>em spezifischenZweck zugefügt wurden. Dennoch muß e<strong>in</strong> Akt der Mißhandlung, um als grausame, unmenschlicheoder erniedrigende Behandlung oder Strafe e<strong>in</strong>gestuft zu werden, von e<strong>in</strong>em Angehörigen des öffentlichenDienstes oder e<strong>in</strong>er anderen <strong>in</strong> amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassungoder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem E<strong>in</strong>verständnis begangen werden.Formen von Mißhandlung, die entweder alle<strong>in</strong>e oder <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ation mit anderen begangen werdenund die der <strong>Folter</strong> zugerechnet werden, s<strong>in</strong>d: Schläge auf die Fußsohle, Aufhängen an den auf demRücken gefesselten Armen, sexuelle Angriffe, Aufhängen des Opfers mit dem Kopf nach unten, Anwendungvon Elektroschockgeräten und Viehstöcken (besonders häufig an den Genitalien), Entzugvon Nahrung und Wasser über längere Zeit, das Aushalten von extremen Witterungsverhältnissen,Unterkühlung oder starkes Sonnenlicht, Auspeitschen, Versengen der Haut mit brennenden Zigaretten,usw. Psychische Formen der <strong>Folter</strong> s<strong>in</strong>d schwere Demütigung, Bedrohung, Beleidigung, Irreführungund Isolationshaft. Ch<strong>in</strong>a praktiziert alle aufgeführten Methoden an tibetischen politischen Gefangenenoder Verdächtigen <strong>in</strong> der Vernehmungsphase, im Polizeigewahrsam, <strong>in</strong> der Haft, im Gefängnis undsogar nach ihrer Entlassung.Kapitel 3: <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>Die Praxis, politische Gefangene zu foltern, ist <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> geradezu endemisch und schwerwiegend. Daß<strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> gefoltert wird, liegt vor allem an dem totalitären Regime, das diejenigen verfolgt, die ihre grundlegendenMenschenrechte friedlich wahrnehmen. Schwere von der Polizei und anderen Sicherheitsorganenzugefügte Mißhandlungen, Schläge und <strong>Folter</strong>ungen kennzeichnen besonders das Anfangsstadiumder Haft, wo der Zweck, e<strong>in</strong> Geständnis aus den Inhaftierten oder Tatverdächtigen zu erpressen,im Vordergrund steht. Personen im Polizeigewahrsam s<strong>in</strong>d besonders gefährdet und völlig schutzlos,denn sie werden ohne das Beise<strong>in</strong> von Anwälten vernommen. Das Recht e<strong>in</strong>es Angeklagten, währendder Vernehmungsphase und vor Gericht zu schweigen, das dem Pr<strong>in</strong>zip der Unschuldsvermutung <strong>in</strong>härentist, wird ihnen verweigert, und verdächtige Personen werden oft über längere Zeiträume ohnee<strong>in</strong>e Möglichkeit der Verb<strong>in</strong>dung zur Außenwelt festgehalten. Ch<strong>in</strong>a hat die Konvention gegen <strong>Folter</strong>zwar unterzeichnet und ratifiziert, doch die Regierung hat sich die Bestimmung im Art. 28 der Konventionzunutze gemacht und erklärt, daß sie “die Zuständigkeit des Ausschusses gegen <strong>Folter</strong> nicht anerkennt,ihm zugegangenen Informationen und wohlbegründeten H<strong>in</strong>weisen, daß im HoheitsgebietCh<strong>in</strong>as systematisch <strong>Folter</strong> stattf<strong>in</strong>de, nachzugehen”. Darüber h<strong>in</strong>aus betrachtet sich die Regierungder VR Ch<strong>in</strong>a als dem Absatz 1 des Artikels 30 der Konvention nicht verpflichtet 3 .3“Jede Me<strong>in</strong>ungsverschiedenheit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung diesesÜbere<strong>in</strong>kommens, die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden kann, ist auf Verlangen e<strong>in</strong>es dieser Staaten e<strong>in</strong>emSchiedsverfahren zu unterwerfen. Können sich die Parteien b<strong>in</strong>nen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schieds-


6Seit der Besetzung <strong>Tibet</strong>s durch Ch<strong>in</strong>a im Jahre 1959 wird dort die <strong>Folter</strong> als Repressions<strong>in</strong>strumentbenutzt. Während der gesamten achtziger und neunziger Jahre wurden politische Dissidenten verfolgtund ihre Rechte von den Behörden auf den verschiedensten Ebenen verletzt 4 . Ende der Achtziger kam<strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> e<strong>in</strong>e aktive, doch friedliche politische Bewegung auf, aber bald wurden ihre Anführer verhaftet,und sie wurde unter exzessivem E<strong>in</strong>satz von Gewalt niedergeschlagen, was zur Festnahme von Tausendenvon <strong>Tibet</strong>ern und dem Tod mehrerer Hundert von ihnen führte. Im vergangenen Jahrzehntnahmen <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a die Todesurteile und deren Vollstreckung unglaublich zu, wobei die Methoden derUnmenschlichkeit gleichkommen 5 .Der Datenbank des TCHRD ist zu entnehmen, daß (se<strong>in</strong>er Kenntnis nach) gegenwärtig m<strong>in</strong>destens132 politische Gefangene ohne formellen Prozeß <strong>in</strong> Gefängnissen und Haftzentren festgehalten werden.26 weitere <strong>Tibet</strong>er wurden 2005 verhaftet, zumeist im Zusammenhang damit, daß sie ihr Rechtauf freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung <strong>in</strong> friedlicher Weise wahrnahmen. Von der Gesamtzahl der dem TCHRDbekannten tibetischen politischen Gefangenen verbüßen 52 Personen (= 39,9%) Strafen von 10 Jahrenund darüber, während die Mönche mit 91 Personen 68,93% der Gesamtzahl ausmachen. Es gibtunbestätigte Berichte über die Festnahme von über 60 <strong>Tibet</strong>ern im Vorfeld zu dem 40. Gründungstagder Autonomen Region <strong>Tibet</strong>. Alle diese Personen wurden ohne Haftbefehl festgenommen, ihre Verhaftungist daher willkürlich, und sie wurden unter der vage formulierten Anklage, sie hätten antich<strong>in</strong>esischesGedankengut unterstützt oder verbreitet, <strong>in</strong>haftiert. Die Gründe für ihre Festnahme warenzumeist das Drucken und Anbr<strong>in</strong>gen von Flugblättern politischen Inhalts, die Bildung von “konterrevolutionären”Organisationen, welche die Staatssicherheit gefährden, Spionage oder Weitergabe vonInformationen an die “Dalai Clique”, das Rufen reaktionärer Parolen, die Ermutigung zu “reaktionärenGesängen”, der Besitz oder das Aufziehen der verbotenen tibetischen Flagge, mangelnde Beteiligungan der Reform und Teilnahme an Demonstrationen.2005 gestattete Ch<strong>in</strong>a endlich den Besuch des UN-Sonderberichterstatters für <strong>Folter</strong>, Prof. ManfredNowak, der auf se<strong>in</strong>er Erkundungsreise vom 20. November bis 2. Dezember Haftzentren <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g, <strong>in</strong>Urumqi <strong>in</strong> X<strong>in</strong>jiang und <strong>in</strong> Lhasa <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> aufsuchte. Der Sonderberichterstatter gelangte zu demSchluß, daß ”die Anwendung von <strong>Folter</strong>, obwohl sie besonders <strong>in</strong> städtischen Gebieten etwas zurückg<strong>in</strong>g,dennoch <strong>in</strong> ganz Ch<strong>in</strong>a weit verbreitet ist” 6 . Während Prof. Nowak e<strong>in</strong>ige Bereiche, <strong>in</strong> denen esim ch<strong>in</strong>esischen Rechtssystem Verbesserungen gegeben hätte, hervorhob, blieben dennoch beträchtlicheund ernsthafte Bedenken im H<strong>in</strong>blick auf die tatsächliche Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit,die Anwendung der Todesstrafe für e<strong>in</strong>e große Reihe nur vage def<strong>in</strong>ierter Verbrechen und der ständigenDrangsalierung und Mißhandlung von <strong>Tibet</strong>ern bestehen. Prof. Nowak beanstandete auch, daß imgesamten Verlauf se<strong>in</strong>es Besuchs Mitarbeiter des M<strong>in</strong>isteriums für Staatssicherheit und ÖffentlicheSicherheit immer wieder versuchten, “sich se<strong>in</strong>en Bemühungen zur Feststellung der Tatsachen zu widersetzenund diese zu beh<strong>in</strong>dern”. Er warf den Sicherheitsdiensten vor, daß e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Folter</strong>opfernund deren Familienangehörige e<strong>in</strong>geschüchtert, <strong>in</strong> Polizeigewahrsam genommen wurden oderihnen verboten wurde, den Sonderberichterstatter zu treffen, oder sie physisch daran geh<strong>in</strong>dert wurden,dies zu tun. “In se<strong>in</strong>en Interviews mit Häftl<strong>in</strong>gen bemerkte der Sonderberichterstatter e<strong>in</strong>e spürbareAtmosphäre der Furcht und Selbstzensur, wie er sie im Laufe se<strong>in</strong>er bisherigen Untersuchungsaufträgenoch nie erfahren hatte”.Prof. Nowak machte <strong>in</strong> deutlichen Worten darauf aufmerksam, daß die VR Ch<strong>in</strong>a sich nicht an die UNKonvention gegen <strong>Folter</strong> hielte, die sie 1988 als e<strong>in</strong>er der ersten Staaten überhaupt unterzeichnete.H<strong>in</strong>sichtlich der <strong>Folter</strong> verfügten Prof. Nowak und se<strong>in</strong>e Vorgänger über “ernstzunehmende H<strong>in</strong>weise”daß “ethnische M<strong>in</strong>derheiten, <strong>in</strong>sbesondere <strong>Tibet</strong>er und Uighuren, anhaltender und systematischer<strong>Folter</strong>ung ausgesetzt s<strong>in</strong>d…”. Er beschrieb die <strong>Folter</strong>techniken sehr genau. Er beanstandete auch dieUnzulänglichkeit des jetzigen Beschwerdeweges. So wurde ihm beispielsweise gesagt, daß aus demGefängnis No. 4 <strong>in</strong> Urumqi im Laufe e<strong>in</strong>es ganzen Jahrzehnts ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Beschwerde über <strong>Folter</strong>bei der Staatsanwaltschaft e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g. In der TAR bekam er zu hören, daß es seit 2003 ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Beschwerdemehr gegeben hätte… Nach se<strong>in</strong>em Besuch hob er e<strong>in</strong>ige besonders gravierende Mängelim ch<strong>in</strong>esischen Rechtssystem hervor, etwa das Fehlen von verfahrensrechtlichen Bestimmungen, umdem <strong>Folter</strong>verbot Geltung zu verschaffen, die mangelnde Kontrolle der Haftanstalten durch unabhängigeDritte, das Fehlen e<strong>in</strong>es ordentlichen Beschwerdeweges, die mangelnde Unabhängigkeit der Juverfahrenverlangt worden ist, über se<strong>in</strong>e Ausgestaltung nicht e<strong>in</strong>igen, so kann jede dieser Parteien die Streitigkeit dem InternationalenGerichtshof unterbreiten, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>em Statut entsprechenden Antrag stellt.”4 “Ke<strong>in</strong>er ist sicher. Politische Repression und Machtmißbrauch <strong>in</strong> den Neunzigern”. 1996 Amnesty International.5 Der Ausschuß gegen <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Auswertung von Ch<strong>in</strong>as zweitem periodischem Bericht. 10. Mai 1996.6 “Special Rapporteur on Torture highlights challenges at the end of visit to Ch<strong>in</strong>a”, UN Press Release, 2 December 2005.


7stiz, ihre Gepflogenheit, Geständnisse zu erzw<strong>in</strong>gen und das große Gewicht, das auf die Bestrafungund “Umerziehung” der Gefangenen gelegt wird.Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> machte auch e<strong>in</strong>e Reihe von Empfehlungen zur Reform des Justizwesens.Wenn man aber bedenkt, daß die VR Ch<strong>in</strong>a bereits e<strong>in</strong>e ganze Reihe von bee<strong>in</strong>druckendkl<strong>in</strong>genden Vorschriften <strong>in</strong> ihren Gesetzbüchern besitzt – e<strong>in</strong>schließlich des Verbots der <strong>Folter</strong> –, werdenbloße Empfehlungen wohl ke<strong>in</strong>e Veränderung herbeiführen. Ob diesen Empfehlungen Beachtunggeschenkt wird oder nicht, kann man an dem Umfang, <strong>in</strong> dem <strong>Folter</strong> angewandt wird und an der tatsächlichenLage abmessen. Die Empfehlungen des Sonderberichterstatters stehen am Ende diesesBerichts.Das TCHRD hat die Fälle von 88 tibetischen politischen Gefangenen dokumentiert, die seit 1987 der<strong>Folter</strong> erlegen s<strong>in</strong>d. Bei den meisten blieb die unmittelbare Todesursache im Dunkeln. Alle diese <strong>Tibet</strong>erstarben entweder <strong>in</strong> der Haft oder kurz nachdem sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em durch <strong>Folter</strong> verursachten prekärenZustand aus der Haft entlassen wurden. Aus all den Erzählungen und Aussagen ehemaliger Insassender Strafanstalten wird deutlich, daß die Verweigerung rechtzeitiger und angemessener mediz<strong>in</strong>ischerBehandlung die Hauptursache für den Tod der Gefangenen war.Es folgen e<strong>in</strong>ige erschreckende Fälle, die beweisen, daß Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> weiterh<strong>in</strong> gefoltert werden,was <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Fällen zu ihrem Tod noch <strong>in</strong> der Haft oder kurz nach ihrer Entlassung aus mediz<strong>in</strong>ischenGründen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dem Tode nahen Zustand geführt hat. <strong>Folter</strong> ist e<strong>in</strong> nicht wegzudenkenderTeil des Strafvollzugssystems <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>, sie ist der Preis, den politische Aktivisten zahlen müssen.Zeugnis von Nyima DrakpaNyima Drakpa, e<strong>in</strong> 29jähriger politischer Gefangener aus dem Distrikt Tawu, TAP Kardze, starb, nachdemer Anfang September aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen entlassen worden war, am 1. Oktober 2003 beisich zu Hause. Er hatte e<strong>in</strong>e Haftstrafe von 9 Jahren zu verbüßen. Zum Zeitpunkt se<strong>in</strong>er Entlassungaus dem Distriktgefängnis von Tawu war er bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr geschwächten Zustand. Er starb anden Folgen der ihm <strong>in</strong> der Haft zugefügten <strong>Folter</strong>.Nyima Drakpa war 1990 nach Indien geflohen, wo er sich drei Jahre lang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em süd<strong>in</strong>dischen Klosteraufhielt. 1994 kehrte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Heimatkloster nach <strong>Tibet</strong> zurück, wo er blieb, bis er nach Lhasafloh, weil ihm wegen des Anbr<strong>in</strong>gens von Plakaten, auf denen Freiheit für <strong>Tibet</strong> gefordert wurde, dieVerhaftung drohte. Drakpa wurde im Mai 2000 festgenommen und <strong>in</strong> der Folge am 5. Oktober 2000von dem Distriktgericht bei e<strong>in</strong>em nichtöffentlichen Prozeß wegen “Gefährdung der Staatssicherheit”und “Aufhetzung der Massen” zu 9 Jahren Gefängnis verurteilt.Wie berichtet, war Drakpa <strong>in</strong> der Haftanstalt so grausam gefoltert worden, daß er an beiden Be<strong>in</strong>enKnochenbrüche erlitt und alle<strong>in</strong>e nicht mehr stehen konnte, se<strong>in</strong>e Mitgefangenen mußten ihm bei se<strong>in</strong>emGang zur Toilette helfen. Nyima Drakpa soll erklärt haben: “Wenn ich freigelassen werde, werdeich wieder überall Blätter ankleben, auf die ich Free <strong>Tibet</strong> schreibe, solange bis <strong>Tibet</strong> frei wird.”Aus Nyimas Abschiedsbrief ist ersichtlich, daß er wiederholt gefoltert wurde, und er sich der Tatsachebewußt war, daß er bald sterben würde, und dennoch stand er gegen se<strong>in</strong>e Unterdrücker auf. Hierfolgt die Übersetzung se<strong>in</strong>er Zeugenaussage, e<strong>in</strong>es handgeschriebenen Dokuments auf <strong>Tibet</strong>isch, mitdem Datum vom 1. April 2001.E<strong>in</strong> Appell aus me<strong>in</strong>em tiefsten HerzenAn Se<strong>in</strong>e Heiligkeit den Dalai Lama und alle me<strong>in</strong>e tibetischen Landsleute!“Me<strong>in</strong> Name ist Keri Nyima Drakpa (sked ri’i nyima grags pa), ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> junger <strong>Tibet</strong>er aus dem KreisTawu <strong>in</strong> der Region Kham des ehemaligen <strong>Tibet</strong>s. So wie es <strong>in</strong> der Redensart heißt‚ ‚Auch wenn eskle<strong>in</strong> ist, ist e<strong>in</strong> Murmeltier doch e<strong>in</strong> vollständiges Wesen’, b<strong>in</strong> ich weder e<strong>in</strong> sehr gelehrter noch e<strong>in</strong> fürse<strong>in</strong>en Reichtum berühmter Mann, aber ich b<strong>in</strong> erfüllt von e<strong>in</strong>er grenzenlosen Liebe zu me<strong>in</strong>em Volkund zutiefst um es besorgt. Oft dachte ich über die Rückständigkeit unseres Volkes nach, und es bereitetemir immer großen Kummer, daß wir <strong>in</strong> unserem Zustand der Unterdrückung durch die herrschendeKlasse nicht e<strong>in</strong>mal das Recht haben, unsere eigene Sprache zu sprechen. Damit werdenuns unsere Menschenrechte verwehrt und uns auch noch der letzte Rest an politischer Verantwortunggenommen.


8Nachdem ich die wundervolle Geschichte studiert habe, wie unsere Vorfahren ihre politische Machtausübten und unser Land regierten, fand ich den Mut und die Entschlossenheit, wenn es se<strong>in</strong> muß,sogar me<strong>in</strong> Leben für me<strong>in</strong> Volk zu opfern. Mit tiefer Aufrichtigkeit und dem Wunsch, daß alle me<strong>in</strong>etibetischen Landsleute sich echter Freiheit erfreuen mögen, und <strong>in</strong> der verzweifelten Hoffnung, daß<strong>Tibet</strong> wieder e<strong>in</strong> selbständiges Land se<strong>in</strong> wird, schrieb ich viele Plakate, auf denen ich forderte, daßalle Ch<strong>in</strong>esen sich aus <strong>Tibet</strong> zurückziehen und den <strong>Tibet</strong>ern die Unabhängigkeit geben sollten. Ichhängte sie am 7. Januar 2000, am 9. April 1998, am 10. November 1999, am 12. November 1999, am19. November 1999, am 6. Dezember 1999 und am 29. Dezember 1999 an den h<strong>in</strong>teren und seitlichenMauern der Gebäude der Distriktverwaltung von Tawu auf.Jedes Plakat unterschrieb ich deutlich mit me<strong>in</strong>em Namen. Aber me<strong>in</strong> Schicksal steht unter e<strong>in</strong>emschlechten Stern: Noch ehe ich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Ziel erreichen konnte, sche<strong>in</strong>t me<strong>in</strong> kostbares Leben dazuverdammt, durch dieses grausame und unterdrückerische ch<strong>in</strong>esische Regime enden zu müssen.Letztes Jahr am 22. März, als ich <strong>in</strong> Lhasa war, kamen vier Männer des Public Security Bureau vonTawu und nahmen mich fest. Ohne irgende<strong>in</strong>e Frage zu stellen, schlugen sie mich so entsetzlich, daßich ke<strong>in</strong> Wort mehr hervorbr<strong>in</strong>gen konnte. Ohne Essen oder auch nur e<strong>in</strong>en Tropfen Wasser setztensie mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Flugzeug und brachten mich nach Chengdu, wo mich e<strong>in</strong> paar ch<strong>in</strong>esische Polizistenzusammenschlugen. Diese Inkarnationen von schwarzen Teufeln <strong>in</strong> Form ch<strong>in</strong>esischer Kader drücktenmich nach unten und schlugen mich so erbarmungslos, daß ich am Ende halb lebendig und halbtotwar. Danach verlor ich das Bewußtse<strong>in</strong>. Als ich wieder zu mir kam, war es etwa elf Uhr nachts. DieSchmerzen waren so schrecklich, daß ich mich nicht mehr rühren konnte. Da merkte ich, daß me<strong>in</strong>ebeiden Be<strong>in</strong>e völlig taub geworden waren, denn ich spürte sie nicht mehr. 10 Tage nach me<strong>in</strong>er Ankunft<strong>in</strong> Tawu begannen sie mich zu verhören. Trotz der quälenden Schmerzen, die me<strong>in</strong>en ganzenKörper durchzogen, konnte ich ihnen genau alles sagen, was ich tief <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Herzen glaube undempf<strong>in</strong>de, und ich gab zu, daß ich es war, der all diese Poster geschrieben hatte.Daraufh<strong>in</strong> verurteilte mich das Volksgericht der TAP Kardze am 5. Oktober zu neun Jahren Gefängnis.Jetzt b<strong>in</strong> ich jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so erbärmlichen Zustand, daß ich ke<strong>in</strong>en Bissen Nahrung mehr zu mirnehmen kann, und me<strong>in</strong>e Be<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>d durch die Mißhandlungen der Ch<strong>in</strong>esen nicht mehr funktionsfähig.Ich weiß, daß ich nicht mehr lange leben werde. Aber ich habe ke<strong>in</strong>e Angst vor dem Tod. Jetzt, woder letzte Lebensatem dieses ‚rotgesichtigen’ <strong>Tibet</strong>ers dem Versiegen nahe ist, möge dieser Appell anme<strong>in</strong>en mütterlichen Onkel Jowo Kyab weitergeleitet werden oder an me<strong>in</strong>e tibetischen Brüder, dieden Wert unserer tibetischen Nationalität zu würdigen wissen, damit die <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaftdurch die gute Regierung Se<strong>in</strong>er Heiligkeit des Dalai Lama erfahre, wie Ch<strong>in</strong>a unschuldige tibetischeBürger wie mich strafrechtlich verfolgt und brutal mißhandelt. Alle me<strong>in</strong>e tibetischen Brüder undSchwestern sollen wissen, wie die Ch<strong>in</strong>esen uns unter Mißachtung aller Gesetze mit <strong>Folter</strong> und Gefangenschaftdrangsalieren. Vere<strong>in</strong>t sollten wir alle gegen Ch<strong>in</strong>a protestieren.”Keri Nyima Drakpa1. April 2001Aussage von Nyima, e<strong>in</strong>er Nonne und ehemaligen politischen GefangenenNyima, die 1978 im Dorf Yul-Nga, Geme<strong>in</strong>de Tsang Shar, Kreis Phenpo, TAR, geboren wurde, warNonne <strong>in</strong> Phenpo Podo, e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Nonnenkloster im Kreis Phenpo Lhundup, Bezirk Lhasa, TAR.Nach Verbüßung e<strong>in</strong>er fünfjährigen Strafe im Drapchi Gefängnis wurde sie im März 1999 entlassen. Inden nächsten drei Jahren widmete sie sich der Wiederherstellung ihrer Gesundheit nach den unmenschlichenMißhandlungen, denen sie dort ausgesetzt war. Viele Monate lang lag sie im Krankenhaus,bis ihre Familie nicht mehr für die hohen Kosten aufkommen konnte und sie nach Hause holte.Für Nyima und ihre Gefährt<strong>in</strong>nen war das Leben als ehemalige politische Gefangene unerträglich, weilsie unter der ständigen Überwachung des Public Security Bureau (PSB) standen. Abgesehen von ihrereigenen Person wurden auch alle ihre Verwandten und Freunde regelmäßig kontrolliert und e<strong>in</strong>geschüchtert.Da sie ke<strong>in</strong>e andere Wahl hatte, trat Nyima am 9. März 2004 ihre gefahrvolle Reise <strong>in</strong>s Exilan und ließ Freunde und Familie h<strong>in</strong>ter sich. Sie schloß sich e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Gruppe anderer <strong>Tibet</strong>er anund floh über den Himalaya nach Nepal. Die Gruppe bewegte sich nur bei Nacht, um von den ch<strong>in</strong>esischenGrenzwachen nicht entdeckt zu werden. Nach etwa e<strong>in</strong>em Monat erreichte Nyima am 20. April2004 Dharamsala, den Sitz der tibetischen Exilregierung. Sie berichtete dem TCHRD über die wieder-


9holte <strong>Folter</strong>ung und die unmenschliche Behandlung, denen sie und ihre Gefährt<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> den Haftanstaltenunterworfen worden waren. Hier folgt e<strong>in</strong>e Transkription ihrer Aussage:"Im September 1993 wurden me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>nen und ich aus dem Kloster ausgeschlossen, denn e<strong>in</strong>erneuen Direktive zufolge durften künftig ke<strong>in</strong>e Nonnen unter 18 Jahren mehr im Kloster wohnen. Umunsere Me<strong>in</strong>ung kundzutun, beschloß ich zusammen mit zwei anderen Nonnen etwas zu tun, das unseremLeben e<strong>in</strong>e entscheidende Wendung geben sollte. Am 19. März 1994 machten wir uns heimlichauf den Weg nach Lhasa, um gegen die religiöse Unterdrückung zu protestieren. Wir kamen am Morgendes 21. März <strong>in</strong> der Stadt an. Wir g<strong>in</strong>gen geradewegs zum Barkhor-Markt, auf dem bereits regerBetrieb herrschte, und riefen etwa 15 M<strong>in</strong>uten lang unsere Parolen, bis uns Beamte des PSB auf derStelle festnahmen, wobei sie uns Lederhandschuhe <strong>in</strong> den Mund preßten. Wir wurden zuerst <strong>in</strong> derPolizeistation des Barkhor festgehalten und dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Polizeiauto gestoßen, das uns zur Gutsa-Haftanstalt transportierte. Auf dem Weg dorth<strong>in</strong> wurden wir heftig geschlagen.Die Vernehmungsbeamten wollten herausf<strong>in</strong>den, ob wir zu unserer Handlung von Außenstehendenveranlaßt wurden, daher versuchten sie mich zu e<strong>in</strong>em Geständnis me<strong>in</strong>es ‚Verbrechens’ zu zw<strong>in</strong>genund zur E<strong>in</strong>räumung der ‚Fehler’, die ich begangen hätte. Aber ich weigerte mich jedes Mal, ihre Fragenzu beantworten und gab nicht zu, e<strong>in</strong> Verbrechen begangen zu haben. Me<strong>in</strong>er Ansicht nach hattendie Ch<strong>in</strong>esen e<strong>in</strong> Verbrechen begangen, <strong>in</strong>dem sie me<strong>in</strong>e Menschenrechte als Individuum verletzten.Ich nahm mir vor, nichts zuzugeben, und sollte es me<strong>in</strong> Leben kosten. Wenn ich es täte, dann hättensie gewonnen. Wegen dieser Entschlossenheit wurde ich fürchterlich gefoltert.Jeden Tag wurden uns bei der Vernehmung immer wieder dieselben Fragen gestellt, und jeden Tagweigerte ich mich, ihnen den gewünschten Gefallen zu tun. Die Pe<strong>in</strong>iger nahmen jeden greifbaren Gegenstand,um uns zu schlagen: Stühle, Gürtel, ihre Stiefel oder ihre Fäuste. Je länger die Vernehmungendauerten, um so bestialischer wurde die <strong>Folter</strong>ung. Ich wurde wiederholt mit brennenden Zigarettenversengt, kochendes Wasser wurde über mich gegossen und Holzstöcke wurden mir <strong>in</strong> den Mundgestoßen. Aber immer noch gestand ich nicht, irgende<strong>in</strong> Verbrechen begangen zu haben. Nach sechsMonaten täglicher Vernehmung und <strong>Folter</strong> wurde formell Anklage gegen mich erhoben und ich wurdeverurteilt. Von e<strong>in</strong>er gesetzlichen Vertretung oder e<strong>in</strong>em Prozeß sah ich nichts. Für me<strong>in</strong> ‚Verbrechen’bekam ich fünf Jahre Gefängnis und drei Jahre Entzug der bürgerlichen Rechte. Wir wurden noch weitere17 Monate im Gutsa-Untersuchungsgefängnis behalten, ehe wir im August 1995 <strong>in</strong>s Drapchi Gefängnisverlegt wurden. Nach unserer Ankunft <strong>in</strong> Drapchi mußten wir als erstes die Gefängnisregelnund andere Verordnungen auswendig lernen. Es wurde erwartet, daß ich nach e<strong>in</strong>er Woche den gesamtenText vor den Gefängniswärtern aufsagen könnte.Weder las ich den Text noch lernte ich ihn auswendig, denn ich wußte, daß ich ke<strong>in</strong> Verbrechen begangenhatte. Als Strafe hierfür mußte ich bewegungslos draußen stehen und stundenlang <strong>in</strong> die Sonnestarren. Oft stellten die Wachen e<strong>in</strong>e Wasserschüssel auf me<strong>in</strong>en Kopf und klemmten mir Zeitungspapierzwischen die Knie und unter die Arme, damit ich mich auf ke<strong>in</strong>en Fall bewege. Wenn irgendetwas davon herunterfiel, wurde ich geschlagen. Wenn man über Stunden <strong>in</strong> die Sonne starren muß,wird e<strong>in</strong>em schw<strong>in</strong>delig, man erbricht und fällt bewußtlos um. Immer wenn das passierte, schlugen siemich. Zwei Monate lang wurde ich dieser Tortur unterzogen. Danach wurden ich sowie 63 andere Häftl<strong>in</strong>gewie Soldaten gedrillt. Wir mußten dabei oft <strong>in</strong> ausgehungertem Zustand <strong>in</strong> perfektem Gleichschrittmarschieren. Wer immer die Übung nicht perfekt ausführte, wurde geschlagen. Vier Monate lang triebensie es so mit uns.Ich weigerte mich weiterh<strong>in</strong>, Sätze der Selbstbezichtigung herzusagen, daß ich me<strong>in</strong>e Fehler akzeptierenund an der Reform me<strong>in</strong>es Denkens arbeiten würde. Statt dessen gab ich Menschenrechtsgrundsätzeund Unabhängigkeitsparolen von mir. Wegen dieser trotzigen Haltung wurde mir das Recht aufBesuche me<strong>in</strong>er Familie gänzlich gestrichen, und vier Wachen schlugen mich systematisch. Das nanntensie ‚Fußball Spielen’, wobei ich der ‚Fußball’ war. Sie stellten sich wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Viereck auf und ichmußte der Reihe nach vor sie h<strong>in</strong>treten, damit sie mich zu Boden stießen.E<strong>in</strong>e besonders brutale <strong>Folter</strong>technik war, als ich und mehrere andere Häftl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>en vollen Tag ohneuns zu bewegen barfuß auf dem Eis stehen mußten. Nach mehreren Stunden qualvoller Schmerzenwurde unser Körper völlig taub. Zu dieser Zeit kam e<strong>in</strong>e weibliche Wache <strong>in</strong> Schuhen mit hohen Absätzenund sie trat jeder von uns Frauen auf die gefrorenen Füße. Am späten Nachmittag mußten wirunsere Füße vom Eis wegziehen, wobei die Haut der Fußsohlen am Eis kleben blieb, das am Endevoller Blut war. Danach mußten wir wieder <strong>in</strong> der Sonne stehen, wobei unsere Glieder ‚auftauten’ undwir entsetzliche Schmerzen litten.


10Am dritten Tag des tibetischen Neujahrsfests 1997 wurden die Insassen der zwei Frauentrakte, <strong>in</strong> denensowohl krim<strong>in</strong>elle als auch politische Häftl<strong>in</strong>ge untergebracht waren, <strong>in</strong> den Hof des Drapchi Gefängnissesgebracht, wo sie Loblieder auf Mao Zedong und die Kommunistische Partei s<strong>in</strong>gen mußten.Als e<strong>in</strong>e Strafgefangene das vorgeschriebene Lied zu s<strong>in</strong>gen begann, standen Jamdron und ich aufund starteten e<strong>in</strong> Lied zu Ehren des Dalai Lama und für e<strong>in</strong> Freies <strong>Tibet</strong>. Die Gefängniswachen packtenuns sofort und zerrten uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der Gefängnisbüros. Wir ließen uns nicht abschrecken undsangen weiter, bis wir so zusammengeschlagen wurden, daß wir nachgeben mußten. Damals weigertensich alle politischen Häftl<strong>in</strong>ge im Hof aufzustehen, bis sie von uns ließen. Allerd<strong>in</strong>gs schickten siesogleich e<strong>in</strong> Sonderkommando, um den Aufruhr der Frauen im Hof niederzuschlagen. Sie schlugenuns mit elektrischen Schlagstöcken, bis wir das Bewußtse<strong>in</strong> verloren. Wir kamen wieder zu uns, als dieWachen uns Wasser <strong>in</strong>s Gesicht spritzten, aber das taten sie nur, um uns erneut zu schlagen.Als Strafe für unser Tun wurden wir über e<strong>in</strong> Jahr lang <strong>in</strong> Isolationshaft gehalten. Wir wurden <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e,f<strong>in</strong>stere Zellen e<strong>in</strong>geschlossen und bekamen nur e<strong>in</strong>en Dampfwecken und e<strong>in</strong>e Tasse Wasser pro Tagund selbst <strong>in</strong> dem unglaublich kalten tibetischen W<strong>in</strong>ter ke<strong>in</strong>e warme Kleidung oder Decken.Nach e<strong>in</strong>em Jahr E<strong>in</strong>zelhaft kam ich zusammen mit Jamdron <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zelle. Zuerst konnten wir e<strong>in</strong>andergar nicht mehr wiedererkennen, so sehr waren wir <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>zelhaft abgemagert. Nach acht Monatenverlegten sie uns wieder zu den anderen politischen Häftl<strong>in</strong>gen. Drei Monate später, im März 1999,wurde ich nach 5 Jahren aus dem Drapchi Gefängnis entlassen.”Aussage der Nonne und ehemaligen politischen Gefangenen NyidronNyidron trat 1992 <strong>in</strong> das Phenpo Podo Frauenkloster e<strong>in</strong>. Sie war jedoch nicht sehr lange dort, dennsie wurde festgenommen, weil sie am 21. März 1994 am Barkhor <strong>in</strong> Lhasa gegen die ch<strong>in</strong>esische Besatzung<strong>Tibet</strong>s protestiert hatte. Später wurde sie zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.Hier folgt, was Nyidron bei ihrer Ankunft <strong>in</strong> Dharamsala am 20. April 2004 dem TCHRD berichtete.Nyidron verlor durch die schweren Mißhandlungen der Gefängnisaufseher zwei Schneidezähne undwurde danach lange <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gesperrt."Nach den Protesten <strong>in</strong> Drapchi vom 1. und 4. Mai 1998 wurde ich <strong>in</strong>s Büro gerufen und gefragt, werder Mann sei, der die Proteste vom Zaum gebrochen hatte. Ich gab ke<strong>in</strong>e Antwort. Zusammen mit achtanderen weiblichen politischen Gefangenen wurden wir zu e<strong>in</strong>em Strafprozeß gegen zwei Krim<strong>in</strong>ellegebracht und mußten zusehen, wie die beiden zum Tode verurteilt wurden. Die Gefängnisbeamtenwollten uns ängstigen, <strong>in</strong>dem sie uns das gleiche Schicksal androhten, falls wir uns nicht besserten.Acht Tage später warfen die politischen Gefangenen ihre Eßnäpfe aus dem Fenster, um auf dieseWeise dagegen zu protestieren, daß die <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft bef<strong>in</strong>dlichen politischen Gefangenen nichts zuessen bekamen. Der Hungerstreik dauerte e<strong>in</strong>e Woche. Dann versprachen uns die Gefängnisbediensteten,sie würden den <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft bef<strong>in</strong>dlichen Häftl<strong>in</strong>gen nun Nahrung geben, und mahnten uns,ebenfalls wieder zu essen. E<strong>in</strong>ige Tage danach wurden alle Gefangenen zusammengerufen und angewiesen,die ch<strong>in</strong>esische Nationalhymne auswendig zu lernen und zu s<strong>in</strong>gen. Ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige von unskam dieser Anordnung nach, weswegen die Beamten anf<strong>in</strong>gen, uns e<strong>in</strong>e nach der anderen zu verprügeln.Trotzdem war ke<strong>in</strong>e von uns bereit, die Nationalhymne zu s<strong>in</strong>gen. Nun riefen die Beamten e<strong>in</strong>ePAP-E<strong>in</strong>greiftruppe herbei, damit sie uns e<strong>in</strong>e Lektion erteilen sollte. Die PAP-Milizionäre schlugenerbarmungslos auf jede e<strong>in</strong>zelne Gefangene e<strong>in</strong>, und e<strong>in</strong>er von ihnen traf mich mit se<strong>in</strong>er Metallruteauf den Mund. Me<strong>in</strong>e beiden Schneidezähne fielen aus und ich blutete heftig aus dem Mund. Ichspuckte dem Beamten das Blut <strong>in</strong>s Gesicht. Daraufh<strong>in</strong> wurde er noch wütender und prügelte noch brutalerauf mich e<strong>in</strong>, bis ich ohnmächtig umfiel. Sieben Tage lang lag ich im Koma im Gefängnishospital,bevor ich wieder zu mir kam. Anschließend wurde ich – immer noch mehr tot als lebendig – 11 Monatelang <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gesperrt. Erst als me<strong>in</strong>e Haftzeit am 20. März 1999 zu Ende war, wurde ich aus derE<strong>in</strong>zelhaft befreit und zum Büro gebracht. Die Beamten dort warnten mich davor, wenn ich aus demGefängnis heraus sei, mit irgend jemandem über das, was geschehen war, zu sprechen. Sie zwangenmich dazu, niederzuschreiben, daß ich mich mit ihren Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>verstanden erklärte, und me<strong>in</strong>enDaumenabdruck darunter zu setzen. Sie drohten mir wiederholt mit den Konsequenzen, die ich zutragen hätte, falls ich ihren Anweisungen nicht nachkäme. Gegen Mittag kamen zwei PSB-Beamte ausPhenpo, um mich abzuholen. Sie brachten mich nach Hause und erklärten me<strong>in</strong>em Bruder, daß ichdas Haus nicht verlassen dürfte. Er mußte ihnen schriftlich bestätigen, daß er dieser Anordnung Folgeleisten würde.


11Daraufh<strong>in</strong> wurde ich wegen der erlittenen Verletzungen <strong>in</strong>s Krankenhaus e<strong>in</strong>geliefert, wo ich lange Zeitlag. Trotzdem mußte ich es vor me<strong>in</strong>er vollständigen Genesung verlassen, weil me<strong>in</strong>e Familie dieenormen Behandlungskosten nicht mehr aufbr<strong>in</strong>gen konnte. Me<strong>in</strong>em Kloster war untersagt worden,mich wieder aufzunehmen, und ich konnte auch ke<strong>in</strong>e Arbeit f<strong>in</strong>den, durch die ich me<strong>in</strong>en Lebensunterhalthätte verdienen können. Zusammen mit Nyima führte ich 2002 e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Lebensmittelstand<strong>in</strong> Ramoche <strong>in</strong> Lhasa, aber nach e<strong>in</strong>em Monat befahlen uns drei Polizisten des PSB-Büros der StadtLhasa, den Stand zu schließen, weil er angeblich e<strong>in</strong> Treffpunkt für ‚Reaktionäre’ sei. Für ehemaligepolitische Gefangene ist das Leben sehr hart. Sie bekommen weder Arbeit <strong>in</strong> Kooperativen noch <strong>in</strong> derPrivatwirtschaft. Die Behörden stellen ihnen ke<strong>in</strong>e Registrierungszertifikate oder sonstige Genehmigungenaus, wenn sie sich als Kle<strong>in</strong>unternehmer selbständig machen wollen. In <strong>Tibet</strong> ist e<strong>in</strong> Menscham Ende, wenn er e<strong>in</strong>e wie auch immer geartete politische Vergangenheit hat."Kapitel 4: Internationale und nationale Bestimmungen gegen <strong>Folter</strong>1) Die UN-Konvention gegen <strong>Folter</strong> (CAT)Die Ächtung der <strong>Folter</strong> ist e<strong>in</strong>er der wichtigsten Aspekte des Menschenrechtskodex. Der Art. 5 der Allgeme<strong>in</strong>enErklärung der Menschenrechte verfügt, daß “niemand der <strong>Folter</strong> oder grausamer, unmenschlicheroder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf”. Dasselbe wird imArt. 7 des Internationalen Abkommens über bürgerliche und politische Rechte ausgedrückt (ICCPR) 7 .Die UN-Konvention gegen <strong>Folter</strong> legt <strong>in</strong> ihrem Artikel 2 ausdrücklich fest, daß jeder Vertragsstaat“wirksame gesetzgeberische, verwaltungsmäßige, gerichtliche oder sonstige Maßnahmen trifft, um<strong>Folter</strong>ungen <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>er Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten zu verh<strong>in</strong>dern”. Durch diese expliziteBestimmung des Artikels s<strong>in</strong>d die Vertragsstaaten von Gesetzes wegen verpflichtet, <strong>Folter</strong> zu verh<strong>in</strong>dern8 . Die Konvention gegen <strong>Folter</strong> ist der e<strong>in</strong>zige rechtsverb<strong>in</strong>dliche Vertrag auf <strong>in</strong>ternationalerEbene, der sich ausschließlich mit der Abschaffung der <strong>Folter</strong> beschäftigt.Die hehren Ziele der verschiedenen Verträge und Gremien für die Verh<strong>in</strong>derung von <strong>Folter</strong> und anderenMenschenrechtsverletzungen bleiben oft unerreicht, weil die Kontrollmechanismen und Maßnahmennicht ausreichen, um ihre praktische Durchsetzung zu erzw<strong>in</strong>gen. Es besteht weitgehender Konsensdarüber, daß das gegenwärtige System zur Wahrung der Menschenrechte untauglich ist.“Ohne praktische Umsetzung kl<strong>in</strong>gen all diese Erklärungen hohl. Wenn ihnen ke<strong>in</strong>e Taten folgen, s<strong>in</strong>dVersprechen bedeutungslos… Für Menschen, die Kriegsverbrechen zum Opfer fallen, s<strong>in</strong>d die nichtdurchgesetzten Bestimmungen der Genfer Konvention ke<strong>in</strong> Trost. Verträge, die <strong>Folter</strong> verbieten, s<strong>in</strong>dfür Gefangene, die von ihren Entführern mißhandelt werden, e<strong>in</strong> schlechter Trost, besonders wenn die<strong>in</strong>ternationale Menschenrechtsmasch<strong>in</strong>erie den Verantwortlichen erlaubt, sich h<strong>in</strong>ter dem Rücken vonhochgestellten Freunden zu verbergen.” Kofi Annan, 21. März 2005.Die Konvention gegen <strong>Folter</strong> enthält noch weitere Sicherheitsklauseln gegen die <strong>Folter</strong>, die über diebetreffenden Artikel der Allgeme<strong>in</strong>en Erklärung der Menschenrechte und des ICCPR h<strong>in</strong>ausgehen. Inbeiden heißt es: “Niemand darf der <strong>Folter</strong> oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlungoder Strafe unterworfen werden”. Der ICCPR fügt noch h<strong>in</strong>zu: “Insbesondere darf niemandohne se<strong>in</strong>e freiwillige Zustimmung mediz<strong>in</strong>ischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfenwerden”.Das Hauptgewicht <strong>in</strong> der Konvention gegen <strong>Folter</strong> liegt auf der Verantwortung e<strong>in</strong>es jeden Vertragsstaats,“wirksame gesetzgeberische, verwaltungsmäßige, gerichtliche oder sonstige Maßnahmen zutreffen, um <strong>Folter</strong>ungen <strong>in</strong> allen se<strong>in</strong>er Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten zu verh<strong>in</strong>dern” (Art. 2),und “diese Straftaten mit angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat berücksichtigen, zu bedrohen”(Art. 4). Woh<strong>in</strong>gegen der Art. 10 der Konvention besagt: “Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge,daß die Erteilung von Unterricht und die Aufklärung über das Verbot der <strong>Folter</strong> als vollgültiger Bestandteil<strong>in</strong> die Ausbildung des mit dem Gesetzesvollzug betrauten zivilen und militärischen Personals,des mediz<strong>in</strong>ischen Personals, der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und anderer Personen auf-7 “Niemand darf der <strong>Folter</strong> oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.Insbesondere darf niemand ohne se<strong>in</strong>e freiwillige Zustimmung mediz<strong>in</strong>ischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfenwerden.”8 Mit Stand 23. April 2004 haben 136 Staaten die Konvention gegen <strong>Folter</strong> ratifiziert.


12genommen wird, die mit dem Gewahrsam, der Vernehmung oder der Behandlung e<strong>in</strong>er Person befaßtwerden können, die der Festnahme, der Haft, dem Strafvollzug oder irgende<strong>in</strong>er anderen Form derFreiheitsentziehung unterworfen ist”.Durch die Konvention s<strong>in</strong>d die Vertragsstaaten auch gebunden, wirksame Maßnahmen zur Verhütungvon <strong>Folter</strong> und anderen Formen grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Bestrafungzu ergreifen. So enthält sie e<strong>in</strong>e Reihe von diesbezüglichen Vorschriften, deren Zweck es ist,daß <strong>in</strong> den Vertragsstaaten derartige Akte verh<strong>in</strong>dert oder verboten werden, wie etwa die Überprüfungder Vernehmungstechniken, die E<strong>in</strong>leitung sofortiger und unvore<strong>in</strong>genommener Ermittlungen, dasVerbot, e<strong>in</strong>e durch <strong>Folter</strong> erpreßte Aussage bei e<strong>in</strong>em Prozeß als Beweismittel heranzuziehen, unddas Recht auf Zugang zu Rechtsmitteln und Entschädigung.Bezüglich zweier Artikel der Konvention hält die VR Ch<strong>in</strong>a stur an ihren Vorbehalten fest. Diese brachtesie bei der Unterzeichnung vor und wiederholte sie bei der Ratifizierung:1) Die ch<strong>in</strong>esische Regierung erkennt die Zuständigkeit des Ausschusses gegen <strong>Folter</strong>, wie sie imArt. 20 der Konvention vorgesehen ist, nicht an 9 .2) Die ch<strong>in</strong>esische Regierung betrachtet sich durch den Abs. 1 von Art. 30 der Konvention nichtgebunden 10 .2) Weitere UN Mechanismen zur Abschaffung der <strong>Folter</strong>Innerhalb der Vere<strong>in</strong>ten Nationen gibt es im H<strong>in</strong>blick auf die Beseitigung von <strong>Folter</strong> drei wichtige Organe:1) Den Ausschuß der Vere<strong>in</strong>ten Nationen gegen <strong>Folter</strong>, der gemäß Art. 17 der Konvention e<strong>in</strong>gerichtetwurde;2) Das Amt des Sonderberichterstatters der Vere<strong>in</strong>ten Nationen für <strong>Folter</strong>, das im S<strong>in</strong>ne der Resolution1985/33 der UN Menschenrechtskommission geschaffen wurde;3) Den Freiwilligen Fonds der Vere<strong>in</strong>ten Nationen für <strong>Folter</strong>opfer, der gemäß der Resolution36/151 der UN-Vollversammlung vom 16. Dezember 1981 e<strong>in</strong>gerichtet wurde.Außerdem zu nennen s<strong>in</strong>d der “Kongreß der Vere<strong>in</strong>ten Nationen für Verbrechensverhütung und dieBehandlung Straffälliger” von 1955, der unter anderem die M<strong>in</strong>destnormen für die Behandlung vonGefangenen verabschiedete. Dies war das Ergebnis e<strong>in</strong>er der zentralen Initiativen der Vere<strong>in</strong>ten Nationen11 .a) Der Ausschuß gegen <strong>Folter</strong>E<strong>in</strong>e der Hauptfunktionen des Ausschusses gegen <strong>Folter</strong> ist es, die Umsetzung der Konvention gegen<strong>Folter</strong> zu überwachen. Der Ausschuß besteht “aus Sachverständigen von hohem sittlichen Ansehenund anerkannter Sachkenntnis auf dem Gebiet der Menschenrechte, die <strong>in</strong> ihrer persönlichen Eigenschafttätig s<strong>in</strong>d”.9 Der Art. 20 beschreibt das Vorgehen bei der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen. Wenn der Ausschuß zuverlässigeInformationen erhält, die wohlbegründete H<strong>in</strong>weise enthalten, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vertragsstaat systematisch gefoltert wird,dann fordert der Ausschuß diesen Vertragsstaat auf, bei der Prüfung der Information mitzuwirken und se<strong>in</strong>e Stellungnahmeabzugeben. Im E<strong>in</strong>vernehmen mit diesem Vertragsstaat kann e<strong>in</strong>e Untersuchung durch den Ausschuß gegen <strong>Folter</strong> auche<strong>in</strong>en Besuch auf se<strong>in</strong>em Hoheitsgebiet be<strong>in</strong>halten. Der Ausschuß übermittelt se<strong>in</strong>e Untersuchungsergebnisse zusammen mitallen angesichts der Situation geeignet ersche<strong>in</strong>enden Bemerkungen oder Vorschlägen dem betreffenden Vertragsstaat.10 “Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übere<strong>in</strong>kommens,die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden kann, ist auf Verlangen e<strong>in</strong>es dieser Staaten e<strong>in</strong>em Schiedsverfahrenzu unterwerfen. Können sich die Parteien b<strong>in</strong>nen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangtworden ist, über se<strong>in</strong>e Ausgestaltung nicht e<strong>in</strong>igen, so kann jede dieser Parteien die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshofunterbreiten, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>em Statut entsprechenden Antrag stellt.”11 ”UN Standard M<strong>in</strong>imum Rules for the Treatment of Prisoners”, geprüft und für richtig befunden am 31. Juli 1957, ergänztam 13. Mai 1977.


13Der Ausschuß führt se<strong>in</strong>e Arbeit gemäß den <strong>in</strong> den Artikeln 19, 20 und 21 der Konvention gegen <strong>Folter</strong>beschriebenen Abläufen aus. Gemäß dem Art. 19 legen die Vertragsstaaten dem Ausschuß durch denGeneralsekretär Berichte über die Maßnahmen vor, die sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus demÜbere<strong>in</strong>kommen getroffen haben. Diese Berichte werden dann von dem Ausschuß geprüft, der sie mitBemerkungen versieht. Er kann auch wichtige Informationen daraus <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Jahresbericht aufnehmen12 . Die Vertragsstaaten müssen alle vier Jahre periodische Berichte vorlegen, <strong>in</strong> denen die Maßnahmenaufgeführt werden, die sie getroffen haben, um ihrer Verpflichtung aus der Konvention nachzukommen.Diese werden dann von der Konvention geprüft und den Erfordernissen entsprechend mitKommentaren versehen. Ch<strong>in</strong>a legte se<strong>in</strong>en dritten periodischen Bericht über die Durchführung derKonvention gegen <strong>Folter</strong> am 19. September 1999 vor. Im letzten periodischen Bericht ließ Ch<strong>in</strong>a nichtsdarüber erkennen, ob es gewillt ist, se<strong>in</strong>e den Art. 20 der <strong>Folter</strong>konvention betreffenden Vorbehalteaufzugeben oder die Zuständigkeit des Ausschusses gegen <strong>Folter</strong> gemäß den Art. 21 und 22, (Informationenvon anderen Vertragsstaaten und E<strong>in</strong>zelpersonen, die ihrer Aussage nach Opfer von <strong>Folter</strong>wurden, entgegenzunehmen) anzuerkennen. Diese Haltung ist typisch für Ch<strong>in</strong>a, das permanent bestrebtist, e<strong>in</strong>e jede Überprüfung se<strong>in</strong>er Menschenrechtsbilanz <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> von <strong>in</strong>ternationaler Seite aus zuvermeiden.Ch<strong>in</strong>a hat dem Ausschuß gegen <strong>Folter</strong> drei periodische Berichte vorgelegt, wobei der vierte periodischeBericht eigentlich am 2. November 2001 fällig war, aber bisher nicht e<strong>in</strong>gereicht wurde 13 . DerAusschuß hat immer wieder se<strong>in</strong>e Besorgnis “über die fortgesetzten Mitteilungen ernster Fälle von<strong>Folter</strong>, wovon besonders <strong>Tibet</strong>er und andere nationale M<strong>in</strong>derheiten betroffen s<strong>in</strong>d”, zum Ausdruckgebracht 14 . Dasselbe wurde von dem Sonderberichterstatter über Gewalt an Frauen und ihre Ursachenund Folgen berichtet 15 , der auf Fälle von Gewalt gegen Frauen h<strong>in</strong>weist, besonders gegenüber Angehörigenvon M<strong>in</strong>derheiten. Ch<strong>in</strong>a erntete durch se<strong>in</strong>en Umgang mit den Menschenrechten, ganz besondersim H<strong>in</strong>blick auf die <strong>Folter</strong>, von mehreren Staaten und Menschenrechtsorganisationen heftigeKritik 16 .Dieser Ausschuß besteht aus 10 Personen, die “unter Berücksichtigung e<strong>in</strong>er ausgewogenen geographischenVerteilung” gewählt werden, wobei jeder Vertragsstaat e<strong>in</strong>e Person aus se<strong>in</strong>en eigenen Reihennom<strong>in</strong>ieren kann. Auf diese Weise können auch Personen aus Ländern mit e<strong>in</strong>er fragwürdigenMenschenrechtsbilanz wie Ch<strong>in</strong>a <strong>in</strong> dieses Gremium kommen. Mr. Mangjia Yu, e<strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>ese, hatte vomMai 2000 bis zum Dezember 2005 das Amt des Vizevorsitzenden des Ausschusses gegen <strong>Folter</strong> <strong>in</strong>ne.Daß Vertreter von Ländern wie Ch<strong>in</strong>a, die für ihre schweren Menschenrechtsverletzungen bekannts<strong>in</strong>d, mit e<strong>in</strong>er Position von derart hohem moralischem Gewicht bekleidet werden, tut der Wirksamkeite<strong>in</strong>es Vertragsgremiums e<strong>in</strong>deutig Abbruch, egal wie ehrenwert se<strong>in</strong>e Ziele ursprünglich gewesen se<strong>in</strong>mögen.Darüber h<strong>in</strong>aus hat der Ausschuß, wenn ihm von e<strong>in</strong>em Mitgliedsstaat oder aus anderen Quellen wohlbegründete Informationen darüber zugehen, daß e<strong>in</strong> Vertragsstaat die Konvention verletzt oder <strong>Folter</strong>ungpraktiziert, gemäß Art. 20 die Vollmacht, jenen Vertragsstaat vorzuladen, um die Beschuldigungenzu prüfen und diesbezügliche Erklärungen abzugeben. Diese Untersuchung kann auch e<strong>in</strong>en Besuchder Anstalten be<strong>in</strong>halten, <strong>in</strong> denen dem Vernehmen nach <strong>Folter</strong> praktiziert wird 17 . Das Ergebnisder Untersuchung wird dem betreffenden Vertragsstaat mitgeteilt, e<strong>in</strong>schließlich der Kommentare,Empfehlungen und Vorschläge des Ausschusses gegen <strong>Folter</strong>. Die dem Ausschuß durch Art. 20 verlieheneKompetenz ist jedoch fakultativ; e<strong>in</strong> Vertragsstaat kann bei der Ratifizierung oder dem Beitrittzu der Konvention gegen <strong>Folter</strong> se<strong>in</strong>e Nichtakzeptanz dieser Kompetenz erklären 18 .12 UN High Commissioner for Human Rights, Fact Sheet No. 17, The Committee aga<strong>in</strong>st Torture, 2000.13 Der anfängliche Bericht ist enthalten <strong>in</strong> UN Doc.CAT/C/7/Add.5, 27. April 1990, der ergänzende Bericht <strong>in</strong> UNDoc.CAT/C/7/Add.14, 18. Januar 1993, der zweite Bericht <strong>in</strong> UN Doc.CAT/C/20/Add.5; 15. Februar 1996 und der dritteBericht <strong>in</strong> CAT/C/39/Add.2; 19 September 1999.14 ”Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Kommission gegen <strong>Folter</strong>: Ch<strong>in</strong>a”, UN Doc. A/55/44, Abs.106-145, 9. Mai2000, Abs. 116. Siehe auch Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Kommission gegen <strong>Folter</strong> betreffend den zweitenLänderbericht <strong>in</strong> UN Doc.CAT/C/SR.254, 10. Mai 1996, D.1 and D.3.15 UN Doc.E/CN.4/2001/73/Add.1; 13. Februar 2001 Abs. 15-21.16 Siehe die Übersicht bei Human Rights Watch: World Report 2003, Ch<strong>in</strong>a.17 Ibid.18 Ibid. In diesem Fall darf die Kommission gegen <strong>Folter</strong> die ihr durch den Art. 20 verliehene Vollmacht solange nicht ausüben,als der betreffende Staat an se<strong>in</strong>en Vorbehalten festhält.


14b) Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong>Dieses Amt wurde der Kommission gegen <strong>Folter</strong> h<strong>in</strong>zugefügt, um <strong>Folter</strong> besser bekämpfen zu können.Die UN Menschenrechtskommission ernannte e<strong>in</strong>en Sonderberichterstatter, damit sie zuverlässigeInformationen über <strong>Folter</strong> bekommt und ohne Verzug darauf reagieren kann. Während es Aufgabe derKommission ist, spezifische Fälle von angeblicher <strong>Folter</strong> zu überprüfen, befaßt sich der Berichterstattermit der <strong>Folter</strong> im allgeme<strong>in</strong>en 19 .Der Berichterstatter kann die Regierung e<strong>in</strong>es Vertragsstaates auffordern, Informationen über die gesetzgeberischenund verwaltungsmäßigen Maßnahmen zu liefern, über die sie verfügt, um <strong>Folter</strong> zuverh<strong>in</strong>dern und ihren Folgen abzuhelfen. Weiterh<strong>in</strong> kann der Sonderberichterstatter das Problem der<strong>Folter</strong> <strong>in</strong> den Staaten prüfen, die der Konvention angehören, ferner <strong>in</strong> allen UN-Mitgliedsstaaten undsogar <strong>in</strong> Staaten, die nur e<strong>in</strong>en UN-Beobachterstatus haben. Schließlich kann der Berichterstatter zumSchutz des Rechtes auf körperliche und geistige Integrität dem der <strong>Folter</strong> beschuldigten Staat dieseVorwürfe zur Kenntnis br<strong>in</strong>gen, sich mit Regierungsvertretern kurzschließen und Besuche von beratendemCharakter vor Ort durchführen 20 .Im Unterschied zu dem Beschwerdeweg bei den Gremien, die für die Überwachung der E<strong>in</strong>haltung der<strong>in</strong>ternationalen Menschenrechtsverträge zuständig s<strong>in</strong>d, kann der Sonderberichterstatter sofort handelnund braucht nicht zu warten, bis die <strong>in</strong>nerstaatlichen Rechtsmittel erschöpft s<strong>in</strong>d; außerdem betrifftse<strong>in</strong> Mandat alle Länder, ungeachtet dessen, ob e<strong>in</strong> Staat die Konvention gegen <strong>Folter</strong> ratifizierthat oder nicht. Der jetzige Sonderberichterstatter, Prof. Manfred Nowak 21 , wurde am 1. Dezember2004 <strong>in</strong> dieses Amt berufen. Der Aufgabenbereich des Sonderberichterstatters umfaßt hauptsächlichdie folgenden Aktivitäten: Die Übermittlung von Eilappellen <strong>in</strong> bezug auf Personen, die <strong>in</strong> Gefahr stehen,gefoltert zu werden, an den jeweiligen Staat, die Mitteilung über Fälle, bei denen <strong>in</strong> der Vergangenheitgefoltert wurde, und die Unterbreitung der jährlichen Berichte an die Menschenrechtskommissionund die Vollversammlung der UNO. Der Sonderberichterstatter kann geme<strong>in</strong>same Erklärungene<strong>in</strong>reichen und versuchen, geme<strong>in</strong>same Missionen mit anderen thematischen Ausschüssen und Länderberichterstatterndurchzuführen.Der Besuch des UN-Sonderberichterstatters für <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Staat hat den Zweck, “dieLage <strong>in</strong> diesem Land im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>Folter</strong> direkt zu beurteilen, e<strong>in</strong>schließlich der <strong>in</strong>stitutionellenund gesetzgeberischen Faktoren, die solcher Praxis Vorschub leisten, und dementsprechende Empfehlungenzu geben”. E<strong>in</strong>e faire und glaubwürdige Beurteilung setzt daher u.a. voraus, daß er Ermittlungsfreiheithat, wie etwa freien Zugang zu den Orten, an denen die Gefangenen <strong>in</strong>haftiert und verhörtwerden, daß er vertrauliche und unüberwachte Interviews mit den Häftl<strong>in</strong>gen, Privatpersonen und Vertreternder Zivilgesellschaft führen kann, ohne daß diese Repressalien fürchten müssen, und daß erZugang zu allen e<strong>in</strong>schlägigen Dokumenten erhält 22 .Der frühere Sonderberichterstatter, Theo van Boven, gab e<strong>in</strong>e Erklärung ab, <strong>in</strong> der er se<strong>in</strong> Bedauerndarüber äußerte, daß se<strong>in</strong> Besuch der VR Ch<strong>in</strong>a, der für Ende Juni 2004 geplant war, auf Ersuchender Regierung auf e<strong>in</strong>en späteren Zeitpunkt im Jahr verschoben werden mußte. Als Grund für denAufschub nannten die Ch<strong>in</strong>esen, daß sie “angesichts der diversen <strong>in</strong>volvierten Behörden, M<strong>in</strong>isterienund Prov<strong>in</strong>zen mehr Zeit zu den Vorbereitungen für den zweiwöchigen Besuch benötigten” 23 . Der Antragzu e<strong>in</strong>em Besuch wurde erstmals 1995 gestellt, aber tatsächlich kam der Besuch erst e<strong>in</strong> Jahrzehntspäter zustande. Die UN-Arbeitsgruppe für Willkürliche Verhaftung 24 , deren Vorsitzende Ms. LeilaZerrougui ist, besuchte Ch<strong>in</strong>a vom 18. bis 20. September 2004. Internationalen Menschenrechts-NGOs verweigert Ch<strong>in</strong>a nach wie vor die Erlaubnis, das Land zum Zweck unabhängiger Untersuchungenzu besuchen.19 “Bürgerliche und Politische Rechte, e<strong>in</strong>schließlich des Problems der <strong>Folter</strong> und Festhaltung: Bericht des SonderberichterstattersSir Nigel S. Rodley”, vorgelegt <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit der Resolution 1998/38 der Menschenrechtskommission 55.Sitzung, Vorläufige Agenda Punkt 11 (a), UN Doc E/CN.4/1999/61(1999).20 Ibid.21 Prof. Manfred Nowak, e<strong>in</strong> Akademiker aus Österreich, der auch <strong>in</strong> Menschenrechts-NGOs engagiert ist. Direktor desLudwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte <strong>in</strong> Wien. Se<strong>in</strong> Spezialgebiet s<strong>in</strong>d die Menschenrechte <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, über die erim Dezember 2005 berichtete.22 “Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> teilt die Verschiebung se<strong>in</strong>es Besuchs <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a mit”, United Nations High Commissionerfor Human Rights, 16 June 2004.23 ”Special Rapporteur on Torture announces postponement of visit to Ch<strong>in</strong>a,” United Nations High Commissioner for HumanRights, 16 June 2004.24 Work<strong>in</strong>g Group on Arbitrary Detetion (WGAD).


15In Bezug auf das derzeitige System der Menschenrechtsvertragsorgane anerkennt die UN-Hochkommissar<strong>in</strong> für Menschenrechte <strong>in</strong> ihrem “Plan of Action: Protection and Empowerment” (Leitl<strong>in</strong>ienMenschenrechte), der von dem Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) aufVerlangen des UN-Generalsekretärs im Mai 2005 vorgelegt wurde:“Die Staaten… erstatten an die diversen Vertragsorgane separat Bericht, oft jedoch handelt es sichdabei um recht ähnliche und sich überschneidende Belange… Die Berichte kommen verzögert, undwenn sie e<strong>in</strong>gereicht werden, s<strong>in</strong>d sie oft unzulänglich, und die Zeit reicht nicht, um sie e<strong>in</strong>gehend zuprüfen. Die abschließenden Bemerkungen der Vertragsorgane ermangeln oft der Präzision, die notwendigwäre, um Reformen zu unterstützen, und nur allzu oft wird ihnen von den e<strong>in</strong>zelnen Staatennicht die erwünschte Aufmerksamkeit entgegengebracht”.Deshalb wird die Konvention gegen <strong>Folter</strong> ebenso wie auch andere geltende Völkerrechtsverträge ammeisten dadurch <strong>in</strong> ihrer Effizienz e<strong>in</strong>geschränkt, daß es ke<strong>in</strong>en angemessenen Mechanismus zu ihrerDurchsetzung gibt. Die Konvention, die auf der Idee des allgeme<strong>in</strong>en Konsensus unter den Vertragsstaatenbasiert, daß <strong>Folter</strong> unter ke<strong>in</strong>en Umständen zulässig se<strong>in</strong> kann, beruht aber im H<strong>in</strong>blick aufihre Umsetzung auf Freiwilligkeit. Sie entbehrt daher der Wirksamkeit, wenn nämlich <strong>Folter</strong> der politischenStruktur e<strong>in</strong>es Vertragsstaats <strong>in</strong>härent ist.“Gesetze, gegen die ständig ohne jegliche Konsequenzen für die Täter verstoßen werden kann, werdenkaum Beachtung f<strong>in</strong>den. Und genau so verhält es sich mit den <strong>in</strong>ternationalen Menschenrechtsbestimmungenauf nationaler Ebene. Wo das <strong>Folter</strong>n ungestraft bleibt…, verliert die Menschenrechtsgesetzgebungihre Glaubwürdigkeit… Viel muß noch auf nationaler Ebene getan werden, um den grundlegendenMenschenrechtsgarantien Geltung zu verschaffen, nicht zuletzt durch die Herstellung undWahrung der Unabhängigkeit der Justiz” 25 .Außerdem basieren die derzeitigen Völkerrechts<strong>in</strong>strumente gegen <strong>Folter</strong> auf der Annahme, daß derhauptsächliche Faktor, der die Staaten davon abschreckt, Menschenrechtsverletzungen zu begehen,der Wunsch ist, <strong>in</strong>nerhalb der <strong>in</strong>ternationalen Geme<strong>in</strong>schaft Anerkennung und Zustimmung zu f<strong>in</strong>den.Wie jedoch <strong>in</strong> “Respect”, dem Menschenrechts-Newsletter des Büros der Menschenrechtskommission,Ausgabe Mai 2005, e<strong>in</strong>geräumt wird, wird <strong>in</strong>zwischen selbst das sche<strong>in</strong>bar unanfechtbare Pr<strong>in</strong>zip desabsoluten Verbots der <strong>Folter</strong> angegriffen: “Der eigentliche Begriff dessen, was <strong>Folter</strong> darstellt, wirddisputiert, umdef<strong>in</strong>iert, bestritten, und Normen, die sich bereits etabliert haben, werden wieder <strong>in</strong> Fragegestellt”. Wie es sachkundig von Edouard DeLaplace von der “Association pour la prévention de latorture” beschrieben wird: “Die Auswirkungen hiervon könnten se<strong>in</strong>, daß Länder, wo rout<strong>in</strong>emäßig gefoltertwird, argumentieren werden, daß die <strong>Folter</strong> eigentlich akzeptabel sei, weil ja Supermächte sieausüben”. In der Tat trat genau dies im März dieses Jahres e<strong>in</strong>, als die USA <strong>in</strong> ihrer jährlichen Studiezu Menschenrechten <strong>in</strong> aller Welt Ch<strong>in</strong>as Menschenrechtspraxis verurteilten, und <strong>in</strong>sbesondere dieTötung und <strong>Folter</strong> von Dissidenten. Drei Tage danach antwortete Ch<strong>in</strong>a mit se<strong>in</strong>em eigenen Report.“Es entbehrt nicht e<strong>in</strong>er gewissen Ironie, daß… die Vere<strong>in</strong>igten Staaten sich wieder e<strong>in</strong>mal als die‚Welt-Menschenrechts-Polizei’ aufspielen”, heißt es da, und weiter wurde auf den dokumentiertenSachverhalt systematischer Mißhandlung von Häftl<strong>in</strong>gen durch amerikanische Soldaten im Abu GhraibGefängnis im Irak h<strong>in</strong>gewiesen. Man kann nicht mit Gewißheit sagen, ob es überhaupt Mitglieder der<strong>in</strong>ternationalen Geme<strong>in</strong>schaft gibt, die moralisch frei von Tadel s<strong>in</strong>d, und noch schlimmer, man wird dieBefürchtung nicht los, daß vielleicht bald ungestraft gefoltert werden könne.Nachdem der Ausschuß gegen <strong>Folter</strong> den von der VR Ch<strong>in</strong>a für die Sitzung vom 1.-19. Mai 2000 e<strong>in</strong>gereichtenBericht geprüft hatte, hob er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Schlußbemerkungen und Empfehlungen unter derÜberschrift “Beachtenswertes” die folgenden die <strong>Folter</strong> betreffenden wichtigen Punkte hervor:116. Der Ausschuß ist besorgt über die fortgesetzten Berichte über schwere <strong>Folter</strong>ungen, besondersvon <strong>Tibet</strong>ern und anderen nationalen M<strong>in</strong>derheiten.117. Der Ausschuß stellt mit Besorgnis fest, daß es ke<strong>in</strong>e detaillierten Informationen und nach Geschlechtaufgeschlüsselten Statistiken über <strong>Folter</strong> und andere Formen grausamer, unmenschlicher undherabwürdigender Behandlung oder Strafe gibt.121. Mit Besorgnis wird das Nichtvorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen und wirksamen Ermittlungs<strong>in</strong>strumentesfestgestellt, um Behauptungen über <strong>Folter</strong>ungen überprüfen zu können (9. Mai 2000).25 UN High Commissioner for Human Rights ‘Plan of Action: Protection and Empowerment’, May 2005.


16Ch<strong>in</strong>a ist wiederholt e<strong>in</strong>er kritischen Überprüfung se<strong>in</strong>es Verhaltens durch die Menschenrechtskommissionaus dem Weg gegangen, <strong>in</strong>dem es den von der Satzung her vorgesehenen Antrag auf “Nichtbefassung”stellte, um e<strong>in</strong>e Debatte über e<strong>in</strong>en Resolutionsentwurf zu se<strong>in</strong>em Menschenrechtsberichtzu blockieren. Peter Spl<strong>in</strong>ter, der Vertreter von Amnesty International bei den Vere<strong>in</strong>ten Nationen <strong>in</strong>Genf, urteilt über die 61. Sitzung der Menschenrechtskommission 2005 wie folgt: “Obwohl bei der 61.Menschenrechtskommission e<strong>in</strong>ige positive Ergebnisse zu verzeichnen s<strong>in</strong>d…, muß ich mich angesichtsdes Schweigens der Kommission zu den schweren Menschenrechtsverletzungen <strong>in</strong> so vielenLändern ernstlich fragen, ob die <strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft überhaupt noch e<strong>in</strong>e moralische Stimmehat”.c) <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> der ch<strong>in</strong>esischen VerfassungIn der ch<strong>in</strong>esischen Verfassung gibt es ke<strong>in</strong> ausdrückliches Verbot von <strong>Folter</strong>. Die entscheidendenBestimmungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Kontext die Art. 37 und 38 der Verfassung, welche die persönliche Würdeder ch<strong>in</strong>esischen Bürger schützen 26 . Das Vorhandense<strong>in</strong> verschiedener Bestimmungen im kodifiziertenRecht ist allerd<strong>in</strong>gs gleichbedeutend mit e<strong>in</strong>em Verbot der <strong>Folter</strong>. Die ch<strong>in</strong>esische Verfassungwurde am 4. Dezember 1982 verkündet. Das Kapitel zwei behandelt mehrere grundlegende bürgerlicheund politische sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, aber man f<strong>in</strong>det dort weder e<strong>in</strong>ausdrückliches Recht auf Leben noch e<strong>in</strong> explizites Verbot von <strong>Folter</strong> und anderen Formen von Mißhandlung27 .Trotz kle<strong>in</strong>er Schritte <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er Aufzählung von Delikten der <strong>Folter</strong> und Mißhandlung, die strafrechtlicherVerfolgung unterliegen, bleibt die Def<strong>in</strong>ition von <strong>Folter</strong> im ch<strong>in</strong>esischen Recht weit h<strong>in</strong>terderjenigen des Artikels 1 der Konvention gegen <strong>Folter</strong> zurück. <strong>Folter</strong> wird im ch<strong>in</strong>esischen Recht immernoch im wesentlichen als Anwendung von physischer Gewalt def<strong>in</strong>iert, die ernstzunehmende Folgenhat wie e<strong>in</strong>e permanente Schädigung oder gar den Tod des Opfers und deren Zweck die Erpressunge<strong>in</strong>er Aussage oder e<strong>in</strong>es Geständnisses ist. Das ch<strong>in</strong>esische Wort für <strong>Folter</strong> <strong>Kux<strong>in</strong>g</strong> bedeutet <strong>in</strong>erster L<strong>in</strong>ie physische Gewalte<strong>in</strong>wirkung, die sichtbare Narben oder körperliche Beh<strong>in</strong>derungen h<strong>in</strong>terläßt.Angesichts e<strong>in</strong>er solchen Def<strong>in</strong>ition wird <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a nur selten verfolgt. Insbesondere physischeoder psychische <strong>Folter</strong>, die ke<strong>in</strong>e sichtbaren Spuren am Körper h<strong>in</strong>terläßt, kann <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a kaum mitangemessenen Strafen belegt werden. Die Folge hiervon ist, daß Handlanger des Staates, die physischeGewalt anwenden, nicht nur straffrei ausgehen, sondern daß auch viele Untersuchungsbeamtezur Mißhandlung greifen, statt geeignete Ermittlungen durchzuführen, um e<strong>in</strong>en Fall zu lösen.Ch<strong>in</strong>a ist gewohnt, Menschenrechtsverletzungen mit e<strong>in</strong>em Mangel an (wirtschaftlicher) Entwicklungoder der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Stabilität zu rechtfertigen, und bezeichnenderweisegibt es ke<strong>in</strong>e schriftliche Verpflichtung ab, solche Menschenrechtsverletzungen fortan zu unterb<strong>in</strong>den.Die Regierung würde auch nie zugeben, daß <strong>Folter</strong> und andere Menschenrechtsverletzungen die direkteFolge von <strong>in</strong>stitutionalisierter Praxis und offizieller Politik s<strong>in</strong>d, von repressiver Gesetzgebung undMachtmißbrauch. Die bei Gerichtsverhandlungen weitverbreitete Praxis, sich beim Urteil auf die Geständnisseder Angeklagten zu stützen, begünstigt natürlich die Anwendung von <strong>Folter</strong>.Kurz gesagt, Ch<strong>in</strong>a hat seit se<strong>in</strong>em letzten Bericht an den Ausschuß 28 von 1999 überhaupt ke<strong>in</strong>e wirksamenMaßnahmen ergriffen, um die <strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>zudämmen. Die Neufassung der Strafprozeßordnunghat ebensowenig wie die des Strafrechts dazu geführt, daß nicht mehr gefoltert wird. Darüber h<strong>in</strong>ausmachen die unangemessenen Urteile und Strafen für diejenigen, die gefoltert haben, deutlich, wie unzureichenddie ch<strong>in</strong>esische Umsetzungspolitik ist. Und weil die E<strong>in</strong>führung von notwendigen <strong>in</strong>stitutionellenReformen ausbleibt, ist die Umsetzung <strong>in</strong> die Praxis nun ernsthaft gefährdet. Erst nach der Aufforderungdurch den UN-Ausschuß gegen <strong>Folter</strong> im Mai 1996 fügte die ch<strong>in</strong>esische Regierung ihremGesetzeswerk <strong>in</strong> Anlehnung an die Bestimmungen der Konvention gegen <strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition der<strong>Folter</strong> h<strong>in</strong>zu. Zudem gibt es viel Personal, das mit dem Strafvollzug zu tun hat, aber ke<strong>in</strong>en Beamten-26 Der Artikel 38 lautet: ”Die persönliche Würde der Bürger der Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a ist unverletzlich. Jegliche Form vonBeleidigung, Verleumdung oder falscher Anschuldigung und Diffamierung von Bürgern ist verboten”.27 Etwa Art. 38 der Verfassung.28 Dritter periodischer Bericht der VR Ch<strong>in</strong>a über die Umsetzung der Konvention gegen <strong>Folter</strong>, unmenschliche und herabwürdigendeBehandlung oder Bestrafung vom 19. September 1999.


17status genießt und daher von dem Verbot der <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> der ch<strong>in</strong>esischen Gesetzgebung nicht erfaßtwird. Der Art. 12 der Konvention gegen <strong>Folter</strong> fordert e<strong>in</strong>e “umgehende und unparteiische Untersuchung,sobald e<strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichender Grund für die Annahme besteht, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Hoheitsgewaltunterstehenden Gebiet e<strong>in</strong>e <strong>Folter</strong>handlung begangen wurde”.Während der 90er Jahre hat die VR Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>ige Schritte unternommen, um die <strong>Folter</strong> zu bekämpfen,etwa hat sie e<strong>in</strong>e Überarbeitung der bestehenden Gesetze vorgenommen und e<strong>in</strong>e Reihe von neuenerlassen, sie hat Weiterbildungskurse für Vollzugsbeamte durchgeführt und e<strong>in</strong>ige Menschenrechtsverträgeveröffentlicht 29 . Es wurden e<strong>in</strong> paar gesetzliche Neuregelungen e<strong>in</strong>geführt, darunter Bestimmungenzur Verh<strong>in</strong>derung von <strong>Folter</strong> im Polizeigewahrsam, und am 14. März 2004 wurde die Verfassungdurch den Zusatz “Der Staat achtet und schützt die Menschenrechte” ergänzt. Aber leider hat dies <strong>in</strong>der Praxis überhaupt nichts an den ernsten Menschenrechtsverletzungen geändert, die <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> undganz Ch<strong>in</strong>a weitverbreitet und an der Tagesordnung s<strong>in</strong>d.Der Kommentar ch<strong>in</strong>esischer Rechtsexperten lautet folgendermaßen: “Die Verfassungsänderungenvom März 2004 werden sich wohl kaum direkt auf das Ergebnis der vor Gericht behandelten Fälleauswirken, weil die Gerichte hier Gesetze und Regierungsentscheidungen gewöhnlich nicht daraufh<strong>in</strong>untersuchen, ob sie im E<strong>in</strong>klang mit der Verfassung stehen” 30 . Die VR Ch<strong>in</strong>a hat bisher ke<strong>in</strong>e nationaleMenschenrechtskommission oder e<strong>in</strong>e ähnliche Institution mit der Aufgabe betraut, die Menschenrechtezu schützen. Außerdem dürfen <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a ke<strong>in</strong>e unabhängigen Menschenrechtsorganisationen tätigse<strong>in</strong>.Das Strafgesetz der VR Ch<strong>in</strong>a, das am 1. Juli 1979 vom Nationalen Volkskongreß verkündet und am14. März 1997 ergänzt wurde, verbietet staatlichen Bediensteten ausdrücklich, Geständnisse von Tatverdächtigendurch <strong>Folter</strong> zu erpressen 31 . Der Art. 14 des Gefängnisgesetzes untersagt dem Gefängnispersonal,“e<strong>in</strong> Geständnis durch <strong>Folter</strong>, physische Mißhandlung oder körperliche Bestrafung e<strong>in</strong>esInhaftierten zu erpressen” 32 und “die Würde des Inhaftierten zu verletzen” 33 . Der Bericht, den die VRCh<strong>in</strong>a der UN-Kommission gegen <strong>Folter</strong> 1999 vorlegte, betont, daß ch<strong>in</strong>esische Beamte, die zur <strong>Folter</strong>greifen, jetzt verstärkt mit Strafmaßnahmen 34 zu rechnen hätten und daß <strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>e “krim<strong>in</strong>elle Handlungist, die Untersuchung und strafrechtlicher Verfolgung unterliegt” 35 .Weiterh<strong>in</strong> verbietet auch die Strafprozeßordnung (Crim<strong>in</strong>al Procedure Law – CPL) die Erpressung vonGeständnissen mittels <strong>Folter</strong> 36 . In der CPL gibt es <strong>in</strong>dessen ke<strong>in</strong>e Erwähnung der Unschuldsvermutungoder des Rechts zu schweigen, um e<strong>in</strong>e Selbstbelastung zu vermeiden, d.h. Grundsätze, welchedie eigentliche Basis für e<strong>in</strong> faires Rechtssystem bilden. Ch<strong>in</strong>a sollte sie <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Strafrecht <strong>in</strong>tegrieren,um se<strong>in</strong> Rechtssystem an die <strong>in</strong>ternationalen Menschenrechtsnormen anzugleichen.In der CPL gilt “Gefährdung der Staatssicherheit” als e<strong>in</strong> schweres Verbrechen, und gerade unter diesemSche<strong>in</strong>grund werden viele Menschenrechtsverletzungen begangen. Unzählige <strong>Tibet</strong>er wurdenunter Berufung auf die Notwendigkeit des “Schutzes der Staatssicherheit” festgenommen, <strong>in</strong> Haftgehalten und gefoltert. Insbesondere diente der <strong>in</strong> Anlehnung an die amerikanische Politik <strong>in</strong> die Neuauflageder Hartdurchgreif-Kampagne 2001 aufgenommene “Kampf gegen den Terrorismus” alsRechtfertigung für e<strong>in</strong> schnelles und effektives Vorgehen gegen politischen Dissens. Zu den verme<strong>in</strong>tlichengesetzgeberischen Verbesserungen, die 1997 durch die Überarbeitung der Strafgesetze und29 E<strong>in</strong>zelheiten stehen <strong>in</strong> dem von Ch<strong>in</strong>a unter CAT, <strong>in</strong>fra 2.3 vorgelegten Bericht. Siehe auch den Überblick <strong>in</strong> der Erklärungvon Quiao Zonghuai, <strong>in</strong> UN Doc. CAT/C/SR.416, 18 May 2000, paras.3-8.30 NY Times, March 15, 2004.31 Art. 247 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a.32 Art. 14(3) des Gefängnisgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a, das von dem ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses am 29.September 1994 veröffentlicht wurde.33 Ibid., Art. 14(4).34 Dritter periodischer Bericht, Absätze 14b-d.35 Ibid. Abs. 47.36 Das Strafverfahrensgesetz der VR Ch<strong>in</strong>a, das von dem Nationalen Volkskongreß am 1. Juli 1979 verabschiedet und am 14.März 1997 ergänzt wurde, bestimmt im Art. 42: “Richter, Staatsanwaltschaft und Ermittlungspersonal müssen gemäß demgesetzlich vorgeschriebenen Verfahren verschiedene Arten von Beweisen sammeln, durch welche die Schuld oder Unschulddes Angeklagten sowie der Schweregrad des Verbrechens bewiesen werden. Der Gebrauch von <strong>Folter</strong>, um Geständnisse zuerpressen, und die Beschaffung von Beweismaterial durch Drohung, Verlockung, Täuschung oder unrechtmäßige Methodens<strong>in</strong>d streng verboten”.


18später durch die der Strafprozeßordnung (CPL) 37 e<strong>in</strong>geführt wurden, gehört auch die Umbenennungdes Anklagepunktes “konterrevolutionäre Tätigkeiten” <strong>in</strong> “Gefährdung der Staatssicherheit”.Der UN-Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> notierte auf se<strong>in</strong>en Ch<strong>in</strong>abesuch im November-Dezember h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> paar positive Entwicklungen auf der Ebene der Gesetzgebung, wie etwa die geplante Reform e<strong>in</strong>igerdas Strafverfahren betreffender Gesetze, um das ch<strong>in</strong>esische Recht <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den<strong>in</strong>ternationalen Normen zu br<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong>sbesondere mit der Forderung nach e<strong>in</strong>em fairen Gerichtsverfahren,wie sie im ICCPR enthalten ist, dem die VR Ch<strong>in</strong>a beipflichtet. Diese Zusätze s<strong>in</strong>d jedoch ungenügend,um vor <strong>Folter</strong>akten abzuschrecken, sie zu bestrafen und Abhilfe gegen sie zu schaffen.Der UN-Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> erwähnte nach se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a im November-Dezember 2005 e<strong>in</strong>ige Maßnahmen, welche die Regierung durchsetzte, um die <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> den Griff zubekommen, wie etwa die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Regelung für die Standardisierung des Strafvollzugs<strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen der öffentlichen Sicherheit, die mit “Bestimmungen für das Vorgehen bei adm<strong>in</strong>istrativenFällen” betitelt ist und im August 2003 vom M<strong>in</strong>ister für Öffentliche Sicherheit, ZhouYongkang, veröffentlicht wurde 38 . Diese Regelung be<strong>in</strong>haltet auch e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition der polizeilichenVollmachten bei der Beschlagnahmung von Eigentum, der gesetzlichen Mittel bei der Beweisaufnahme,e<strong>in</strong>e zeitliche Begrenzung für die Ermittlungen gegen Verdächtige und die Verhöre usw.Zusätzlich zu dieser Neuregelung gab das Justizm<strong>in</strong>isterium 2004 e<strong>in</strong>e Bestimmung heraus, die <strong>Folter</strong>und die Drohung damit zur Erpressung von Geständnissen verbietet. Die Oberste Volksprokuratur verkündetedie Abschaffung der Vernehmung unter <strong>Folter</strong> und unterrichtete die Prokuratoren davon, daßGeständnisse, die das Resultat von <strong>Folter</strong> s<strong>in</strong>d, nicht die Grundlage für die formelle Bestätigung vonFestnahmen bilden können und daß illegal erhaltenes Beweismaterial nicht mehr zugelassen werdendarf 39 . In der Verordnung heißt es auch, daß die Polizei durch umfassende, objektive Ermittlungenrechtzeitig die Beweise sicherstellen soll. Erzwungene Geständnisse s<strong>in</strong>d streng verboten und rechtlichungültig. Polizisten, die Geständnisse durch <strong>Folter</strong> erzw<strong>in</strong>gen, werden entsprechend der Schweredes Falles straf- oder diszipl<strong>in</strong>arrechtlich zur Verantwortung gezogen. Mitte 2005 gaben die VollzugsundJustizbehörden von Sichuan e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Erklärung heraus, <strong>in</strong> der die Verwendung vonrechtswidrig gewonnenem Beweismaterial verboten wird 40 .In se<strong>in</strong>em dritten periodischen Bericht an die Kommission gegen <strong>Folter</strong> behauptet Ch<strong>in</strong>a, dieses Übelsei durch die Kapitel IV (Verbrechen der Verletzung der Rechte der Person und der demokratischenRechte der Bürger) und Kapitel VIII (Amtsmißbrauch und Bestechung) se<strong>in</strong>er revidierten Strafprozeßordnungvon 1997 bereits behoben worden 41 . Die e<strong>in</strong>zige Bezugnahme auf <strong>Folter</strong> gibt es jedoch im Art.247, der aber nur Justizbeamten die Erpressung von Geständnissen durch <strong>Folter</strong> untersagt 42 . Der Art.248 fügt h<strong>in</strong>zu, daß “das Aufsichts- und Verwaltungspersonal <strong>in</strong> Gefängnissen, Haftzentren und anderenArrestlokalen, das die Insassen schlägt oder physisch mißhandelt, falls der Fall ernst ist, zu bis zudrei Jahren Gefängnis zu verurteilen oder <strong>in</strong> Strafhaft zu nehmen sei“ 43 . Weder durch den e<strong>in</strong>en nochden anderen Artikel erfüllt Ch<strong>in</strong>a auch nur entfernt se<strong>in</strong>e Verpflichtung, alle Formen von <strong>Folter</strong> zu verbieten.Der Art. 247 des Strafgesetzes verbietet <strong>Folter</strong> nur, um Geständnisse zu erpressen. Dies ist besonderswichtig, weil <strong>Tibet</strong>er, besonders die politischen Gefangenen unter ihnen, der <strong>Folter</strong> und herabwürdigendenBehandlung ausgesetzt werden, um sie zu Geständnissen zu zw<strong>in</strong>gen. Der Art. 247 betrifft37 Ch<strong>in</strong>as revidierte Strafprozeßordnung und das revidierte Strafgesetz traten am 1. Jan. 1997 bzw. am 1. Okt. 1997 <strong>in</strong> Kraft.Siehe: “Hostile Elements: A Study of Political Imprisonment <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> 1987-1998”, TIN, 1999. S. 6.38 Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> weist am Ende se<strong>in</strong>es Ch<strong>in</strong>abesuchs auf zukünftige schwierige Aufgaben h<strong>in</strong>, UNPresseerklärung 2. Dez. 2005.39 Ebenda, siehe auch ”Ch<strong>in</strong>a geht gegen <strong>Folter</strong> und erzwungene Geständnisse vor”, 17. Mai 2005, e<strong>in</strong>zusehen unterhttp://english.people.com.cn/200505/17/eng20050517_185482.html.40 Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> weist am Ende se<strong>in</strong>es Ch<strong>in</strong>abesuchs auf zukünftige schwierige Aufgaben h<strong>in</strong>, UNPresseerklärung 2. Dez. 2005.41 Dritter Periodischer Bericht der VR Ch<strong>in</strong>a über die Umsetzung der Konvention gegen <strong>Folter</strong> und andere grausame, unmenschlicheund herabwürdigende Behandlung oder Bestrafung, 19. September 1999, U.N. Doc. CAT/C/39/Add.2 (future),paras.59-64.42 In dem revidierten Strafgesetz wurde Ch<strong>in</strong>as Angaben zufolge e<strong>in</strong>e neue Verfügung e<strong>in</strong>geführt, die “die Anwendung von<strong>Folter</strong> gegen Zeugen, um Aussagen zu erpressen”, ausschließt. Dritter Periodischer Bericht, Abs. 14a. Aber dies ändert nichtsan der zu eng gefaßten Def<strong>in</strong>ition der <strong>Folter</strong> im ch<strong>in</strong>esischen Strafgesetz, die <strong>Folter</strong> nur auf Akte zur Entlockung von Informationenbeschränkt. In der Def<strong>in</strong>ition der <strong>Folter</strong>konvention wird e<strong>in</strong>e viel größere Vielfalt von Zwecken aufgeführt, weswegender Gebrauch der <strong>Folter</strong> geächtet ist.43 Artikel 247 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a.


19aber nur Justizbeamte, womit viele sonstige Handlanger, die zur <strong>Folter</strong> greifen, überhaupt nicht zurRechenschaft gezogen werden können.Der Art. 248 ist außerdem widersprüchlich und mit rechtlichen Mängeln behaftet. Er erfaßt nur “ernste”Fälle, wobei nicht def<strong>in</strong>iert wird, was e<strong>in</strong> “ernster” Fall ist, und somit e<strong>in</strong> großer Spielraum für willkürlicheInterpretationen gelassen wird 44 . Darüber h<strong>in</strong>aus erfaßt der Art. 248 nur das Aufsichtspersonal unddie Gefängnisleitung, und es bleibt unklar, ob das Gesetz auch für Gefängniswärter gilt oder ob dieAufsichtsführenden und die Gefängnisleiter für die von den Wärtern begangene Mißhandlungen, überdie sie so gerne h<strong>in</strong>wegsehen, zur Rechenschaft gezogen werden können.Rout<strong>in</strong>emäßig zur <strong>Folter</strong> gegriffen haben Polizeioffiziere und sonstiges Personal von staatlichen E<strong>in</strong>richtungenwie Drogen-Entzugsanstalten, psychiatrischen Kl<strong>in</strong>iken, adm<strong>in</strong>istrativen Straflagern, Haftzentrenund Gefängnissen sowie Personen, die <strong>in</strong> offizieller Funktion als Sicherheitspersonal handelten45 . Schließlich verbietet das Gesetz nur physische Mißhandlung und betrifft ke<strong>in</strong>e psychologische<strong>Folter</strong>, die e<strong>in</strong>en Großteil der <strong>Folter</strong> darstellt. Dies ist e<strong>in</strong>e besonders gravierende Auslassung, wennman bedenkt, daß Ch<strong>in</strong>a Gefangene, die sich der Umerziehung und Reform verweigern, durch Isolationshaftzu bestrafen pflegt 46 . Psychologische <strong>Folter</strong> kann sehr <strong>in</strong>tensiv se<strong>in</strong>, sie kann e<strong>in</strong>er Personsowohl vorübergehenden als auch dauerhaften Schaden zufügen und sollte daher nicht als e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>dereForm von <strong>Folter</strong> betrachtet werden.Ch<strong>in</strong>as Überbetonung der formalen Änderungen der Gesetzgebung bedeutet se<strong>in</strong> stillschweigendesZugeständnis, daß die praktischen Tatsachen <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> im großen und ganzen unverändert gebliebens<strong>in</strong>d. <strong>Folter</strong> ist weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> endemisch, <strong>in</strong> den Haftzentren und Gefängnisses wird überall gefoltert,was so viele Menschen physisch und mental schwer geschädigt und e<strong>in</strong>e ganze Reihe von ihnendas Leben gekostet hat. Die Praxis der <strong>Folter</strong> ist <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Instrument staatlicher Kontrolle.Polizisten, Gefängniswärter, Beamte des Büros für Öffentliche Sicherheit – sie alle foltern rout<strong>in</strong>emäßigtibetische Häftl<strong>in</strong>ge, besonders diejenigen, die politischer Vergehen wegen im Gefängnis s<strong>in</strong>d 47 .Am relevantesten für <strong>Tibet</strong> s<strong>in</strong>d noch die Art. 102 und 106 der Strafprozeßordnung, welche die Tragweitevon Verbrechen gegen die Staatssicherheit, dem neuen praktischen Äquivalent für “konterrevolutionäreVerbrechen” 48 , neu def<strong>in</strong>ieren und ausdehnen. Der Art. 103 des neuen Strafgesetzes befaßtsich explizit mit dem Verbrechen des “Separatismus”, womit er “e<strong>in</strong>deutig gegen die Unabhängigkeitsbewegungenund Aktivisten <strong>in</strong> den widerspenstigen M<strong>in</strong>derheitenregionen wie <strong>Tibet</strong>, X<strong>in</strong>jiang und derInneren Mongolei gerichtet ist”.In den meisten Fällen werden <strong>Tibet</strong>er entweder wegen Ausübung ihrer grundlegenden Menschenrechtefestgenommen oder weil sie bei friedlichen Protesten mitmachten, oder weil sie im Besitz von Bildernund Tonkassetten des Dalai Lama angetroffen wurden. Fast alle Häftl<strong>in</strong>ge hatten zu irgende<strong>in</strong>emZeitpunkt ihrer Gefangenschaft schwere physische Mißhandlung durch die Beamten des Büros fürÖffentliche Sicherheit, durch die Gefängnisaufseher oder durch beide zusammen zu erdulden. In derPraxis bleiben die meisten dieser Täter unbestraft, denn <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> gibt es ke<strong>in</strong>e unabhängige Justiz,weshalb alle, die gegen die <strong>Folter</strong>konvention verstoßen, damit rechnen können, straffrei auszugehen.44 Torture <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>, TIN, Vol.9, No.1a, June 1999, p.6.45 “<strong>Folter</strong>: E<strong>in</strong>e wachsende Geißel <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a: Es ist höchste Zeit zu handeln”, Amnesty International, PRC, February 2001, AIIndex: ASA 17/004/2001, pp.3 et seq.46 Worte ohne Substanz: Die Umsetzung der Konvention gegen <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> der VR Ch<strong>in</strong>a, 1996, Human Rights <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a. Ebensoentgehen Leute, die zur <strong>Folter</strong> griffen, der Anklage, die zwar ke<strong>in</strong>e direkten staatlichen Bediensteten s<strong>in</strong>d, aber doch offizielleFunktionen ausüben. N.B. Siehe Human Rights <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, <strong>Folter</strong>er gehen straffrei aus trotz Änderungen im Gesetz.Bericht über die Durchführung der Konvention gegen <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> der VR Ch<strong>in</strong>a, April 2000, Art. 4.47 In der revidierten Strafprozeßordnung Ch<strong>in</strong>as wurden die Delikte der “Gefährdung der Staatssicherheit”, der “Subversion”und des “Versuchs der Stürzung der Regierung” anstellte der bisherigen “konterrevolutionären Tätigkeiten” e<strong>in</strong>gesetzt. Aberim wesentlichen blieb der Tenor des Gesetzes unverändert, und nichts läßt erkennen, daß der Schritt e<strong>in</strong>en anderen Zweckverfolgte, als die krim<strong>in</strong>ellen Term<strong>in</strong>i den <strong>in</strong>ternationalen Normen anzugleichen. Id. 6 (1999).48 Ibid. 7.


20Kapitel 5: Dokumentation der Todesfälle, die e<strong>in</strong>e Folge von <strong>Folter</strong> warenAufgrund unabhängiger Nachforschungen und den Berichten von Flüchtl<strong>in</strong>gen dokumentierte dasTCHRD seit 1987 den Tod von 88 tibetischen politischen Häftl<strong>in</strong>gen, die später <strong>in</strong> diesem Bericht ime<strong>in</strong>zelnen beschrieben werden. Außerdem besitzt das TCHRD Informationen über 132 politische Gefangene,die <strong>in</strong> den verschiedenen Gefängnissen und Haftanstalten der gesamten TAR und auch außerhalbdieser dah<strong>in</strong>vegetieren. Über 150 Fälle von <strong>Folter</strong> und Tod <strong>in</strong> der Haft s<strong>in</strong>d bekannt geworden,aber hier wurden nur jene aufgeführt, bei denen das Opfer namentlich identifiziert werden konnte undse<strong>in</strong> Tod als direkte Folge der <strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>trat. Wenn die nicht identifizierbaren Fälle h<strong>in</strong>zugerechnet würden,käme die Zahl wahrsche<strong>in</strong>lich auf über 200. Natürlich s<strong>in</strong>d hier jene Hunderttausende von <strong>Tibet</strong>ernnicht mitgerechnet, die seit der ch<strong>in</strong>esischen Invasion von 1959 ums Leben kamen.Dem TCHRD kam e<strong>in</strong>e alarmierende Vielfalt von <strong>Folter</strong>techniken zur Kenntnis, die <strong>in</strong> tibetischen Gefängnissenund Haftzentren angewandt werden. E<strong>in</strong>ige der am häufigsten angewandten s<strong>in</strong>d die Verabreichungvon Elektroschocks mittels elektrischer Viehstöcke auf Genitalien, den Mund und andereempf<strong>in</strong>dliche Körperteile, Schläge mit Metallstangen, Stöcken, Gewehrkolben, Ledergürteln undSchnallen, das Ausdrücken von Zigarettenstummeln auf der Haut, die Gefangenen <strong>in</strong> extremer Hitzeoder Kälte stundenlang stehen zu lassen, das Aufhängen an der Decke oder die Fesselung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erschmerzhaften Körperhaltung. Andere <strong>Folter</strong>techniken, die von uns dokumentiert wurden, s<strong>in</strong>d dasAushungern, das Zw<strong>in</strong>gen der Opfer, über längere Zeit <strong>in</strong> die Sonne zu starren, das Loslassen vonKampfhunden auf sie; sexuelle Angriffe s<strong>in</strong>d an der Tagesordnung, langzeitige Isolationshaft ist üblichwie auch das Ur<strong>in</strong>ieren <strong>in</strong> den Mund der Opfer, die Nötigung der Opfer, zuzuschauen, wie andere gefoltertwerden, militärisches Exerzieren und Todesdrohungen.Kapitel 6: Politische Aktivität und ihre FolgenDer Hauptteil dieses Sonderberichts enthält Zeugenaussagen ehemaliger tibetischer politischer Gefangener,die wegen ihrer Teilnahme an den ersten Unabhängigkeitsdemonstrationen <strong>in</strong> Lhasa und ananderen Orten 1987 <strong>in</strong>haftiert wurden.Wendepunkt: Die Demonstration vom 27. September 1987 <strong>in</strong> Lhasa, die vor allem von den Mönchendes Klosters Drepung <strong>in</strong> Gang gesetzt wurde, war die größte seit dem Volksaufstand von 1959. DerFunke der friedlichen September-Demonstration wurde bald zu e<strong>in</strong>em Lauffeuer, als <strong>in</strong> den folgendenMonaten und Jahren weitere größere Proteste folgten. Sie wurden alle von den Behörden mit brutalerWaffengewalt niedergeschlagen, und etliche <strong>Tibet</strong>er wurden erschossen, festgenommen und gefoltert.Schätzungsweise fanden <strong>in</strong> der Zeit von 1987 bis 1993 über 200 Demonstrationen statt, bei denen umdie 3.500 Personen festgenommen wurden. Die Teilnehmer, bei denen es sich zumeist um Möncheund Nonnen handelte, wurden zu politischen Fe<strong>in</strong>den oder Staatsfe<strong>in</strong>den abgestempelt, während denVerletzten wegen ihrer Beteiligung an diesen Protestaktionen oftmals die mediz<strong>in</strong>ische Behandlungverweigert wurde.Der Anlaß zu der Demonstration vom 27. September 1987 war <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie die öffentliche H<strong>in</strong>richtungvon zwei <strong>Tibet</strong>ern, bei der etwa 15.000 Menschen Zeugen waren, und die Verurteilung von weiterenneun e<strong>in</strong> paar Tage früher. Wie von <strong>Tibet</strong>an Bullet<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>em englischsprachigem, von der tibetischenRegierung-im-Exil herausgegebenen Journal, berichtet wurde, hatte diese öffentliche H<strong>in</strong>richtungder <strong>Tibet</strong>er politische Motive: ”Die ch<strong>in</strong>esischen Behörden hatten zu e<strong>in</strong>er Massenversammlungaufgerufen, bei der am Dalai Lama und der <strong>in</strong>ternationalen Unterstützung für se<strong>in</strong>en Friedensplan zurWiederherstellung der Menschenrechte und der Freiheit <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> Kritik geübt werden sollte”. Aus Empörunghierüber schwenkten etwa 20 bis 30 Mönche 49 aus dem Kloster Drepung und über 100 <strong>Tibet</strong>er dieverbotene tibetische Nationalflagge und riefen auf dem Barkhor, dem Hauptmarktplatz Lhasas, nachUnabhängigkeit für <strong>Tibet</strong>, wonach sie den Jokhang-Tempel umrundeten. Die meisten von ihnen wurdenauf der Stelle festgenommen, gefoltert und bis zu vier Monate <strong>in</strong>haftiert.Dieser ersten Demonstration, bei der die <strong>Tibet</strong>er ihrem Nationalgefühl freien Lauf ließen, folgte am 1.Oktober 1987 e<strong>in</strong>e zweite friedliche Demonstration, die von e<strong>in</strong>er Gruppe von Mönchen aus dem KlosterSera angeführt wurde. Etwa 3.000 Menschen schlossen sich der Demonstration an, aber der friedlicheProtest schlug <strong>in</strong> Gewalt um, als die ch<strong>in</strong>esischen Behörden die Demonstranten zusammen-49 Human Right <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>, Asia Watch, February 1988, p.58.


21schlugen, ungefähr 60 Leute festnahmen und <strong>in</strong> der Polizeistation am Barkhor festsetzten. Diese wurde<strong>in</strong> Brand gesetzt, während dr<strong>in</strong>nen die <strong>Tibet</strong>er e<strong>in</strong>geschlossen waren. Die Behörden begannen nunwahllos von dem Dach der Polizeistation aus <strong>in</strong> die Menge zu schießen. Man nimmt an, daß dabeim<strong>in</strong>destens 19 Menschen getötet und Hunderte verwundet wurden. Am nächsten Tag stürmte die Sicherheitspolizeidas Kloster Sera und nahm dort Massenverhaftungen vor, während die Soldaten derGarnison die Stadt streng kontrollierten.Am 6. Oktober 1987 fand e<strong>in</strong>e weitere Demonstration statt, bei der vermutlich 12 Menschen umkamenund schätzungsweise 600 festgenommen wurden. Später wurde berichtet, daß e<strong>in</strong>ige der Festgenommenenvon den Behörden gefoltert worden waren 50 .Der Protest vom 5. März 1988 wurde von allen Demonstrationen <strong>in</strong> dieser Zeit am brutalsten niedergeschlagen.Am letzten Tag des Monlam Chenmo (Großes Gebetsfest), das üblicherweise Hunderttausendevon Pilgern von nah und fern nach Lhasa zieht, g<strong>in</strong>gen Mönche aus dem Kloster Ganden währendder Abschlußzeremonie zu den Behördenvertretern und forderten die Freilassung des politischenGefangenen Yulo Dawa Tser<strong>in</strong>g. Obwohl der genaue Ablauf der Ereignisse nicht e<strong>in</strong>deutig ist, stehtfest, daß e<strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esischer Kader e<strong>in</strong>en Khampa mit se<strong>in</strong>er Schußwaffe tötete, wodurch die Lageschnell eskalierte. Die Behörden setzten Tränengas e<strong>in</strong> und feuerten <strong>in</strong> die Menge, als die Leute anf<strong>in</strong>gen,die Freiheit für <strong>Tibet</strong> zu fordern. Als die Mönche ihre letzte Runde um den Barkhor beendethatten, suchten sie im Jokhang-Tempel Schutz. Die im Tempel wartenden PAP Kräfte schlossen dieTore und fielen mit nagelgespickten Knüppeln und Messern über sie her. Es wurde auch berichtet, daßdie Mönche willkürlich geschlagen und vom Dach gestoßen wurden, und daß Tränengas zum E<strong>in</strong>satzkam. Bis zu 15 Mönche wurden im Jokhang-Tempel von den paramilitärischen Kräften solange geprügelt,bis sie tot waren. Viele weitere Personen wurden <strong>in</strong> Lhasa auf diese Demonstration h<strong>in</strong> festgenommen,die Schätzungen gehen bis zu 10.000, darunter etwa 100 Mönche 51 . Die Festgenommenenwurden gefoltert und grausam mißhandelt.Vom 1. Oktober 1988 an wurde Lhasa zur Sperrzone erklärt, und e<strong>in</strong>e Spezialtruppe von etwa 12.000Mann zur Verstärkung der bereits vorhandenen Sicherheitskräfte e<strong>in</strong>gesetzt. Die Soldaten patrouilliertendurch die Stadt, um weitere Unruhen im Keim zu ersticken. Manchen Schätzungen zufolge warenzu jener Zeit bis zu 200.000 ch<strong>in</strong>esische Soldaten <strong>in</strong> und um Lhasa stationiert. Zwei Monate später, am10. Dezember 1988, kam es anläßlich des Internationalen Tags der Menschenrechte zu e<strong>in</strong>er weiterenDemonstration. Die ch<strong>in</strong>esische Polizei feuerte ohne Warnung <strong>in</strong> die Menge und tötete wahrsche<strong>in</strong>lich18 Personen.Kapitel 7: Lhasa unter KriegsrechtAnfang März 1989, e<strong>in</strong> Jahr nach dem Massaker an den Mönchen während des Großen Gebetsfests(Monlam Chenmo), kam es wieder zu Demonstrationen. E<strong>in</strong>e Gruppe von etwa 12 Mönchen, Nonnenund Laien demonstrierte friedlich am Jokhang. Als die Zahl der Demonstranten anschwoll, schoß diePolizei von e<strong>in</strong>em Hausdach aus, wo sie Stellung bezogen hatte, und tötete etliche von ihnen. Die Protesteg<strong>in</strong>gen am folgenden Tag weiter, und nun demonstrierten etwa 1.500 <strong>Tibet</strong>er aller Stände aufden Straßen der Stadt. Dabei kam es zu Gewaltausbrüchen, so wurden zum Beispiel Geschäfte <strong>in</strong>Brand gesetzt, was zu e<strong>in</strong>er völlig neuen Situation führte.Als Reaktion auf diese Proteste verhängte der damalige Parteisekretär der TAR Hu J<strong>in</strong>tao, der heutigePräsident der VR Ch<strong>in</strong>a, ab Mitternacht des 7. März 1989 das Kriegsrecht. In der Nacht bezogen ch<strong>in</strong>esischeSoldaten Stellung <strong>in</strong> der Altstadt von Lhasa und nahmen Razzien <strong>in</strong> den Häusern von <strong>Tibet</strong>ernvor, die unter dem Verdacht standen, die Unruhen vom Zaun gebrochen und die Demonstrationorganisiert zu haben. Militärfahrzeuge und Panzer donnerten durch die Hauptstraßen der Stadt. Dutzendevon <strong>Tibet</strong>ern, darunter auch K<strong>in</strong>der, wurden aus ihren Wohnungen gezerrt und <strong>in</strong> die Militärlastwagengezwungen. Man nimmt an, daß während der ersten drei Tage der Operation um die 75 Personenzu Tode kamen 52 . Alle<strong>in</strong> im Monat März marschierten 30.000 schwer bewaffnete Soldaten <strong>in</strong> Lhasae<strong>in</strong> 53 . Während der 13 Monate, <strong>in</strong> denen die Stadt unter Kriegsrecht stand, hatten die Behörden50 Amnesty International Report 1988, p.155.51 Ibid., p.16952 ”The Human Rights Situation <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>. An Overview”, <strong>Tibet</strong> Information Network (TIN), 27 May 1990.53 TIN News Update, 17 November 1989.


22une<strong>in</strong>geschränkte Vollmacht, Demonstrationen sofort und mit jedem Mittel zu zerschlagen, sei esdurch willkürliche Festnahmen, Schläge oder wahlloses Schießen <strong>in</strong> die unbewaffnete Menge.Die Verhängung des Kriegsrechts und die starke Militärpräsenz hatten zur Folge, daß es bis 1993 <strong>in</strong>Lhasa ke<strong>in</strong>e politischen Aktivitäten mehr gab. Erst am 24. Mai 1993 kam es wieder zu e<strong>in</strong>er Demonstration,die sich anfänglich gegen die steigenden Nahrungsmittelpreise richtete, und an der annähernde<strong>in</strong>tausend Menschen teilnahmen. Als sie sechs Stunden später nach Unabhängigkeit zu rufen begannen,warfen die Sicherheitskräfte Tränengas <strong>in</strong> die Menge, e<strong>in</strong>ige Demonstranten wurden verletzt unde<strong>in</strong>e ganze Reihe festgenommen. Man schätzt, daß während des Jahres 1993 bis zu 300 politischeAktivisten verhaftet wurden, fast doppelt so viele wie im Vorjahr 54 .Gefängnisunruhen: 1998 kam es zu e<strong>in</strong>em friedlichen Protest der Häftl<strong>in</strong>ge im Drapchi Gefängnis alsAntwort auf die <strong>Folter</strong>ungen und den gewaltsamen Umgang der Behörden mit ihnen. Als die Gefängniswachenam Internationalen Tag der Arbeit, dem 1. Mai 1998, während e<strong>in</strong>es Flaggenappells dasFeuer auf die Demonstrierenden eröffneten, gab es e<strong>in</strong>ige Tote. Der 32jährige Khedup, e<strong>in</strong> frühererMönch des Klosters Ganden, der im Dezember 1995 verhaftet und zu fünf Jahren verurteilt wordenwar, wurde wegen des Protests am 1. Mai grausam zusammengeschlagen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Isolationszellee<strong>in</strong>geschlossen. Am 28. Oktober 1998 erlag er den Folgen der exzessiven <strong>Folter</strong> 55 .Am 4. Mai 1998, als die Behörden e<strong>in</strong>e Zeremonie zum Jugendtag abhalten wollten, kam es zu e<strong>in</strong>emweiteren Protest im Gefängnis. 60 politische Häftl<strong>in</strong>ge der neuen „Rukhag“ (Abteilung) No. 5 von Drapchierhielten den Befehl, neben der ch<strong>in</strong>esischen Flagge zu marschieren und sie zu salutieren. AndereHäftl<strong>in</strong>gen wurden angewiesen, ”wir bekennen uns schuldig, wir halten uns an die Regeln, wir bemühenuns um Selbstreform” zu skandieren 56 . Nach e<strong>in</strong>iger Zeit begannen zwei Häftl<strong>in</strong>ge aus der RukhagNo. 6 Freiheits-Parolen zu rufen, andere Gefangene fielen <strong>in</strong> die Rufe e<strong>in</strong>, und die Zeremonie endete<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Chaos. Das Resultat war, daß die sechs politischen Häftl<strong>in</strong>ge der Rukhag No. 6 mit Urteilsverlängerungenvon e<strong>in</strong> bis fünf Jahren bestraft wurden. Auch e<strong>in</strong>igen Häftl<strong>in</strong>gen der Rukhag No. 5wurde die Strafe um vier bis fünf Jahre verlängert. Am selben Tag nahm sich der 25jährige MönchLobsang Choephel aus dem Kloster Khangmar das Leben, <strong>in</strong>dem er sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gefängnistoiletteerhängte. Er hatte vorher auf e<strong>in</strong>en Zettel geschrieben: ”Ich begehe Selbstmord für die sechs MillionenMenschen des tibetischen Volkes. Ich werde niemals die ch<strong>in</strong>esische Flagge salutieren oder mich vorihr verbeugen. Me<strong>in</strong>e Freunde, wir werden uns im nächsten Leben wiedersehen” 57 . Während die Mitgefangenense<strong>in</strong>en Körper h<strong>in</strong>austrugen, riefen sie ”Free <strong>Tibet</strong>”. Als die Insassen der alten Rukhag(der ehemaligen Abteilung für politische Gefangene) die Rufe hörten, protestierten auch sie und versuchten,zu den Gefängnistoren zu stürmen. Die Wachleute schossen auf die Häftl<strong>in</strong>ge, NgawangSherab wurde dabei schwer verletzt. Kurz darauf trafen paramilitärische Kräfte (People’s Armed Police)e<strong>in</strong> und schlugen den Protest brutal nieder. Wie ehemalige politische Gefangene, die bei den Mai-Demonstrationen mit dabei waren, später bezeugten, wurden die Gefangenen schikaniert, gefoltert, <strong>in</strong>den Tod getrieben, mit Strafverlängerungen belegt und über längere Zeiträume <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gesetzt.Kapitel 8: Verlagerung des Epizentrums nach OstenIn den vergangenen zehn Jahren verlagerte sich das Epizentrum der politischen Aktivitäten von Lhasa<strong>in</strong> die osttibetische Region Amdo, das heute Teil der ch<strong>in</strong>esischen Prov<strong>in</strong>zen Q<strong>in</strong>ghai und Gansu ist,und seit 2000 <strong>in</strong> die Region Kham, die heute zur Prov<strong>in</strong>z Sichuan gehört. Aus diesen Regionen wurdeüber willkürliche Festnahmen, Inhaftierungen ohne Möglichkeit der Verb<strong>in</strong>dung zur Außenwelt, <strong>Folter</strong>und sogar den Tod von politischen Gefangenen berichtet. Viele hoch geachtete Äbte verschiedenerKlöster wurden Opfer von willkürlicher Verhaftung und Gefangenschaft, weil sie ihrem Glauben undihrer Überzeugung Ausdruck verliehen und sich offen den Erlassen der Behörden widersetzten.54 ”Cutt<strong>in</strong>g off the Serpent’s Head, Tighten<strong>in</strong>g Control <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>”, <strong>Tibet</strong> Information Network (TIN), Human Rights WatchAsia, p.9.55 Ibid.56 ”A <strong>Tibet</strong>an student arrested for post<strong>in</strong>g leaflets conta<strong>in</strong><strong>in</strong>g freedom songs,” Human Rights Update, TCHRD November2000.57 Ibid.


23Im Dezember 2005 betrug die Zahl der tibetischen politischen Gefangenen, die dem TCHRD bekannts<strong>in</strong>d, 132. Es ist anzunehmen, daß sie regelmäßiger Mißhandlung durch die Justizvollzugsorgane ausgesetzts<strong>in</strong>d, daß die <strong>Folter</strong> also e<strong>in</strong> Teil ihres jämmerlichen Dase<strong>in</strong>s ist. Noch niemals haben die ch<strong>in</strong>esischenBehörden die <strong>Folter</strong>ung tibetischer Häftl<strong>in</strong>ge bei ihrer Verhaftung, Vernehmung oder währenddes Prozesses zum Gegenstand von Untersuchungen gemacht. Politischen Gefangenen werdendie üblichen gesetzlichen Rechte verweigert: Das ganze Justizsystem <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a ist ja so angelegt, daße<strong>in</strong>e erfolgreiche Strafverfolgung der Angeklagten sichergestellt ist.<strong>Tibet</strong>ische Gefangene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem ganzen Ablauf von Festnahme, Untersuchungshaft, Eröffnung desVerfahrens und Urteil vor allem während zwei Phasen der <strong>Folter</strong> ausgesetzt: Anfänglich während derUntersuchungshaft (oder vor der adm<strong>in</strong>istrativen Verfügung), die von zwei bis sechs Monaten dauernkann, und dann während sie ihre Strafe <strong>in</strong> den Gefängnissen und Umerziehungslagern (ch<strong>in</strong>. laogiao)verbüßen. Viele der grausamsten <strong>Folter</strong>akte f<strong>in</strong>den während der ersten Phase statt, denn die Häftl<strong>in</strong>gewerden gewöhnlich e<strong>in</strong>em rigorosen Vernehmungsprozeß unterworfen, mit dem Zwecke, Geständnissevon ihnen zu erpressen, die dann bei dem Verfahren herangezogen werden können.Im Anfangsstadium werden die Vernehmungen gewöhnlich von der PAP, Ch<strong>in</strong>as Militärpolizei, <strong>in</strong> denHaftzentren durchgeführt. Zuweilen greifen auch Angehörige der Prokuratur (der Strafverfolgungsbehörde)oder Gerichtsangestellte zur <strong>Folter</strong>, um Geständnisse und Informationen aus den Opfern herauszupressen.<strong>Tibet</strong>ische Tatverdächtige werden üblicherweise zwei bis sechs Monate lang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haftzentrumfestgehalten, ehe e<strong>in</strong> Urteil gegen sie ergeht. Dieses kann entweder durch adm<strong>in</strong>istrative Gremienoder die Justiz ausgesprochen werden, auf jeden Fall liegt es im Ermessen der Behörden. Währendder Vernehmungsphase s<strong>in</strong>d die Häftl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>er besonders großen Gefahr ausgesetzt, da rout<strong>in</strong>emäßig<strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>gesetzt wird, um sie zu Geständnissen zu zw<strong>in</strong>gen und dazu, daß sie die Namen vonKomplizen, Organisationen oder ausländischen Kontakten preisgeben 58 .In letzter Zeit erreichten uns zahlreiche Details über den Tod und die Mißhandlung von Gefangenenaus <strong>Tibet</strong>, so daß das TCHRD die Berichte über politische Gefangene <strong>in</strong> den verschiedenen Gefängnissenund Haftzentren dokumentieren konnte. Ch<strong>in</strong>a macht ke<strong>in</strong>e Anstalten, den <strong>in</strong>ternationalen MenschenrechtsverträgenFolge zu leisten. Zu Todesfällen durch <strong>Folter</strong> kam es <strong>in</strong> folgenden tibetischenGefängnissen, Haftzentren und Arbeitslagern: im Drapchi Gefängnis <strong>in</strong> Lhasa, das auch unter demNamen Gefängnis No. 1 der Autonomen Region <strong>Tibet</strong> bekannt ist, im Sangyip Gefängnis oder derHaftanstalt des Public Security Bureau der TAR, im Gutsa Gefängnis oder der Haftanstalt des PublicSecurity Bureau der Stadt Lhasa, im Gefängnis Powo Tramo, im Gefängnis Trisam oder dem Umerziehungslagerder TAR, und im Lhasa Gefängnis, das früher als Outridu bezeichnet wurde.Kapitel 9: Die häufigsten <strong>Folter</strong>methodenDie Behörden greifen rout<strong>in</strong>emäßig zur <strong>Folter</strong>, um Geständnisse zu erpressen, um politischen Dissenszu unterdrücken, oder als Strafe für krim<strong>in</strong>elle Aktivität und sogar als e<strong>in</strong> Mittel der Erpressung. Zu <strong>Folter</strong>opfernkönnen krim<strong>in</strong>eller Taten Verdächtigte, Strafhäftl<strong>in</strong>ge und Gefangene, politische Opponenten,Menschenrechtsaktivisten, Angehörige ethnischer M<strong>in</strong>derheiten, besonders <strong>Tibet</strong>er und Uighuren, sowieAngehörige sonstiger Randgruppen werden. 59Der UN-Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> bestätigte nach se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a und <strong>Tibet</strong>, daß nebenvielen herkömmlichen <strong>Folter</strong>methoden 60 auch andere und neue e<strong>in</strong>gesetzt werden, wie etwa der“Tigerhocker”, wo das Opfer gezwungen wird, bewegungslos auf e<strong>in</strong>em w<strong>in</strong>zigen, nur wenige Zentimeterhohen Hocker zu sitzen, das “umgekehrte Flugzeug”, wo das Opfer mit gerade gehaltenen Be<strong>in</strong>en,geschlossenen Füßen und ausgestreckten Armen vornüber gebeugt dastehen muß, oder das “Erschöpfendes Adlers”, wo das Opfer auf e<strong>in</strong>en hohen Stuhl gestellt und geschlagen wird, bis es zusammenbricht.58 “Human Rights and the Rule of Law”, International Commission of Jurists (ICJ), <strong>Tibet</strong>, 1997, p.248.59 Ibid.60 ”Special Rapporteur on Torture highlights challenges at end of visit to Ch<strong>in</strong>a”, Press Release, 2 December 2005:http://www.ohchr.org/English/issues/torture/rapporteur/<strong>in</strong>dex.htm.


24Den Zeugenaussagen von Flüchtl<strong>in</strong>gen und den aus <strong>Tibet</strong> erhaltenen Informationen zufolge sche<strong>in</strong>tdie häufigste <strong>Folter</strong>art immer noch die Verabreichung körperlicher Schläge zu se<strong>in</strong>, sei es nun mitFäusten, mit Elektroschlagstöcken, Gummiknüppeln, Gürtelschnallen, Eisenruten oder elektrischenViehstöcken. Es werden auch andere <strong>Folter</strong>methoden angewandt, die ke<strong>in</strong>e sichtbaren Spuren h<strong>in</strong>terlassen,die Opfer werden etwa extremen Temperaturen ausgesetzt, mit dem Tode bedroht oder gezwungen,12 bis 16 Stunden lang völlig bewegungslos <strong>in</strong> der Sonne zu stehen, wobei sie Zeitungspapierzwischen die Be<strong>in</strong>e und unter die Arme klemmen oder e<strong>in</strong>e Wasserschale oder e<strong>in</strong> Buch auf demKopf balancieren müssen. Für jede Bewegung werden sie durch e<strong>in</strong>en Hieb mit dem Elektrostab bestraftoder durch Verbrühen mit heißem Wasser, das ihnen auf die bloße Haut gegossen wird. AndereStrafen s<strong>in</strong>d der Entzug von Nahrung und Schlaf oder der Befehl zu militärischem Exerzieren, wobeisie Slogans wie “ich strebe nach Reform” (gyurkoy-la-shugnon), “ich werde e<strong>in</strong> neuer reformierterMensch” (lhargyang mi sarpa) rufen müssen 61 . Besonders für Mönche und Nonnen bedeutet es e<strong>in</strong>epsychologische <strong>Folter</strong>, wenn sie gezwungen werden, ihre religiösen Glaubens<strong>in</strong>halte zu schmähen.Aus zahlreichen Berichten ehemaliger politischer Gefangener wissen wir, daß die E<strong>in</strong>schließung <strong>in</strong>Isolationszellen über längere Zeit e<strong>in</strong>e häufige und besonders drastische Art der Mißhandlung ist. Inmanchen Fällen wurden die Häftl<strong>in</strong>ge auf diese Weise zum Wahns<strong>in</strong>n getrieben oder sie verloren ihrAugenlicht.In dem vom TCHRD 1999 veröffentlichten Bericht “Geschichten des Schreckens” wurden die gängigenMethoden der <strong>Folter</strong>ung beschrieben. In der Untersuchungshaft wird e<strong>in</strong>e Vielfalt von Methoden angewandt.Es wurde berichtet, daß <strong>in</strong> letzter Zeit eher <strong>Folter</strong>methoden bevorzugt werden, deren E<strong>in</strong>wirkungäußerlich nicht sichtbar ist, wie etwa die Verursachung von <strong>in</strong>neren Verletzungen, die ke<strong>in</strong>esichtbaren Narben h<strong>in</strong>terlassen. Schwere Schädigungen von Leber oder Nieren durch wiederholteSchläge auf diese Körperteile, sowie die folgende Verweigerung mediz<strong>in</strong>ischer Behandlung s<strong>in</strong>d verbreiteteTodesursachen. Frauen werden nicht selten mit <strong>Folter</strong><strong>in</strong>strumenten sexuell mißhandelt, wobeies die Täter besonders auf die Nonnen abgesehen haben. Den Opfern, die <strong>in</strong> den Haftzentren undGefängnissen durch die <strong>Folter</strong> Verletzungen davontragen, wird im allgeme<strong>in</strong>en die mediz<strong>in</strong>ische Betreuungverweigert. In e<strong>in</strong>igen Fällen führte dies zu irreversiblen Lähmungen und <strong>in</strong> anderen sogarzum Tod. Die Behörden neigen jedoch dazu, Häftl<strong>in</strong>ge, die <strong>in</strong>folge ihrer Verletzungen dem Tode nahes<strong>in</strong>d, zu ihren Angehörigen nach Hause zu schicken oder <strong>in</strong>s Krankenhaus e<strong>in</strong>zuliefern, wodurch sichder Staat der Verantwortung entziehen will.Zur <strong>Folter</strong>ung <strong>in</strong> der Gefangenschaft gehört häufig auch die Zwangsarbeit. Den Häftl<strong>in</strong>gen wird e<strong>in</strong>tägliches äußerst erschöpfendes Arbeitssoll auferlegt, das sie ungeachtet ihrer physischen oder psychischenVerfassung erfüllen müssen. E<strong>in</strong>ige ehemalige Gefangene beschrieben diese physischeÜberforderung als noch unerträglicher als die Schläge. Manche Techniken wirken sich auch tief auf diePsyche der Opfer aus, wie etwa Blutabnahmen, Nahrungsentzug und langzeitige Isolationshaft.a) Hand- und FußschellenDie Ch<strong>in</strong>esen konstruierten mehrere Varianten von Handschellen, die furchtbare Schmerzen verursachen.Die schmerzhafteste Methode ist die, wenn die Daumen h<strong>in</strong>ter dem Rücken zusammengefesseltwerden. Dabei werden dem Opfer e<strong>in</strong> Arm über die Schulter und der andere <strong>in</strong> der Taille nach h<strong>in</strong>tengezerrt, dann werden ihm Daumenschrauben angelegt, so daß die Daumen ane<strong>in</strong>ander gefesselt s<strong>in</strong>d.Daraufh<strong>in</strong> wird es an e<strong>in</strong>em Balken aufgehängt und so vernommen. Fußschellen verschiedenen Gewichtswerden ebenfalls e<strong>in</strong>gesetzt, manche Häftl<strong>in</strong>ge müssen gar mit gefesselten Füßen schwereArbeit leisten. Ehemalige Gefangene berichteten, daß sie e<strong>in</strong> Loch <strong>in</strong> den Boden graben mußten, umdar<strong>in</strong> zu stehen, damit sie die Schmerzen aushalten und die Arbeit ausführen konnten. E<strong>in</strong>ige Gefangeneerzählten, die schmerzhafteste Variante der Handschellen seien die sich automatisch verengendengewesen, die auch die „gelben“ genannt wurden. Bei jeder Bewegung ziehen sie sich enger zusammen.An der Innenseite s<strong>in</strong>d sie mit scharfen Zähnen versehen, so daß die Haut an den Handgelenkenzerfetzt wird, heftig zu bluten beg<strong>in</strong>nt und es zu bleibenden Narben kommt. Palden Gyatso 62berichtet von noch e<strong>in</strong>em anderen Typ von Handschellen, um die “sich lauter Blasen bildeten, die sichspäter entzündeten und wie Brandblasen schmerzten”.61 ”Ngawang Dolma: A voice beh<strong>in</strong>d bars,” Human Rights Update, TCHRD, November 2000.62 Der ehrw. Palden Gyatso ist e<strong>in</strong> ehemaliger politischer Gefangener, der 33 Jahre im Gefängnis saß und jetzt <strong>in</strong> Dharamsalalebt. Wir verweisen auf se<strong>in</strong>e “Autobiographie e<strong>in</strong>es <strong>Tibet</strong>ischen Mönches”, 1997, und auf se<strong>in</strong> Buch “Fire under the Snow”,2003.


25b) ElektroschocksElektrische Schlag- oder Viehstöcke gehören zu den von Polizeioffizieren und Gefängniswachen amhäufigsten verwendeten <strong>Folter</strong><strong>in</strong>strumenten. Sie haben Elektroschocker verschiedener Größe, die e<strong>in</strong>ehohe Ausgangsspannung erzeugen und mit denen sie den empf<strong>in</strong>dlichen Körperteilen der Gefangenenwie Mund, Handflächen, Fußsohlen, Genitalien, Brust, Nacken oder Brüsten Stromstöße versetzen.Manchmal traktieren sie e<strong>in</strong>en Häftl<strong>in</strong>g mit mehreren Elektroschockern gleichzeitig. Oft gießen sie nochWasser über die Opfer, um die Schockwirkung zu <strong>in</strong>tensivieren.Das Elektroschockgerät oder der elektrische Viehstock ist e<strong>in</strong>e neue <strong>Folter</strong>technik, die von den Ch<strong>in</strong>esenAnfang der achtziger Jahre e<strong>in</strong>geführt wurde. Diese Instrumente bilden Teil der Ausrüstung e<strong>in</strong>esjeden Polizisten. Vor allem bei den Unabhängigkeitsdemonstrationen pflegten sie sie e<strong>in</strong>zusetzen.Ebenso gehören sie zum Inventar der Vernehmungszellen, wo die Opfer damit am Körper und <strong>in</strong> dasGesicht geschlagen werden. Weibliche Gefangene werden damit auch sexuell traktiert. Es gibt vieleBerichte von Frauen, bei denen die elektrischen Schlagstöcke <strong>in</strong> die Vag<strong>in</strong>a oder den Anus e<strong>in</strong>geführtwurden. Oft werden die Schockgeräte den Gefangenen als Strafe für e<strong>in</strong>e nicht zufriedenstellendeAntwort <strong>in</strong> den Mund gepreßt, was e<strong>in</strong>e schwere Schwellung der Zunge hervorruft und zum Verlust derZähne führen kann. Die Opfer können auch direkt elektrisiert werden, <strong>in</strong>dem Elektrodrähte um ihreHandgelenke gewickelt oder an ihren Daumen und anderen Körperteilen befestigt werden. Zusätzlichkann noch Wasser über das Opfer gegossen werden. Durch diese Stromstöße erleiden die Opferschwere <strong>in</strong>nere Verletzungen oder tragen zuweilen auch mentale Störungen davon.c) Aufhängen <strong>in</strong> der LuftDas Aufhängen der Häftl<strong>in</strong>ge ist e<strong>in</strong>e weitere grausame <strong>Folter</strong>methode, die bei den Vernehmungen,während der Untersuchungshaft und im Gefängnis angewandt wird. Das Opfer wird mit e<strong>in</strong>em Seil anse<strong>in</strong>en beiden fest auf dem Rücken zusammengebunden Armen von der Decke herab aufgehängt, sodaß se<strong>in</strong>e Zehen den Boden kaum berühren oder se<strong>in</strong>e Füße e<strong>in</strong> wenig über dem Boden baumeln.Während es <strong>in</strong> dieser Stellung ausharren muß, zünden die <strong>Folter</strong>er oft noch Kohlen oder Chilipulverunter ihm an. Wie ehemalige Häftl<strong>in</strong>ge berichten, war das Brennen e<strong>in</strong>e so schreckliche Empf<strong>in</strong>dung,daß sie oft mehrere Stunden lang ihre Augen nicht öffnen konnten. Das starke Schwitzen, das durchdiese Tortur ausgelöst wird, verstärkt se<strong>in</strong>erseits noch die Schmerzen. Palden Gyatso erzählte, daßgelegentlich heißes Wasser über die von der Decke hängenden Gefangenen gegossen wurde.Das Aufhängen der Häftl<strong>in</strong>ge von der Decke herab mit e<strong>in</strong>em unter ihnen brennenden Feuer ist e<strong>in</strong>e<strong>Folter</strong>methode, die öfters von ehemaligen Gefangenen beschrieben wurde. Ebenso, daß oft noch Chilipulver<strong>in</strong> das Feuer geworfen wird, was e<strong>in</strong>en ätzenden Rauch erzeugt und das Leiden noch verschlimmert.“Als sie Chilipulver auf das Feuer streuten, rief dies e<strong>in</strong> schreckliches brennendes Gefühlan me<strong>in</strong>em ganzen Körper hervor, jedes Mal danach konnte ich me<strong>in</strong>e Augen mehrere Stunden langnicht öffnen”, erzählte Jampel Tser<strong>in</strong>g 63 .d) Extremen Temperaturen aussetzenGefangene werden sowohl der eisigen W<strong>in</strong>terkälte als auch der sengenden Sommerhitze ausgesetzt.Viele ehemalige politische Gefangene bezeugten, daß sie im tiefsten W<strong>in</strong>ter nackt oder nur dürftig bekleidetauf dem Betonfußboden ungeheizter Gefängniszellen schlafen mußten. Um die Kälte noch unerträglicherzu machen, ließen die Gefängnisaufseher bei Nacht noch die Fenster der Zellen geöffnet.Die W<strong>in</strong>tertemperaturen <strong>in</strong> Lhasa variieren von Null bis m<strong>in</strong>us 13 Grad Celsius. Sogar schwer verletzteHäftl<strong>in</strong>ge oder solche, deren Gesundheitszustand sehr schlecht war und die dem Tode nahe waren,wurden <strong>in</strong> solche Zellen e<strong>in</strong>gesperrt. Manche Isolationszellen werden so konstruiert, daß ke<strong>in</strong> Sonnenstrahle<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen kann, weshalb sie extrem kalt s<strong>in</strong>d.63 Jampel Tser<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Ganden, verbüßte e<strong>in</strong>e fünfjährige Haftstrafe <strong>in</strong> Drapchi, weil er 1989 e<strong>in</strong>e Demonstration<strong>in</strong> Lhasa angeführt hatte.


26Alternativ werden die Gefangenen extremer Hitze ausgesetzt: Sie werden gezwungen, viele Stundenan e<strong>in</strong>em Stück <strong>in</strong> geschlossenen Räumen ohne Belüftung zu arbeiten oder sie müssen stundenlangmit warmer Kleidung und Pelzmützen draußen <strong>in</strong> der Sonne stehen. Außerdem s<strong>in</strong>d die Verhältnisse,unter denen die Häftl<strong>in</strong>ge leben müssen, äußerst schmutzig und unhygienisch. E<strong>in</strong>e andere <strong>Folter</strong>technikist, das Opfer an e<strong>in</strong>en heißen Kam<strong>in</strong> zu fesseln oder es mit Zigaretten zu versengen.e) KampfhundeZuweilen werden während der Vernehmungen auch Kampfhunde geholt, die dann auf die Gefangenenlosgehen. Jede unkontrollierte Bewegung des Häftl<strong>in</strong>gs ruft sofort ihre Attacke hervor. In manchen Fällenwurden die Gefangenen von diesen Hunden schwer verstümmelt.f) Sexuelle ÜbergriffeSexuelle Nötigung ist e<strong>in</strong>e der barbarischsten <strong>Folter</strong>methoden <strong>in</strong> den Haftanstalten <strong>Tibet</strong>s. SexuellerMißbrauch ist e<strong>in</strong> Gewaltverbrechen und besteht <strong>in</strong> sexuellem Kontakt mit e<strong>in</strong>er Person gegen derenWillen. Oft wird der Akt mit solcher Heftigkeit ausgeführt, daß das Opfer physisch verletzt wird. Undselbst wo ke<strong>in</strong>e bleibenden physischen Bee<strong>in</strong>trächtigungen zurückbleiben, kann der durch e<strong>in</strong>e solche<strong>in</strong>time Verletzung der Person verursachte psychologische Schaden immens se<strong>in</strong>. Die sexuellen Übergrifferichten sich hauptsächlich darauf, den Glauben und Geist der schutzlosen buddhistischen Nonnenzu brechen, die bei Unabhängigkeitsdemonstrationen mitmachten. Stäbe und Elektroschockerwerden <strong>in</strong> Vag<strong>in</strong>a und Anus e<strong>in</strong>geführt, was ihnen unerträgliche Schmerzen und irreversible <strong>in</strong>nereVerletzungen wie etwa Nierenschäden zufügt und außerdem e<strong>in</strong> entsetzliches psychologisches Traumafür sie bedeutet. Derartige <strong>Folter</strong>akte werden ausgeführt, um die Opfer zu demütigen und sie durchdas soziale Stigma, das solchen Erfahrungen anhaftet, zu demoralisieren. Dies trifft besonders fürNonnen zu, die e<strong>in</strong> Keuschheitsgelübde abgelegt haben.g) IsolationshaftE<strong>in</strong>zelhaft ist e<strong>in</strong>e Strafe, bei der die Gefangenen von jeglichem Kontakt mit anderen Personen, ausgenommenden Aufsehern und eventuell dem mediz<strong>in</strong>ischem Personal, abgeschnitten s<strong>in</strong>d. Wegenihrer schlimmen Auswirkungen auf den geistigen Zustand der Häftl<strong>in</strong>ge wird sie allgeme<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e äußerstgrausame und ungewöhnliche Art der Strafe angesehen. Die E<strong>in</strong>zelhaftzellen werden so konstruiert,daß die Bed<strong>in</strong>gungen so unmenschlich wie möglich s<strong>in</strong>d: Sie s<strong>in</strong>d so kle<strong>in</strong> (üblicherweise 6 x 3Fuß = 1,8 x 0,9 m), daß e<strong>in</strong> Häftl<strong>in</strong>g nur sitzen kann. Die Ausmaße der Zellen variieren von Gefängniszu Gefängnis. Außerdem s<strong>in</strong>d sie vollkommen dunkel, und manchmal s<strong>in</strong>d ihre Böden aus Metall, wassie unerträglich kalt macht. Der e<strong>in</strong>zige Behälter <strong>in</strong> der Zelle ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Topf, der sowohl als Eßnapfals auch als Klo benutzt wird. E<strong>in</strong> Häftl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Isolationshaft darf se<strong>in</strong>e Zelle nicht verlassen, außer wenner zu den Vernehmungen gerufen wird, und überdies ist er gewöhnlich <strong>in</strong> Schellen gelegt. Die Dauerder Isolationshaft kann sechs Monate und darüber betragen.h) <strong>Folter</strong>videosManchmal werden die Gefangenen gezwungen, sich Videos anzusehen, die Gewaltanwendung gegen<strong>Tibet</strong>er, etwa Massenh<strong>in</strong>richtungen zeigen. Am häufigsten müssen sie e<strong>in</strong> Video anschauen, <strong>in</strong> deme<strong>in</strong> buddhistischer Mönch barbarisch zu Tode gequält wird. Zuerst wird er an Händen und Füßen mitNägeln durchbohrt und gekreuzigt, dann werden zwei Schüsse auf ihn abgefeuert, ehe er über e<strong>in</strong>emScheiterhaufen aufgehängt und lebendig verbrannt wird.i) In den Mund des Opfers ur<strong>in</strong>ieren


27Zu den vielen Methoden, die ch<strong>in</strong>esische Aufseher <strong>in</strong> den Gefängnissen anwenden, um die Häftl<strong>in</strong>gezu demütigen, gehört auch die, daß sie die Opfer zw<strong>in</strong>gen, riesige Mengen Flüssigkeit zu tr<strong>in</strong>ken undihnen nicht erlauben, das Zimmer zu verlassen, bis sie nicht mehr an sich halten können und sich erleichtern.E<strong>in</strong>e andere Art der Demütigung ist, daß die Wachen durch e<strong>in</strong> Gummirohr direkt <strong>in</strong> denMund des Opfers ur<strong>in</strong>ieren. Mönche und Nonnen erleiden oft die schlimmsten Formen psychologischer<strong>Folter</strong>, wenn sie gezwungen werden, ihre religiösen Überzeugungen zu schmähen. E<strong>in</strong>e Methode psychologischer<strong>Folter</strong> ist etwa die, daß Mönche und Nonnen gezwungen werden, auf ihrem Rücken übere<strong>in</strong>er Thangka (religiöses Rollbild) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Korb menschliche Fäkalien zu tragen.j) Zwangsentnahmen von Blut und KörperflüssigkeitenZwangsweise Blutabnahme zählt weiterh<strong>in</strong> zu den Varianten physischer und psychologischer <strong>Folter</strong>,mit denen die Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> konfrontiert werden. Der Zweck ist, daß sie körperlich geschwächtwerden. In der Höhenlage <strong>Tibet</strong>s wird e<strong>in</strong>e Person, besonders bei der dürftigen Gefangenennahrung,durch Blutverlust äußerst geschwächt. Wenn jemand sich durch die häufigen Schläge bereits <strong>in</strong>schlechtem Gesundheitszustand bef<strong>in</strong>det, kann e<strong>in</strong>e wiederholte Blutabnahme sogar zum Tod führen.k) Andere <strong>Folter</strong>technikenWeitere <strong>Folter</strong>arten, die von ehemaligen Gefangenen beschrieben wurden, s<strong>in</strong>d: Fausthiebe und Fußtritte,brutales Auspeitschen des Opfers mit Brennesseln, Durchstechen der Haut mit Nadeln, oder eswerden ihm Bambusstäbchen unter die F<strong>in</strong>gernägel getrieben, mit e<strong>in</strong>em Hammer Schläge auf dieGelenke, besonders die Knöchel versetzt oder es wird mit e<strong>in</strong>er Keule geschlagen, die mit abgekantetenNägeln versehen ist, oder gelegentlich auch mit Riemenpeitschen, die am Ende e<strong>in</strong>e Reihe vonTauenden haben. Manche berichteten auch, daß sie mit Schlagstöcken und Eisenstangen traktiertwurden, weiterh<strong>in</strong> mit Holzkeulen, die mit gestutzten Nägeln gespickt waren, wodurch das Fleisch ihresKörpers zerfetzt wurde.Kapitel 10: Die psychologischen Aspekte der <strong>Folter</strong>In <strong>Tibet</strong> wird ganz bewußt und oft <strong>in</strong> geplanter und kalkulierter Weise physisch und psychisch gefoltert,damit e<strong>in</strong> bestimmter von demjenigen, der foltert, se<strong>in</strong>en Vorgesetzten und dem Regime verfolgterZweck erreicht wird. Mit dem Ziel, die Widerstandskraft der Opfer selbst zu brechen, jene, die ihm nahestehen, e<strong>in</strong>zuschüchtern, potentielle Dissidenten von politischer Aktivität abzuschrecken, oder umdas spirituelle Band, welches das tibetische Volk mit se<strong>in</strong>em geistigen Oberhaupt, dem Dalai Lama,verb<strong>in</strong>det, zu zertrennen, verwenden die ch<strong>in</strong>esischen Behörden verschiedene <strong>Folter</strong>methoden wieIsolierung, Demütigung, Ausübung psychologischen Druckes und das Zufügen physischer Schmerzen.Durch die <strong>Folter</strong> soll den Opfern auch die sche<strong>in</strong>bare Macht und Unbesiegbarkeit des kommunistischenRegimes <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> vor Augen geführt werden. Wie im Falle der Vernehmungen, die euphemistisch“Informationserfassung” genannt werden, ist das, was die Gefolterten auf die Fragen antworten,dem Regime oft gar nicht so wichtig. In vielen Fällen besitzen die <strong>Folter</strong>er bereits die Informationen,die sie angeblich suchen. Daß e<strong>in</strong>e Antwort erfolgt, ist entscheidender als ihr Inhalt. Die Tatsache desAntwortens wird von den Behörden oft als Bestätigung ihrer Macht und darüber h<strong>in</strong>aus der Macht desRegimes gesehen.Gemäß der UN-Konvention gegen <strong>Folter</strong> be<strong>in</strong>haltet die Def<strong>in</strong>ition der <strong>Folter</strong> sowohl die Zufügung physischerSchmerzen als auch psychische Marter. In der gleichen Weise, wie die Zufügung starkerSchmerzen die Sprachfähigkeit e<strong>in</strong>es Individuums angreift, so zerstört psychische <strong>Folter</strong>, das, wasman die Seele des Individuums nennen könnte, se<strong>in</strong> Selbst. Es ist dieses Selbst, welches die organisierendeFunktion <strong>in</strong> unserer <strong>in</strong>neren Welt ausübt, also die organisierende Struktur der Psyche darstellt.<strong>Folter</strong> ist nicht nur e<strong>in</strong>e grobe Verletzung des Körpers, sondern auch der Psyche. <strong>Folter</strong> ist dahere<strong>in</strong> Trauma, das die Fähigkeit e<strong>in</strong>er Person zu normalen Reaktionen zerstört, denn sie führt zu patho-


28logischen Veränderungen <strong>in</strong> ihrem Selbstgefühl und ihren Interaktionen mit der Außenwelt. <strong>Folter</strong> zieltauf die Zerstörung der Identität e<strong>in</strong>es Individuums und se<strong>in</strong>es Selbstbewußtse<strong>in</strong>s ab.In den vergangenen Jahrzehnten wurden vor allem Mönche und Nonnen psychischer <strong>Folter</strong> ausgesetzt:Es bedeutet für sie e<strong>in</strong>e Verletzung ihrer religiösen Gefühle und ihrer Verehrung für den DalaiLama, ihr geistliches Oberhaupt, wenn sie gezwungen werden, sich von ihm loszusagen. Die Schmähungihres spirituellen Oberhauptes, das Verbot se<strong>in</strong>es Porträts und der Durchführung von Gebets-Zeremonien für se<strong>in</strong> langes Leben, sie alle haben den e<strong>in</strong>en Zweck, nämlich die religiösen Gefühle der<strong>Tibet</strong>er zu verletzen. Besonders für Mönche und Nonnen stellt dies e<strong>in</strong> immenses psychisches Traumadar. Die im Gange bef<strong>in</strong>dliche Kampagne der patriotischen Umerziehung ist e<strong>in</strong>e Art politischer Manipulationder <strong>in</strong> den tibetischen Klöstern lebenden Mönchen und Nonnen, deren Loyalität zum DalaiLama ausgemerzt werden soll. Die permanente paranoide Angst der Behörden vor der Gefährdung dersozialen Stabilität hat dazu geführt, daß sie gegen das Herzstück der tibetischen Kultur, die Religionund die Klöster, die sie als “Brutstätte des politischen Abweichlertums” begreifen, äußerst hart vorgehen.Ihre ständige Repression des tibetischen Buddhismus beweist nur allzu deutlich, daß sie e<strong>in</strong>eVerb<strong>in</strong>dung zwischen tibetischer Spiritualität und tibetischem Nationalismus vermuten. Die Bewunderungund Hochachtung, die charismatischen Lamas entgegen gebracht wird – sie ziehen nicht nur tibetischeund ausländische Gläubige an, sondern auch gewöhnliche Ch<strong>in</strong>esen aus dem ch<strong>in</strong>esischenKernland, die allmählich e<strong>in</strong> Interesse für spirituelle D<strong>in</strong>ge entwickeln –, werden von der KommunistischenPartei als e<strong>in</strong>e potentielle Bedrohung ihrer Herrschaft wahrgenommen.Der Tod des 28jährigen Mönches Ngawang Jangchup aus dem Kloster Drepung im Oktober 2005nach e<strong>in</strong>er patriotischen Umerziehungssitzung kann dem psychischen Trauma, dem er sich ausgesetztsah, zugeschrieben werden. Ngawang hatte e<strong>in</strong>e heftige Ause<strong>in</strong>andersetzung mit den Arbeitsteam-Kadern, als diese von den Mönchen forderten, den Dalai Lama als Spalter zu beschimpfen und derch<strong>in</strong>esischen Regierung ihre Loyalität zu erklären. Er weigerte sich kategorisch, dies zu tun, und priesstatt dessen den Dalai Lama als se<strong>in</strong>en “Retter für das jetzige und das künftige Leben”. Die Mönchebef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er äußerst prekären Lage: Entweder leisten sie den Anweisungen der Partei Folgeund machen sich dadurch religiöser Blasphemie schuldig oder sie kehren dem monastischen Lebenden Rücken und verlassen das Kloster.Ehemalige politische Gefangene <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> werden e<strong>in</strong>er weiteren subtilen Form psychischer <strong>Folter</strong> unterzogen.Das Leben nach dem Gefängnis wird ihnen zur Hölle gemacht, denn der Wiedere<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> ihrKloster ist ihnen verwehrt, sie werden sozial geächtet, ständig von den Sicherheitsbeamten beschattetund haben ke<strong>in</strong>e Aussicht, jemals e<strong>in</strong>en Job zu bekommen. Viele müssen sich regelmäßig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erPolizeistation melden, oder die Beamten nisten sich gar bei ihnen zu Hause e<strong>in</strong>. Das psychologischeTrauma, das ehemalige politische Gefangene erleiden, ist so unerträglich, daß viele unter Lebensgefahrdie Flucht über den Himalaya wagen, um e<strong>in</strong> neues Leben im Exil zu beg<strong>in</strong>nen. Was für GesetzesparagraphenCh<strong>in</strong>a auch immer zitieren mag, die sich auf die “Bekämpfung der <strong>Folter</strong>” beziehensollen 64 , sie bleiben weit h<strong>in</strong>ter der <strong>Folter</strong>konvention und ihren Bestimmungen zurück, denen zufolgedie Staaten alle Akte von <strong>Folter</strong> ächten und Zuwiderhandlungen durch Strafen ahnden müssen, diedem Schweregrad des Verbrechens angemessen s<strong>in</strong>d 65 .Kapitel 11: Berichte über <strong>Folter</strong> an ehemaligen politischen GefangenenDas TCHRD hat seit 1987 e<strong>in</strong>e lange Dokumentation über Fälle tibetischer politischer Gefangener zusammengestellt,die als Folge von <strong>Folter</strong> und Mißhandlung <strong>in</strong> der Untersuchungshaft oder im Gefängnisstarben. Die folgenden Aussagen stammen zumeist von Menschen, die die <strong>Folter</strong> überlebten, e<strong>in</strong>igehandeln auch von Opfern, die sie nicht überlebten und starben. Die meisten <strong>Tibet</strong>er, die festgenommenwurden, haben <strong>in</strong> der Untersuchungshaft oder im Gefängnis und sogar noch nach ihrer Entlassungdiverse Arten von <strong>Folter</strong> erlitten, wie sie die Psyche e<strong>in</strong>es Menschen heftig <strong>in</strong> Mitleidenschaftziehen.64 Third Periodic Report, Para.63.65 Art. 4 (1-2) der <strong>Folter</strong>konvention.


29Die Festgenommenen werden, ehe man sie offiziell “verhaftet”, <strong>in</strong>tensiven Verhören unterworfen, umsie zu Geständnissen zu zw<strong>in</strong>gen, die später bei dem Prozeß als Beweismittel herangezogen werden,und ebenso, um ihnen Informationen über andere Dissidenten zu entlocken. Obwohl die Ausführungsbestimmung“Schutz und Ermittlung” (ch<strong>in</strong>. shourong shencha) aus dem Gesetz gestrichen wurde, istes nach dem neuen Strafgesetz immer noch legal, Verdächtige bis zu 44 Tagen ohne formellen Haftbefehlfestzuhalten. Die Folge hiervon ist, daß Gefangene, die <strong>in</strong> Haftzentren wie <strong>in</strong> dem etwas außerhalbvon Lhasa gelegenen Gutsa vernommen werden, oft noch grausamer gefoltert werden als jene,gegen die bereits e<strong>in</strong> Urteil ergangen ist.Die folgenden Schreckensberichte ehemaliger politischer Gefangener vermitteln e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> diediversen <strong>Folter</strong>methoden, welchen die ch<strong>in</strong>esischen Behörden tibetische Häftl<strong>in</strong>ge unterziehen.Dhamchoe Dolma (29), e<strong>in</strong>e ehemalige Nonne des Shar Bumpa Klosters 66 , verbüßte wegen ihrer politischenAktivitäten sechs Jahre im Drapchi Gefängnis. Auf ihre Flucht nach Indien 2004 h<strong>in</strong> berichtetesie von ihren Aktionen <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> und der Brutalität im Gefängnis:“Im Juni 1998 versammelten die Polizisten alle Nonnen, um ihnen das Lied beizubr<strong>in</strong>gen, das sie beimBesuch der örtlichen politischen Führung im Gefängnis vorzutragen hatten. Wir alle weigerten uns jedoch,das Lied zu lernen. Man drohte uns mit Bestrafung, falls wir das Lied nicht lernten. Wir weigertenuns immer noch. Also zwang man uns dazu, von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr <strong>in</strong> der prallen Sonne strammzu stehen, lediglich e<strong>in</strong>e Stunde Pause um die Mittagszeit wurde uns zugestanden. In jener Nacht gegen23.00 Uhr kamen Soldaten <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Zelle und brachten mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen Raum, um mich zuverhören. Sie waren zu fünft. Sie fragten mich ständig, warum ich mich weigere, das Lied zu lernen.Ich antwortete nicht. Da schlugen sie mit e<strong>in</strong>em Elektroschocker auf mich e<strong>in</strong>, bis ich bewußtlos wurde.Als ich wieder zu mir kam, fragten sie mich, ob ich jetzt das Lied lernen und s<strong>in</strong>gen würde. Als ich esablehnte, droschen sie mit dem Viehstab auf mich e<strong>in</strong>, bis ich durch den Schock wieder das Bewußtse<strong>in</strong>verlor. Ich erwachte auf dem Boden des Waschraums <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Zellengang. Ich hatte e<strong>in</strong>genäßtund e<strong>in</strong>gekotet. Weil me<strong>in</strong> Mund so geschwollen war, konnte ich nicht mehr sprechen. Me<strong>in</strong> Gesichtwar mit Blutergüssen und offenen Wunden übersät. Sieben Tage lang wurde ich <strong>in</strong> diesem Zustand imWaschraum gelassen. Danach wurde ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>zelzelle verlegt und erhielt nur e<strong>in</strong>e Mahlzeit amTag. Die Nahrung reichte kaum zum Überleben. Die Soldaten gaben mir gerade so viel zu essen, daßich nicht sterben würde. Ich bekam e<strong>in</strong>e Schüssel Wasser und e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Schale Reis. Sechs Monatelang sperrten sie mich <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>zelzelle e<strong>in</strong>, danach schickten sie mich wieder <strong>in</strong> me<strong>in</strong>e Abteilung zurück”67 .Gyaltsen Dolkar (33) und Namdrol Lhamo (40), zwei der “14 s<strong>in</strong>genden Nonnen von Drapchi” 68 , trafennach ihrer Flucht aus <strong>Tibet</strong> Ende Oktober 2004 <strong>in</strong> Kathmandu e<strong>in</strong>. Sie erzählten von den Schrecknissen,die sie im Gefängnis durchmachten und von dem besonders brutalen Umgang der Gefängnisaufseherund der Beamten mit den politischen Gefangenen. Hier ist Gyaltsens Bericht:“Während des Shoton-Fests (Opernfest) 1990 riefen 13 Nonnen, von denen fünf aus me<strong>in</strong>em Klosterund die anderen acht aus dem Kloster Michungri waren, Parolen wie ‚Freiheit für <strong>Tibet</strong>’ und ‚Lang lebeder Dalai Lama’. Innerhalb kürzester Zeit trafen an die 30 Polizisten des Public Security Bureau (PSB)und Kräfte von der People’s Armed Police (PAP) e<strong>in</strong>. Diese prügelten heftig auf uns e<strong>in</strong> und brachtenuns <strong>in</strong>s Haftzentrum Gutsa, wo wir gezwungen wurden, zwei Stunden lang mit dem Gesicht zur sengendheißen Sonne h<strong>in</strong> gewandt zu stehen.Dann wurden wir nache<strong>in</strong>ander zum Verhör gerufen, <strong>in</strong> dessen Verlauf die Polizisten uns mit elektrischenStöcken Schocks am Hals und an anderen Körperstellen versetzten, bis wir ohnmächtig umfielen.E<strong>in</strong>ige von uns wurden mit blanken Kabeln gequält, die e<strong>in</strong> Offizier mittels e<strong>in</strong>es sich drehendenGeräts unter Strom setzte. Der Schmerz war unerträglich. Sie ließen auch Hunde auf uns los, manchmalhängten sie uns an der Decke auf und steckten uns elektrische Viehstöcke <strong>in</strong> den Mund. Später <strong>in</strong>der Nacht wurden wir getrennt <strong>in</strong> den Frauenzellen untergebracht.Während der folgenden Tage wurden wir täglich von drei Offizieren verhört, die wissen wollten, wer dieAnführer<strong>in</strong> des Protests gewesen sei und welche ‚separatistischen Aktivitäten’ wir <strong>in</strong> der Vergangenheit66 Shar Bumpa Nunnery, meistens als Shargon bezeichnet, gehört zur Geme<strong>in</strong>de Jangkar, Kreis Phenpo, TAR.67 “Wiederaufbau e<strong>in</strong>es Nonnenklosters führt zu Polizeiaktion: Augenzeugenbericht von Dhamchoe Dolma”, Human RightsUpdate, März 2004.68 Die “14 s<strong>in</strong>genden Nonnen von Drapchi” s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Gruppe von 14 Nonnen, die im Drapchi Gefängnis <strong>in</strong>haftiert waren, wosie heimlich auf e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>s Gefängnis geschmuggelten Kassettenrecorder Lieder aufnahmen, <strong>in</strong> denen sie ihre H<strong>in</strong>gabe anden Dalai Lama und Botschaften an Verwandte, Freunde und <strong>Tibet</strong>unterstützer zum Ausdruck brachten.


30schon unternommen hätten. Verschiedene Formen der <strong>Folter</strong> wie Elektroschocks, Schläge mit Eisenrutenund elektrischen Schlagstöcken waren <strong>in</strong> Gutsa an der Tagesordnung.Nach drei Monaten erbarmungsloser Verhöre und <strong>Folter</strong>ung verurteilte uns der Mittlere VolksgerichtshofLhasa am zweiten Tag des zehnten Monats nach unserem Mondkalender zu Haftstrafen zwischendrei und sieben Jahren. Ich bekam vier Jahre. Nach dem Urteil wurden wir nach Drapchi verlegt und <strong>in</strong>der dritten E<strong>in</strong>heit, die für Frauen bestimmt war, <strong>in</strong>haftiert. Die neu angekommenen Gefangenen durftenmit den ‚alten’ Insass<strong>in</strong>nen ke<strong>in</strong> Wort reden. Morgens gibt es militärartigen Drill für die Gefangenen;zwei Wochen lang mußten wir zusätzlich die Hausregeln der Anstalt auswendig lernen. Wenn wir sienicht auswendig aufsagen konnten, wurden wir geschlagen und mußten mehr als zwei Stunden <strong>in</strong> derSonne stehen.Nach zwei Monaten wurden wir den Gewächshäusern zugeteilt, um Gemüse anzubauen. Jedes Gewächshausmuß jährlich Gemüse im Wert von 10.000 Yuan produzieren. Wenn die Gefangenen dasnicht schaffen, werden sie schwer geschlagen.Obwohl die Insassen ständig unter gesundheitlichen Problemen leiden, gibt es <strong>in</strong> Drapchi nur e<strong>in</strong>ekle<strong>in</strong>e Krankenstation. Die politischen Gefangenen vermeiden es allerd<strong>in</strong>gs von sich aus, diese aufzusuchen,denn die Ärzte und das Personal dort behandeln sie nicht angemessen. Obwohl die gleicheBehandlung aller Häftl<strong>in</strong>ge gesetzlich vorgeschrieben ist, verhält es sich <strong>in</strong> der Praxis so, daß die politischenGefangenen schwer diskrim<strong>in</strong>iert werden. Sie werden genau überwacht und geschlagen oderman verweigert ihnen unter dem ger<strong>in</strong>gsten Vorwand die Besuche ihrer Angehörigen. Die Strafgefangenendagegen bekommen die leichteren Arbeiten zugeteilt und werden sogar bei harmlosen Verletzungenmediz<strong>in</strong>isch gut versorgt” 69 .Der 29jährige Phuntsok Tser<strong>in</strong>g aus Kardze ist e<strong>in</strong> Künstler, der Metallstatuen von Gottheiten anfertigte.Wegen se<strong>in</strong>es Aufbegehrens gegen die widerrechtliche Festnahme von Geshe Sonam Phuntsok70 , e<strong>in</strong>em angesehenen Religionslehrer im Kreis Kardze, mußte er e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahre lang h<strong>in</strong>ter Gitternverbr<strong>in</strong>gen. Phuntsok Tser<strong>in</strong>g, der nach se<strong>in</strong>er Entlassung nach Indien floh, berichtet über all dasSchreckliche, das er <strong>in</strong> der Haft erlebte:“Am Morgen des 26. Oktober 1999 hörte ich auf me<strong>in</strong>em Weg zur Arbeit, daß Geshe Sonam Phuntsokam Tag zuvor festgenommen worden war. Ich traf mich mit e<strong>in</strong>igen Arbeitskollegen und Freunden, undwir beschlossen, daß wir uns für den Geshe e<strong>in</strong>setzen und se<strong>in</strong>e Entlassung fordern sollten. Da allesspontan und ungeplant erfolgte, wußte ich nicht, wie viele Leute teilnehmen würden. E<strong>in</strong>mal drehte ichmich während des Protestes um und sah schätzungsweise 300 Leute h<strong>in</strong>ter mir stehen. Alle hatten siesich vor dem Tor der Polizeistation des Distrikts Kardze versammelt. Zuerst flehten wir mit zusammengelegtenHänden um die Freilassung des Geshe, doch die Antwort der Offiziere war grob. Weil ihrestrengen Warnungen uns nicht bee<strong>in</strong>druckten, versuchten sie, fünf von uns h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zulocken, um ‚offenüber das zu sprechen, was uns auf dem Herzen liegt’. Ich traute ihnen nicht und sagte, ke<strong>in</strong>er von unswürde se<strong>in</strong>en Fuß <strong>in</strong> das Gebäude setzen.Um diese Zeit, es war etwa 10.30 Uhr morgens, umstellten uns ca. 100 bewaffnete Milizen vom PAPund dem PSB. Sie droschen wild auf die Menschenmenge e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> Polizist des PSB Kardze haute mirmit se<strong>in</strong>em Revolver auf die Nase. Ich schmeckte Blut im Munde und fiel bewußtlos um. Me<strong>in</strong> Freundwurde auch getroffen. Als ich zu mir kam, war ich blutüberströmt und wurde durch das Tor h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geschleift.Dort mißhandelten sie me<strong>in</strong>en Freund und mich weiter. Wie die Hunde verdroschen sie uns.Als sie von uns ließen, versuchte ich aufzustehen, konnte mich jedoch fast nicht auf den Füßen halten.Fünf Tage und Nächte lang behielten sie uns <strong>in</strong> dem PSB-Haftzentrum. Die ganze Zeit über schlugensie uns abwechselnd. Wir litten unsäglich. Sie schütteten heißes Wasser auf unser Gesicht, traktiertenuns mit Elektroschlagstöcken und schlugen uns mit Gewehrläufen und dicken Holzstöcken. Manchmalnahmen sie sogar e<strong>in</strong>en Felsbrocken, den sie uns auf den Kopf schmetterten.Nach fünf Tagen wurde ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere, etwa 3 m x 3 m messende Zelle verlegt. E<strong>in</strong>en Tag langwar ich alle<strong>in</strong>e dar<strong>in</strong>, aber dann wurden immer mehr Leute h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gepfercht. Alle waren sie wegen ihresWiderstandes gegen die Verhaftung des Geshe festgenommen worden. Insgesamt 12 Personen warenwir schließlich <strong>in</strong> dem w<strong>in</strong>zigen Raum. Auch drei ältere Frauen waren darunter. Mit 25 war ich derJüngste der Gruppe. Me<strong>in</strong> Freund und ich wurden am meisten mißhandelt, weil wir unmittelbar am Ort69 ”Die s<strong>in</strong>genden Nonnen von Drapchi bezeugen <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> der Haft”, Human Rights Update Nov. 2004.70 E<strong>in</strong> angesehener Lama der Präfektur Kardze, der am 25. Oktober 1999 verhaftet wurde, weil er e<strong>in</strong>e Langlebenszeremoniefür den Dalai Lama durchgeführt hatte.


31der Demonstration verhaftet worden waren. Die übrigen wurden später, nachdem Ermittlungen angestelltwurden, aus ihren Wohnungen abgeführt. Die Älteste <strong>in</strong> der Gruppe war e<strong>in</strong>e etwa 55jährigeFrau.Es war uns verboten, mite<strong>in</strong>ander zu sprechen, doch wir fühlten uns ohneh<strong>in</strong> zu erschöpft und krank,um zu reden. Manchmal wurden wir ane<strong>in</strong>ander gekettet, und dann wurden uns wieder die Hände h<strong>in</strong>terdem Rücken <strong>in</strong> Handschellen gelegt. Während der zwei Monate, die ich dort <strong>in</strong>haftiert war, wurdeich 4-5 Mal täglich unter Schlägen vernommen. Anderthalb Monate lang gaben sie mir überhauptnichts zu essen. E<strong>in</strong>ige der anderen Insassen hatten e<strong>in</strong>ige Tsampa-Säckchen here<strong>in</strong>geschmuggelt,was mich vor dem Verhungern bewahrte.Die ganze Zeit über blieben wir auf diese Zelle beschränkt und durften nicht h<strong>in</strong>ausgehen. Es gab ke<strong>in</strong>natürliches Licht <strong>in</strong> dem Raum, und für unsere Notdurft hatten wir e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Eimer. DenPolizisten war es ganz egal, daß auch Frauen <strong>in</strong> dem Raum waren. In der Tat wurden sie genausomißhandelt wie wir. Wir hatten ke<strong>in</strong>en Platz, um uns h<strong>in</strong>zulegen, und außerdem machte es uns derUmstand, daß wir zusammengekettet waren, fast unmöglich, uns auszustrecken. Zwei Monate langmußten wir diese harten Bed<strong>in</strong>gungen und den Gestank ertragen.Jedes Mal, wenn ich zur Vernehmung und zu Schlägen geholt wurde, wurde auch der Rest der Gruppeirgendwie drangsaliert. Mehrere Milizionäre droschen zuweilen auf e<strong>in</strong>e Person e<strong>in</strong>. Sie holten unsvöllig willkürlich zu verschiedenen Zeiten und schlugen uns. Der kle<strong>in</strong>e Raum war überall von Blutspurenübersät. Bei den Verhören pißten e<strong>in</strong>ige sogar manchmal <strong>in</strong> den Mund der Insassen. Diese Art derDemütigung blieb mir und ebenso den Frauen erspart. An e<strong>in</strong>ige Namen unserer Pe<strong>in</strong>iger kann ichmich noch er<strong>in</strong>nern: Choekyap, Lolo, Yikhap, Yama Dorjee, Tser<strong>in</strong>g, Namgyap, Yar-jar-m<strong>in</strong>g, Yarchar,Phaby<strong>in</strong>g, Namgyab, Cha-zim-m<strong>in</strong>g, Dra-pung-po-shor.Am 20. Dezember 1999 kamen Beamte vom Mittleren Volksgericht der Präfektur Kardze <strong>in</strong>s Haftzentrum.Acht von uns mußten sich vor der Zelle aufstellen. Sie machten e<strong>in</strong> Photo von uns und verlasendie Anklagen und die Urteile gegen uns. Nach e<strong>in</strong> paar Tagen wurden wir <strong>in</strong> das Gefängnis Menyang<strong>in</strong> der Stadt Menyang <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Sichuan verlegt. Ehe wir dorth<strong>in</strong> gebracht wurden, wurden uns fürfünf M<strong>in</strong>uten Besuche erlaubt.Die Fahrt zur Haftanstalt von Menyang dauerte vier Tage. Zuerst kamen wir <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit, wo wirmilitärische Drill-Übungen absolvieren mußten, und zwar von 4 Uhr morgens bis 9 Uhr abends mit e<strong>in</strong>er10m<strong>in</strong>ütigen Essenspause. Morgens zwangen sie uns auch manchmal, e<strong>in</strong>e Stunde lang e<strong>in</strong> Videoüber die Größe der VR Ch<strong>in</strong>a anzuschauen. Zwei Monate lang wurden wir <strong>in</strong> dieser E<strong>in</strong>heit festgehalten,wo die Kost sehr dürftig und fast ungenießbar war. Wir litten unsäglich.Zwei Monate später kamen wir <strong>in</strong> die Arbeitse<strong>in</strong>heit No. 4 derselben Anstalt. Sie hatte etwa 4.000 Insassen– abgesehen von uns acht waren alle anderen Ch<strong>in</strong>esen. Wir mußten Ziegel herstellen. DieBed<strong>in</strong>gungen waen entsetzlich, weil wir <strong>in</strong> brütender Sonnenhitze arbeiten mußten, dazu viele Stundenan e<strong>in</strong>em Stück, und das bei ungenügender Ernährung. Weil diese Anstalt so weit von unserer Heimatentfernt liegt, erhielten wir fast ke<strong>in</strong>e Besuche.2001 wurde ich entlassen, aber auch nach dem Gefängnis war das Leben unerträglich. Ich wurdeständig drangsaliert. Im April wurde wegen “mangelnder Dokumente” e<strong>in</strong>es Tages me<strong>in</strong> Fahrrad konfisziert.E<strong>in</strong> andermal mußte ich ohne jeglichen Grund 400 Yuan Strafe zahlen. Schließlich beschloßich, aus <strong>Tibet</strong> zu fliehen. Am 2. Januar 2003 erreichte ich Kathmandu” 71 .Im Paragraph 33 der UN-M<strong>in</strong>destgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen heißt es: “Instrumentezur körperlichen E<strong>in</strong>engung wie Handschellen, Ketten, Halseisen und Zwangsjacken dürfen nie alse<strong>in</strong> Mittel zur Strafe angewendet werden. Außerdem dürfen Ketten oder Eisen nicht als Fesseln verwendetwerden. Andere e<strong>in</strong>engende Instrumente dürfen nicht verwendet werden, außer unter den folgendenUmständen: Als e<strong>in</strong>e Vorsichtsmaßregel gegen das Entwischen e<strong>in</strong>es Häftl<strong>in</strong>gs bei e<strong>in</strong>er Verlegung, wobeigewährleistet se<strong>in</strong> muß, daß die Fessel<strong>in</strong>strumente abgenommen werden, wenn er vor e<strong>in</strong>ergerichtlichen oder adm<strong>in</strong>istrativen Instanz ersche<strong>in</strong>t; Aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen nach Anweisung des Sanitätspersonals;71 “Entsetzlicher Bericht e<strong>in</strong>es ehemaligen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, Februar 2003.


32 Auf Befehl des Direktors der Anstalt, wenn e<strong>in</strong> Häftl<strong>in</strong>g dabei ist, sich oder andere Personen zuverletzen oder Gegenstände zu beschädigen, und andere Kontrollmethoden wirkungslos bleiben.In e<strong>in</strong>em solchen Fall muß der Direktor sofort e<strong>in</strong>en Sanitäter heranziehen und der ihmvorgesetzten Verwaltungs<strong>in</strong>stanz Bericht erstatten 72 .1. Zum Selbstmord und <strong>in</strong> den Wahns<strong>in</strong>n getriebenDas TCHRD hat viele Fälle von Gefangenen dokumentiert, die sich, da sie die wiederholte physischeund psychische <strong>Folter</strong> nicht mehr aushalten konnten, das Leben genommen haben. Das ungeheureAusmaß der physischen Qualen sowie der psychische Druck, daß sie Aussagen gegen ihre religiöseÜberzeugung und ihren Glauben machen müssen, spielen dabei die Hauptrolle. In den ersten Jahrender ch<strong>in</strong>esischen Besetzung <strong>Tibet</strong>s wurden viele Menschen durch die berüchtigten thamz<strong>in</strong>g oderKampfsitzungen, also e<strong>in</strong>er öffentlichen Form der Demütigung, zum Selbstmord getrieben. Hier folgene<strong>in</strong> paar Fälle von politischen Häftl<strong>in</strong>gen, die dermaßen bestialisch gefoltert wurden, daß sie sich dasLeben nahmen.Saru Dawa (27) aus der Geme<strong>in</strong>de Saru, Kreis Dzoge, TAP Ngaba, Prov<strong>in</strong>z Sichuan, war e<strong>in</strong> Mönchim Kloster Kirti.1992 floh er nach Indien und schloß sich dem gleichnamigen Kloster <strong>in</strong> Dharamsala an.Dort verbrachte er acht Jahre, aber als er im November 2000 über den schlechten Gesundheitszustandse<strong>in</strong>er Mutter benachrichtigt wurde, kehrte er nach <strong>Tibet</strong> zurück.Mitte Februar 2001 bargen die Verwandten von Saru Dawa se<strong>in</strong>e Leiche <strong>in</strong> der Nähe des Nyari Haftzentrumsbei Shigatse, TAR. Zuerst leugnete die Polizeibehörde von Nyari, daß es bei ihnen e<strong>in</strong>enHäftl<strong>in</strong>g namens Dawa gegeben hätte. E<strong>in</strong> Gefängnisaufseher, der von den Angehörigen Dawas etwasGeld erhalten hatte, sagte jedoch, daß Dawa <strong>in</strong> Nyari <strong>in</strong>haftiert gewesen sei, aber <strong>in</strong> der Folge Selbstmordbegangen hätte.Den Verwandten wurde mitgeteilt, Dawa hätte e<strong>in</strong>e schwere Straftat begangen. Man zeigte ihnen e<strong>in</strong>Photo Dawas mit dem Dalai Lama und e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong> der Exilgeme<strong>in</strong>de veröffentlichte Bücher, die <strong>in</strong> se<strong>in</strong>emBesitz waren. E<strong>in</strong> Gefängnisbeamter me<strong>in</strong>te, Dawa sei schon bei se<strong>in</strong>er Ankunft <strong>in</strong> der Haftanstalt beischwacher Gesundheit gewesen und trotz mediz<strong>in</strong>ischer Behandlung hätte sich se<strong>in</strong> Zustand nichtgebessert. Se<strong>in</strong> schlechter Gesundheitszustand und se<strong>in</strong> Verbrechen, das schwer auf ihm lastete, seienvermutlich zu viel für ihn gewesen, weshalb er sich schließlich am 9. Januar 2001 das Leben genommenhätte 73 .Lobsang Choephel (25), e<strong>in</strong> Mönch aus dem Kloster Khangmar, Kreis Dhamshung, Bezirk Lhasa,wurde am 10. April 1995 wegen Teilnahme an e<strong>in</strong>er Unabhängigkeitsdemonstration zusammen mitvier weiteren Mönchen <strong>in</strong> Lhasa festgenommen. Die berühmten Gefängnisproteste vom 1. und 4. Mai1998 <strong>in</strong> Drapchi wurden den Häftl<strong>in</strong>gen durch <strong>Folter</strong>, unmenschliche Behandlung, E<strong>in</strong>zelhaft und Strafverlängerungvergolten. Lobsang Choephel, der die Brutalität nicht mehr aushalten konnte, beg<strong>in</strong>g amAbend des 4. Mai 1998 Selbstmord, <strong>in</strong>dem er sich an den Eisenstäben e<strong>in</strong>es Toilettenfensters erhängte.Acht der an den Gefängnisprotesten Beteiligten kamen dabei oder danach zu Tode, für viele hattensie Isolationshaft und Urteilsverlängerungen zur Folge 74 .Nach Lobsang Choephels Tod am 4. Mai trugen die Mitgefangenen se<strong>in</strong>e Leiche heraus und riefendabei “Free <strong>Tibet</strong>”. Als die Insassen im alten Rukhag die Rufe hörte, begannen auch sie zu protestierenund gegen die Gefängnistore zu stürmen. Um 7 Uhr desselben Abends wurde der Häftl<strong>in</strong>g PhuntsokWangchuk, e<strong>in</strong> 27jähriger Student aus dem Kreis Chongyal, Geme<strong>in</strong>de Perab, Lhoka, vernommen.Als er leugnete, mit dem Vorfall etwas zu tun gehabt zu haben, befahlen sie ihm, mit ausgestrecktenArmen dazustehen, sie legten ihm e<strong>in</strong>en Holzblock <strong>in</strong> den Nacken, an den sie se<strong>in</strong>e Arme und Händefesselten. Dann wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anderen Gefängnistrakt gebracht, <strong>in</strong> dem alle Fenster geschlossenwaren. Fünf oder sechs Gefängniswachen schlugen erbarmungslos mit Elektroschockern und Eisenstangenauf ihn e<strong>in</strong>. Als er das Bewußtse<strong>in</strong> verlor, gossen sie kaltes Wasser über se<strong>in</strong> Gesicht. Sogar72 Die M<strong>in</strong>destgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen wurden 1955 von dem ersten UN-Kongreß zur Verhütungvon Verbrechen und der Behandlung von Straftätern und von dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat verabschiedet. DieseGrundsätze enthalten das, was bei der Behandlung von Gefangenen “allgeme<strong>in</strong> als gutes Pr<strong>in</strong>zip und e<strong>in</strong>e gute Praxis” angesehenwird. 1971 rief die UN-Generalversammlung die Mitgliedstaaten auf, diese Grundsätze <strong>in</strong> die Tat umzusetzen und sie<strong>in</strong> ihre nationale Gesetzgebung zu <strong>in</strong>tegrieren..73 “Angehörige bergen die Leiche e<strong>in</strong>es tibetischen Mönches”, Human Rights Update, Februar 2001.74 Human Rights Update, TCHRD, January 2002.


33nachdem sie ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zelle zurückgeschleift hatten, folterten sie ihn weiter und traktierten se<strong>in</strong>eGenitalien und se<strong>in</strong>en Mund mit Elektroschocks. Se<strong>in</strong> Zustand wurde daraufh<strong>in</strong> so ernst, daß er <strong>in</strong>sArmeehospital e<strong>in</strong>geliefert werden mußte. E<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Monate lag er dort. Am 1. Juli 1998 gestand erschließlich, an dem Protest teilgenommen zu haben. Darauf wurde er wieder schwer geschlagen, sogarauf se<strong>in</strong>e Wunden verabreichten sie ihm Elektroschocks. Er konnte die Torturen nicht mehr aushaltenund verschluckte am 23. Juli 1998 Glassplitter und Nadeln, um se<strong>in</strong>em Leben e<strong>in</strong> Ende zu setzen75 .Jangchub Dolma, e<strong>in</strong>e 21jährige Nonne aus dem Kloster Yangchen Galo, soll <strong>in</strong>folge der Mißhandlungen,die sie im Gefängnis erlitt, den Verstand verloren haben. Dolma demonstrierte am 28. Februar1995 zusammen mit ihrer Cous<strong>in</strong>e R<strong>in</strong>chen Palmo (21) <strong>in</strong> der Barkhor-Gegend von Lhasa. Vier Sicherheitskräftenahmen die zwei Nonnen auf der Stelle fest. Auf dem Weg zu der Gutsa Haftanstaltwurden sie gestoßen und geprügelt. Fünf Monate waren sie <strong>in</strong> Gutsa e<strong>in</strong>gesperrt, wo sie schwer mißhandeltund mit Elektroschocks traktiert wurden.Im Juli 1995 nahmen ihnen die Sanitäter des Volkshospitals je 150 ml Blut ab und erklärten ihnen dabei,daß sie ihr Blut zur Deckung der Kosten ihrer Verköstigung <strong>in</strong> der Gutsa Haftanstalt spenden müßten.Während der Zeit <strong>in</strong> Gutsa durften sie von niemandem besucht werden. Jangchub Dolma bekamspäter <strong>in</strong>folge der grausamen Mißhandlungen Herzprobleme.Im Juni 1995 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Dolma und Palmo zu fünf Jahren Gefängnismit Aberkennung der bürgerlichen Rechte auf zwei Jahre. Ebenso wie 58 weitere Nonnen wurdenDolma und Palmo am 30. Juli 1995 nach Drapchi verlegt. Im ganzen kamen 60 Nonnen <strong>in</strong> die neueE<strong>in</strong>heit No. 3 für Frauen. Am zweiten Tag nach ihrer Ankunft dort wurden die Nonnen um 4 Uhr morgensgeweckt und zu e<strong>in</strong>er Stunde Militärdrill gezwungen, wonach sie e<strong>in</strong> t<strong>in</strong>gmo (Dampfweckchen)und schwarzen Tee bekamen.In den nächsten drei Monaten mußten sie von 8.30 Uhr morgens bis 8 Uhr abends <strong>in</strong> der Sonne stehen.Damit sie sich nicht bewegten, wurde ihnen befohlen, Zeitungspapier zwischen die Be<strong>in</strong>e undunter die Arme zu klemmen. Außerdem mußten sie e<strong>in</strong>e Schüssel mit Wasser auf dem Kopf balancieren.Sobald sie e<strong>in</strong>e Bewegung machten, schlugen die Pe<strong>in</strong>iger sie und gossen immer wieder heißesWasser über sie. Zusätzlich wurden sie mit Elektroschockern traktiert. Viele Nonnen fielen bei dieserTortur bewußtlos um, aber sie durften e<strong>in</strong>ander nicht helfen. Zuweilen wurden sie auch bis Mitternachtso stehen gelassen. Gelegentlich erlaubte man ihnen 10m<strong>in</strong>ütige Pausen, während der sie zur Toilettegehen konnten, aber diese waren willkürlich und selten.Bei e<strong>in</strong>em besonders harten Militärdrill im November 1995 wurden die Nonnen gezwungen, von 8.30Uhr morgens bis 12 Uhr mittags und dann wieder von 2 Uhr bis 6.30 Uhr nachmittags, und gelegentlichgar um 1 Uhr nachts zu rennen. Oft mußten sie etwa 7 M<strong>in</strong>uten lang mit e<strong>in</strong>em horizontal ausgestrecktemBe<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Ziegelste<strong>in</strong> auf ihrem Fuß balancieren. Es gab auch noch andere Arten der Quälerei,so mußten sie etwa von 7 Uhr abends bis 2 Uhr nachts im W<strong>in</strong>ter barfuß im kalten Wasser stehen.Dabei war die Kost sehr mager. Schließlich bekam Dolma Magengeschwüre und e<strong>in</strong> Nierenleiden. DieGefängniswachen hatten es besonders auf sie abgesehen und bestraften sie selbst für Ger<strong>in</strong>gfügigkeitensehr hart. Dolma konnte der ständigen Last nicht mehr standhalten, so daß sie allmählich denVerstand verlor.Ab Dezember 1995 mußten die Nonnen <strong>in</strong> ihren Zellen Wolle verarbeiten. Die Gefangenen hatten e<strong>in</strong>tägliches Soll zu erfüllen und wenn sie dieses nicht schafften, mußten sie bis Mitternacht arbeiten. Am20. Februar 1997 kam R<strong>in</strong>chen Palmo <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft, weil sie bei e<strong>in</strong>em Gefängnis-Meet<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>enschlechten E<strong>in</strong>druck auf die Leitung gemacht hatte. Dolma war dermaßen entsetzt darüber, daß sie dieGefängniswärter nach dem Grund fragte. Als Strafe für ihren Mut wurde sie um sechs Uhr abends vonden Wachen geholt und erst um Mitternacht <strong>in</strong> die Zelle zurückgebracht. Sie hatten sie sechs Stundenlang geschlagen.Dolma geriet wegen ihres unerschrockenen Benehmens immer wieder <strong>in</strong> Bedrängnis: E<strong>in</strong>mal beklagtesie sich über das schlechte Essen, das schimmelig sei. Im November 1997 mußte sie wieder zusammenmit 10 ihrer Zellengenoss<strong>in</strong>nen als Strafe dafür, daß sie Gebete rezitiert hatten, barfuß im kaltenWasser stehen. Und weil sie das Gefängnispersonal ausgelacht hatte, wurde sie zusätzlich geschlagen.75 “E<strong>in</strong> tibetischer Student wegen Anbr<strong>in</strong>gens von Freiheitsliedern verhaftet”, Human Rights Update, November 2000.


34Auf die Proteste <strong>in</strong> Drapchi vom Mai 1998 h<strong>in</strong> wurden Dolma und e<strong>in</strong>e Reihe anderer Gefangener dreiMonate lang, von Mai bis August, <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gehalten. Während dieser Zeit wurde sie wieder mitElektroschocks traktiert und mit Gummiknüppeln und Gürtelschnallen auf den Kopf und den ganzenKörper geschlagen. Dabei brach sie sich e<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>ger. Im Oktober 1998 wurde ihre Haftstrafe um 6Jahre verlängert. Jangchub Dolma leidet an e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von gesundheitlichen Gebrechen,aber hat bisher ke<strong>in</strong>e ärztliche Betreuung erfahren 76 .2. Bestialische <strong>Folter</strong>ungJamyang Dhondup aus dem Dorf Yan Dzong, Geme<strong>in</strong>de Cho Tsang, Kreis Lithang, TAP Kardze,verbüßte zusammen mit se<strong>in</strong>en Freunden A-Ngag und Ta-Lobsang und se<strong>in</strong>em Cous<strong>in</strong> Gyatso e<strong>in</strong>eStrafe von fünf Jahren im Gefängnis von Ngaba. Während der Feierlichkeiten zum Gründungstag derPLA, die am 2. August 1992 <strong>in</strong> Lithang stattfanden, hatten sie Flugblätter mit der Forderung nach Unabhängigkeitverteilt. Anfänglich wurden sie im Haftzentrum von Lithang festgehalten, wo sie währendder ersten Tage unter Schlägen und Verabreichung von Elektroschocks vernommen wurden. Danachkamen sie für vier Monate <strong>in</strong> Isolationshaft. Ende 1993 wurden Jamyang, A-Ngag und Ta-Lobsang <strong>in</strong>das Haftzentrum von Kardze transferiert, wo die Ernährung erbärmlich war. Jamyangs MitgefangenerLathak starb an den fürchterlichen Schlägen, die ihm die Aufseher im Haftzentrum von Lithang verabreichthatten. Offiziell wurde Selbstmord als Todesursache angegeben. Im Haftzentrum von Kardzemußte sich Jamyang immer wieder zu se<strong>in</strong>en Verbrechen bekennen und versprechen, sich zu bessern.Im ganzen wurde er 14 Monate lang <strong>in</strong> Isolationshaft gehalten 77 .Jigme Yangchen wurde 1991 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie am 28. August 1990 zusammenmit sechs Nonnen aus dem Kloster Shungseb friedlich demonstriert hatte 78 . Polizisten desPSB nahmen sie fest und brachten sie <strong>in</strong> das dortige Haftzentrum. Jigme gehörte auch zu der Gruppeder “14 s<strong>in</strong>genden Nonnen von Drapchi”, die heimlich auf e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>s Gefängnis geschmuggelten KassettenrecorderLieder aufnahmen, <strong>in</strong> denen sie ihre Verehrung für den Dalai Lama bezeugten undVerwandten, Freunden und <strong>Tibet</strong>unterstützern ihre Gedanken mitteilten. Als die Sache aufkam, wurdendie Nonnen gedemütigt, geschlagen und auf jede nur mögliche Weise schikaniert. Bei Jigme kames durch die Mißhandlungen zu schweren körperlichen Verletzungen.Während des tibetischen Neujahrs (Losar), das 1992 mit dem 10. März, dem Tag des tibetischenVolksaufstands, zusammenfiel, begehrten Jigme und 23 weitere Nonnen ganz offen gegen die Gefängnisordnungauf und weigerten sich, die vorgeschriebenen Uniformen zu tragen. Damaligen Berichtenzufolge machten sich etwa 50-60 Angehörige der PAP über die Nonnen her. Sie fesselten sie mitSeilen, schlugen sie mit Stangen und Gürteln, traktierten sie mit Elektroschockern, so daß sie schwereVerletzungen davontrugen. Manche erlitten auch bleibende physische Schäden. Jigme hat auf Grundder zahlreichen Schläge, die sie im Gefängnis erhielt, schwere gesundheitliche Störungen 79 .Chungdak ist e<strong>in</strong>e ehemalige politische Gefangene, die <strong>in</strong> Drapchi e<strong>in</strong>e Strafe von sieben Jahren verbüßte.1999 erreichte sie das Exil <strong>in</strong> Indien. Sie war bei der ersten großen Unabhängigkeitsdemonstrationam 27. September 1987 <strong>in</strong> Lhasa mit dabei, und am 1. Oktober 1987 demonstrierte sie wieder. Siewurde damals von Beamten des PSB von Lhasa vernommen, aber nachdem sie geständig war, wurdesie wieder auf freien Fuß gesetzt. Am 10. Dezember 1988 kam es anläßlich des Menschenrechtstagswieder zu e<strong>in</strong>er Demonstration. Obwohl sie schon e<strong>in</strong>mal im Polizeigewahrsam gewesen war, schloßsich Chungdak wieder der Demonstration an. Diesmal entg<strong>in</strong>g sie der Verhaftung. Sie führte ihrenKampf unerschrocken weiter und demonstrierte erneut am 6. März 1989. Es war kurz vor der Ausrufungdes Kriegsrechts, und damals wurde e<strong>in</strong>e große Zahl von <strong>Tibet</strong>ern willkürlich verhaftet. Am 7.März wurde Chungdaks Wohnung durchsucht und acht Tage später wurde sie verhaftet und <strong>in</strong> dieGutsa Haftanstalt gebracht, wo sie unter Schlägen <strong>in</strong>tensiv vernommen wurde. Im Oktober 1989 wurdesie zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt und kurz danach <strong>in</strong>s Drapchi Gefängnis überführt. Auch imGefängnis blieb sie politisch aktiv. 1992 protestierte sie zusammen mit den politischen Häftl<strong>in</strong>gen der3. Rukhag. Die Frauen, die sich geweigert hatten, zur Feier des tibetischen Neujahrs die Gefängnisuniformenzu tragen, wurden zur Strafe für ihren Verstoß gegen die Gefängnisordnung grausam geschla-76 ”Nonne durch die brutale, unmenschliche <strong>Folter</strong> zum Wahns<strong>in</strong>n getrieben,” Human Rights Update, Juli 200077 ”Persistent Political Prisoner,” Human Rights Update, TCHRD, March 1999.78 Das Kloster Shungseb liegt im Kreis Chushul des Bezirks Lhasa.79 ”Sentence <strong>in</strong>creased for defy<strong>in</strong>g prison rules,” Human Rights Update, TCHRD, March 1999.


35gen. E<strong>in</strong>er der Aufseher versetzte Chungdak mit e<strong>in</strong>em Elektroschocker e<strong>in</strong>en Schlag <strong>in</strong>s Gesicht. Nunwurde sie <strong>in</strong> die Outridu 80 Haftanstalt verlegt, wo sie acht Tage e<strong>in</strong>gesperrt war, ehe sie nach Drapchizurückkam (politische Häftl<strong>in</strong>ge werden nach derartigen Vorfällen oft vone<strong>in</strong>ander getrennt). In Outriduwurde Chungdak <strong>in</strong> Handschellen gelegt und wieder geschlagen. Fast e<strong>in</strong>en Monat lang wurde sie <strong>in</strong>E<strong>in</strong>zelhaft gehalten, weil sie sich geweigert hatte, im Gefängnis e<strong>in</strong> sozialistisches Lied zu s<strong>in</strong>gen 81 .Ngawang Dolma, e<strong>in</strong>e Nonne aus dem Kloster Gyabdrag, demonstrierte am 13. Februar 1995 zusammenmit 14 anderen Nonnen <strong>in</strong> Lhasa. Vor dem Jokhang-Tempel riefen sie "<strong>Tibet</strong> ist frei", "<strong>Tibet</strong>gehört den <strong>Tibet</strong>ern" und "Ch<strong>in</strong>esen geht nach Hause". Innerhalb weniger M<strong>in</strong>uten wurden sie vonPolizisten des PSB festgenommen. Als sie sich zu wehren versuchten, wurden sie geschlagen und <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Polizeiwagen <strong>in</strong> das PSB-Haftzentrum von Lhasa (Gutsa) gebracht. Dort wurden sie <strong>in</strong>tensivvernommen und mit Schlägen traktiert, weil sie widersprüchliche Aussagen machten und nicht die erwünschtenAntworten gaben. Weder ihre Angehörigen noch ihr Kloster wurden während dieser Zeitüber ihren Verbleib <strong>in</strong>formiert.Im Juni 1995 sprach das Mittlere Volksgericht von Lhasa das Urteil über die Nonnen. Ngawang wurdezu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Danach wurden sie <strong>in</strong> das Drapchi Gefängnis verlegt, wo damalsgerade die neue Rukhag No. 3 für Frauen, fertig geworden war. Sie waren die ersten Insassen <strong>in</strong>diesem Zellenblock. Um ihren Widerstandsgeist zu brechen, wurden sie vom ersten Tag an gepe<strong>in</strong>igt.E<strong>in</strong>en Monat lang mußten sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit nur e<strong>in</strong>er kurzen Pausezum Essen <strong>in</strong> der Sonne stehen. Danach wurden sie fast 4 Monate lang täglich zu langen Märschengezwungen. Während dieser Märsche steckte Ngawang e<strong>in</strong>e Menge Prügel e<strong>in</strong>, weil sie den Befehlennicht folgen konnte und wegen ihrer schwächlichen Gesundheit den physischen Anforderungen nichtgewachsen war.1997 sangen Ngawang und ihre Freund<strong>in</strong>nen anläßlich des <strong>Tibet</strong>ischen Neujahrsfestes e<strong>in</strong> Freiheitslied.Als Vergeltung dafür wurden sie von den PAP-Kräften grausam geschlagen und später <strong>in</strong> Isolationszellengesetzt. Ngawang war auch an den Protesten vom Mai 1998 beteiligt, wonach sie brutalmißhandelt wurde. Sie leidet seitdem an Nierenproblemen und Magengeschwüren 82 .Jigme Gyatso aus der Prov<strong>in</strong>z Gansu ist e<strong>in</strong> ehemaliger Mönch des Klosters Ganden, der 1997 auspolitischen Gründen verhaftet wurde und nun e<strong>in</strong>e Strafe von 15 Jahren im Drapchi Gefängnis verbüßt83 . Im Oktober 1997 wurde er von vier Sicherheitsbeamten an e<strong>in</strong>en Ort außerhalb des Gefängniskomplexesgebracht. Sie hatten dazu die Erlaubnis der Gefängnisleitung e<strong>in</strong>geholt, weil sie wegene<strong>in</strong>es politischen Vorfalles "weitere Informationen von Jigme benötigten". Sie wollten ihn wegen bestimmterPlakate, die noch vor se<strong>in</strong>er Verhaftung <strong>in</strong> Gansu aufgetaucht waren, vernehmen, denn der"Schuldige" war noch nicht identifiziert worden. Sonam Gyalpo, e<strong>in</strong> früherer Gefängnis<strong>in</strong>sasse und se<strong>in</strong>Freund erzählten später: “Die Vernehmungsbeamten fesselten Jigmes Hände h<strong>in</strong>ter se<strong>in</strong>em Rückenund bearbeiteten ihn mit e<strong>in</strong>em Elektroschockgerät, damit er zugebe, das ihm angelastete Verbrechenbegangen zu haben. Jigme beteuerte se<strong>in</strong>e Unschuld und sagte, daß er zur Zeit des Vorfalls mit e<strong>in</strong>emFreund <strong>in</strong> Lhasa gewesen sei. Obwohl er e<strong>in</strong> Alibi vorweisen konnte, wurde er fünf Tage unter Schlägenund <strong>Folter</strong> mit Fragen bedrängt und bekam die ganze Zeit über weder zu essen noch zu tr<strong>in</strong>ken.Als er <strong>in</strong>s Gefängnis zurückgebracht wurde, sahen se<strong>in</strong>e Mitgefangenen, daß er sich beim Gehen ander Wand festhalten mußte. Se<strong>in</strong> Körper zeigte deutliche Spuren von schweren Schlägen und Mißhandlungen”84 .Lhakpa Wangyal, e<strong>in</strong> ehemaliger Mönch des Klosters Nalanda, der aus dem Dorf Phayak, Geme<strong>in</strong>deDrokey, Kreis Phenpo Lhundup, Bezirk Lhasa, TAR, stammt, berichtet: “Am 28. Februar 1995 wurdenacht Mönche, unter ihnen auch Penpa, e<strong>in</strong> Gesangmeister des Klosters Nalanda, festgenommen und<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em PSB-Haftzentrum <strong>in</strong>haftiert. Am 5. März 1995 wurden sechs weitere Mönche festgenommen,die beschuldigt wurden, e<strong>in</strong>e tibetische Nationalflagge zu besitzen, politische Pamphlete verbreitet undWiderstand gegen das Arbeitsteam geleistet zu haben. E<strong>in</strong>en Tag lang wurden sie im dortigen Haftzentrumfestgehalten und dann <strong>in</strong> das PSB-Haftzentrum Seitru verlegt. Auf dem Weg nach Seitru fesseltendie Polizisten ihnen die Hände auf dem Rücken. Als Penpa sie anflehte, die Handschellen etwaszu lockern, versetzten sie ihm als Antwort e<strong>in</strong>en so heftigen Hieb auf den Nacken, daß er das Bewußt-80 Auch als Sangyip Gefängnis bekannt, 3 km nordöstlich des Jokhang-Tempels gelegen.81 ”Zeugnis e<strong>in</strong>es ehemaligen politischen Gefangenen,” Human Rights Update, TCHRD, Februar 1999.82 “Ngawang Dolma - e<strong>in</strong>e Stimme h<strong>in</strong>ter Gittern”, Human Rights Update, November 2000.83 Laut dem Bericht des UN-Sonderberichterstatters wurde 2004 Jigme Gyatso’s Strafe um drei Jahre verlängert, und er istnun im Gefängnis Chushul <strong>in</strong>haftiert.84 “Jigme Gyatso und Lodroe Gyatso im Drapchi Gefängnis gefoltert”, Human Rights Update September 2000.


36se<strong>in</strong> verlor. Die Mönche waren vier Monate <strong>in</strong> Seitru <strong>in</strong>haftiert, die ersten drei Monate davon <strong>in</strong> getrenntenZellen”.Danach wurden sie nach Drapchi verlegt, wo sie im Militärstil exerzieren und die Gefängnisregelnauswendig lernen mußten. Wenn sie dies nicht taten, wurden sie gefoltert. Penpa wurde Zeuge desTodes e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er Mitgefangenen: 1996 starb Sangay Tenphel <strong>in</strong>folge der entsetzlichen Gefängnisbed<strong>in</strong>gungenund der schweren Mißhandlungen, denen er ausgesetzt war. Nach se<strong>in</strong>er Entlassung am2. Februar 1998 durfte Penpa nicht mehr <strong>in</strong> se<strong>in</strong> früheres Kloster zurückkehren. Er wurde unter strengeÜberwachung gestellt, und se<strong>in</strong>e gesamte Bewegungsfreiheit war äußerst e<strong>in</strong>geschränkt 85 .Lodroe Gyatso aus dem Distrikt Sog der Prov<strong>in</strong>z Nagchu verbüßt e<strong>in</strong>e Gesamtstrafe von 21 Jahrenim Drapchi Gefängnis 86 . Ursprünglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Mordfall verwickelt, war Gyatso zu 15 Jahren verurteiltworden. Im Gefängnis wurde die Strafe nochmals um 6 Jahre verlängert, weil er se<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung freigeäußert hatte. Der ehemalige politische Gefangene Sonam Gonpo, der im August 2000 im Exil e<strong>in</strong>traf,erzählte: “Am 20. November 1997, dem monatlichen Besuchstag im Gefängnis, wurde LodroeGyatso von den Wachen schwer geschlagen. Während die Gefangenen warteten, bis ihre Namen aufgerufenwurden, entfernte sich Gyatso e<strong>in</strong> wenig von der Gruppe, um sich an der Sonne zu wärmen.Er stand gegen e<strong>in</strong>e Wand gelehnt, als der wachhabende Gefängnisoffizier ihn bemerkte, packte und<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zelle verfrachtete. Die anderen Gefangenen protestierten und sagten, wenn Gyatso ke<strong>in</strong>e Besuchebekommen dürfe, dann wollten sie auch ke<strong>in</strong>e. So wurde die ganze Gruppe wieder h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gebracht,und zur Strafe durfte ke<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>e Besucher empfangen. Kurz darauf sahen die anderen, wieder Kopf von Gyatso von e<strong>in</strong>em schwarzen Tuch verhüllt war und er von den Wachen schrecklich geprügeltwurde. Sie bestraften ihn zusätzlich mit E<strong>in</strong>zelhaft und später verlegten sie ihn zu den krim<strong>in</strong>ellenGefangenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere Abteilung” 87 .Am 4. März 1995 startete Lodroe e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>mann-Aktion <strong>in</strong> Drapchi: Er versuchte, etwa 350 handgeschriebeneZettel im Gefängnishof zu verstreuen. Sieben Gefängnispolizisten legten ihn sofort <strong>in</strong>Handschellen, stießen und schlugen ihn mit ihren Gürteln, fesselten ihn und folterten ihn, bis er ausMund und Nase blutete. Dann wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Isolationszelle gebracht, wo er weiter gefoltert wurde.Drei Tage später verlangten die Gefängnisoffiziere Lee Tue Tang, Liu Bao und Zhao, daß Lodroe se<strong>in</strong>eSchuld bekenne. Er weigerte sich und rief statt dessen Freiheitsparolen. Er wurde so schrecklichgeschlagen, daß er das Bewußtse<strong>in</strong> verlor. E<strong>in</strong>en Monat lang wurde er immer wieder vernommen. Inder Isolationshaft bekam er nichts als zweimal täglich e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es t<strong>in</strong>gmo (Dampfweckchen) und e<strong>in</strong>eTasse Wasser 88 .Sonam Gonpo 89 , e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Zokhang <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Uyang im Kreis Dzogang, PräfekturChamdo, sagte Folgendes über se<strong>in</strong> Martyrium aus: “Am 2. Mai 1996 kamen Polizisten des Bürosfür Öffentliche Sicherheit (PSB) von Chamdo bei Nacht zum Kloster und führten mich und Soepa zudem PSB-Gebäude der Region Chamdo ab, wo wir <strong>in</strong> zwei separate Zellen e<strong>in</strong>gesperrt wurden. DieBeamten begannen sogleich mit der Vernehmung, wobei sie uns heftig schlugen. Ich wurde mehrereMale gestoßen, geboxt und mit e<strong>in</strong>em Stock auf me<strong>in</strong>e Knie geschlagen. Die schlimmste Quälerei war,daß sie mich mit Wasser übergossen und dann mit dem elektrischen Schockgerät traktierten. MehrereMale verlor ich das Bewußtse<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>mal trat mich der PSB-Offizier so sehr <strong>in</strong> die Brust, daß ich Bluterbrach.Am nächsten Tag kamen wir <strong>in</strong> das Haftzentrum der Region Chamdo, wo sie uns drei Monate festhielten.Auch dort wurden wir <strong>in</strong> separate Zellen gesperrt und wiederholt vernommen. Wenn wir nicht zuihrer Zufriedenheit auf die Fragen antworteten, versetzten sie uns Schläge. Die Umstände <strong>in</strong> demHaftzentrum waren entsetzlich. Am Morgen bekamen wir schwarzen Tee und e<strong>in</strong> Dampfweckchenoder e<strong>in</strong> wenig Reis und zum Mittagessen Suppe. E<strong>in</strong>en Monat lang war ich so krank, daß ich nichtaufrecht sitzen konnte. Am 25. Juni 1996 wurden 21 Gefangene, darunter auch wir zwei, zu e<strong>in</strong>er85 ”Imprisoned and tortured for voic<strong>in</strong>g rights,” Human Rights Update, TCHRD, February 1999.86 Vermutlich bef<strong>in</strong>det sich Lodroe Gyatso <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> dem neuen Gefängnis Chushul, <strong>in</strong> das die Langzeithäftl<strong>in</strong>ge vonDrapchi verlegt wurden.87 “Jigme Gyatso und Lodroe Gyatso im Drapchi Gefängnis gefoltert”, Human Rights Update, September 2000.88 ”Portrait e<strong>in</strong>es politischen Gefangenen,” Human Rights Update, TCHRD, Oktober 2002.89 Sonam Gonpo kommt ursprünglich aus der Geme<strong>in</strong>de Uyak, Kreis Dzogang, Präfektur Chamdo. Am 25. August 2000 floher <strong>in</strong>s Exil, nachdem er se<strong>in</strong>e zweijährige Strafe verbüßte hatte. Zusammen mit e<strong>in</strong>em anderen Mönch namens Soepa wurdeer wegen Anbr<strong>in</strong>gung von Plakaten politischen Inhalts an Strommasten an den Straßen von Chamdo und später am Umrundungswegdes Klosters Jampal<strong>in</strong>g verhaftet.


37Massenkundgebung gebracht. Sie fesselten uns und hängten uns e<strong>in</strong> weißes Pappschild, auf demunsere Verbrechen geschrieben standen, um den Hals” 90 .Choey<strong>in</strong>g Kunsang war auch bei dem Gefängnisprotest am 1. und 4. Mai 1998 <strong>in</strong> Drapchi mit dabei.Sie war die erste ehemalige politische Gefangene der neuen Rukhag No. 3 für Frauen, die im Exil e<strong>in</strong>traf.Sie berichtete von den <strong>Folter</strong>ungen, denen ihre Mitgefangene Dekyi Yangzom ausgesetzt war:“Wir wurden zum dritten Mal gerufen und gezwungen, kommunistische Lobeshymnen zu lernen. Weilwir uns weigerten, dies zu tun, wurden wir noch mehr bestraft. In jener Nacht wurde die Nonne DekyiYangzom nach schweren Mißhandlungen <strong>in</strong> ihre Zelle zurückgebracht. Ihr Gesicht war blauschwarz.Sie erzählte mir, daß die Beamten sie mit dem Elektroschocker auf Brüste und Wangen geschlagenund sogar ihre Vag<strong>in</strong>a damit verletzt hätten. Sie konnte kaum mehr reden. Trotzdem mußte sie amnächsten Morgen zusammen mit den anderen von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends <strong>in</strong> der Sonne stehen.Dabei mußten wir zwischen die Be<strong>in</strong>e und unter die Arme geklemmtes Zeitungspapier halten unde<strong>in</strong>e Wasserschüssel auf dem Kopf balancieren. Viele fielen bewußtlos um, aber wir durften uns nichtgegenseitig helfen. Sobald wir e<strong>in</strong>e Bewegung machten, droschen sie auf uns e<strong>in</strong>. Wir hatten nur etwa10 M<strong>in</strong>uten Pause, <strong>in</strong> der wir entweder e<strong>in</strong> wenig essen oder zur Toilette gehen konnten. Um acht Uhrabends bekamen wir e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Dampfweckchen, das viel zu wenig war. Dazwischen wurden wir immerwieder zu den Vernehmungen gerufen. Diese Tortur g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Woche so weiter. Am 13. Mai sahenwir, wie die Gefängnisbeamten um die Mittagszeit e<strong>in</strong>ige der Nonnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weißen Auto abtransportierten.Erst am Abend merkten wir, daß Dekyi aus unserer E<strong>in</strong>heit verschwunden war. Wirsahen sie nie wieder. Nach unserer Entlassung erfuhren wir von ihren Angehörigen, daß sie gestorbenwar. Die Behörden hatten ihnen mitgeteilt, sie hätte Selbstmord begangen” 91 .Gedun Gyatso, der aus dem Dorf Thonney, Distrikt Chamdo, Präfektur Chamdo, stammte, war derZimmergenosse von Gyalj<strong>in</strong>g, dem Zuchtmeister des Klosters Pomda. Gyatso erzählte, wie die Arbeitsteam-Kaderden Mönchen am 16. August 1997 e<strong>in</strong> Dokument mit Beschimpfungen des Dalai Lamaund der “Spalter” vorlegten. Der Reihe nach wurden sie aufgefordert, es zu lesen und dann zu unterschreiben.Gyalj<strong>in</strong>g widersetzte sich dem Befehl. Die Kader führten Gyalj<strong>in</strong>g daraufh<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Polizeistationder Geme<strong>in</strong>de Pomda ab (woh<strong>in</strong> normalerweise nur Leute mit ger<strong>in</strong>gfügigen Vergehen kommen).Dort wurde er vernommen und erbarmungslos geschlagen. Die Polizeioffiziere versuchten ihnmit brutaler Gewalt zum Unterschreiben zu zw<strong>in</strong>gen. Gyalj<strong>in</strong>g rief statt dessen Freiheitsparolen. Sofortfesselten sie ihm die Hände auf dem Rücken und stopften ihm e<strong>in</strong> Tuch <strong>in</strong> den Mund.Am 2. September 1997 verlegten die PSB-Offiziere Gyatso <strong>in</strong> das PSB-Haftzentrum und vernahmenihn wegen des Vorfalls mit der verbotenen tibetischen Flagge, die im Zimmer e<strong>in</strong>es anderen Mönchesauf die Wand gemalt worden war. Er mußte sogar e<strong>in</strong>e Erklärung über se<strong>in</strong>e Verbrechen unterschreiben.In den drei Monaten se<strong>in</strong>er Inhaftierung erlitt Gyatso schwere Mißhandlungen und <strong>Folter</strong>ungen. Ersagte, bei se<strong>in</strong>en Pe<strong>in</strong>igern, unter denen auch e<strong>in</strong> paar <strong>Tibet</strong>er waren, habe es sich um Angehörigedes PSB und e<strong>in</strong>er Anti-Terror-E<strong>in</strong>heit gehandelt.Sie stießen ihn am Rumpf und Kopf und schlugen ihn mit elektrischen Viehkeulen (die etwa e<strong>in</strong>en halbenMeter lang und flexibel wie e<strong>in</strong> Gummiknüppel waren) auf Rücken und Gesäß, so daß er jedesMal, wenn die Keule se<strong>in</strong>e Haut traf, e<strong>in</strong>en elektrischen Schlag bekam. E<strong>in</strong>mal seien es 20 <strong>Folter</strong>er,Männer und Frauen, gewesen, die ihn abwechselnd mit e<strong>in</strong>em elektrisch geladenen Kabel schlugen.Sie quälten ihn so sehr, daß er wochenlang nicht sitzen und nicht auf dem Rücken liegen konnte. Ererhielt aber ke<strong>in</strong>e ärztliche Versorgung und sah die ganze Zeit über außer se<strong>in</strong>em Zellengenossenke<strong>in</strong>e anderen Gefangenen.Gyatso berichtete, die schlimmste Tortur, die er durchgemacht habe, sei gewesen, als er <strong>in</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>esZimmer gesperrt wurde, <strong>in</strong> dem das Wasser stand. Se<strong>in</strong>e Pe<strong>in</strong>iger schickten Stromstöße durch dasWasser, bis er bewußtlos umfiel. Nach geraumer Zeit erwachte er dann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zelle. Vier Mal ließensie ihn <strong>in</strong> kalten W<strong>in</strong>ternächten nur mit Hemd und Unterhose bekleidet im Freien stehen. Zudem trug erHandschellen und die Arme waren ihm über dem Kopf zusammengebunden worden. Während se<strong>in</strong>erZeit im Gefängnis wurde Gyatso wahllos zu jeder beliebigen Tages- oder Nachtzeit gefoltert. Gyatso90 “Zeugnis e<strong>in</strong>es politischen Gefangenen”, Human Rights Update, August 2000.91 “Zusätzliche Information über die Gefängnisproteste <strong>in</strong> Drapchi”, Human Rights Update, April 2000.


38leidet immer noch an den Nachwirkungen der exzessiven <strong>Folter</strong>. Er hat e<strong>in</strong> Nierenleiden, das sich beikaltem Wetter verschlimmert 92 .Gyatso schilderte auch die Qualen, denen e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Mitgefangenen <strong>in</strong> dem PSB-Haftzentrum vonChamdo ausgesetzt waren. Dawa Dorjee, ebenfalls e<strong>in</strong> politischer Häftl<strong>in</strong>g, wurde zusammen mit siebenanderen Mönchen gefoltert. Sie wurden nackt ausgezogen und mit dem Kopf nach unten aufgehängt.Dann wurden sie am ganzen Leib mit Stöcken geschlagen, und ihre Genitalien wurden mit Elektroschockerntraktiert, wodurch sie schwere Brandwunden davontrugen. Die Beamten befahlen ihnendann, sich aufrecht h<strong>in</strong>zustellen, und versetzten ihnen wiederholt mit e<strong>in</strong>em dicken Stock Hiebe an dasSchienbe<strong>in</strong>, bis sie umfielen. Danach traten sie ihnen mit ihren Stiefeln auf Kopf und Gesicht. Die mitBlut und Exkreten verschmierten Mönche mußten zur Wand kriechen und sich dort wieder aufrichten 93 .3. Erzwungene Geständnisse durch Elektroschocks und <strong>in</strong>s Feuer gestreutes ChiliNorbu Damdul, ehemaliger politischer Gefangener, der aus dem Dorf Yu Sang, Geme<strong>in</strong>de Dotho,Distrikt Kardze, stammte, war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Kardze <strong>in</strong> Osttibet 94 . Er trotzte den Kadern derArbeitsteams bei den Indoktr<strong>in</strong>ierungssitzungen und brachte zahlreiche Flugblätter politischen Inhaltsan wichtigen Straßenkreuzungen <strong>in</strong> Kardze an. Im April 1996 wurde er 10 Tage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Polizeistationfestgehalten, weil man ihn der Mittäterschaft beim Ankleben politischer Pamphlete verdächtigte.Im Polizeigewahrsam wurde er schwer gefoltert und bis auf die Unterhose nackt ausgezogen. Die vernehmendenBeamten hängten ihn an se<strong>in</strong>en Füßen mit dem Kopf nach unten an der Decke auf undentfachten unter ihm e<strong>in</strong> Feuer, <strong>in</strong> das sie Chilipulver warfen. Die aufsteigenden beißenden Rauchschwadenverursachten ihm unerträgliche Schmerzen und brachten ihn dem Ersticken nahe. E<strong>in</strong> andermalließ ihn e<strong>in</strong> Polizist auf alle Viere niedergehen und setzte sich dann auf se<strong>in</strong>en Rücken wie aufe<strong>in</strong> Pferd. Sie spuckten ihm auch <strong>in</strong>s Gesicht und verabreichten ihm Elektroschocks, wobei se<strong>in</strong>e Händeauf dem Rücken <strong>in</strong> Handschellen gefesselt waren. Sie beschimpften ihn wegen se<strong>in</strong>er Handlungenund erklärten, außer ihm hätten andere <strong>Tibet</strong>er ke<strong>in</strong>e Probleme damit, die ch<strong>in</strong>esische Herrschaft zuakzeptieren.Norbu begann auf die entsetzlichen Schläge h<strong>in</strong> Blut zu spucken, und schließlich konnte er nicht mehranders, als se<strong>in</strong>e Verwicklung <strong>in</strong> politische Aktivitäten zu gestehen. Während der zehntägigen Festhaltungließ man ihn hungern, und er wurde mit e<strong>in</strong>em Straftäter zusammen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Zelle gesperrt. DieSicherheitspolizei war der Me<strong>in</strong>ung, Norbu müsse “Komplizen” haben, und war entschlossen, derenNamen herauszubr<strong>in</strong>gen. Sie setzten alle Mittel e<strong>in</strong>, damit er die Namen der anderen enthüllte, sogarmit Geldgew<strong>in</strong>nen lockten sie ihn. Als es ihnen mißlang, irgende<strong>in</strong>e Information aus Norbu herauszupressen,hielten sie ihn weitere 8 Monate fest, wonach er vor e<strong>in</strong> Gericht gestellt und zu drei JahrenHaft verurteilt wurde. Er war im Gefängnis von Ngaba, Prov<strong>in</strong>z Sichuan, <strong>in</strong>haftiert 95 .Dhak Lobsang aus dem Dorf Jheney, Geme<strong>in</strong>de Jompa, Kreis Lithang, Präfektur Kardze, war Mönchim Kloster Lithang. Er arbeitete als dessen Verwalter, bis er am 19. August 1993 von den Sicherheitskräftenunter dem Verdacht der Verwicklung <strong>in</strong> Aktivitäten für die Unabhängigkeit festgenommen wurde.Dhak Lobsang berichtete: “Als ich mich weigerte, etwas auszusagen, warfen sie mir vor, ich würdelügen. Ich wurde geschlagen und getreten. Sie traktierten mich mit Stöcken, elektrischen Viehstöckenund anderen <strong>Folter</strong><strong>in</strong>strumenten. Ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Teil me<strong>in</strong>es Körpers blieb verschont, und ich büßtezwei me<strong>in</strong>er Vorderzähne e<strong>in</strong>. Ich glaubte, dem Tode nahe zu se<strong>in</strong>. Nachdem sie mich etwa e<strong>in</strong>eStunde so traktiert hatten, wurde ich ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, daß sie kaltesWasser auf mich geschüttet hatten, um mich aufzuwecken und mich weiter schlagen zu können. MehrereMale verlor ich das Bewußtse<strong>in</strong>, und jedes Mal gossen sie kaltes Wasser über mich. Ich war nichtmehr <strong>in</strong> der Lage zu sprechen, noch zu stehen oder mich zu bewegen, ich konnte kaum noch die Augenoffenhalten.92 Gyatso wurde nach Vollendung se<strong>in</strong>er Strafe im Oktober 2000 entlassen. Er durfte nicht mehr <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Kloster Pomda zurückkehrenund sich auch ke<strong>in</strong>em anderen Kloster anschließen. Drei Monate lang wohnte er <strong>in</strong> Pomda und begab sich dannnach Shigatse, wo er sich weitere 8 Monate aufhielt. Er traf am 4. November 2001 im Exil e<strong>in</strong>.93 “Ehemaliger politischer Gefangener berichtet über Gefängnis und <strong>Folter</strong>”, Human Rights Update, November 2001.94 Norbu wurde am 1. April 1999 nach Ableistung der Haftzeit entlassen. Aber er durfte weder <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Kloster zurückkehren,noch se<strong>in</strong>e Mönchsrobe tragen. E<strong>in</strong> Jahr lang blieb er zu Hause und widmete sich dem Selbststudium. Danach floh er aus<strong>Tibet</strong> und traf am 10. Januar 2001 <strong>in</strong> Dharamsala e<strong>in</strong>.95 “Ins Feuer gestreutes Chili und Elektroschock zur Erzw<strong>in</strong>gung von Geständnissen”, Human Rights Update, Februar 2001.


39Um etwa 5 Uhr morgens packten mich zwei Polizeioffiziere an den Armen und zerrten mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderesZimmer, wo Passang, der Kreischef von Lithang, und Chakdrup, der PSB-Chef von Lithang,mich erwarteten. Kaum war ich <strong>in</strong> das Zimmer getreten, da versetzte mir Chakdrup e<strong>in</strong>e heftige Ohrfeigemit der Bemerkung ‚Dieser Kerl hier ist der Unruhestifter’. Dann sagte Passang, ich solle doch nicht‚me<strong>in</strong>en eigenen Tod herbeiführen’, denn ich hätte noch Gelegenheit, den weißen Pfad zu wählen, d.h.me<strong>in</strong>e Taten zu gestehen. Als ich stumm blieb, warfen mich die Kader <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Haftzelle. Zwei Tagespäter schleppten sie mich wieder <strong>in</strong> die <strong>Folter</strong>kammer und f<strong>in</strong>gen von neuem mit ihren von Schlägenbegleiteten Fragen an. Sie drangen immer wieder <strong>in</strong> mich: ‚Hast du noch andere Freunde? WelcheBeziehungen pflegst du außerhalb <strong>Tibet</strong>s? Wer beauftragte dich, die Slogans zu schreiben?’ Im Verlaufvon drei Monaten wurde ich 13 Mal auf diese Weise vernommen.Drei Monate lang war ich im PSB-Haftzentrum von Lithang <strong>in</strong> Gewahrsam. Die Handschellen wurdenmir nur fünf M<strong>in</strong>uten für e<strong>in</strong>en zweimaligen Kleiderwechsel abgenommen. Ich traf dort auch me<strong>in</strong>eFreunde Jamyang Dhondup, Choephel und Lhadar, die alle vor mir festgenommen worden waren, undhörte, daß man auch sie gefoltert hatte. Bei e<strong>in</strong>er Vernehmung zeigten sie mir Flugblätter mit me<strong>in</strong>erHandschrift, die sie wahrsche<strong>in</strong>lich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Zimmer gefunden hatten. Letzten Endes bekannte ichmich zu me<strong>in</strong>em Tun. Sie pferchten mich zusammen mit m<strong>in</strong>destens 11 weiteren Personen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>enw<strong>in</strong>zigen Raum. Dieser war so überfüllt, daß wir uns kaum dar<strong>in</strong> bewegen konnten. Jeder hatte nure<strong>in</strong>en Fußbreit Platz zum Schlafen, so daß wir auf der Seite liegen mußten. Es gab zwei unbedeckteEimer für unsere Notdurft <strong>in</strong> dem Raum. Der schreckliche Gestank dieser Eimer zusammen mit demGedränge war unerträglich, und man hatte das Gefühl zu ersticken. Das Essen, das sie uns gaben,war kaum genießbar, es war so schlecht und so dürftig, daß viele me<strong>in</strong>er Mitgefangenen erkrankten.Nur Schwe<strong>in</strong>e füttert man mit so etwas” 96 .Soepa (Ordensname Loden Thupten) aus dem Dorf Mancho, Geme<strong>in</strong>de Uyang, Distrikt Dzogang(ch<strong>in</strong>. Zuogang Xian), Präfektur Chamdo, war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Jampal<strong>in</strong>g und vormaliger politischerHäftl<strong>in</strong>g. Er berichtete dem TCHRD: “Sie wandten verschiedene <strong>Folter</strong>methoden bei mir an. UmInformationen aus mir herauszupressen, wurde ich mit e<strong>in</strong>em elektrischen Schlagstock traktiert. Danngossen sie Alkohol auf me<strong>in</strong>en Kopf und stupsten mich mit diesem Elektrostab, was mir entsetzlicheSchmerzen verursachte. Sie legten e<strong>in</strong> Joch auf me<strong>in</strong>en Nacken, und ich mußte me<strong>in</strong>e Arme senkrechtnach oben strecken. Außerdem ließen sie mich auf zwei eckigen Ste<strong>in</strong>en knien, während sie mire<strong>in</strong>en Stock <strong>in</strong> die Kniekehlen klemmten. Als ich mich, unfähig, die qualvolle Position zu ertragen, e<strong>in</strong>wenig bewegte, traten sie auf den Stock <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Kniekehlen. Der Schmerz war unerträglich. Es warvor allem e<strong>in</strong> tibetischer Polizist namens Wangdu, der mir diese Tortur zufügte. Auf diese Weise wurdeich e<strong>in</strong>en ganzen Tag lang <strong>in</strong> der Polizeistation vernommen und dabei gefoltert. Am Abend brachtensie mich <strong>in</strong> das Haftzentrum von Chamdo.Dort wurde ich erneut alle zwei bis drei Tage vernommen. Bei jeder Sitzung wurde ich geschlagen undgegen die Wand geschleudert. Die <strong>Folter</strong>er stießen me<strong>in</strong>en Kopf gegen die Wand und versetzten mire<strong>in</strong>en Fußtritt <strong>in</strong> die Brust” 97 .Bukhog stammt ursprünglich aus der Geme<strong>in</strong>de Tsashol, Kreis Meldrogungkar, TAR. 1995 wurdenBukhog und se<strong>in</strong> Freund Jigme Gyalpo wegen ihrer Aktivitäten für die Unabhängigkeit festgenommen.Das Mittlere Volksgericht von Lhasa verurteilte beide Männer zu 6 Jahren Gefängnis. Nach Verbüßungse<strong>in</strong>er Strafe wurde Bukhog am 19. April 2001 entlassen. Da er nach se<strong>in</strong>er Entlassung aus dem Gefängniske<strong>in</strong> normales Leben mehr führen konnte, floh Bukhog aus <strong>Tibet</strong> und erreichte im November2003 das Flüchtl<strong>in</strong>gsaufnahmelager <strong>in</strong> Kathmandu. Er schilderte ausführlich se<strong>in</strong> qualvolles Leben imPolizeigewahrsam, nachdem er bei se<strong>in</strong>en Verwandten <strong>in</strong> Kongpo festgenommen worden war:“Am 25. Mai 1995 kamen vier Polizeibeamte des PSB aus me<strong>in</strong>em Heimatort und zwei weitere von derPräfektur Ny<strong>in</strong>gtri zum Haus me<strong>in</strong>er Verwandten und nahmen mich fest. Sie brachten mich zurück <strong>in</strong>me<strong>in</strong>en Heimatort und <strong>in</strong>haftierten mich im PSB-Haftzentrum des Landkreises. Noch am selben Abendvernahmen mich die Beamten, wobei sie mich unaufhörlich schlugen und mißhandelten. Sie schlugenmit Gewehrkolben, elektrischen Viehstöcken und Drahtseilen auf mich e<strong>in</strong>. Me<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>ger wurden mitzwei Drähten zusammengebunden, die mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en, manuell betriebenen Generator verbundenwaren. Jedes Mal, wenn das Sicherheitspersonal die Griffe bediente, durchzuckte mich e<strong>in</strong> unerträglicherdurch den Elektroschock hervorgerufener Schmerz. Sie peitschten mich zudem mit ihren Leder-96 “E<strong>in</strong> <strong>Folter</strong>opfer entkommt nach fünf Jahren Gefängnis <strong>in</strong>s Exil”, Human Rights Update, Dezember 2002.97 “Drei ehemalige politische Gefangene aus <strong>Tibet</strong> berichten”, Human Rights Update, Oktober 2002. Soepa wurde nach Verbüßungse<strong>in</strong>er Haftstrafe am 1. Mai 2001 entlassen. Am 10. Oktober erreichte er das <strong>Tibet</strong>ische Flüchtl<strong>in</strong>gslager (TRRC) <strong>in</strong>Kathmandu.


40gürteln und traten mit ihren schweren Stiefeln nach mir. Den Rest der Nacht ließen sie mich bewußtlosliegen. Das Gefängnispersonal führte Rout<strong>in</strong>ebefragungen durch. Mit diesen Verhören wollten sie herausf<strong>in</strong>den,ob wir unsere politische Me<strong>in</strong>ung geändert hätten. Bei unbefriedigenden Antworten derHäftl<strong>in</strong>ge waren körperliche Mißhandlungen die Regel. Was die Besuche durch Verwandte betraf, sogab es strenge Regeln. Besuche waren nur e<strong>in</strong>mal im Monat erlaubt” 98 .Tser<strong>in</strong>g Dhondup, der Dorfchef von Othok im Distrikt Nyagchuka, TAP Kardze, Prov<strong>in</strong>z Sichuan, iste<strong>in</strong>er von vier im Zusammenhang mit Tulku Tenz<strong>in</strong> Delek <strong>in</strong>haftierten Personen. Tulku Tenz<strong>in</strong> Delekwurde am 7. April 2002 festgenommen, und Tser<strong>in</strong>g Dhondup zwei Monate später. Der dem TCHRDzugegangenen Information zufolge wurde Tser<strong>in</strong>g im Haftzentrum von Dartsedo brutal gefoltert. Erwurde dermaßen zusammengeschlagen, daß er überhaupt nicht mehr gehen konnte. An beiden Be<strong>in</strong>entrug er Knochenbrüche davon und ist auf e<strong>in</strong>em Auge bl<strong>in</strong>d geworden 99 .Jigme Gyatso (Laienname Kalsang Jigme) verbrachte zwei Jahre im Gefängnis, während se<strong>in</strong> BruderLungtok (Laienname Tsedor) und se<strong>in</strong> Freuend Tenam aus Chamdo vier Jahre verbüßten, weil sieExemplare der Allgeme<strong>in</strong>en Erklärung der Menschenrechte (UDHR) und Bücher mit Belehrungen desDalai Lama mit sich führten. Drei von ihnen wurden bei ihrer Rückkehr nach <strong>Tibet</strong> 2001 <strong>in</strong> der Nähevon Shigatse von ch<strong>in</strong>esischen Grenzwachen angehalten. Als diese die Belehrungen des Dalai Lamaund tibetische Übersetzungen der UDHR <strong>in</strong> Tenams Gepäck fanden, nahmen sie die drei sofort fest.Gyatso berichtet: “Drei Tage lang wurden wir vernommen und schwer geschlagen, wobei sie unsüberdies hungern ließen. Die Polizeibeamten wollten wissen, wer uns beauftragt habe, die Büchernach <strong>Tibet</strong> mitzunehmen und warum wir es getan hätten. Als wir erwiderten, wir hätten sie mitgenommen,um dar<strong>in</strong> zu lesen, ohrfeigten und traten sie uns. Nach drei Tagen wurden wir nach Lhasa gebrachtund kamen <strong>in</strong>s dortige Haftzentrum des Public Security Bureau. Wir wurden <strong>in</strong> getrennten Zellenuntergebracht und während der folgenden 16 Tage dreimal täglich verhört. Wann immer der Vernehmungsbeamtemit me<strong>in</strong>en Antworten unzufrieden war, schlug er auf mich e<strong>in</strong> und versetzte mirElektroschocks, bis ich das Bewußtse<strong>in</strong> verlor. Me<strong>in</strong>em Bruder und Tenam erg<strong>in</strong>g es nicht besser” 100 .Sonam Ngodup, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Kardze, kommt aus dem Dorf Sengu Chu, TAP Kardze, Prov<strong>in</strong>zSichuan. Er verbrachte sieben Jahre wegen “Aufhetzung der Volksmassen durch regierungsfe<strong>in</strong>dlichePropaganda” und “Gefährdung der staatlichen Sicherheit” h<strong>in</strong>ter Gittern. 2002 wurde er <strong>in</strong> dasGefängnis Mok <strong>in</strong> der Präfektur Ngaba verlegt. Infolge der ständigen Schläge und Mißhandlungen sollsich Sonam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bedrohlichen Gesundheitszustand bef<strong>in</strong>den. Mehrmals bereits fiel er bewußtlosum. Als er e<strong>in</strong>mal dabei mit dem Gesicht zur Erde fiel, verlor er se<strong>in</strong>e Vorderzähne. Im Gefängnis wirdihm die mediz<strong>in</strong>ische Betreuung verweigert, weshalb große Sorge um ihn besteht. Falls se<strong>in</strong>e Strafenicht verlängert wird, könnte Sonam Ngodup 2007 nach Verbüßung se<strong>in</strong>er siebenjährigen Haftstrafeentlassen werden 101 .Ngawang Tsultrim 102 erzählt von se<strong>in</strong>en traumatischen Erlebnissen im Gutsa Haftzentrum, nachdemer wegen e<strong>in</strong>er Demonstration am 14. Mai 1994 zusammen mit drei Freunden am belebten Barkhor-Markt festgenommen worden war: “Wir vier demonstrierten nur e<strong>in</strong> paar M<strong>in</strong>uten auf dem vor Menschenwimmelnden Barkhor-Markt, und schon nahmen uns e<strong>in</strong>ige Beamte des Public Security Bureau(PSB) von Lhasa und Polizisten der Anti-Terror-E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> Zivilkleidung fest und stießen uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>Fahrzeug. Wir wurden <strong>in</strong> die Gutsa Haftanstalt gefahren, wo wir vor e<strong>in</strong>em Sicherheitsbeamten, dere<strong>in</strong>en Hammer <strong>in</strong> der Hand hielt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe antreten mußten. Ohne e<strong>in</strong> Wort zu sagen, packtenuns zwei Polizisten an den Armen, und derjenige mit dem Hammer schlug uns auf die Knie und dieGelenke des ganzen Körpers. Von e<strong>in</strong>em entsetzlichen Schmerz durchzuckt, brachen wir zusammen.Je zwei Polizisten griffen nach unseren Füßen und zogen uns wie Leichen <strong>in</strong> unsere Zellen. Wir wurdengetrennt vone<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>gesperrt.Am folgenden Tag um neun Uhr morgens wurden wir, wieder e<strong>in</strong>zeln, zum Verhör abgeholt. E<strong>in</strong> Beamterstellte mir Fragen, während zwei andere, die neben ihm standen, mir immer, wenn ich nicht so antwortete,wie sie es erwarteten, e<strong>in</strong>en Hieb versetzten. ‚Warum hast du demonstriert’ und ‚Wer steckth<strong>in</strong>ter diesen Demonstrationen’ – dies waren die Rout<strong>in</strong>efragen, die uns allen gestellt wurden. Ich ant-98 “Aussage e<strong>in</strong>es ehemaligen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, November 2003.99 “<strong>Folter</strong> und Mißhandlung: Sorge um die Sicherheit von Tser<strong>in</strong>g Dhondup”, Human Rights Update, April 2003.100 “Festnahme von <strong>Tibet</strong>ern an der nepalesisch-tibetischen Grenze, die belastendes Material mit sich führten”, HumanRights Update, Juli 2005.101 “Sieben Jahre Haft für das Anbr<strong>in</strong>gen von Postern”, Human Rights Update, Juli 2005.102 Ngawang Tsultrim, der sechs Jahre als politischer Häftl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Drapchi <strong>in</strong>haftiert gewesen war, erreichte im Mai 2005 dasExil.


41wortete, niemand habe mir befohlen zu demonstrieren, ich hätte es aus eigenem Antrieb und für dieFreiheit <strong>Tibet</strong>s getan. Die Vernehmungsbeamten gerieten über me<strong>in</strong>e Antwort <strong>in</strong> Zorn, sie hoben me<strong>in</strong>eRobe von h<strong>in</strong>ten an und verdroschen mich mit ihren ledernen Dienstgürteln. E<strong>in</strong>er griff nach e<strong>in</strong>emeisernen Aschenbecher, der auf dem Tisch stand, und haute mir diesen auf den Kopf. Als ich wiederzu mir kam, stießen und kniffen sie mich <strong>in</strong>s Gesicht. Die anderen drei Mönche ereilte dasselbeSchicksal wie mich” 103 .Bhudruk, e<strong>in</strong> Mönch aus dem Distrikt Sershul, Präfektur Kardze, Prov<strong>in</strong>z Sichuan, erreichte am 16.April 2005 Nepal, nachdem er wegen Teilnahme an e<strong>in</strong>er friedlichen Unabhängigkeitsdemonstration 15Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Er schildert die Qualen, die er und se<strong>in</strong>e Freunde durchmachten:“Wir wurden zum Flugplatz von Lhasa gebracht und von dort nach Sichuan geflogen, wo wir <strong>in</strong>s Gefängniskamen. Nach vier Tagen wurde ich <strong>in</strong>s Gefängnis von Dartsedo verlegt, wo ich Tag um Tagverhört wurde. Sie wollten vor allem wissen, wer h<strong>in</strong>ter unseren Aktivitäten stecke, und ob wir vomDalai Lama f<strong>in</strong>anziert würden. Dann wurde ich zur Volkspolizei von Kardze geschickt. Während desVerhörs wurde ich schwer gefoltert und mit elektrischen Schlagstöcken bearbeitet, denn sie wollten e<strong>in</strong>Geständnis von mir erpressen. Sie hängten mich an der Zimmerdecke auf und quälten mich unsäglich.Sie gossen kochend heißes Wasser über me<strong>in</strong>en Körper, weil sie unbed<strong>in</strong>gt wissen wollten, wer h<strong>in</strong>termir stehe. Ich sagte, es gäbe e<strong>in</strong>fach niemanden” 104 .4. Verweigerung der mediz<strong>in</strong>ischen BehandlungGefangene, die durch die <strong>Folter</strong> Verletzungen davontragen, erhalten oftmals ke<strong>in</strong>e adäquate undrechtzeitige mediz<strong>in</strong>ische Behandlung: Wenn überhaupt, erhalten sie diese viel zu spät und <strong>in</strong> zu ger<strong>in</strong>gemAusmaß. Häftl<strong>in</strong>ge, welche die <strong>Folter</strong> überleben und entlassen werden, tragen oft dauerhafteSchäden davon. Die ch<strong>in</strong>esischen Behörden greifen immer wieder zu der Taktik, Gefangene freizulassen,die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kritischen Gesundheitszustand bef<strong>in</strong>den und dem Tode nahe s<strong>in</strong>d. Der Zweckdieser Übung ist, die Verantwortung für den etwaigen Tod der Häftl<strong>in</strong>ge abzuwälzen und der <strong>in</strong>ternationalenKritik wegen Unterlassung e<strong>in</strong>er rechtzeitigen und effektiven mediz<strong>in</strong>ischen Behandlung zuentgehen.Ngawang Sangdrol war noch e<strong>in</strong> Mädchen, als sie zuerst festgenommen wurde. Sie ist e<strong>in</strong>e derehemaligen weiblichen politischen Gefangenen mit der längsten Haftstrafe – dreimal wurde diese verlängert.Sie war im Gefängnis wiederholt brutaler <strong>Folter</strong> ausgesetzt, darunter auch der Isolationshaft.Zuletzt betrug ihre Strafe 19 ½ Jahre. Am 17. Oktober 2002 wurde sie neun Jahre vor dem Ablauf ihrerStrafe aus dem Drapchi Gefängnis entlassen, doch diese Haftverschonung erfolgte eher aus mediz<strong>in</strong>ischenGründen als dem offiziell genannten Grund der guten Führung. Pasang Lhamo, e<strong>in</strong>e ehemaligeInsass<strong>in</strong> von Drapchi, erzählte: “Sangdrol wurde wegen ihrer Teilnahme an dem Gefangenenprotestvom Mai 1998 exzessiv geschlagen und gefoltert. Sie war mehrere Stunden lang bewußtlos. Seitdemhat sie häufige Anfälle von heftigen Kopfschmerzen, sie hat Magen- und Darmbeschwerden und istherzkrank, was auf die ständige Angst, <strong>in</strong> der sie lebte, und die Streßsituation zurückzuführen ist" 105 .Bukhog 106 , e<strong>in</strong> ehemaliger politischer Häftl<strong>in</strong>g, der sechs Jahre im Gefängnis verbracht hat, berichtetvon der miserablen mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung der Gefangenen: “Was die mediz<strong>in</strong>ische Versorgungbetrifft, so gibt es praktisch ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtungen zur Behandlung von kranken Häftl<strong>in</strong>gen. Daher mußtenGefangene, wenn sie ernsthaft erkrankten, häufig <strong>in</strong> Krankenhäuser e<strong>in</strong>geliefert werden. DieseSituation hat sich seither nicht geändert. Eher hat sich die Lage <strong>in</strong> diesem Gefängnis im Laufe der Jahreimmer mehr verschlechtert” 107 .Typisch ist auch der Fall von Sonam Tser<strong>in</strong>g, der bei se<strong>in</strong>er Festnahme wegen Teilnahme an e<strong>in</strong>erDemonstration am Barkhor <strong>in</strong> Lhasa gerade erst 14 Jahre alt war. Er kam nach Drapchi, wo er mit demanstrengenden militärischen Drill drangsaliert wurde. Wenn er die Übungen nicht richtig ausführte,mußte er zur Strafe stundenlang <strong>in</strong> der Sonnenhitze stehen. Als es ihm wegen dieser Schikanen e<strong>in</strong>-103 “Ehemaliger politischer Gefangener berichtet von <strong>Folter</strong> und Mißhandlung <strong>in</strong> Drapchi”, Human Rights Update, Mai2005.104 “Bericht des ehemaligen politischen Gefangenen Bhudruk”, Human Rights Update, April 2005.105 “Ch<strong>in</strong>a läßt Ngawang Sangdrol vorzeitig frei”, Human Rights Update, Oktober 2002.106 Nach Verbüßung se<strong>in</strong>er Strafe wurde Bukhog am 19. April 2001 entlassen. Er floh aus <strong>Tibet</strong>, weil es ihm nach der Haftentlassungnicht mehr möglich war, e<strong>in</strong> normales Leben zu führen, und er erreichte im November 2003 Kathmandu.107 “Aussage e<strong>in</strong>es ehemaligen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, November 2003.


42mal übel wurde, bat er um ärztliche Hilfe. Als Antwort verabreichte ihm der Aufseher e<strong>in</strong>en dreifachenHieb auf den Kopf und schrie ihn an, se<strong>in</strong>e Krankheit sei e<strong>in</strong>e Lüge. Wie Tser<strong>in</strong>g berichtet, bekommenpolitische Gefangene erst dann mediz<strong>in</strong>ische Behandlung, wenn sie nicht mehr von ihrem Lager aufstehenkönnen und dem Tode nahe s<strong>in</strong>d 108 .Norbu, e<strong>in</strong> ehemaliger politischer Gefangener, berichtet von der mangelnden mediz<strong>in</strong>ischen Versorgungder Häftl<strong>in</strong>ge: “Wenn Gefangene erkrankten, mußten sie tagelang warten, bis sie e<strong>in</strong>en Arzt zusehen bekamen. Und den Kranken wurde allen dieselbe Arznei gegeben, egal ob sie nun an Kopfwehoder Bauchschmerzen litten” 109 .Passang Lhamo wurde nach fünf Jahren Haft am 25. Mai 1999 aus dem Drapchi Gefängnis entlassen.Drei PSB Beamte des Distrikts Phenpo Lhundup hatten den Auftrag, sie an ihren Heimatort zubr<strong>in</strong>gen. Als sie Lhamo bei ihren Eltern ablieferten, <strong>in</strong>struierten sie diese, daß sie Lhamo nicht erlaubendürften, ihr Dorf zu verlassen und an andere Orte zu reisen. E<strong>in</strong>mal war Lhamo zu e<strong>in</strong>er ärztlichen Untersuchungnach Lhasa gefahren. Als das PSB ihres Distrikts davon erfuhr, wurden ihre Eltern zur Redegestellt, und Lhamo mußte ohne ärztliche Behandlung wieder den Heimweg antreten 110 .5. Zwangsarbeit, Zwangsdrill und das Elend der politischen GefangenenZwangsarbeit und militärartiger Drill, die mit mangelhafter Ernährung e<strong>in</strong>hergehen, s<strong>in</strong>d charakteristischfür die ch<strong>in</strong>esisch verwalteten Gefängnisse <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>. Zum Tagesablauf gehört, daß die Gefangenenungeachtet ihres physischen Zustands bestimmte Arbeitsquoten erfüllen und militärische Übungenmachen müssen. Die erzwungene körperliche Ertüchtigung über längere Zeiträume <strong>in</strong> Form von militärartigemExerzieren wurde 1995 im Drapchi Gefängnis e<strong>in</strong>geführt, und wie es heißt, werden nur diesehr alten und schwerkranken Häftl<strong>in</strong>ge von dieser Übung suspendiert. Wie man hörte, erlitten Gefangene,die unpäßlich und schwach waren, auf diese erzwungene Überanstrengung h<strong>in</strong> schwere gesundheitlicheRückschläge. Es folgen zwei solche Fälle.Ngawang Tsultrim, der sechs Jahre als politischer Häftl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Drapchi <strong>in</strong>haftiert gewesen war, erreichteim Mai 2005 das Exil und erzählte: “Die Gefangenen müssen täglich <strong>in</strong> zwei Etappen militärischenDrill absolvieren, und zwar von 10 - 12 Uhr morgens und von 3.30 - 7 Uhr nachmittags. Infolge derm<strong>in</strong>derwertigen Ernährung s<strong>in</strong>d sie durchwegs unterernährt, und viele brechen während der Exerzierübungenvor Schwäche zusammen. Die Aufseher treten nach den Häftl<strong>in</strong>gen, die kollabieren, und versetzendenen, die h<strong>in</strong>ter den anderen zurückbleiben, Stockhiebe” 111 .Bhudruk, e<strong>in</strong> Mönch aus der TAP Kardze, der am 16. April 2005 nach Verbüßung e<strong>in</strong>er 15jährigenGefängnisstrafe das <strong>Tibet</strong>an Reception Centre <strong>in</strong> Kathmandu erreichte, berichtet: “In der letzten Zeitwerden politische Gefangene nicht mehr geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum untergebracht. Höchstens dreipolitische Häftl<strong>in</strong>ge werden zusammen <strong>in</strong> derselben Zelle festgehalten. Reiche und gewichtige Geschäftsleuteaus Ch<strong>in</strong>a besuchten das Gefängnis im E<strong>in</strong>verständnis mit den Gefängniswärtern undBehörden. Sie machten sich das System der ‚Reform durch Arbeit’ zunutze und ließen die Gefangenenmaßlos schuften, um ihre Waren herzustellen, ohne ihnen irgendwelche Löhne und Gehälter zu bezahlen”112 .Jangchup Dolma, e<strong>in</strong>e Nonne aus dem Kloster Yangchen Galo, wurde wegen ihrer Teilnahme ane<strong>in</strong>er Demonstration am Barkhor am 28. Februar 1995 zu fünf Jahren Gefängnis mit Aberkennung derbürgerlichen Rechte für zwei Jahre verurteilt. Sie erzählt: “Bei e<strong>in</strong>em speziellen Militärdrill im November1995 wurden die Nonnen gezwungen, von 8.30 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags und wieder von 2bis 6.30 nachmittags, und gelegentlich gar um 1 Uhr nachts zu rennen. Oft mußten sie etwa 7 M<strong>in</strong>utenlang mit e<strong>in</strong>em horizontal ausgestrecktem Be<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Ziegelste<strong>in</strong> auf ihrem Fuß balancieren. Es gabauch noch andere Arten der Quälerei, etwa, daß man im W<strong>in</strong>ter von 7 Uhr abends bis 2 Uhr nachtsbarfuß im kalten Wasser stehen mußte. Dabei war die Kost sehr mager. Das dauerte bis zum Dezember1995”. Später bekam Dolma Magengeschwüre und e<strong>in</strong> Nierenleiden. Die Gefängnisaufseher hat-108 “Zeugnis e<strong>in</strong>es jugendlichen politischen Gefangenen”, Human Rights Update, Januar 2000.109 “Ins Feuer gestreutes Chili und Elektroschock zur Erzw<strong>in</strong>gung von Geständnissen”, Human Rights Update, Februar 2001.110 “Leben im Drapchi Gefängnis”, Human Rights Update, Juni 2000. Passang floh am 1. April 2000 <strong>in</strong>s Exil.111 “Ehemaliger politischer Gefangener berichtet von <strong>Folter</strong> und Mißhandlung <strong>in</strong> Drapchi”, Human Rights Update, Mai2005.112 “Bericht des ehemaligen politischen Gefangenen Bhudruk”, Human Rights Update, April 2005.


43ten es besonders auf sie abgesehen und bestraften sie oft für Lappalien. Dolma war nicht mehr <strong>in</strong> derLage standzuhalten und verlor allmählich den Verstand 113 .Passang Lhamo wurde zusammen mit vier anderen Nonnen aus dem Kloster Garu festgenommen,weil sie im Mai/Juni 1994 für die Unabhängigkeit am Barkhor demonstriert hatten. Passang und zweiihrer Gefährt<strong>in</strong>nen wurden zu 5 Jahren Gefängnis und e<strong>in</strong>em Jahr Verlust der bürgerlichen Rechteverurteilt. Die drei Nonnen wurden am 25. Mai 1999 entlassen. Nachdem sie im April 2000 nach Indiengeflohen war, sagte sie gegenüber dem TCHRD aus: “Nach der Verurteilung kamen die fünf Nonnennach Drapchi <strong>in</strong> die Rukhag No. 3, wo sie gleich zu dem harten, militärähnlichen Drill gezwungen wurden.Dazu gehörte auch, daß sie mit e<strong>in</strong>em Buch auf dem Kopf und e<strong>in</strong>em unter die Achselhöhlen geklemmtenStück Papier 9 Stunden täglich <strong>in</strong> der Sonne stehen mußten. Oftmals fielen sie wegen derHitze und den heftigen Kopfschmerzen bewußtlos um, aber das Gefängnispersonal ignorierte ihr Flehenund zwang sie weiter, <strong>in</strong> der Sonne zu stehen. Lhamo berichtet, daß die Gefangenen vom Februar1995 bis zum Mai 1998 wie Männer exerzieren mußten und gezwungen wurden, fast den ganzen Tag,mit nur e<strong>in</strong>er Stunde Pause von 13 bis 14 Uhr, zu laufen. Der Militärdrill besteht hauptsächlich dar<strong>in</strong>,den ganzen Tag auf dem Gefängnisgelände zu rennen. Bei den Protesten vom Mai 1998 <strong>in</strong> Drapchiwurden Lhamo und andere Insassen der 3. Rukhag von den Wachen schwer mit Gürteln, Eisenstangenund elektrischen Viehstöcken geschlagen. Auf den Protest h<strong>in</strong> wurden die Gefangenen den ganzenTag <strong>in</strong> ihren Zellen e<strong>in</strong>geschlossen, so daß sie nicht e<strong>in</strong>mal wußten, wie es ihren Mitgefangenennebenan erg<strong>in</strong>g. Es war ihnen unmöglich, mite<strong>in</strong>ander zu sprechen oder aus dem Fenster ihrer Zellezu schauen, weil <strong>in</strong> jeder Zelle Überwachungskameras und Abhöranlagen <strong>in</strong>stalliert waren. Die Gefangenenlitten schrecklich unter der Isolierung und der stickigen Luft <strong>in</strong> ihren Zellen. Nur e<strong>in</strong>mal monatlichdurften sie 10 bis 30 M<strong>in</strong>uten lang ihre Verwandten sehen” 114 .6. Geschlechtsspezifische MißhandlungFrauen ergeht es <strong>in</strong> den Haftzentren <strong>in</strong> der Tat noch schlimmer als Männern, denn sie werden häufigzur Strafe mißhandelt, und bei den Vernehmungen wird regelmäßig <strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>gesetzt. Seit Ende der80er Jahre wurde immer wieder über geschlechtsspezifische Gewaltanwendung <strong>in</strong> den Haftzentrenund Gefängnissen <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> berichtet. Besonders Nonnen wurden Opfer sexueller Angriffe mit Stöckenund elektrischen Viehkeulen, mit denen sie an Anus, Vag<strong>in</strong>a und Mund traktiert wurden. Ch<strong>in</strong>esischeQuellen schweigen über den S<strong>in</strong>n dieser grausamen und verbotenen Handlungen, doch ehemaligepolitische Gefangene und Experten s<strong>in</strong>d der Me<strong>in</strong>ung, daß derartige <strong>Folter</strong>akte den Zweck haben, dieOpfer zu demütigen und zu demoralisieren wegen des sozialen Stigmas, das solchen Erfahrungenanhaftet, was besonders für Nonnen gilt, die e<strong>in</strong> Keuschheitsgelübde abgelegt haben.Die sexuelle Belästigung und Vergewaltigung von Frauen, besonders von Nonnen, wurde seit Endeder achtziger Jahre dokumentiert. Die Opfer s<strong>in</strong>d zumeist Nonnen, die an den Demonstrationen gegendie ch<strong>in</strong>esische Besatzung <strong>Tibet</strong>s von 1987 bis 1989 teilgenommen hatten. Bis zur Mitte der neunzigerJahre gab es häufig Berichte über derartige Mißhandlungen, doch seit 1995 hörte man lange Zeitnichts dergleichen mehr, bis Choey<strong>in</strong>g Kunsang aus <strong>Tibet</strong> e<strong>in</strong>traf. Sie erzählte von der Vergewaltigungvon Dekyi Yangzom, woraus man schließen kann, daß es immer noch geschlechtsspezifische Gewaltanwendunggibt.Die Methoden im e<strong>in</strong>zelnen s<strong>in</strong>d: Das Ausziehen der Frauen und E<strong>in</strong>führen von elektrisch geladenenDrähten <strong>in</strong> ihre Sexualorgane, mit denen sie Schocks erhalten, wie auch elektrische Drähte um ihreBrustwarzen gewickelt werden, an die e<strong>in</strong>e hohe Spannung angelegt wird. Die Anwendung des elektrischenViehstocks ist e<strong>in</strong>e häufige <strong>Folter</strong>methode, wobei Hände und Füße, Mund, Anus und Vag<strong>in</strong>a mitdem Instrument bearbeitet werden. Es gibt auch andere Arten der Marter, die ke<strong>in</strong>e physischen Spurenh<strong>in</strong>terlassen, etwa, daß man die Häftl<strong>in</strong>ge lange <strong>in</strong> der Sonne stehen läßt, sie extremen Temperaturenaussetzt, zu anstrengendem Dauerlauf zw<strong>in</strong>gt; h<strong>in</strong>zu kommen noch Isolationshaft, lange Arbeitsstunden<strong>in</strong> den Gewächshäusern, Nahrungs- und Schlafentzug.113 “Portrait: Nonne durch die brutale, unmenschliche <strong>Folter</strong> zum Wahns<strong>in</strong>n getrieben”, Human Rights Update, Juli 2000.114 “Leben im Drapchi Gefängnis”, Human Rights Update, Juni 2000.


447. IsolationshaftIsolationszellen, <strong>in</strong> welche die politischen Gefangenen über längere Zeit e<strong>in</strong>gesperrt und dabei ausgehungertwerden, s<strong>in</strong>d typisch für die ch<strong>in</strong>esisch verwalteten Gefängnisse <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>. Zu dem physischenLeiden der Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelzelle kommt die psychische Tortur h<strong>in</strong>zu, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em w<strong>in</strong>zigen Raumohne Tageslicht alle<strong>in</strong>e gelassen zu werden, und das ist dermaßen schrecklich, daß es e<strong>in</strong>e dauerhaftepsychische Auswirkung auf die Opfer haben kann. Der durch die E<strong>in</strong>schließung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Art von Verließhervorgerufene klaustrophobische Effekt erschüttert die Grundfesten der Persönlichkeit. <strong>Folter</strong> gibtes <strong>in</strong> allen Phasen der Inhaftierung <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, doch e<strong>in</strong>em noch größeren Risiko, gefoltert zu werden,s<strong>in</strong>d Häftl<strong>in</strong>ge ausgesetzt, deren Haftzeit willkürlich verlängert wird. Dies ist besonders der Fall, wennsie ohne Zugang zur Außenwelt gefangen gehalten werden, d.h. ohne das Recht, Besuche von ihrenAngehörigen zu erhalten. Das TCHRD hat viele Fälle dokumentiert, wo politische Gefangene über sehrlange Zeiträume <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gehalten wurden, wodurch e<strong>in</strong>ige dem Irrs<strong>in</strong>n anheimgefallen s<strong>in</strong>d. DieseArt des Strafvollzugs bedeutet sowohl physische als auch psychische <strong>Folter</strong>. In <strong>Tibet</strong> hat <strong>Folter</strong> dieFunktion, den physischen und moralischen Widerstand e<strong>in</strong>es Individuums zu brechen. Abgesehen vonden physischen Schmerzen s<strong>in</strong>d es das psychische Trauma und die Schikanen, die das Opfer se<strong>in</strong>ganzes Leben lang begleiten.Jamdron und Nyima wurden am 13. Februar 1995 wegen e<strong>in</strong>er Unabhängigkeitsdemonstration <strong>in</strong>Lhasa verhaftet. Sie verbüßten ihre Strafe im Drapchi Gefängnis. Weil sie der ch<strong>in</strong>esischen Obrigkeittrotzten, <strong>in</strong>dem sie statt der befohlenen patriotischen ch<strong>in</strong>esischen Lieder tibetische Freiheitsliedersangen, wurden beide unter schrecklichen Schlägen im Gefängnisbüro vernommen. Später wurdenJamdron und Nyima <strong>in</strong> Isolationszellen e<strong>in</strong>gesperrt, wo man sie bis Dezember 1998, also 22 Monatelang, schmachten ließ. Mitgefangene beobachteten, daß Jamdron nun gebückt geht. Seit der zweijährigenE<strong>in</strong>zelhaft leidet sie an e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von körperlichen Gebrechen 115 .Nyima Tenz<strong>in</strong> war e<strong>in</strong> politischer Gefangener, der wegen se<strong>in</strong>er Aktivitäten für die Unabhängigkeitacht Jahren im Gefängnis saß. Er befand sich zusammen mit zwei anderen drei Monate lang <strong>in</strong> Untersuchungshaft,und wurde während dieser Zeit über 20 Tage lang <strong>in</strong> Isolationshaft gehalten. E<strong>in</strong>en ganzenMonat lang durfte er ke<strong>in</strong>e Besucher empfangen. Se<strong>in</strong>e Eltern und Verwandten wußten überhauptnicht, wo er sich befand. Dann wurde er nach Gutsa verlegt, wo er 10 Monate e<strong>in</strong>gesperrt war, ehe dasUrteil gegen ihn erg<strong>in</strong>g. Schließlich verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Tenz<strong>in</strong> zu 8 JahrenGefängnis 116 .Als Folge der Gefangenenproteste <strong>in</strong> Drapchi vom Mai 1998 wurden die Strafen der Nonnen ChogdrupDolma, Jangchup Dolma und Che Che um fünf, sechs bzw. zwei Jahre verlängert. Drei Monatelang, von Mai bis August 1998, waren sie <strong>in</strong> w<strong>in</strong>zigen f<strong>in</strong>steren Kerkern e<strong>in</strong>gesperrt, <strong>in</strong> denen sie kaumPlatz hatten, um sich auszustrecken. Die restlichen 17 Nonnen, die auch an dem Gefängnisprotestteilgenommen hatten, wurden sieben Monate <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gehalten 117 .Kapitel 12: Werden die Täter zur Verantwortung gezogen?Das ch<strong>in</strong>esische Gesetz kennt zwar den Straftatbestand der Erzw<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es Geständnisses mittels<strong>Folter</strong>, aber nicht das eigentliche Verbrechen der <strong>Folter</strong>, so wie es im Art. 1 der Konvention gegen <strong>Folter</strong>def<strong>in</strong>iert wird 118 .115 “Nonne 22 Monate lang ohne Verb<strong>in</strong>dung zur Außenwelt <strong>in</strong> Haft gehalten”, Human Rights Update, Januar 2001.116 “Politischer Gefangener <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft wegen Plakatierens”, Human Rights Update, September 2000.117 “Interview mit Choey<strong>in</strong>g Kunsang am 29. April 2000”, Human Rights Update, April 2000.118“Im S<strong>in</strong>ne dieses Übere<strong>in</strong>kommens bezeichnet der Ausdruck ‚<strong>Folter</strong>’ jede Handlung, durch die e<strong>in</strong>er Person vorsätzlichgroße körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel, um von ihr oder e<strong>in</strong>em Dritten e<strong>in</strong>eAussage oder e<strong>in</strong> Geständnis zu erlangen, um sie für e<strong>in</strong>e tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder e<strong>in</strong>em Dritten begangeneTat zu bestrafen, um sie oder e<strong>in</strong>en Dritten e<strong>in</strong>zuschüchtern oder zu nötigen oder aus e<strong>in</strong>em anderen, auf irgende<strong>in</strong>er Art vonDiskrim<strong>in</strong>ierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von e<strong>in</strong>em Angehörigen des öffentlichen Dienstesoder e<strong>in</strong>er anderen <strong>in</strong> amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oderstillschweigendem E<strong>in</strong>verständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfaßt nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich


45Nach dem ch<strong>in</strong>esischen Gesetz könnte man <strong>Folter</strong>akte den Kategorien diverser strafbarer Handlungenzuordnen. Abgesehen von dem Verbrechen der Anwendung von <strong>Folter</strong> zum Zweck der Erzw<strong>in</strong>gungvon Geständnissen, für welches das Gesetz e<strong>in</strong>e Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis vorsieht 119 ,ist Mißhandlung von Gefangenen <strong>in</strong> schweren Fällen mit bis zu 10 Jahren Gefängnis zu bestrafen 120 ,während bei schwerer Körperverletzung 10 Jahre Gefängnis vorgesehen s<strong>in</strong>d 121 .Werden e<strong>in</strong>er Person während ungesetzlicher Haft oder sonstiger Festhaltung Körperverletzungenzugefügt, drohen ähnliche Strafen 122 . Wenn die <strong>Folter</strong> zum Tode führt, können die Schuldigen, falls sieabsichtlich gehandelt haben, wegen Mordes zur Verantwortung gezogen werden, was abhängig vonden jeweiligen Umständen mit Gefängnis von drei Jahren und darüber oder sogar dem Tod zu bestrafenist 123 .In Ch<strong>in</strong>a kann jede Behörde, bei der e<strong>in</strong>e Beschwerde über <strong>Folter</strong> oder Mißhandlung e<strong>in</strong>geht, selbste<strong>in</strong>e Ermittlung <strong>in</strong> Gang setzen und <strong>in</strong>nerhalb ihrer Zuständigkeit Diszipl<strong>in</strong>arstrafen verhängen. In denmeisten Fällen besitzen die Organe der adm<strong>in</strong>istrativen Überwachung e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Vollmachten,um bei Amtsvergehen Ermittlungen e<strong>in</strong>zuleiten und Diszipl<strong>in</strong>arstrafen zu verhängen 124 . Hervorzuhebenist, daß das Strafverfahrensgesetz ke<strong>in</strong>e Straffreiheit für <strong>Folter</strong>er vorsieht. Während es zahlreichesonstige Beschwerden über <strong>Folter</strong> und Mißhandlungen gab, kamen von <strong>in</strong>haftierten Personenkaum Klagen, was auf die Schwierigkeit des Zugangs zu e<strong>in</strong>em Rechtsbeistand und den mangelndenSchutz vor weiterer Mißhandlung als Vergeltung für die E<strong>in</strong>reichung e<strong>in</strong>er Klage zurückzuführen ist.Außerdem gibt es ke<strong>in</strong>e unabhängigen Instanzen zur Untersuchung von <strong>Folter</strong>fällen. Die Mehrheit derFälle wird von denselben Angehörigen der Öffentlichen Sicherheitsorgane untersucht, die bei demTatbestand der <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auch die Täter s<strong>in</strong>d. Wenn der geltend gemachte <strong>Folter</strong>akt gemäßaus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden s<strong>in</strong>d. Dieser Artikel läßt alle <strong>in</strong>ternationalenÜbere<strong>in</strong>künfte oder <strong>in</strong>nerstaatlichen Rechtsvorschriften unberührt, die weitergehende Bestimmungen enthalten.”119 Der Art. 247 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a lautet: “Justizangestellte, die von e<strong>in</strong>em Verdächtigen oder e<strong>in</strong>em Angeklagtene<strong>in</strong> Geständnis durch <strong>Folter</strong> erpressen oder die zur <strong>Folter</strong> greifen, um e<strong>in</strong>e Aussage von Zeugen zu erwirken, s<strong>in</strong>d mit biszu drei Jahren Gefängnis zu bestrafen oder unter Strafhaft zu stellen. Diejenigen, die Verletzungen zufügen, ihre Opfer zuBeh<strong>in</strong>derten machen oder ihren Tod herbeiführen, s<strong>in</strong>d vor Gericht zu stellen und gemäß den Art. 232 und 234 dieses Gesetzesschwer zu bestrafen.”120 Der Art. 248 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a lautet: “Aufsichts- und Verwaltungspersonal von Gefängnissen, Haftzentrenund anderen Verwahrungsanstalten, welche ihre Insassen schlagen oder physisch mißhandeln, s<strong>in</strong>d, falls es sich um schwereFälle handelt, zu bis zu drei Jahren Gefängnis zu verurteilen oder unter Strafhaft zu stellen. Bei besonders gravierenden Fällens<strong>in</strong>d sie zu drei bis 10 Jahren Gefängnis zu verurteilen. Diejenigen, die Verletzungen zufügen, ihre Opfer zu Beh<strong>in</strong>dertenmachen oder ihren Tod herbeiführen, s<strong>in</strong>d vor Gericht zu stellen und gemäß den Art. 232 und 234 dieses Gesetzes schwer zubestrafen. Aufsichts- und Verwaltungspersonal, das Häftl<strong>in</strong>gen befiehlt, andere Insassen zu schlagen oder physisch zu mißhandeln,s<strong>in</strong>d gemäß den Bestimmungen <strong>in</strong> obigem Paragraph zu bestrafen.”121 Der Art. 234 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a lautet: “Wer immer absichtlich e<strong>in</strong>e andere Person verletzt, ist bis zu dreiJahren Gefängnis, Strafhaft oder Kontrolle zu verurteilen. Wer immer das im vorhergehenden Art. genannte Verbrechenbegeht und e<strong>in</strong>er Person ernste Verletzungen zufügt, ist mit Gefängnis von 3 bis 10 Jahren zu bestrafen, wer immer den Tode<strong>in</strong>er Person verursacht oder sie durch besonders brutale Mittel so verletzt, daß sie physisch entstellt wird, ist zu bis zu10Jahren Gefängnis, zu lebenslänglicher Haft oder zum Tode zu verurteilen.”122 Art. 238 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a lautet: “Wer immer e<strong>in</strong>e andere Person gesetzwidrig festhält oder sie auf andereWeise ihrer Freiheit beraubt, ist zu bis zu drei Jahren Gefängnis, Strafhaft, Kontrolle oder Aberkennung der politischenRechte zu verurteilen. Wenn noch Schläge und Demütigungen h<strong>in</strong>zukommen, muß e<strong>in</strong>e härtere Strafe verhängt werden. Werimmer e<strong>in</strong>es der <strong>in</strong> den vorhergehenden Paragraphen genannten Verbrechen begeht und e<strong>in</strong>er Person ernste Verletzungenzufügt, ist zu bis zu drei und nicht über 10 Jahre Gefängnis zu verurteilen. Wenn jemand den Tod e<strong>in</strong>er Person verursacht, ister zu 10 Jahren und mehr zu verurteilen, und wenn jemand auf gewaltsame Weise den Tod oder die lebenslängliche Beh<strong>in</strong>derunge<strong>in</strong>er Person verursacht, ist er gemäß den Bestimmungen der Art. 234 und 232 dieses Gesetzes zu bestrafen. Wer immere<strong>in</strong>en anderen zum Zweck der Rückzahlung e<strong>in</strong>er Schuld gesetzwidrig festhält oder <strong>in</strong> Gewahrsam nimmt, ist gemäß denBestimmungen der zwei vorhergehenden Artikel zu bestrafen. Wenn e<strong>in</strong> staatlicher Angestellter se<strong>in</strong>e Autorität mißbrauchtund e<strong>in</strong>es der genannten drei Verbrechen begeht, muß er gemäß den Bestimmungen <strong>in</strong> den drei vorhergehenden Artikelnstrenger bestraft werden.“123 Der Art. 232 des Strafgesetzes der VR Ch<strong>in</strong>a lautet: “Wer immer e<strong>in</strong>en anderen absichtlich tötet, ist mit dem Tode, mitlebenslanger Haft oder mit Gefängnis von 10 Jahren und darüber zu bestrafen. Wenn die Umstände nicht so schwerwiegends<strong>in</strong>d, ist er zu nicht weniger als 3 Jahren und nicht mehr als 10 Jahren Gefängnis zu verurteilen.”124 Gesetz der VR Ch<strong>in</strong>a über die adm<strong>in</strong>istrative Aufsicht, verabschiedet vom Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongressesam 9. Mai 1997. Der Art. 2 besagt, daß “die Überwachungsorgane e<strong>in</strong>en Teil der Volksregierung bilden und e<strong>in</strong>ebeaufsichtigende Funktion erfüllen. Gemäß diesem Gesetz kontrollieren sie die Verwaltungsorgane, die Funktionäre undanderes von den staatlichen Verwaltungsorganen e<strong>in</strong>gestelltes Personal.


46dem Strafgesetz als e<strong>in</strong> Fall für die Strafverfolgung e<strong>in</strong>gestuft wird, dann ist die Volksprokuratur dasalle<strong>in</strong>ige Organ, welches für die Untersuchung des Verbrechens zuständig ist 125 .Sobald es irgendwo Klagen über <strong>Folter</strong>ungen gibt, ist die Antwort seitens der Behörden gewöhnlichSchweigen oder es wird auf die Kläger Druck ausgeübt, damit sie ihre Beschwerde zurückziehen.Selbst wenn Ermittlungen aufgenommen werden, so kann man sie kaum als gründlich bezeichnen. Ine<strong>in</strong>igen Fällen sollen Polizeioffiziere und Sicherheitsbeamte das Beweismaterial manipuliert haben.Folglich endet die Mehrheit der Untersuchungen damit, daß der Fall aus Mangel an Beweisen e<strong>in</strong>gestelltwird. Die für die Untersuchung zuständigen Organe besitzen <strong>in</strong> der Praxis nämlich e<strong>in</strong>e großeErmessensfreiheit. Außerdem unterliegen sie den Anweisungen der Regierung, wenn es darum geht,ob e<strong>in</strong>e Strafverfolgung aufgenommen werden soll oder nicht.Kapitel 13: Mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und Fairneß bei GerichtsverfahrenE<strong>in</strong>e unabhängige und unparteiische Justiz ist dem <strong>in</strong>ternationalen Recht zufolge die Voraussetzungfür e<strong>in</strong> faires Gerichtsverfahren. In der VR Ch<strong>in</strong>a ist die Justiz jedoch nicht unabhängig und hat anderenstaatlichen Organen gegenüber e<strong>in</strong>e eher untergeordnete Stellung. Ohne e<strong>in</strong> Gerichtssystem, dasdie Fälle gerecht und ohne E<strong>in</strong>mischung von außen so beurteilt, wie es vom Gesetz vorgeschriebenist, kann ke<strong>in</strong>en Beschwerden abgeholfen und das Problem der <strong>Folter</strong> nicht unter Kontrolle gebrachtwerden, besonders nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rahmen, wo die Polizei bei Festnahmen und Inhaftierungen übere<strong>in</strong>en großen Ermessensspielraum verfügt und unter enormem Druck steht, die Fälle möglichst schnellzu lösen. Die Ursachen dafür, daß die <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> überall gängige Praxis ist, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Abwesenheite<strong>in</strong>er unabhängigen Justiz und <strong>in</strong> dem mangelnden Schutz des gesetzlich verbrieften Rechts der<strong>Tibet</strong>er auf e<strong>in</strong>en fairen Prozeß zu suchen 126 . Für die politischer Vergehen wegen angeklagten <strong>Tibet</strong>ergibt es immer noch ke<strong>in</strong> gerechtes Gerichtsverfahren. Den <strong>in</strong> Untersuchungshaft Bef<strong>in</strong>dlichen wird derZugang zu e<strong>in</strong>em Rechtsanwalt oder der Kontakt zu ihren Angehörigen zumeist verweigert. Wenn sieschließlich vor Gericht gestellt werden, s<strong>in</strong>d die Verfahren weit davon entfernt, den <strong>in</strong>ternationalenNormen für e<strong>in</strong>en fairen Prozeß zu entsprechen. Gegen Personen, die wegen Verbrechen, bei denenes um “Staatsgeheimnisse” oder “Terrorismus” geht, angeklagt s<strong>in</strong>d, wird <strong>in</strong> Mißachtung ihrer gesetzlichenRechte unter Ausschluß der Öffentlichkeit verhandelt.Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> nannte nach se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a, <strong>Tibet</strong> und X<strong>in</strong>jiang folgendeFaktoren, die beachtet werden müssen, damit e<strong>in</strong> Verbot der <strong>Folter</strong> effektiv würde: die Nichtzulassung von Beweisen aufgrund von Aussagen, die durch <strong>Folter</strong> erpreßt wurden; die E<strong>in</strong>führung der Unschuldsvermutung; die rechtzeitige Bekanntgabe der Gründe für die Verhaftung; die baldmöglichste externe Überprüfung der Inhaftierung; die Gewährung von Haftverschonung z. B. gegen Sicherheitsleistungen; die gerichtliche Anordnung e<strong>in</strong>es Haftprüfungsterm<strong>in</strong>s (habeas corpus); die Garantie des sofortigen Zugangs zu e<strong>in</strong>em Rechtsbeistand; die Gewährung von genügend Zeit und Möglichkeiten zur Vorbereitung der Verteidigung.Andere gravierende Mängel s<strong>in</strong>d das Fehlen e<strong>in</strong>er unabhängigen Kontrolle aller Haftanstalten und dasFehlen e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>stitutionalisierten Beschwerdeweges.125 Art. 18 der Strafprozeßordnung (CPL).126 ”Ch<strong>in</strong>a cracks down on torture and forced confessions,” X<strong>in</strong>hua, 17 May 2005,http://english.people.com.cn/200505/17/eng20050517_185482.html.


47In se<strong>in</strong>em dritten periodischen Bericht zur <strong>Folter</strong> weist Ch<strong>in</strong>a darauf h<strong>in</strong>, daß das System der “Festhaltungzu Vernehmungszwecken” 127 mit der revidierten Strafprozeßordnung (CPL) von 1997 abgeschafftwurde, ebenso e<strong>in</strong>e spezielle Form der Adm<strong>in</strong>istrativhaft, die unter dem Namen “Gewahrsam und Vernehmung”(shourong shencha) lief. Diese wurde auch als “Schutz und Ermittlung” übersetzt und ermöglichtees der Polizei, Verdächtige über lange Zeit ohne Anklageerhebung zu <strong>in</strong>haftieren, wasschwere Menschenrechtsverletzungen zur Folge hatte. Der positive Ansatz wurde durch die H<strong>in</strong>zufügungneuer Bestimmungen zu der CPL jedoch wieder zunichte gemacht, welche die Festhaltung vonsolchen Personen erlauben, die bisher unter die Rubrik “Festhaltung zu Vernehmungszwecken” fielen128 . Geblieben s<strong>in</strong>d die zwei Formen der Adm<strong>in</strong>istrativhaft “Gewahrsam und Rückführung” (shourongqiansong), welche noch mehr Spielraum für die adm<strong>in</strong>istrative Festhaltung gewährt als “Gewahrsamund Vernehmung” (shourong shencha), und “Umerziehung-durch-Arbeit” (laodong jiaoyang), welchedie Inhaftierung von Personen, die formell nicht als Straftäter gelten, bis zu vier Jahren gestattet.Die Strafprozeßordnung verlangt auch, daß die Behörden die Angehörigen oder die Arbeitse<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>esVerdächtigen <strong>in</strong>nerhalb von 24 Stunden über dessen Festnahme <strong>in</strong>formieren. In der Praxis ist vonrechtzeitiger Benachrichtigung jedoch kaum etwas zu bemerken, besonders nicht bei heiklen politischenFällen. Ferner gibt es da die pauschale Ausnahme, daß ke<strong>in</strong>e Benachrichtigung erfolgen muß,wenn diese “die Untersuchung e<strong>in</strong>es Falles beh<strong>in</strong>dern” würde. Die Polizei fährt fort, Personen ohneZugang zu ihrer Familie oder e<strong>in</strong>em Rechtsanwalt festzuhalten, und die Gerichtsverhandlungen werdenweiterh<strong>in</strong> unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt.Die Unabhängigkeit der Justiz <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a läßt zu wünschen übrig, wodurch die Rechtmäßigkeit undGlaubwürdigkeit der Jurisdiktion untergraben werden. Zu nennen wäre hier etwa die seit jeher geübtePraxis, daß die Richter das Gesetz gemäß der Politik der kommunistischen Partei anzuwenden haben.Diese Praxis wird durch die politischen und rechtlichen Kommissionen der Partei <strong>in</strong>stitutionalisiert, dieauf jeder Ebene der Adm<strong>in</strong>istration bei der Rechtsprechung e<strong>in</strong>e führende Rolle spielen und die Arbeitder Gerichtshöfe kontrollieren.Gemäß der ch<strong>in</strong>esischen Verfassung s<strong>in</strong>d nicht die Gerichte, sondern der Ständige Ausschuß des NationalenVolkskongresses (NPC) für die Auslegung der Gesetze verantwortlich, und die Gerichte s<strong>in</strong>dnicht befugt, Entscheidungen zu überprüfen, die auf der Interpretation des Gesetzes durch Organe derLegislative oder Exekutive beruhen. Es fehlen gegenseitige Kontrolle und das Gleichgewicht zwischenden Gewalten, und Kontrollen durch unabhängige Gremien der Zivilgesellschaft und NGOs s<strong>in</strong>d praktisch<strong>in</strong>existent. Daß es <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a ke<strong>in</strong>e Überprüfung der Gerichte gibt, trägt <strong>in</strong> großem Maße zu derweiten Verbreitung der <strong>Folter</strong> bei, während sich der Mangel an professionellen und wirklich unabhängigenRichtern katastrophal auf alle Fälle auswirkt, wo die Menschenrechte e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Dasbr<strong>in</strong>gt diejenigen, welche die Menschenrechte mit Füßen treten und andere, die politischen oder wirtschaftlichenE<strong>in</strong>fluß haben, zu der Überzeugung, daß sie ungestraft die Gesetze brechen und dieMenschenrechte verletzten können.Die ch<strong>in</strong>esischen Gerichte müssen sich Maßnahmen überlegen, um die Transparenz bei der Justiz zuverbessern, was sich positiv auf die Verhandlung der e<strong>in</strong>zelnen Fälle auswirken könnte. Wenn die Urteileund die Protokolle der Prozesse veröffentlicht würden, müßten die Richter der Öffentlichkeit gegenüberRechenschaft ablegen, wie sie e<strong>in</strong>en bestimmten Fall verhandelt haben. Schließlich sollte e<strong>in</strong>System von unabhängigen Beobachtern geschaffen werden, die konsequent alle vor Gericht verhandeltenFälle verfolgen und über die Urteile berichten. In <strong>Tibet</strong> ist das gesetzlich verbriefte Recht aufBerufung nichts als Schall und Rauch. “Man hat noch nie gehört, daß e<strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>er sich erfolgreich gegene<strong>in</strong>e politisch motivierte Anklage verteidigt hätte oder daß e<strong>in</strong>e Berufung gegen e<strong>in</strong> Urteil mit Erfolggekrönt worden wäre” 129 .Der beste Schutz für e<strong>in</strong>en jeden Häftl<strong>in</strong>g vor <strong>Folter</strong>ung ist, wenn er Zugang zu Anwälten se<strong>in</strong>er Wahlund gesetzlicher Rechtshilfe erhält. Gemäß der ch<strong>in</strong>esischen Strafprozeßordnung ist allen Verdächtigendas Recht auf den Beistand e<strong>in</strong>es Anwalts <strong>in</strong> der Phase der Untersuchungshaft garantiert. Ob esihnen zugestanden wird, bleibt jedoch dem Ermessen der Ermittlungsbehörden überlassen. Besonderse<strong>in</strong>geschränkt ist der Zugang zu e<strong>in</strong>em Rechtsbeistand <strong>in</strong> jenen Fällen, die “Staatsgeheimnisse” betreffen.Hier benötigt der Tatverdächtige die Erlaubnis der Untersuchungsorgane, um e<strong>in</strong>en Anwalt127 Dritter periodischer Bericht, Abs. 7a.128 Hierzu gehört auch e<strong>in</strong>e spezielle Kategorie von Verdächtigen, die ohne Anklage bis zu 37 Tagen (Art. 69 der CPL) festgehaltenwerden können, sowie jene, die ihren Namen und ihre Adresse nicht richtig angeben, deren Status unklar ist undderen Haftfrist erst von dem Zeitpunkt an, an dem ihr Status geklärt wurde, gerechnet wird (CPL Art. 128, Abs. b).129 ”Hostile Elements: A Study of Political Imprisonment <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> 1987-1999”, <strong>Tibet</strong> Information Network, 1999, p.8.


48h<strong>in</strong>zuzuziehen. Ebenso ist e<strong>in</strong>e solche für jede Unterredung zwischen dem Anwalt und se<strong>in</strong>em Mandantenerforderlich. Die vieldeutige und sich potentiell auf alles erstreckende Def<strong>in</strong>ition von “Staatsgeheimnissen”führte dazu, daß diese Klausel immer wieder zitiert wird, um den Angeklagten Zugang zue<strong>in</strong>em Anwalt oder Vertreter <strong>in</strong> der Sache zu verweigern. Der UN-Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong>stellte nach se<strong>in</strong>em Ch<strong>in</strong>a- und <strong>Tibet</strong>-Besuch im November 2005 bei der Strafjustiz gravierende Mängelfest, weshalb e<strong>in</strong>e Bekämpfung der <strong>Folter</strong> nahezu unmöglich ist: etwa das Fehlen e<strong>in</strong>es unabhängigenÜberwachungssystems aller Haftanstalten und e<strong>in</strong>es geregelten Beschwerdeverfahrens. In derTAR wurde dem Sonderberichterstatter mitgeteilt, daß seit 2003 ke<strong>in</strong>e Beschwerde mehr e<strong>in</strong>gegangensei 130 .Obwohl die ch<strong>in</strong>esische Strafprozeßordnung (CPL) und andere Gesetze verbieten, e<strong>in</strong>e Person nuraufgrund e<strong>in</strong>es durch <strong>Folter</strong> erzwungenen Geständnisses schuldig zu sprechen, wird weiterh<strong>in</strong> so verfahren.Die etablierte Praxis, “den Geständigen Nachsicht, den Widerspenstigen Härte zu zeigen”(ch<strong>in</strong>. tanbei congkuan, kangju congyan), hat auf die Häftl<strong>in</strong>ge oder Gefangenen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schüchterndeWirkung. Durch <strong>Folter</strong> und andere illegale Mittel gewonnenes Beweismaterial sollte voll und ganz ausgeschlossenwerden. Wir s<strong>in</strong>d fest davon überzeugt, daß alle Bemühungen zur Ausrottung der <strong>Folter</strong>ohne e<strong>in</strong>e solche Festlegung erfolglos se<strong>in</strong> werden. Während die ch<strong>in</strong>esische Strafprozeßordnung dieAnwendung der <strong>Folter</strong> zur Erzw<strong>in</strong>gung von Aussagen, ebenso wie “die Erlangung von Beweisen durchDrohungen, Verlockungen, Betrug oder andere gesetzwidrige Methoden” 131 verbietet, schließt sie dieVerwendung von Geständnissen, die durch <strong>Folter</strong> erzwungen wurden, als Beweismaterial bei Gerichtnicht explizit aus, wie es die UN-Konvention gegen <strong>Folter</strong> gebietet 132 .Der Art. 46 der CPL stellt lediglich fest: “… In Fällen, <strong>in</strong> denen nur die Aussage des Angeklagten vorliegtund es ke<strong>in</strong> anderweitiges Beweismaterial gibt, kann dieser nicht für schuldig befunden oder zue<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe verurteilt werden”. Die Bestimmungen, nach denen derzeit verfahren wird, s<strong>in</strong>dwidersprüchlich und verwirrend, da <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen von ihnen Aussagen, die durch <strong>Folter</strong>, welcherArt auch immer, gewonnen wurden, verworfen werden. Ebensowenig verbieten sie die Verwendungvon Beweisen, die aus solchen Aussagen hergeleitet werden. Die Strafprozeßordnung sollte dr<strong>in</strong>gendrevidiert werden, um ausdrücklich die Verwendung von Beweisen, die durch <strong>Folter</strong>ung jedweder Artherbeigebracht werden, zu verbieten.Der hoch angesehene religiöse Würdenträger aus Kardze, Tulku Tenz<strong>in</strong> Delek, wurde ausgehend vone<strong>in</strong>em Geständnis se<strong>in</strong>es Mitangeklagten Lobsang Dhondup vom Mittleren Volksgericht von Kardzezum Tod mit Vollstreckungsaufschub verurteilt (das Urteil wurde später <strong>in</strong> lebenslängliche Haft umgewandelt).Dhondup nahm se<strong>in</strong> Geständnis später wieder zurück, weil er es unter <strong>Folter</strong> abgelegt hätte,doch se<strong>in</strong> Widerruf wurde niemals von e<strong>in</strong>em Gericht untersucht, und am 26. Januar 2003 wurde erh<strong>in</strong>gerichtet. Tulku Tenz<strong>in</strong> Delek beteuerte bei der Gerichtsverhandlung im Dezember 2002 wiederholtse<strong>in</strong>e Unschuld. Er sagte auch, er sei gefoltert worden.Die Erzw<strong>in</strong>gung von Geständnissen ist <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong>e weit verbreitete Praxis. Alle Maßnahmen, die zuihrer Beseitigung ergriffen wurden, blieben bisher wirkungslos. Der General-Prokurator der OberstenVolksprokuratur, Jia Chunwang, <strong>in</strong>formierte das höchste gesetzgebende Organ Ch<strong>in</strong>as, den StändigenAusschuß des Nationalen Volkskongresses (NPC) darüber, daß die Organe der Staatsanwaltschaftvon Januar bis August 2004 landesweit über 700 Fälle untersucht und behandelt hätten, bei denen esum rechtswidrige Inhaftierung und Vernehmung unter <strong>Folter</strong>anwendung g<strong>in</strong>g 133 . E<strong>in</strong> Rechtsprofessorme<strong>in</strong>te X<strong>in</strong>hua gegenüber: “Obwohl streng vom Gesetz verboten, ist die Erzw<strong>in</strong>gung von Geständnissenan vielen Orten <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a gang und gäbe, denn die Polizei steht meist unter großem Druck vonoben, um Verbrechen aufzuklären” 134 .Der Art. 126 des CPL verbürgt die Unabhängigkeit der Justiz: “Das Volksgericht übt die richterlicheGewalt gemäß dem Gesetz unabhängig aus und darf ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>mischung durch adm<strong>in</strong>istrative Organe,öffentliche Organisationen oder E<strong>in</strong>zelpersonen unterworfen se<strong>in</strong>”. Doch die Praxis liefert e<strong>in</strong> völliganderes Bild.130 UN Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong>, Presseerklärung nach se<strong>in</strong>em Besuch <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> und Ch<strong>in</strong>a vom 2. Dezember 2005.131 Art. 43 des CPL.132 Art. 15 der <strong>Folter</strong>konvention: “Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, daß Aussagen, die nachweislich durch <strong>Folter</strong>herbeigeführt worden s<strong>in</strong>d, nicht als Beweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen e<strong>in</strong>e der <strong>Folter</strong> angeklagtePerson als Beweis dafür, daß die Aussage gemacht wurde”.133 ”Ch<strong>in</strong>a cracks down on torture and forced confession,” People’s Daily, 17 May 2005, siehe:http://english.people.com.cn/200505/17/eng20050517_185482.html.134 Ibid.


49In Ch<strong>in</strong>a gibt es ke<strong>in</strong>e unabhängige Justiz, außerdem ist ihre Stellung verglichen mit anderen staatlichenOrganen ziemlich untergeordnet. Ohne e<strong>in</strong> Gerichtswesen, das se<strong>in</strong>e Entscheidungen fair undunabhängig <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit dem Gesetz trifft und das bei Beschwerden unverzüglich abhilft,kann das Problem der <strong>Folter</strong> nicht unter Kontrolle gebracht werden. H<strong>in</strong>zu kommt e<strong>in</strong> Umfeld, <strong>in</strong> demdie Polizei <strong>in</strong> Sachen Festnahme und Inhaftierung weitgehend nach eigenem Ermessen handelt undunter ständigem Druck, Fälle zügig aufzuklären, steht.Kapitel 14: Die Folgen der <strong>Folter</strong>Der Zweck jedweder Form der <strong>Folter</strong> ist, die Persönlichkeit der Opfer zu brechen und ihre Identität zuzerstören. <strong>Folter</strong> wird stets bewußt e<strong>in</strong>gesetzt, und sie ist immer sowohl mit physischem als auch psychischemSchmerz verbunden, der schrecklich ist und zu chronischem Leiden führen kann. <strong>Folter</strong> h<strong>in</strong>terläßtanhaltende Nachwirkungen bei den Opfern, oft haben diese ihr ganzes Leben lang unter denphysischen und psychischen Traumatisierungen zu leiden.Die physischen Auswirkungen können vielfältiger Art se<strong>in</strong>, etwa Bee<strong>in</strong>trächtigungen des Bewegungsapparats,Gehirnverletzungen, Gelenkschmerzen, Lähmungen, Knochenbrüche, Schädigungen bestimmterOrgane, Taubheit, Bl<strong>in</strong>dheit, posttraumatische Epilepsie und Demenz, sowie das chronischeSchmerzsyndrom. Ebenso schlimm wie die äußerlich sichtbaren Zeichen der Verletzung der körperlichenIntegrität s<strong>in</strong>d die verborgenen Schäden auf physischer und psychischer Ebene. Sehr oft kommtes zu Störungen der psychischen Gesundheit. Besonders häufig s<strong>in</strong>d das posttraumatische Streß-Syndrom, was Schlafstörungen, quälende Rücker<strong>in</strong>nerungen (flashbacks), depressive Angstzuständebedeutet, sowie Überreaktionen auf Situationen, welche die Er<strong>in</strong>nerung an die <strong>Folter</strong> wachrufen.Bei diesen Nachwirkungen handelt es sich um ganz normale Reaktionen normaler Menschen auf e<strong>in</strong>enperversen, grausamen und anomalen Akt. Wichtig für die Opfer ist, daß sie behandelt werden –falls es die Umstände und die Mittel erlauben –, damit ihre Gesundheit wiederhergestellt wird. In <strong>Tibet</strong>bleibt den ehemaligen Gefangenen wegen des von ihnen begangenen politischen “Verbrechens” dieMöglichkeit der Rehabilitation jedoch versagt; ebenso mangelt es ihnen an den nötigen Mitteln zurBestreitung der hohen Kosten e<strong>in</strong>er Behandlung. Auch die Familien der Opfer leiden teilweise unterkörperlichen und seelischen Qualen. Sie leben <strong>in</strong> ständiger Furcht, und zuweilen ergreift diese Teileihrer Geme<strong>in</strong>schaft oder ihre gesamte Volksgruppe.Zu den physischen und neurologischen Folgen der <strong>Folter</strong> gehören entzündete Wunden, schmerzendeNarben, steife Glieder und Muskeln, Muskelatrophie und Lähmungen, Verlust des Gehörs- und Gesichtss<strong>in</strong>nes,anhaltende heftige Kopfschmerzen usw. Zusätzlich zu den physischen Schäden leidendie Opfer an psychischen Symptomen wie Gefühlen der Angst, Schuld und Scham, Hilflosigkeit gegenüberden Problemen des täglichen Lebens, Konzentrationsschwäche, Schafstörungen mit häufigenAlpträumen, Impotenz usw. <strong>Folter</strong>opfer können ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten, weil siedurch die grausamen Mißhandlungen <strong>in</strong> den Haftanstalten physisch und psychisch zu Beh<strong>in</strong>dertengeworden s<strong>in</strong>d.Nach e<strong>in</strong>er Studie, die <strong>in</strong> der allgeme<strong>in</strong> zugänglichen Zeitschrift BMC International Health and HumanRights veröffentlicht wurde, ist die Häufigkeit, mit der über <strong>Folter</strong> und Menschenrechtsverletzungen an<strong>Tibet</strong>ern berichtet wird, ungewöhnlich hoch. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, daß die an e<strong>in</strong>erschutzlosen Bevölkerung verübten Menschenrechtsverletzungen nachhaltige Auswirkungen auf diementale Gesundheit der Opfer haben und e<strong>in</strong>en Verstoß gegen das <strong>in</strong>ternationale Recht darstellen.Die Studie basiert auf der Analyse von 410 Fällen tibetischer Flüchtl<strong>in</strong>ge, denen die Flucht gelungenwar. Bei den Untersuchungen wurde bei 23% der Flüchtl<strong>in</strong>ge das posttraumatische Streß-Symptomdiagnostiziert, e<strong>in</strong>e Störung, für die wiederkehrende Alpträume, Schreie und Benommenheit typischs<strong>in</strong>d; 25-77% wurden von Angstgefühlen geplagt und 57% litten unter depressiven Zuständen 135 .“Ärzte für Menschenrechte” (Physicians for Human Rights) führte e<strong>in</strong>e breit angelegte Repräsentativerhebungdurch, und benutzte dabei e<strong>in</strong>e abgesicherte Vergleichsliste, um das Vorherrschen von Fol-135 BMC (Biomedical Centre) International Health and Human Rights 2005, 9 November 2005,http://www.biomedcentral.com.


50ter und Inhaftierung bei den neu <strong>in</strong> Dharamsala e<strong>in</strong>getroffenen tibetischen Flüchtl<strong>in</strong>gen zu ermitteln 136 .55 Personen berichteten, daß sie gefoltert wurden (21%). Sie waren bei ihrer ersten derartigen Erfahrungnoch relativ jung (Altersgruppe von 13 bis 28, im Durchschnitt 19,5 Jahre). 58% (32 von 55) vonihnen waren unter 21 Jahre alt, und 15% (8 von 55) waren zum Zeitpunkt der Mißhandlung 16 Jahreoder jünger.Die Erhebung ergab zahlreiche Fälle von <strong>Folter</strong>ung. 60% (33 von 55) der <strong>Folter</strong>opfer dieser Studieberichteten, daß sie drei oder mehr verschiedenen Formen der <strong>Folter</strong>ung unterzogen wurden, wozunoch die Drohungen und Schmähungen kamen. Bei den Elektroschocks wurden zumeist elektrischeViehstöcke verwendet, mit denen auch Genitalien, Mund und Augen mißhandelt wurden. E<strong>in</strong> Opferberichtete, daß es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Wasserzuber untergetaucht und auf e<strong>in</strong> unter Spannung stehendes Metallbettgelegt wurde. Die Physicians for Human Rights hoben zwei Formen der <strong>Folter</strong> besonders hervor,über die bisher nur selten berichtet wurde, nämlich, daß die Opfer gezwungen werden, über längereZeit <strong>in</strong> die Sonne zu starren, und daß ihnen gegen ihren Willen Blut entnommen wird. 78% der <strong>Folter</strong>überlebendenzeigten gravierende psychische Symptome wie Angstzustände oder Depressionen. 88%der im H<strong>in</strong>blick auf das posttraumatische Streß-Symptom untersuchten <strong>Folter</strong>überlebenden klagtenüber die immer wiederkehrenden Alpträume und die plötzlich auftretenden Rücker<strong>in</strong>nerungen (flashbacks)an die durchgemachten Mißhandlungen.Bei e<strong>in</strong>er weiteren <strong>in</strong> Dharamsala durchgeführten Studie 137 stellte sich heraus, daß die geflohenen <strong>Tibet</strong>erhäufig von <strong>Folter</strong> sprachen, der sie <strong>in</strong> der durchschnittlich 21 Monate währenden Gefangenschaftunterzogen wurden. Die mittlere Dauer der Mißhandlungen betrug 38 Tage. 57% (20 von 35) berichtetenvon Isolationshaft, mit e<strong>in</strong>er durchschnittlichen Zeitspanne von 5,4 Wochen. Die Überlebendensprachen von verschiedenen Formen der <strong>Folter</strong> und nannten dabei 7-21 Arten. Nur 43% (15 von 35)der Gefolterten wurden überhaupt e<strong>in</strong>es Verbrechens angeklagt, und noch weniger (7%) tatsächlichvor Gericht gestellt. Zu den für die ch<strong>in</strong>esischen Gefängnisse <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> typischen <strong>Folter</strong>methoden gehörendie auf verschiedene Körperteile verabreichten Elektroschocks (86%), erschöpfendes Stehen überlange Zeit (86%), langzeitiges Preisgegebense<strong>in</strong> an das grelle Sonnenlicht (69%) und erzwungeneBlutabnahmen (50%). Weiterh<strong>in</strong> wurde bei den untersuchten <strong>Folter</strong>opfern die Häufigkeit von Angstsyndromen,emotionalen Störungen, psychosomatischen Beschwerden und Defiziten im gesellschaftlichenUmgang ausgewertet, mit dem Ergebnis, daß 41% von ihnen Angstsymptome und 14% depressiveZustände aufwiesen. Daraus kann geschlossen werden, daß <strong>Folter</strong> langfristige Folgen für die psychischeGesundheit hat, wozu noch kommt, daß die Opfer ihrer Umgebung völlig entwurzelt werden,aus ihrer Heimat fliehen und im Exil e<strong>in</strong> neues Leben beg<strong>in</strong>nen müssen.Die Ergebnisse zeigen, daß es mit der mentalen Gesundheit unter den tibetischen Flüchtl<strong>in</strong>gen häufigerProbleme gibt als bei den meisten anderen Flüchtl<strong>in</strong>gspopulationen 138 . Die Häufigkeit von posttraumatischemStreß-Syndrom und Depressionen bei den untersuchten K<strong>in</strong>dern ist besorgniserregend.Die Studie zeigte auch, daß fast alle tibetischen Flüchtl<strong>in</strong>ge gefoltert wurden und daß diejenigen, die<strong>Folter</strong> durchgemacht haben, oft unter schwerwiegenden psychischen Nachwirkungen leiden.SchlußDaß die Bediensteten der Justizbehörden <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a immer noch zur <strong>Folter</strong> greifen, ist entsetzlich. DieRegierung hat zwar e<strong>in</strong>ige Schritte unternommen, um die <strong>Folter</strong> e<strong>in</strong>zudämmen, etwa durch die E<strong>in</strong>richtungvon neuen Überwachungsgremien <strong>in</strong>nerhalb der Organe der Öffentlichen Sicherheit, welche gegenPolizisten, die mittels <strong>Folter</strong> Geständnisse erzw<strong>in</strong>gen oder auf andere Weise gegen das Gesetzverstoßen 139 , zu ermitteln haben. Doch Ch<strong>in</strong>a besitzt ke<strong>in</strong>e öffentlichen Institutionen oder e<strong>in</strong> unabhängigesÜberwachungssystem, um Amtsmißbrauch <strong>in</strong> allen Anstalten, <strong>in</strong> denen Häftl<strong>in</strong>ge leben, zu ahn-136 ”Strik<strong>in</strong>g Hard: Torture <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>”, PHR, 1997, Boston, http://www.phrusa.org/research/torture/tortib2.html.137 ”Refugee trauma versus torture trauma: a retrospective controlled cohort study of <strong>Tibet</strong>an refugees,” Holtz TH. J NervMent Dis, 1998.138 ”Pre-displacement and Post-displacement factors associated with mental health of refugees and <strong>in</strong>ternally displaced persons:a meta-analysis”. Porter M. and Haslam N. Jama, 2005; 294, pp.602-12. And prevalence of serious mental disorder <strong>in</strong>7000 refugees resettled <strong>in</strong> western countries: a systematic review. Fazel M, Wheeler J, and Danesh J., Lancet, 2005; 365:1309-14.139 ”Top Ch<strong>in</strong>ese security official calls for tighter discipl<strong>in</strong>e of police,” Zhongguo X<strong>in</strong>wen She News Agency, Beij<strong>in</strong>g, 19June 2002.


51den, noch e<strong>in</strong> taugliches Beschwerdeverfahren. Die <strong>Folter</strong> wird nur dann verschw<strong>in</strong>den, wenn alle <strong>in</strong>der Polizei, dem Sicherheitsapparat und der Justiz Beschäftigten ihre E<strong>in</strong>stellung zu Moral und Ethikgrundlegend ändern. Wie Prof. Nowak empfiehlt, sollte “etwas getan werden, um die Professionalität,die Wirksamkeit, die Transparenz und Fairneß der Gerichtsverfahren zu erhöhen, um den Status derRichter und Gerichte <strong>in</strong> dem ch<strong>in</strong>esischen Justizsystem zu verbessern und für deren Unabhängigkeitzu sorgen” 140 . Trotz aller vorbeugenden Maßnahmen der Regierung und ihres Verbots durch das Gesetzist die Praxis der <strong>Folter</strong> weiterh<strong>in</strong> überall gang und gäbe.Empfehlungen, um <strong>Folter</strong> und Mißhandlung E<strong>in</strong>halt zu gebieten E<strong>in</strong> Gesetz sollte erlassen werden, welches das Verbrechen der <strong>Folter</strong> <strong>in</strong> denselben Begriffenwie denen des Art. 1 der Konvention gegen <strong>Folter</strong> def<strong>in</strong>iert. Allen Personen, denen ihre Freiheit entzogen wurde, ist vom Beg<strong>in</strong>n ihrer Inhaftierung an rechtlicherBeistand zu gewähren, so wie er ihnen von Gesetzes wegen zusteht. Ebenso ist e<strong>in</strong> angemessenerZugang zu den Angehörigen und mediz<strong>in</strong>ischem Personal zu garantieren. <strong>Folter</strong>ung zur Erzw<strong>in</strong>gung von Geständnissen sollte für unrechtmäßig erklärt se<strong>in</strong>. Der Grundsatz, daß e<strong>in</strong> Angeklagter nicht gezwungen werden darf, sich schuldig zu bekennen(Zeugnisverweigerungsrecht) oder gegen sich selbst auszusagen, sowie das Recht aufSchweigen <strong>in</strong> Anerkennung des Pr<strong>in</strong>zips der Unschuldsvermutung s<strong>in</strong>d zu respektieren. Es ist sicherzustellen, daß <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> Vollzugsbeamte, mediz<strong>in</strong>isches Personal, Vernehmungsbeamteund Gefängniswärter angemessen über das Verbot von <strong>Folter</strong> und Mißhandlung aufgeklärtwerden, und daß sie den Gesetzen Geltung verschaffen, welche die Rechte von Inhaftiertenschützen. Es muß e<strong>in</strong> unabhängiger Mechanismus geschaffen werden, damit Beschwerden über <strong>Folter</strong>und Mißhandlung entgegen genommen werden und die Gefangenen berichten können, daß siegefoltert wurden, wobei sie selbst sowie die Zeugen der Tat vor Vergeltung geschützt werdenmüssen. Dem weltweiten Standard entsprechend sollte der Internationale Vertrag über Bürgerliche undPolitische Rechte (ICCPR) ratifiziert werden. Das Fakultativprotokoll zu der Konvention gegen <strong>Folter</strong> (OPCAT) ist zu unterschreiben und ratifizieren,welches dem UN-Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> das Recht e<strong>in</strong>räumt, Gefängnisse,Haftzentren und Arbeitslager ohne vorherige Ankündigung zu besuchen. Die Strafprozeßordnung ist <strong>in</strong> der Weise zu ergänzen, daß alle Verdächtigen, besonders die“politischer Verbrechen” beschuldigten, von dem Augenblick ihrer Festnahme an sofort e<strong>in</strong>ekompetente Vertretung vor Gericht erhalten. Alle ungenauen und pauschalen Def<strong>in</strong>itionen von Verbrechen <strong>in</strong> der Strafprozeßordnung, dieden Strafverfolgungs- und Vollzugsbehörden e<strong>in</strong>en großen Spielraum für willkürliches Handelnlassen, s<strong>in</strong>d abzuschaffen, wie etwa die “Gefährdung der nationalen Sicherheit”, die “Störungder sozialen Ordnung” und die “Untergrabung der öffentlichen Ordnung”. Es s<strong>in</strong>d angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um der Justiz <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a Unabhängigkeit zuverschaffen, denn e<strong>in</strong>e unabhängige Justiz, so wie sie <strong>in</strong> den völkerrechtlichen Verträgen def<strong>in</strong>iertwird, ist unerläßlich, um die Ziele der Konvention gegen <strong>Folter</strong> zu realisieren. Überstaatlichen Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz, Amnesty Internationalund Human Rights Watch ist Zugang zu den Haftanstalten zu gewähren, damit sie sich von derLage der Häftl<strong>in</strong>ge überzeugen können. Die “Umerziehung durch Arbeit” und die Gehirnwäsche <strong>in</strong> den Gefängnissen, Untersuchungshaftanstaltenund psychiatrischen Anstalten s<strong>in</strong>d abzuschaffen.140 ”Special Rapporteur on Torture highlights challenges at the end of visit to Ch<strong>in</strong>a.” UN Press Release, 2 December 2005.


52 Der Besuch von Vertretern der themenbezogenen UN-Gremien sollte zugelassen werden, damitsie sich e<strong>in</strong> Bild von der tatsächlichen Situation machen und Ch<strong>in</strong>a Empfehlungen gebenkönnen, wie Abhilfe geschaffen werden kann.


53Teil IIKurze Vorstellung tibetischer politischer Gefangener, die seit 1987 durchdie <strong>Folter</strong> umkamenTodesfälle <strong>in</strong>folge von Mißhandlung <strong>in</strong> der Haft zeichnen sich alle durch bestimmte Charakteristikaaus. Die Opfer, die <strong>in</strong> den Haftzentren schwere Verletzungen durch die <strong>Folter</strong> davontragen, werden nur<strong>in</strong> den seltensten Fällen ärztlich versorgt. Erst wenn sie dem Tode nahe s<strong>in</strong>d, pflegen die Behörden sie<strong>in</strong>s Krankenhaus e<strong>in</strong>zuliefern oder ihren Familien zu übergeben, damit die Haftanstalt nicht für ihrenTod verantwortlich gemacht werden kann. Das TCHRD hat viele bestätigte Fälle von Häftl<strong>in</strong>gen dokumentiert,die seit 1987 der <strong>Folter</strong> erlegen s<strong>in</strong>d. Der Tod trat entweder <strong>in</strong> der Haftanstalt oder unmittelbarnach der Entlassung aus dieser im Krankenhaus oder bei dem Opfer zu Hause e<strong>in</strong>. Es ist davonauszugehen, daß es noch viel mehr Fälle gibt, die dem TCHRD nicht zur Kenntnis gelangt s<strong>in</strong>d.19871. Geshe Lobsang WangchukGeshe Lobsang Wangchuk, e<strong>in</strong> ehemaliger Mönch des Klosters Sandu Dakar, stammte ursprünglichaus Amdo Shogchung <strong>in</strong> der Präfektur Nagchu. Während des Volksaufstandes 1959 <strong>in</strong> Lhasa galt erals e<strong>in</strong>er der wichtigsten religiösen Persönlichkeiten der Region. Er wurde 1960 verhaftet und zu 10Jahren Gefängnis verurteilt. Se<strong>in</strong>e Gesundheit war <strong>in</strong>folge der zahlreichen thamz<strong>in</strong>g (”Kampfsitzungen”),denen er während der Kulturrevolution (1966-1976) unterworfen wurde, zusammengebrochen.Nach Verbüßung se<strong>in</strong>er Haftstrafe wurde er für weitere 10 Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Arbeitslager gesteckt. Am 3.Dezember 1981 wurde er erneut verhaftet, weil er e<strong>in</strong> Buch mit dem Titel ”Geschichte der tibetischenUnabhängigkeit” geschrieben hatte, und zu dreie<strong>in</strong>halb Jahren verurteilt. Im Gefängnis stellte er 16Punkte zum Beweis für den unabhängigen Status <strong>Tibet</strong>s zusammen, woraufh<strong>in</strong> er zum Tode verurteiltwurde. Später wurde se<strong>in</strong>e Strafe auf die Intervention des Panchen Lama h<strong>in</strong> auf 18 Jahre abgemildert.Anfang 1987 hörte man, daß er <strong>in</strong>folge der fortgesetzten Mißhandlungen se<strong>in</strong> Augenlicht verlorenhatte und se<strong>in</strong>e Hände nicht mehr gebrauchen konnte. Am 7. November 1987 starb er im Alter von 73Jahren im Drapchi Gefängnis.2. Gonpo SonamGonpo Sonam stammte aus Gyantse Labrang <strong>in</strong> der Präfektur Shigatse, TAR. Er war e<strong>in</strong> Gelehrter dertibetischen Sprache und Kultur. Sonam wurde viele Male verhaftet, weil er se<strong>in</strong> Recht auf freie Me<strong>in</strong>ungwahrgenommen und se<strong>in</strong>en Gedanken zu <strong>Tibet</strong> Ausdruck verliehen hatte. 1959 kämpfte er gegendie Ch<strong>in</strong>esen, 1960 wurde er festgenommen und kam für zwei Jahre <strong>in</strong>s Gefängnis. 1966 wurde erwährend der Kulturrevolution erneut verhaftet und verbrachte <strong>in</strong> der Folge 16 Jahre <strong>in</strong> diversen Haftanstaltenund Arbeitslagern. Am 30. September 1983 wurde er zum dritten Male festgenommen und kamnach Drapchi, wo er so schwer gefoltert und mißhandelt wurde, daß er an Epilepsie erkrankte und se<strong>in</strong>eGesundheit völlig zusammenbrach. Trotz ärztlicher Behandlung wurde se<strong>in</strong> Zustand immer schlimmer,und er starb am 23. Dezember 1987 im Alter von 61 Jahren.3. Lobsang DhonyoeLobsang Dhonyoe wurde 1959 <strong>in</strong> Shigatse geboren und <strong>in</strong> jungen Jahren im Jokhang Tempel <strong>in</strong> Lhasazum Mönch ord<strong>in</strong>iert. Wegen se<strong>in</strong>er Teilnahme an der Demonstration vom 1. Oktober 1987 wurde erbrutal gefoltert und starb wenige Tage später.


4. Dawa54Dawa, e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wohner von Lhasa, nahm am 1. Oktober 1987 an e<strong>in</strong>er friedlichen Unabhängigkeits-Demonstration am Barkhor teil. Er wurde von den Kräften der Bewaffneten Volkspolizei (PAP) festgenommenund im Haftzentrum so schwer gefoltert, daß er noch am selben Tag se<strong>in</strong>en Verletzungenerlag.19885. Lobsang DolmaLobsang Dolma, e<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Shugseb, stammte ursprünglich aus Chushul Nyethang,Bezirk Lhasa. Am 17. Mai 1988 wurde sie zwei Monate lang <strong>in</strong> der Gutsa Haftanstalt <strong>in</strong>haftiert, weil siegegen die ch<strong>in</strong>esische Besatzung <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> protestiert hatte. Während der Vernehmungen wurde sieschwer gefoltert. Nachdem ihr Zustand kritisch geworden war, wurde sie am 17. Juli entlassen. Trotzihres prekären Zustands versuchte sie Ende Juli aus <strong>Tibet</strong> zu fliehen, starb aber als Folge der im Gefängniserlittenen Verletzungen mit 26 Jahren auf ihrem Weg nach Indien.6. Lhakpa DhondrupLhakpa Dhondup war aus Meto Changse <strong>in</strong> Tsemonl<strong>in</strong>g, Bezirk Lhasa, gebürtig. Er beteiligte sich am5. März 1988 an e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration <strong>in</strong> Lhasa, woraufh<strong>in</strong> er <strong>in</strong> Gutsa <strong>in</strong>haftiert wurde, wosie ihn dermaßen schlugen und folterten, daß er im März 1988 mit 22 Jahren starb.7. Lobsang ChoephelLobsang Choepel wurde 1967 <strong>in</strong> Lhasa geboren. Auf se<strong>in</strong>e Beteiligung an der Demonstration vom 5.März 1988 h<strong>in</strong> wurde er festgenommen. Im Haftzentrum wurde er so schwer mißhandelt, daß er starb.8. Lobsang SonamLobsang Sonam, e<strong>in</strong> Bewohner von Je-Bumgang <strong>in</strong> Lhasa, war Fabrikarbeiter im tibetischen Sh<strong>in</strong> HaVerlag. Als er am 5. März 1988 friedlich demonstrierte, wurde er von den Sicherheitskräften <strong>in</strong> die Hüftegeschossen. Man brachte ihn <strong>in</strong> das Volkshospital von Lhasa, wo ihm wegen se<strong>in</strong>er Beteiligung ander Demonstration die mediz<strong>in</strong>ische Hilfe verweigert wurde. Infolge der unterlassenen Behandlungstarb er am 5. April 1988 im Alter von 30 Jahren.9. Yeshi LhundupYeshi Lhundup war ursprünglich aus Lhoka. Er wurde am 24. November 1987 wegen politischer Aktivitätenfestgenommen. Am 15. Dezember 1988 wurde er nach e<strong>in</strong>em Jahr Haft entlassen, starb jedochbereits drei Tage danach als Folge der durch die <strong>Folter</strong> und die unmenschliche Behandlung <strong>in</strong> demHaftzentrum erlittenen Verletzungen im Alter von 75 Jahren.10. Tashi Tser<strong>in</strong>gTashi Tser<strong>in</strong>g wurde 1951 geboren und war Mönch im Kloster Nechung <strong>in</strong> Lhasa. Wegen se<strong>in</strong>er Teilnahmean e<strong>in</strong>er Demonstration am 5. April 1988 wurde er festgenommen und im Haftzentrum so brutalvon der Polizei zusammengeschlagen, daß er den davongetragenen Gehirnverletzungen erlag.


11. Tashi Yeshi55Tashi Yeshi wurde 1966 im Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, geboren und war e<strong>in</strong> Mönch im Kloster Ganden.Während der Durchführung der “patriotischen Umerziehung” dort wurde er verhaftet und zu 2 Jahren<strong>in</strong> Trisam verurteilt. Im Mai 1988 wurde er, nachdem er von e<strong>in</strong>em Gefängniswärter brutal zusammengeschlagenworden war, entlassen und starb sechs Tage später zu Hause als Folge der exzessiven<strong>Folter</strong>ung.12. Tenz<strong>in</strong> SherabTenz<strong>in</strong> Sherab war e<strong>in</strong> junger LKW-Fahrer aus Lhasa, der an der Demonstration vom 5. März 1988teilgenommen hatte. Er wurde von e<strong>in</strong>er Kugel <strong>in</strong>s Be<strong>in</strong> getroffen. Die Soldaten der PAP mißhandeltenihn brutal und durchbohrten ihn mit e<strong>in</strong>er Eisenstange. Am 23. März wurde se<strong>in</strong>en Verwandten mitgeteilt,sie könnten se<strong>in</strong>e Leiche abholen. Se<strong>in</strong> Gesicht war völlig zerschlagen und entstellt, und e<strong>in</strong> Augeh<strong>in</strong>g aus der Augenhöhle heraus. Bei der Bestattung stellte sich heraus, daß viele se<strong>in</strong>er Knochen gebrochenwaren.13. Yeshi LhundrupYeshi Lhundrup war e<strong>in</strong> ehemaliger Beamter der tibetischen Regierung-im-Exil <strong>in</strong> Dharamsala, der1987 nach <strong>Tibet</strong> zurückkehrte. Anfang 1988 wurde er aus politischen Gründen <strong>in</strong> Nyalam festgenommenund im Sangyip Gefängnis <strong>in</strong>haftiert, wo er schwer gefoltert wurde. Nach sieben Monaten wurdeer entlassen, starb aber bereits zwei Wochen später <strong>in</strong> Tsomol<strong>in</strong>g.198914. Choeze Tenpa ChoephelChoeze Tenpa Choephel war im Norbul<strong>in</strong>gka Palast (der Sommerresidenz des Dalai Lama) <strong>in</strong> LhasaGärtner. Am 15. Dezember 1987 wurde er verhaftet, weil er e<strong>in</strong> Bild des Dalai Lama besaß und sichangeblich mit politischen D<strong>in</strong>gen beschäftigte. Er starb nach schweren Schlägen und Mißhandlungenam 25. August 1989 im Alter von 68 Jahren im Gefängnis Sangyip.15. Lobsang KhedrupLobsang Khedrup wurde am 6. März 1988 <strong>in</strong> Gutsa <strong>in</strong>haftiert, weil er am Tag zuvor bei e<strong>in</strong>er Demonstration<strong>in</strong> Lhasa mitgemacht hatte. Er starb kurz nach se<strong>in</strong>er Entlassung am 10. Oktober 1989. Bei derBestattung stellte sich heraus, daß se<strong>in</strong>e Rippen gebrochen und <strong>in</strong> Lunge und Herz e<strong>in</strong>gedrungen waren.16. MigmarMigmar aus Kyi-Rae, Lhasa, wurde auf se<strong>in</strong>e Beteiligung an der Demonstration vom 5. März 1989 h<strong>in</strong>festgenommen und im Seitru Gefängnis grausam geschlagen und gefoltert, weshalb er chronischkrank war. Er starb 30jährig an se<strong>in</strong>en Verletzungen.17. Ngawang Zegan


56Ngawang Zegan wurde <strong>in</strong> Toelung Dechen, Bezirk Lhasa, geboren und war Mönch im Kloster Drepung.Am 27. September 1988 nahm er an e<strong>in</strong>er Demonstration am Barkhor teil, wo er zusammen mitzahlreichen anderen <strong>Tibet</strong>ern die Unabhängigkeit für <strong>Tibet</strong> forderte. Er wurde am selben Tag nachGutsa gebracht, wo er von den Ch<strong>in</strong>esen grausam gefoltert wurde. Als er 1989 wenige Tage nach se<strong>in</strong>erEntlassung starb, war er 27 Jahre alt.18. YeshiDer damals 23jährige Yeshi wurde am 7. März 1989 um Mitternacht festgenommen und drei Monate <strong>in</strong>der Gutsa Haftanstalt festgehalten. Als er am 22. August 1989 starb, stellte sich bei der Bestattungheraus, daß se<strong>in</strong>e Leber und Schamteile durch die exzessive <strong>Folter</strong>ung völlig zerquetscht waren. Offiziellwurde behauptet, er hätte sich vergiftet.199019. Lhakpa Tser<strong>in</strong>gLhakpa Tser<strong>in</strong>g war aus Kyi-Rae, Lhasa, und e<strong>in</strong> Schüler der <strong>Tibet</strong>ischen Mittelschule. Zusammen mitse<strong>in</strong>en Freunden hatte er Anfang 1989 den Gangsen Jungendbund (Snowlion Youth Organization)gegründet und Flugblätter politischen Inhalts verteilt. Er wurde am 4. November 1989 verhaftet und derBildung e<strong>in</strong>er “konterrevolutionären Gruppe” beschuldigt. Lhakpa wurde zu drei Jahren im Drapchi-Gefängnis verurteilt. Dort wurde er ständig gefoltert, weil er den ch<strong>in</strong>esischen Schergen provokativeAntworten gab, was auch zu se<strong>in</strong>em Tod am 15. Dezember 1990 führte. M<strong>in</strong>destens dreimal wurdeihm die dr<strong>in</strong>gend erforderliche mediz<strong>in</strong>ische Behandlung verweigert. Gefangene <strong>in</strong> der anliegendenZelle erzählten, daß sie ihn während der Mißhandlungen schreien hörten: ”Mutter, bitte rette mich, siebr<strong>in</strong>gen mich um!” Er starb im jugendlichen Alter von nur 20 Jahren.20. NyimaNyima kam aus dem Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka. Sie war e<strong>in</strong>e der 16 Nonnen des KlostersShungseb, die am 2. März 1989 am Barkhor demonstrierten. Sie kam zuerst <strong>in</strong> die Gutsa Haftanstaltund wurde dann <strong>in</strong> das PSB-Haftzentrum des Kreises Chushul verlegt, wo sie während der Verhöregrausam gefoltert wurde. Sie wurde zu e<strong>in</strong>er Haftstrafe verurteilt, aber dank e<strong>in</strong>es Appells des 10.Panchen Lama, alle politischen Gefangenen freizulassen, befand sie sich nur e<strong>in</strong>e Woche im Gefängnis.Doch ihre Gesundheit war durch die schweren <strong>in</strong>neren Verletzungen <strong>in</strong>folge der fürchterlichen <strong>Folter</strong>ungenbereits ru<strong>in</strong>iert. Wegen der traumatischen Erfahrungen <strong>in</strong> dem Haftzentrum und weil ihr Klostersie nicht mehr aufnahm, erlitt sie außerdem e<strong>in</strong>en Nervenzusammenbruch. Sie starb im Juni 1990bei sich zu Hause.199121. Jampa GelekJampa Gelek wurde <strong>in</strong> der Ortschaft Gyama, Kreis Meldrogongkar, geboren. 1983 trat Jampa <strong>in</strong>s KlosterGanden e<strong>in</strong> und war an der Unabhängigkeits-Demonstration am 5. März 1988 beteiligt. Er wurdeam 7. März verhaftet und ständig mißhandelt. Er wurde immer wieder wegen se<strong>in</strong>er Teilnahme an derDemonstration vernommen und dabei so schrecklich geschlagen, daß se<strong>in</strong>e Gesundheit schwerenSchaden davontrug und er Anfälle plötzlicher heftiger Kopfschmerzen bekam und se<strong>in</strong> Gehör verlor.Jampa wurde nach 5 Monaten rigoroser Haft entlassen, aber wegen der fortgesetzten Torturen verschlimmertesich se<strong>in</strong> Zustand zusehends und er starb 1991 mit 26 Jahren.


5722. TsamlaTsamla war e<strong>in</strong>e Geschäftsfrau aus Lhasa, die mit 39 Jahren starb. Bewaffnete Sicherheitspolizistenhatten sie wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration vom 5. März 1988 festgenommen. Sie starbam 25. August 1991, sechs Monate vor dem Ablauf ihrer zweijährigen Gefängnisstrafe. Die genaueTodesursache ist nicht bekannt, aber man hörte, daß ihre <strong>in</strong>neren Organe durch die wiederholten, brutalenSchläge, Stöße und Angriffe mit Elektroschockern im Gefängnis schwer geschädigt waren. Siewurde im Mai oder Juni 1991 zur Untersuchung <strong>in</strong> die Kl<strong>in</strong>ik gebracht, wo e<strong>in</strong>e Milzruptur festgestelltwurde. Sie lag etwa zwei Monate im Krankenhaus <strong>in</strong> Lhasa, ehe sie starb.199223. R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> ChoedenR<strong>in</strong>z<strong>in</strong> Choeden (alias Kunsang Choekyi) war e<strong>in</strong>e Nonne im Shungseb Kloster, Gongkar, <strong>in</strong> der RegionLhoka. Am 2. März 1989 demonstrierten 16 Nonnen aus dem Kloster Shungseb am Barkhor. Nachder Festnahme kam sie zuerst <strong>in</strong> die Gutsa Haftanstalt und wurde dann <strong>in</strong> das Kreisgefängnis vonChushul verlegt, wo sie während der Verhöre immer wieder gefoltert wurde. Nach nur e<strong>in</strong>er Wochewurde sie auf die Intervention des Oberlamas von Shungseb h<strong>in</strong> entlassen, aber e<strong>in</strong>en Monat späteraus dem Kloster ausgestoßen. Mit Nierenverletzungen, die sie sich <strong>in</strong> der kurzen Zeit <strong>in</strong> der Haft durchdie Schläge und Stöße zugezogen hatte, wurde sie <strong>in</strong>s Krankenhaus e<strong>in</strong>geliefert. Am 10. Oktober 1992starb sie mit 24 Jahren.24. Dawa DhondupDawa stammte aus dem Kreis Gyantse <strong>in</strong> der Präfektur Shigatse, er wurde am 7. März 1989 festgenommenund im Sangyip Gefängnis <strong>in</strong>haftiert, wo er wiederholt gefoltert wurde. Am 7. März 1992 wurdeer entlassen, aber litt weiterh<strong>in</strong> an den Folgen der monatelangen Mißhandlungen. Se<strong>in</strong>e Gesundheitverschlechterte sich, und er suchte das Volkshospital <strong>in</strong> Lhasa auf, wo er jedoch ke<strong>in</strong>e gebührendeBehandlung erhielt. Er lebte nicht mehr lange und starb am 2. November 1992 zu Hause. Bei derBestattung wurde festgestellt, daß Dawas Wirbelsäule verletzt war und se<strong>in</strong>e Arme und Be<strong>in</strong>e durchdie brutalen Schläge an mehreren Stellen gebrochen waren.199325. LhadarLhadar war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Lithang <strong>in</strong> der TAP Kardze. Er wurde am 20. August 1993 zusammenmit anderen Mönchen dieses Klosters festgenommen, weil sie friedlich gegen die ch<strong>in</strong>esischeHerrschaft demonstriert hatten. Im Polizeigewahrsam wurde er von den Aufsehern zu Tode gefoltert.Berichten zufolge soll er im August 1993 <strong>in</strong> dem Kreisgefängnis von Lithang gestorben se<strong>in</strong>. Zur Zeitse<strong>in</strong>es Todes waren se<strong>in</strong>e Arme und Be<strong>in</strong>e gefesselt. Mitgefangene berichteten später, daß er e<strong>in</strong> Bildvon Guru Padmasambhava auf die Gefängniswand gemalt und e<strong>in</strong>e Notiz h<strong>in</strong>terlassen hatte: “Ich gehe<strong>in</strong> das Reich Padmasambhavas. Ch<strong>in</strong>a sollte man nicht trauen. Alle <strong>Tibet</strong>er sollten sich vere<strong>in</strong>en”. Daswaren die letzten Worte Lhadars vor se<strong>in</strong>em Tod. Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Lithang erzählten, die Menschen dorthätten sich zwei Tage lang geweigert, Lhadars Leiche aus dem Gefängnis abzuholen, weil die Behördenke<strong>in</strong>e zufriedenstellende Erklärung für se<strong>in</strong>en plötzlichen Tod gaben. Sie sagten, se<strong>in</strong> Tod sei e<strong>in</strong>zigund alle<strong>in</strong>e der Brutalität der Polizei zuzuschreiben und nahmen dieser die offizielle Version, daßLhadar “Selbstmord” begangen hätte, nicht ab.


26. Tsenyi58Tsenyi wurde 1970 <strong>in</strong> Lhasa geboren. Sie war Mitarbeiter<strong>in</strong> der Zeitung <strong>Tibet</strong> Daily. Im Februar 1990floh sie nach Indien, kehrte 1993 jedoch nach <strong>Tibet</strong> zurück, um die religiösen Riten für ihren vor kurzemverstorbenen Vater durchzuführen. Am 24. Mai 1993 hatte Tsenyi an e<strong>in</strong>er Demonstration gegendie exorbitante Besteuerung von Waren teilgenommen, die sich am Ende zu e<strong>in</strong>em Unabhängigkeitsprotestausweitete. Sie wurde am 17. oder 18. Juni 1993 festgenommen, <strong>in</strong> Seitru (Lhasa Gefängnis)<strong>in</strong>haftiert, wo sie, obwohl sie schwanger war, heftig geschlagen wurde. Sie wurde zwar kurzfristig entlassen,aber ständig von den Behörden verfolgt und schikaniert. Unfähig, die Traumatisierung durchdie Haft zu überw<strong>in</strong>den, beg<strong>in</strong>g Tsenyi mit 23 Jahren Selbstmord. Sie h<strong>in</strong>terließ e<strong>in</strong> noch nicht e<strong>in</strong> Jahraltes Baby.199427. Phuntsok YangkyiPhuntsok Yangkyi (Laienname Mizang) wurde <strong>in</strong> Taktse, Bezirk Lhasa, geboren. Sie war e<strong>in</strong>e Nonneim Kloster Michungri und wurde wegen ihrer Beteiligung an e<strong>in</strong>er Unabhängigkeitsdemonstration <strong>in</strong>Lhasa am 3. Februar 1992 festgenommen. Sie war zuerst 6 Monate im Gutsa Haftzentrum <strong>in</strong>haftiert.Dort wurde sie wiederholt unter Schlägen und <strong>Folter</strong> vernommen. Später wurde sie zu 5 Jahren imDrapchi Gefängnis verurteilt. Dort war sie e<strong>in</strong>e der Nonnen, die am 11. Februar 1994 Lieder zum Lobpreisihrer Heimat gesungen hatten und dafür schwer geschlagen wurden. Von da an litt sie unterschrecklichen Schmerzen im Lendenbereich, doch die mediz<strong>in</strong>ische Behandlung wurde ihr verwehrt.Ihr Zustand wurde immer schlimmer und im Mai 1994, als die Ärzte ihr Körperflüssigkeit entnahmen,fiel sie <strong>in</strong>s Koma. Ihre Nägel, Zunge und Lippen nahmen e<strong>in</strong>e blauschwarze Färbung an. Schließlichwurde Phuntsok auf das Drängen ihrer Mitgefangenen <strong>in</strong>s Krankenhaus gebracht, wo sie sechs Tagespäter am 4. Juni 1994 im Alter von 20 Jahren starb.28. Dawa Tser<strong>in</strong>gDawa Tser<strong>in</strong>g, alias Kyema, wurde <strong>in</strong> Lhasa geboren. Im März 1989 nahm er an e<strong>in</strong>er der größtenjemals <strong>in</strong> Lhasa abgehaltenen Demonstration teil und wurde am 8. März 1989 verhaftet. Er kam zuerst<strong>in</strong> das Sangyip Gefängnis und wurde danach bis März 1990 <strong>in</strong> Outridu (Unit No. 5) festgehalten. Indem Jahr se<strong>in</strong>er Gefangenschaft wurde er immer wieder schwerer <strong>Folter</strong>ung unterzogen. Se<strong>in</strong>e Lagewurde allmählich so kritisch, daß er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Se<strong>in</strong> Rücken war ständigvornüber geneigt. Die entsetzliche <strong>Folter</strong>ung hatte se<strong>in</strong>e Nieren geschädigt. Dawa wurde sofort nachse<strong>in</strong>er Entlassung von se<strong>in</strong>er Familie <strong>in</strong> das Regionalkrankenhaus e<strong>in</strong>geliefert, aber se<strong>in</strong> Zustand bessertesich nicht wieder. Er starb mit nur 23 Jahren am 14. Mai 1994 als Folge der Verletzungen durchdie <strong>Folter</strong> zu Hause.29. Lobsang YontenLobsang Yonten, alias Tsasur Shangla, wurde <strong>in</strong> dem Dorf Nharub, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka,geboren. In frühen Jahren trat er <strong>in</strong>s Kloster Drepung e<strong>in</strong>. Erstmals wurde er 1959 verhaftet und verbrachtedanach 23 Jahre <strong>in</strong> diversen Gefängnissen und Arbeitslagern. 1987 begann er mit der Unterrichtungvon sechs K<strong>in</strong>dern, die bisher ke<strong>in</strong>e Möglichkeit hatten, zur Schule zu gehen. 1993 war dieSchule auf 60 Schüler angewachsen, die Lobsang Yonten liebevoll Tsasur Zhang-La (Onkel Tsasur)nannten. Er wurde im Mai 1993 festgenommen, weil er e<strong>in</strong>e auf Besuch <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> weilende Delegationaus Europa kontaktieren wollte. Die ch<strong>in</strong>esische Polizei hielt ihn ohne Verb<strong>in</strong>dung zur Außenwelt festund folterte ihn dermaßen, daß se<strong>in</strong>e Gesundheit völlig zusammenbrach. Er starb am 30. Oktober1994 mit 65 Jahren.


59199530. Gyaltsen KelsangGyaltsen Kelsang (Kelsang Dolma) war e<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Garu und gebürtig aus Nyandren beiLhasa. Sie wurde am 14. Juni 1993 wegen Beteiligung an e<strong>in</strong>er Unabhängigkeitsdemonstration <strong>in</strong> Lhasazusammen mit 11 weiteren Nonnen festgenommen und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. In derGutsa Haftanstalt und später <strong>in</strong> Drapchi wurde sie grausam gefoltert und geschlagen. 20 Tage langkonnte sie sich nicht von ihrem Bett erheben, erhielt aber ke<strong>in</strong>e ärztliche Behandlung. Im November1994 kam sie schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus, aber ihr Zustand verschlechterte sich weiter. Nachdemsie drei Viertel ihrer Haftzeit verbüßt hatte, wurde sie aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen nach Hause geschickt.Sie war aber von der Hüfte abwärts bewegungsunfähig und konnte nicht mehr richtig sprechen.Gyaltsen genas nie mehr von ihren Verletzungen und starb mit 24 Jahren am 20. Februar 1995.31. Kalsang DawaKalsang Dawa war e<strong>in</strong> Maler aus Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa. Er wurde im April oder Mai 1993 imSangyip Gefängnis e<strong>in</strong>gesperrt, weil er die verbotene tibetische Nationalflagge gemalt und auf demGephel-Uste Berg gehißt und außerdem Wandposters für die Unabhängigkeit <strong>Tibet</strong>s angebracht hatte.Zweie<strong>in</strong>halb Jahre lang wurde er <strong>in</strong> der Haft gefoltert, darunter auch mit elektrischen Schlagstöcken.Jemand erzählte, daß e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> betrunkener Aufseher <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Zelle gestürmt sei und wie wahns<strong>in</strong>nigauf ihn e<strong>in</strong>gedroschen habe, weil er angeblich die Gefängnisregel nicht e<strong>in</strong>gehalten hätte. Er wurde biszum nächsten Tag ohne Unterbrechung gefoltert. Danach brach er sowohl physisch als auch psychischvöllig zusammen und schrie vor unerträglichen Kopfschmerzen und der ihn quälenden Klaustrophobie.Am 14. Oktober 1995 fand man den 29jährigen Kalsang tot <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zelle, er hatte sich ander Zimmerdecke erhängt.32. Ngawang NyidronNgawang Nyidron war e<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Michungri, Kreis Meldrogongkar, TAR. Im Juni 1993wurde sie zusammen mit zwei Mönchen wegen e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration <strong>in</strong> Lhasa festgenommen.Sie wurde <strong>in</strong> das Haftzentrum von Lhasa gebracht, wo sie auf vielerlei Weise gefoltert wurde. Siewurde für drei Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Arbeitslager geschickt und später nach Trisam verlegt. In allen Anstaltenwurde sie wegen ihres politischen Verbrechens erbarmungslos geschlagen. Sie erhielt ke<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ischeVersorgung und erlag im Mai 1995 im Alter von 21 Jahren ihren Verletzungen.33. Ngawang YangchenNgawang Yangchen, e<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Tsamkhung, Lhasa, stammte ursprünglich aus demKreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. 1991 wurde sie wegen ihrer Teilnahme an e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstrationfestgenommen und daraufh<strong>in</strong> im PSB-Haftzentrum von Lhasa schwer gefoltert. Für dreiJahre kam sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Lager zur Umerziehung-durch-Arbeit und später <strong>in</strong> das Trisam Gefängnis. Dortbrach ihre Gesundheit <strong>in</strong>folge der exzessiven <strong>Folter</strong>ung zusammen. Sie wurde sechs Monate vor demEnde ihrer Haftzeit entlassen. Sie erholte sich jedoch nie mehr von ihren Verletzungen und starb imAugust 1995 im Alter von 32 Jahren.34. Sherab NgawangSherab Ngawang, gebürtig aus Drok Tashi Khang <strong>in</strong> Thangkya, Kreis Meldrogongkar, Bezirk Lhasa,war e<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Michungri. Mit nur 15 Jahren demonstrierte sie am 14. Februar 1992 amUmrundungsweg <strong>in</strong> Lhasa zusammen mit vier anderen Nonnen ihres Klosters (Lobsang Dolma, PhuntsokYankyi, Th<strong>in</strong>ley Choezom und Lobsang Choedon). PSB-Polizisten nahmen die Nonnen fest undbrachten sie <strong>in</strong> das Haftzentrum von Lhasa. Dort wurden sie während der Vernehmungen entsetzlich


60gefoltert. Außer Sherab Ngawang und Lobsang Choedon, die unter 15 Jahren waren und weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong>dem PSB-Haftzentrum bleiben mußten, wurden die anderen zu fünf bis sieben Jahren Gefängnis verurteiltund nach Drapchi verlegt. Im September 1993 kamen die zwei M<strong>in</strong>derjährigen <strong>in</strong> das ArbeitslagerTrisam, wo sie auf den Feldern arbeiten mußten. In der Nacht des 10. August 1994 sang Sherabzusammen mit anderen Nonnen <strong>in</strong> der Haft Freiheitslieder. Sie wurde daraufh<strong>in</strong> geschlagen und mitElektroschlagstöcken gefoltert, mit e<strong>in</strong>em Seil gefesselt, <strong>in</strong> Handschellen gelegt und kam drei Tagelang <strong>in</strong> Isolationshaft. Dort litt sie so sehr, daß sie Gedächtnisausfälle bekam. Nach ihrer Entlassung imFebruar 1995 bemühten sich ihre Verwandten so gut sie konnten um ihre Genesung, doch wegen e<strong>in</strong>erheftigen Lungen- und Nierenentzündung konnte Sherab sich nicht von den Verletzungen erholen.Am 17. April starb sie im Kreiskrankenhaus im Alter von 17 Jahren.35. Sonam TashiSonam Tashi aus Lhasa war Zimmermann von Beruf. Er nahm am 5. Mai 1993 an e<strong>in</strong>er Demonstrationteil und wurde am selben Tag verhaftet. Sonam erhielt während der Vernehmungen grausame Schläge.Er wurde e<strong>in</strong> Jahr später entlassen, starb aber Anfang 1995 <strong>in</strong>folge der schweren im Gefängniserlittenen Mißhandlungen im Alter von 53 Jahren zu Hause.36. Tashi Tser<strong>in</strong>gTashi Tser<strong>in</strong>g war aus Yangmo Ngabr<strong>in</strong>g im Kreis Shigatse. Er war früher Mönch im Kloster Drongtsegewesen und arbeitete auch als Mittelschullehrer <strong>in</strong> Shigatse. Außerdem war er e<strong>in</strong> Mitglied der Konsultativkonferenzder Kommunistischen Partei (CPCC). Er wurde am Morgen des 28. November 1989festgenommen, weil er verdächtigt wurde, Wandzettel geschrieben zu haben, auf denen die tibetischeUnabhängigkeit gefordert wurde, und 73 davon an den Mauern e<strong>in</strong>er Bank und des Stadtbüros der KP<strong>in</strong> Shigatse angeklebt zu haben. Tashi wurde zuerst im Haftzentrum von Shigatse <strong>in</strong>haftiert und späterunter der Anklage “konterrevolutionärer Propaganda und Aufhetzung der Massen” vom HöherenVolksgericht von Shigatse zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt und <strong>in</strong> das Drapchi Gefängnis nachLhasa verlegt. Bei der 5. Sitzung der CPCC Shigatse wurde se<strong>in</strong> Fall zur Sprache gebracht und se<strong>in</strong>“Verbrechen” durch die Medien öffentlich bekannt gemacht. Wie berichtet, wurde Tashi im April 1991wegen e<strong>in</strong>es Herzleidens <strong>in</strong> die Gefängniskl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>geliefert. Im Januar 1993 wurde er aus mediz<strong>in</strong>ischenGründen entlassen, da er durch die jahrelangen Mißhandlungen gesundheitlich am Ende war.Obwohl er zu Hause mediz<strong>in</strong>isch versorgt wurde, besserte sich se<strong>in</strong> Zustand nicht mehr. Im Alter von58 Jahren starb Tashi Tser<strong>in</strong>g am 17. Mai 1995.37. ChoephelChoephel war e<strong>in</strong> Mönch <strong>in</strong> den Zwanzigern aus dem Kloster Lithang <strong>in</strong> der TAP Kardze, Prov<strong>in</strong>z Sichuan.Drei Tage nach se<strong>in</strong>er Festnahme wurde er am 6. Februar 1995 von der Polizei zu Tode geschlagen.Choephel hatte politisch brisante Blätter, auf denen “Free <strong>Tibet</strong>”, “Ch<strong>in</strong>a hat <strong>Tibet</strong> gewaltsambesetzt” und “Ch<strong>in</strong>esen raus aus <strong>Tibet</strong>” stand, an wichtigen Stellen <strong>in</strong> der Stadt Lithang, darunter auchder Polizeistation und um die Gebäude der Stadtverwaltung herum verteilt. E<strong>in</strong> Augenzeuge sah, wieChoephel bei se<strong>in</strong>er Festnahme wie e<strong>in</strong> Sack <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Polizeifahrzeug geworfen wurde. “Er wurde soschwer geschlagen, daß er <strong>in</strong>folge se<strong>in</strong>es geschwollenen Gesichts und Körpers kaum mehr zu erkennenwar. Später wurden die Verwandten aufgefordert, den Körper des Verstorbenen abzuholen. DiePolizei machte ke<strong>in</strong>e Aussage wegen se<strong>in</strong>es Todes und die Verwandten wagten nicht danach zu fragen.”141141 “Mönch zu Tode geschlagen wegen Unabhängigkeitsplakaten”, Human Rights Update, Dezember 2000.


61199638. Dorjee KhanghsiriDorjee Khanghsiri war aus dem 124 km südwestlich des Kreises Chabcha <strong>in</strong> Amdo, Q<strong>in</strong>ghai, gelegenenTsegor Thang. Bei e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Polizeirazzia wurden bei Dorjee Bilder des Dalai Lama gefunden.Ihm wurde befohlen 8.000 Yuan (US$750) zu zahlen, andernfalls drohte ihm die Konfiszierungder Hälfte se<strong>in</strong>es Ackerlandes. Als er den Behörden widersprach, wurde er von Angehörigen der PAPund des PSB dermaßen heftig geschlagen, daß er hospitalisiert werden mußte. Ende August 1996starb er im Alter von 66 Jahren.39. Jamyang Th<strong>in</strong>leyJamyang Th<strong>in</strong>ley, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Thenthok Chamdo, stammte aus der Geme<strong>in</strong>de Thenthok,Kreis Dzogang, Präfektur Chamdo. PSB-Polizisten nahmen ihn im Mai 1996 unter dem Verdacht fest,Unabhängigkeitsposter an die Mauern des Klosters geklebt zu haben. Während der Vernehmungen imGefängnis von Chamdo wurde Jamyang so heftig geschlagen, daß er e<strong>in</strong>en Nierenschaden davontrug.Im Januar 1997 brachten die Gefängniswärter ihn <strong>in</strong> das Volkshospital von Chamdo. Es war jedoch zuspät, und er starb drei Tage später im Alter von 25 Jahren. Die Mönche des Klosters Chamdo, denender tote Körper von Jamyang übergeben wurde, stellten bei den tibetischen Bestattungsriten fest, daßer <strong>in</strong>neren Blutungen erlegen war.40. Kalsang ThutopKalsang Thutop, mit Laienname Bhagdro, alias Jamphel Khedrup, war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Drepungund gebürtig aus Sanga im Kreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa. Kalsang wurde am 13. Mai1989 <strong>in</strong> Dram an der Grenze zu Nepal wegen se<strong>in</strong>er Beteiligung an den Demonstrationen von 1989festgenommen. Bei e<strong>in</strong>em öffentlichen Schauprozeß wurde er am 30. November 1989 zu 18 JahrenGefängnis verurteilt. Er war e<strong>in</strong>er der vier Anführer e<strong>in</strong>er geheimen Demokratie-Gruppe <strong>in</strong> dem KlosterDrepung, die die Allgeme<strong>in</strong>e Erklärung der Menschenrechte <strong>in</strong>s <strong>Tibet</strong>ische übersetzt und heimlich e<strong>in</strong>Büchle<strong>in</strong> mit dem Titel ”Die wertvolle demokratische Verfassung <strong>Tibet</strong>s” gedruckt hatten. Am 5. Juni1996 wurde er zur Vernehmung nach Drapchi gebracht. Als er zwei Stunden später zurückkehrte,konnte er <strong>in</strong>folge der schrecklichen Mißhandlungen ke<strong>in</strong> Wort mehr hervorbr<strong>in</strong>gen. Er wurde eiligst <strong>in</strong>sKrankenhaus geschafft, starb jedoch wenige Stunden später. Er war 50 Jahre alt. Se<strong>in</strong> Tod kam soplötzlich und unerwartet. Se<strong>in</strong>e Freunde berichteten später, daß er brutal gefoltert worden war. Bei dertraditionellen Himmelsbestattung wurde festgestellt, daß Kalsang Thutops Hoden völlig zerquetschtwaren.41. Lhundrup TendarLhundrup Tendar war aus dem Kreis Naml<strong>in</strong>g, Präfektur Shigatse, und e<strong>in</strong> Mönch des Klosters GandenChoekor. Im Juni 1996 führte dort e<strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esisches Arbeitsteam die patriotische Umerziehung fürdie Mönche durch. Für den 66jährigen Lhundrup Tendar bedeutete es e<strong>in</strong> schweres psychischesTrauma, als sie ihn zwangen, sich ihren Anweisungen zu unterwerfen. Er sprang <strong>in</strong> den Naml<strong>in</strong>g Flußund setzte se<strong>in</strong>em Leben e<strong>in</strong> Ende.42. PassangDer damals 26jährige Passang war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Dechen Sangnak, Geme<strong>in</strong>de Taktse, BezirkLhasa. Am 8. Dezember 1994 wurde er nach e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>-Mann-Demonstration am Barkhor festgenommen.Er wurde zu 5 Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt, wo er schwer geschlagen und gefol-


62tert wurde. Er erhielt zwar im Krankenhaus e<strong>in</strong>e ambulante Behandlung, mußte jedoch für die Nachtwieder <strong>in</strong>s Gefängnis zurückkehren. Se<strong>in</strong> Zustand verschlimmerte sich weiter und am 17. Dezember1997 starb er <strong>in</strong> dem Chide Hospital (Öffentliche Wohlfahrt).43. PhurbuPhurbu war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Drayab Magon im Kreis Drayab, Präfektur Chamdo. Im Mai 1996führten die Behörden dort die patriotische Umerziehung durch und konfiszierten alle Dalai Lama Bilder.Bei e<strong>in</strong>er Durchsuchung der Räume wurde Phurbu befohlen, se<strong>in</strong> Dalai Lama Bild herzugeben. Nachfünf Tagen wiederholter Aufforderungen und schwerer Schläge durch die PSB-Polizisten konnte Phurbudie extremen physischen und psychischen Qualen nicht mehr aushalten und beg<strong>in</strong>g Selbstmord. Ersprang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Fluß, und nach e<strong>in</strong>igen Stunden sahen Mönche se<strong>in</strong>e Leiche im Wasser schwimmen.44. Phurbu Tser<strong>in</strong>gPhurbu Tser<strong>in</strong>g, alias T<strong>in</strong>gchue, stammte aus Banak Shol, e<strong>in</strong>em Stadtteil Lhasas. Er wurde wegense<strong>in</strong>er Teilnahme an der Unabhängigkeitsdemonstration vom 5. März 1989 verhaftet. In der Polizeistationdes PSB <strong>in</strong> der Nähe des Jokhang-Tempels <strong>in</strong> Lhasa schlugen sie ihn mit e<strong>in</strong>er Eisenstange aufden Schädel, wodurch er e<strong>in</strong>e ernste Kopfverletzung erlitt. Danach wurde er 4 Monate lang <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ikbehandelt. E<strong>in</strong>e Seite se<strong>in</strong>es Körpers war völlig gelähmt, und später bekam er zusätzlich Konvulsionen.Im Oktober 1989 wurde er aus der Kl<strong>in</strong>ik entlassen, genas aber nicht mehr und erlag 36jährigam 7. Februar 1996 se<strong>in</strong>en Verletzungen.45. Sangye TenphelSangye Tenphel (Laienname Gonpo Dorjee), der aus dem Dorf Uma stammte, war e<strong>in</strong> Mönch desKlosters Khangmar <strong>in</strong> Damshung bei Lhasa. Sangye wurde am 10. April 1995 mit 19 Jahren verhaftet,weil er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Liedern von der tibetischen Unabhängigkeit gesungen und auch entsprechende Plakateangeklebt hatte. Er wurde vier Monate <strong>in</strong> der Gutsa Haftanstalt festgehalten und später nachDrapchi verlegt. Er starb am 6. Mai 1996 als Folge der entsetzlichen Mißhandlungen und Schläge undder Verweigerung rechtzeitiger mediz<strong>in</strong>ischer Hilfe.46. Th<strong>in</strong>ley ChodakTh<strong>in</strong>ley Chodak, e<strong>in</strong> 19jähriger Mönch aus Kardze <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Sichuan, war auch als Kardze Tulkubekannt. Th<strong>in</strong>ley wurde wegen se<strong>in</strong>er politischen Aktivitäten 1994 verhaftet und zu drei Jahren Gefängnisverurteilt. Er starb als Resultat der schweren <strong>Folter</strong>ung 1996 im Drapchi Gefängnis.199747. R<strong>in</strong>z<strong>in</strong>Am 11. Februar 1997 starb der 61jährige politische Gefangene R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> bei sich zu Hause, nachdem ere<strong>in</strong>en Monat zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war. Er war aus Mugrum Trehte <strong>in</strong> der PräfekturNgari gebürtig und wurde im September 1996 wegen Besitzes e<strong>in</strong>es Dalai Lama Photos festgenommen,denn die Ch<strong>in</strong>esen hatten <strong>in</strong> diesem Jahr e<strong>in</strong> Verbot der Bilder erlassen. Er wurde zu dreiJahren im Gefängnis Ngari verurteilt. Infolge der wiederholten <strong>Folter</strong>ung brach se<strong>in</strong>e Gesundheit zusammen,woraufh<strong>in</strong> er e<strong>in</strong>en Monat im Gefängniskrankenhaus behandelt wurde. Als se<strong>in</strong> Zustandernst wurde, ließen sie ihn nach Hause gehen. Er konnte aber kaum mehr sprechen und nicht mehrvon se<strong>in</strong>em Bett aufstehen. Er war völlig unterernährt, zudem hatte er sich im Gefängnis Tuberkulosezugezogen.


6348. Jamyang Th<strong>in</strong>leyJamyang Th<strong>in</strong>ley aus Tsawa Phomda, Präfektur Chamdo, war e<strong>in</strong> 28jähriger Mönch des KlostersChamdo. Am 30. Mai 1996 kamen ch<strong>in</strong>esische Beamte <strong>in</strong>s Kloster, die das Zimmer e<strong>in</strong>es jedenMönchs durchsuchten und alle Dalai Lama Bilder konfiszierten. Bei Jamyang Tr<strong>in</strong>ley entdeckten sieBlätter mit der Aufschrift „Free <strong>Tibet</strong>“, woraufh<strong>in</strong> er und zwei se<strong>in</strong>er Mitmönche verhaftet wurden. Nachvier Monaten im Haftzentrum von Chamdo, wo er schrecklich gefoltert und geschlagen wurde, entließensie ihn am 13. September 1996 aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen. Fünf Tage später, am 18. September,starb er.49. Tenchok TenphelTenchok Tenphel, alias Nangpa Shar, war e<strong>in</strong> Mönch des Sakya Truphai Lhakang <strong>in</strong> der Nähe vonShigatse. Ende 1996 erschien e<strong>in</strong> Arbeitsteam im Kloster und zwang die Mönche, Schmähschriftengegen den Dalai Lama zu verfassen. Tenchok wurde am 1. September 1997 festgenommen, weil erstatt dessen e<strong>in</strong>en Aufsatz zum Ruhme des Dalai Lama geschrieben hatte. Er kam <strong>in</strong> das Haftzentrumvon Sakya, wo er unter Drohungen und <strong>Folter</strong> verhört wurde, aber er weigerte sich dennoch, den DalaiLama zu beschimpfen. Nach 15 Tagen Haft setzte er im September 1997 im Alter von 27 Jahren se<strong>in</strong>emLeben e<strong>in</strong> Ende, <strong>in</strong>dem er sich mit se<strong>in</strong>em Gürtel erhängte. Die ch<strong>in</strong>esischen Kader ließen verlauten:”Thenchok beg<strong>in</strong>g wegen e<strong>in</strong>es F<strong>in</strong>anzbetruges <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zeit als Verwalter des Klosters Selbstmord”.Se<strong>in</strong> Körper wurde am 17. September 1997 e<strong>in</strong>geäschert, ohne daß se<strong>in</strong>e Familie ihn zu Gesichtbekommen hatte.199850. Lobsang TsondueDer ehrw. Lobsang Tsondue, alias Hor Lagen, wurde 1911 <strong>in</strong> Janag Nagchu geboren. Mit 7 Jahren trater als Novize <strong>in</strong>s Kloster Shar-rong e<strong>in</strong>, wechselte später aber <strong>in</strong> das Kloster Drepung Gomang (HardongKhamtsang) über, wo er buddhistische Philosophie studierte. Er kämpfte hart darum, daß den<strong>Tibet</strong>ern Gerechtigkeit widerfahren solle, weshalb er viermal verhaftet wurde und im ganzen 22 Jahreim Gefängnis verbrachte.1980 wurde er entlassen, nachdem er se<strong>in</strong>e 15jährige Strafe verbüßt hatte. In der ersten Septemberwoche1987, als die jüngere Generation von <strong>Tibet</strong>ern <strong>in</strong> Lhasa für die Unabhängigkeit demonstrierte,unterstützte er ihre Aktivitäten aus ganzem Herzen. Daher wurde er 1988 erneut für neun Monate h<strong>in</strong>terGitter gesetzt und 1989 dann zu sechs Jahren <strong>in</strong> Drapchi verurteilt.Am 15. Dezember 1990 starb e<strong>in</strong> junger politischer Häftl<strong>in</strong>g, Lhakpa Tser<strong>in</strong>g, als Folge der entsetzlichenMißhandlungen im Gefängnis. Der ehrw. Lobsang Tsondue äußerte sich voller Hochachtung überLhakpa Tser<strong>in</strong>g, er protestierte gegen die miserablen Gefängniszustände und forderte e<strong>in</strong>e Besserungder Bed<strong>in</strong>gungen für die Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> den verschiedenen Haftanstalten <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>. Für diese kühne Äußerungse<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung wurde er <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft gesetzt, wo er unbeschreiblichen Qualen ausgesetzt warund heftig gefoltert wurde.1996 wurde er nach Verbüßung se<strong>in</strong>er Strafe entlassen und <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Kloster zurückgeschickt. Die bürgerlichenRechte blieben ihm jedoch versagt. Er konnte sich nicht mehr selbst versorgen und h<strong>in</strong>g <strong>in</strong>bezug auf Nahrung und Geld von anderen ab. Im Dezember 1998 verstarb er. Das Kloster-Komiteeorganisierte <strong>in</strong> der Drikhung Halle e<strong>in</strong>e großartige Bestattungszeremonie für ihn.51. Dekyi YangzomDekyi Yangzom, Laienname Drupkyi Pema, war e<strong>in</strong>e 21jährige Nonne des Klosters Nyemo DowaChoeten. Auf ihre Teilnahme an e<strong>in</strong>er Unabhängigkeitsdemonstration <strong>in</strong> Lhasa im Februar 1995 h<strong>in</strong>


64wurde sie festgenommen und zu vier Jahren im Drapchi Gefängnis verurteilt. Sie starb im Juni 1998nach den Mißhandlungen, denen sie wegen der Gefängnis-Proteste vom Mai 1998 ausgesetzt war.52. Geshe ChoephelGeshe Choephel war der Oberlama des südöstlich von Lhasa im Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka, gelegenenKlosters Sungrabl<strong>in</strong>g. Im Juli oder August 1997 starteten 20 Angehörige des Justizbüros (ch<strong>in</strong>.sai fa t<strong>in</strong>g) unter der Leitung e<strong>in</strong>es Kaders namens Khampa Choedrak die patriotische Umerziehung imKloster Sungrabl<strong>in</strong>g. Der Oberlama Geshe Choephel erhielt den Befehl, se<strong>in</strong>e Schüler anzuweisen,dem Umerziehungsunterricht mit Eifer zu folgen. Er weigerte sich jedoch kategorisch, dies zu tun.Nach vier Tagen E<strong>in</strong>schüchterungsversuchen brachten sie ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Haus im Dorf Kyimshe, PräfekturLhoka, wo er von der Polizei schwer geschlagen wurde. Bei e<strong>in</strong>er Durchsuchung se<strong>in</strong>er Wohnung kame<strong>in</strong> Brief von Desi R<strong>in</strong>poche (nun <strong>in</strong> Indien ansässig) zu Tage, der mit se<strong>in</strong>em persönlichen Siegel versehenwar. E<strong>in</strong>er anderen Quelle zufolge wurde er direkt zur Polizeistation von Kyimshe verfrachtetund dort geschlagen. In den 15 Tagen, die er <strong>in</strong> der Polizeistation festgehalten wurde, wurde er sokrank, daß er nicht mehr aufstehen konnte. Schließlich starb er am 24. September 1998 im Alter von71 Jahren an den erlittenen Verletzungen. Ihm Nahestehende, die bei der Himmelsbestattung zugegenwaren, berichteten, daß se<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>gerglieder gebrochen waren.53. KhedrubDer aus Meldrogongkar gebürtige Khedrup war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Ganden. Er wurde 1994 verhaftetund soll <strong>in</strong>folge der schrecklichen Mißhandlungen im Alter von 26 Jahren <strong>in</strong> der Haft gestorbense<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>em unbestätigten Bericht von TIN zufolge wurde Khedrub nach dem Gefängnisprotest vom 4.Mai 1998 <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft nach Outridu verlegt. Die genaueren Umstände se<strong>in</strong>es Todes s<strong>in</strong>d nicht bekannt,doch se<strong>in</strong>e Eltern wurden herbeizitiert und gezwungen zu unterschreiben, daß er Selbstmordbegangen hätte, obwohl sie den toten Körper ihres Sohnes nicht zu Gesicht bekommen hatten.54. Kundol YontenDie 28jährige Kundol Yonten wurde <strong>in</strong> Nyemo Jogon, Kreis Nyemo, Bezirk Lhasa, geboren. Sie ware<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Jiwa <strong>in</strong> Nyemo. Wegen ihrer Teilnahme an e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration <strong>in</strong>Lhasa wurde sie im Dezember 1994 festgenommen. Sie ist die fünfte jener Nonnen, die im Juni 1998starben.55. Lobsang ChoephelLobsang Choephel, Laienname Th<strong>in</strong>lay Phuntsok, der zum Zeitpunkt se<strong>in</strong>es Todes 25 Jahre alt war,stammte aus dem Kreis Damshung und war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Khangmar. Am 10. April 1995demonstrierte er zusammen mit vier Freunden aus demselben Kloster friedlich gegen die ch<strong>in</strong>esischeRegierung und forderte laut die Unabhängigkeit für <strong>Tibet</strong>. Er wurde von PSB-Kräften festgenommenund zu vier Jahren Gefängnis <strong>in</strong> Drapchi verurteilt. Am 4. Mai 1998 beg<strong>in</strong>g er angesichts der qualvollen<strong>Folter</strong>, der er unterzogen wurde, <strong>in</strong> der Gefängnistoilette Selbstmord. Die Gefängnisbeamten hieltenden toten Körper über e<strong>in</strong>e Woche zurück, ehe sie ihn se<strong>in</strong>en Angehörigen übergaben.56. Lobsang WangchukLobsang Wangchuk, alias Ngawang Tenkyong, stammte aus Meldrogongkar, Bezirk Lhasa, und ware<strong>in</strong> Mönch des Klosters Ganden. Er verbüßte wegen Teilnahme an e<strong>in</strong>er friedlichen Unabhängigkeitsdemonstrationim Mai 1996 <strong>in</strong> Lhasa e<strong>in</strong>e 10jährige Strafe. Er war auch am 1. und 4. Mai 1998 bei denberühmten Gefängnisprotesten <strong>in</strong> Drapchi dabei und wurde dermaßen grausam geschlagen und gefoltert,daß er am 6. Mai im Alter von 28 Jahren im Gefängnis starb.


6557. Lobsang WangmoLobsang Wangmo, alias Tsamchoe Dolkar, aus Dokdhe nördlich von Lhasa, war e<strong>in</strong>e Nonne des KlostersNekordo im Bezirk Lhasa. Sie wurde im Februar 1995 wegen e<strong>in</strong>er friedlichen Unabhängigkeitsdemonstrationam Barkhor festgenommen und danach zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Lobsangstarb im Juni 1998 nach den Drapchi-Protesten im Alter von 28 Jahren.58. Ngawang DekyiNgawang Dekyi aus Damshung war e<strong>in</strong>e 25jährige Nonne des Klosters Poto im Kreis Phenpo Lundrup,Bezirk Lhasa. Nach ihrer Beteiligung an e<strong>in</strong>er Demonstration wurde sie 1995 festgenommen, imHaftzentrum Gutsa e<strong>in</strong>gesperrt und später zu sechs Jahren Gefängnis <strong>in</strong> Drapchi verurteilt. Infolge derunsäglichen Qualen, die sie <strong>in</strong> der Haft durchmachte, war sie so geschwächt, daß sie am 5. Januar1998 <strong>in</strong> das Militär-Krankenhaus von Lhasa e<strong>in</strong>geliefert wurde. Erst nach ihrem Tod am 21. Januar1998 wurden ihre Eltern <strong>in</strong>formiert, daß sie todkrank im Krankenhaus gelegen hatte. Ihr Tod ist dengrausamen Schlägen der Gefängniswärter zuzuschreiben.59. Tashi LhamoTashi Lhamo, die dem Kloster Nyemo Jogo im Kreis Nyemo angehörte, war e<strong>in</strong>e der sechs Nonnen,die auf den Gefängnisprotest vom 4. Mai <strong>in</strong> Drapchi im Juni 1998 gestorben s<strong>in</strong>d. Sie starb mit 24 Jahren,kurz bevor sie ihre 6jährige Strafe verbüßt hatte, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Militärkrankenhaus.60. Tenpa PhulchungTenpa Phulchung, Laienname Th<strong>in</strong>ley Topden, wurde 1935 <strong>in</strong> Lhasa geboren. Er war e<strong>in</strong> großer Gelehrterund e<strong>in</strong> Nationalist, der se<strong>in</strong> Leben dem Kampf gegen die ch<strong>in</strong>esische Herrschaft widmete undsich dafür e<strong>in</strong>setzte, daß se<strong>in</strong>em Volk Gerechtigkeit widerfahre. Als die Ch<strong>in</strong>esen 1949 zuerst nach<strong>Tibet</strong> kamen, organisierte er Briefkampagnen zum Protest gegen die Besatzer. 1959 schloß er sich der“<strong>Tibet</strong>ischen Dharma-Schutz-Bewegung” an und betätigte sich politisch, um gegen die Unterdrücker zukämpfen. Er wurde beim Norbul<strong>in</strong>gka verhaftet und <strong>in</strong> das Jang Tsala Karpo Arbeitslager geschickt.Nach vier Jahren grausamer Zwangsarbeit wurde er 1963 entlassen. Er arbeitete weiter heimlich gegendie Herrschaft der Ch<strong>in</strong>esen und für das Wohl der tibetischen Geme<strong>in</strong>schaft, wobei er oftmals se<strong>in</strong>Leben aufs Spiel setzte. In e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Bücher führte er die Behauptung der Ch<strong>in</strong>esen, e<strong>in</strong>e Millionbenachteiligter <strong>Tibet</strong>er befreit zu haben, ad absurdum und schilderte die Leiden des tibetischen Volkesunter dem ch<strong>in</strong>esischen Joch.Im Namen des “Komitees für den Kampf um Gerechtigkeit für die drei Prov<strong>in</strong>zen <strong>Tibet</strong>s” sandte er e<strong>in</strong>eBittschrift an die Vere<strong>in</strong>ten Nationen, <strong>in</strong> der er die kritische Lage des tibetischen Volkes und se<strong>in</strong>enKampf um die Befreiung von den Besatzern beschrieb. Er schickte auch Briefe an den Dalai Lama unddie Exilregierung, <strong>in</strong> denen er über das Leid des tibetischen Volkes und se<strong>in</strong>en Kampf, sowie über dieHoffnungen und Sehnsüchte der Menschen <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> schrieb.Am 27. September 1987 verteilte er zahlreiche Pamphlete an se<strong>in</strong>e Landsleute, <strong>in</strong> denen von der Unabhängigkeitdie Rede war. Se<strong>in</strong>e Kampagne nahm immer größere Ausmaße an, und am 16. Dezember1987 wurde er erneut <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Haus festgenommen. Die Polizei durchsuchte se<strong>in</strong>e Wohnung undfand Plakate, auf denen <strong>in</strong> großen Buchstaben die Unabhängigkeit <strong>Tibet</strong>s gefordert wurde. Daraufh<strong>in</strong>kam er <strong>in</strong> das Sangyip Gefängnis <strong>in</strong> Lhasa. 1989 schrieb er <strong>in</strong> der Haft e<strong>in</strong> Gedicht, das von der großenUnabhängigkeitsdemonstration <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> handelte und die Überschrift “Das Lied der Wahrheit ander Schwelle zum 21. Jahrhundert” trug. Wegen dieses Gedichts wurde se<strong>in</strong>e Strafe um sieben Jahreverlängert.Am 29. April 1991 wurde er zusammen mit vier anderen Mönchen, Tenpa Wangdak, Gyadar, Penpaund Lobsang Tenz<strong>in</strong>, <strong>in</strong> die Pawo Tramo Strafanstalt <strong>in</strong> die Präfektur Kongpo verlegt. Dort mußten dieHäftl<strong>in</strong>ge Zwangsarbeit leisten, denn sie sollten “reformiert” werden. Nach Verbüßung se<strong>in</strong>er Strafe


66wurde er am 17. Dezember 1994 entlassen. Se<strong>in</strong> Tod am 29. November 1998, vier Jahre später, wirdden schweren Mißhandlungen, die er im Gefängnis erlitt, zugeschrieben.61. Tenz<strong>in</strong> YeshiTenz<strong>in</strong> Yeshi, Laienname Yeshi Samten, aus dem Dorf Tsangthok, Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, war e<strong>in</strong>Mönch im Kloster Ganden. Am 6. Mai 1996 wurde er mit etwa 90 anderen Mönchen aus Ganden festgenommen,weil sie gegen die Umerziehungsmaßnahmen der Ch<strong>in</strong>esen und die Forderung der Entfernungaller Dalai Lama Bilder protestiert hatten. Er wurde zu zwei Jahren <strong>in</strong> Trisam verurteilt und am6. Mai 1998 nach Vollendung se<strong>in</strong>er Haftzeit entlassen. Infolge der heftigen Verletzungen, die ihmdurch wiederholte <strong>Folter</strong> beigebracht worden waren, mußte er <strong>in</strong>s Krankenhaus e<strong>in</strong>geliefert werden,wo er sechs Tage nach se<strong>in</strong>er Entlassung aus dem Gefängnis am 12. Mai 1998 im Alter von 24 Jahrenstarb.62. Tsultrim SangmoTsultrim Sangmo, Laienname Choekyi Wangmo, war e<strong>in</strong>e Nonne des Klosters Sharbumba, KreisPhenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa. Im Juni 1994 demonstrierte sie zusammen mit vier anderen Nonnenfriedlich am Barkhor <strong>in</strong> Lhasa. Sie wurde daraufh<strong>in</strong> zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. In Drapchi warsie bei dem Protest vom 4. Mai 1998 mit dabei und wurde daraufh<strong>in</strong> grausam gefoltert. Im Juni 1998erlag sie, 21jährig, den erlittenen Verletzungen. Die Behörden behaupteten, sie hätte sich erhängt.199963. Sonam WangduSonam Wangdu, alias Shugden, stammt aus der Paljor Rabten Familie <strong>in</strong> Lhasa. Er arbeitete als Zimmermannbei e<strong>in</strong>er Baufirma <strong>in</strong> Lhasa. Am 5. März 1988 forderte er zusammen mit Tausenden vonanderen <strong>Tibet</strong>ern <strong>in</strong> Lhasa die Beachtung der Menschenrechte und Freiheit für <strong>Tibet</strong>. Die Demonstrationwurde zu e<strong>in</strong>em Tumult, bei dem die <strong>Tibet</strong>er die Soldaten mit Ste<strong>in</strong>en und Stöcken angriffen, diedaraufh<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Menschenmassen schossen.Sonam Wangdu wurde am 17. März 1988 festgenommen und zu lebenslänglicher Haft verurteilt, weiler angeblich für den Tod e<strong>in</strong>es ch<strong>in</strong>esischen Polizisten verantwortlich gewesen se<strong>in</strong> soll, der bei derNiederschlagung der Demonstration vom 5. März 1988 ums Leben kam. Anfänglich wurde er <strong>in</strong> Gutsa<strong>in</strong>haftiert, wo er entsetzlich gefoltert wurde, wovon er e<strong>in</strong>e schwere Nieren- und Rückgratverletzungdavontrug. Um Informationen aus ihm herauszupressen und ihn zum E<strong>in</strong>geständnis zu zw<strong>in</strong>gen, daßer den Tod des ch<strong>in</strong>esischen Polizisten verursacht habe, folterten die Gefängniswachen ihn mit elektrischenViehstöcken und Eisenstangen. Am 19. Dezember 1988 wurde er vor das Volksgericht <strong>in</strong> Lhasagestellt. Er erhielt vor Gericht ke<strong>in</strong>en Rechtsbeistand. Direkt vor der Verhandlung wurde er schwergeschlagen, weil sie ihn dazu br<strong>in</strong>gen wollten, daß er sich der ihm angelasteten Verbrechen für schuldigbekenne. Er wurde angeklagt, e<strong>in</strong>e Demonstration gegen die ch<strong>in</strong>esische Regierung angezetteltund den Polizisten Honreren getötet zu haben. Honreren wurde von e<strong>in</strong>em Gebäude h<strong>in</strong>untergestoßen,so daß er auf der Stelle starb.Nachdem er 1989 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, wurde Sonam Wangdu <strong>in</strong> das DrapchiGefängnis verlegt, wo er weiterh<strong>in</strong> unmenschlich behandelt und immer wieder auf die Nieren geschlagenwurde. Schließlich waren die Harnleiter zerstört und die untere Körperhälfte gelähmt. Er war ane<strong>in</strong>en Rollstuhl gefesselt und hatte ke<strong>in</strong>e Kontrolle mehr über se<strong>in</strong>e Blase und se<strong>in</strong>en Enddarm. Eswurde ihm e<strong>in</strong>e Art Katheder gelegt, so daß se<strong>in</strong> Ur<strong>in</strong> durch e<strong>in</strong>en Gummischlauch abfloß. Vor se<strong>in</strong>erVerhaftung war er e<strong>in</strong> wohlgestalteter und kräftiger Mann, aber durch die fortgesetzte <strong>Folter</strong>ung <strong>in</strong> derHaft verlor er viel an Körpergewicht und wurde allmählich so schwach, daß er nicht mehr stehen konnte.


67Vor der Verurteilung zu lebenslänglicher Haft war Sonam Wangdu fast e<strong>in</strong> ganzes Jahr <strong>in</strong> Untersuchungshaft<strong>in</strong> Gutsa. Dort folterten ihn die Vernehmungsbeamten immer wieder, damit er zugebe, dench<strong>in</strong>esischen Polizisten getötet zu haben. Nebst anderen <strong>Folter</strong>methoden wurde er mit elektrischenViehstöcken geschlagen und sechs Monate lang an se<strong>in</strong>en unteren Gliedmaßen gefesselt. Sie bandenihn e<strong>in</strong>mal an e<strong>in</strong>em Baum fest und ließen ihn fünf Tage lang <strong>in</strong> dieser Stellung hängen. E<strong>in</strong>e Wochelang wurde er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Isolationszelle e<strong>in</strong>geschlossen. E<strong>in</strong>mal preßten die Schergen se<strong>in</strong>en Kopf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>enEimer Wasser und entnahmen ihm <strong>in</strong> dieser Stellung gewaltsam Blut. Wie e<strong>in</strong> anderer ehemaligerpolitischer Gefangener, Bagdro, berichtet: “Am 17. Januar 1989 wurde Sonam Wangdu zu dem schwerbewachten Hauptquartier der PLA, das sich unterhalb des Chakpori Hügels <strong>in</strong> Lhasa bef<strong>in</strong>det, zumProzeß gebracht. Er und se<strong>in</strong>e Mitangeklagten wurden aufgefordert, ihre Verbrechen zu gestehen. Ihreständige Beteuerung, unschuldig zu se<strong>in</strong>, brachte die Polizei <strong>in</strong> solche Wut, daß sie vor den Augen desGerichts mit voller Wucht auf die Männer e<strong>in</strong>schlugen. Sie packten sie und verstopften ihnen denMund. Die Gerichtsverhandlung wurde vertagt und die fünf Angeklagten durch die H<strong>in</strong>tertür h<strong>in</strong>ausgebracht.Außerhalb der Sichtweite der Öffentlichkeit wurden sie h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er Barrikade von Armeefahrzeugenbestialisch geschlagen. Sonam Wangdu begann Blut zu erbrechen. Weil er die Schläge nichtmehr aushalten konnte, versuchte er zurückzuschlagen. Da richteten sie e<strong>in</strong>en Revolver auf se<strong>in</strong>eSchläfe und führten ihn nach Gutsa ab. Gegen Tagesende waren alle nur noch halb bei Bewußtse<strong>in</strong>.Am nächsten Tag wurden die Häftl<strong>in</strong>ge wieder dem Gericht vorgeführt und zusammen mit 16 anderen,die an Demonstrationen teilgenommen hatten, sofort verurteilt. Auf die Urteilsverkündung folgten weitereSchläge h<strong>in</strong>ter dem Gerichtssaal.”Danach kamen sie nach Drapchi, wo die Männer auf verschiedene Trakte aufgeteilt wurden. SonamWangdus Zustand gab den anderen Insassen Anlaß zu ständiger Sorge. So sagte Bagdro, der Mitte1991 <strong>in</strong>s Exil floh, als er Sonam Wangdu zuletzt gesehen habe, hätte dieser “wie e<strong>in</strong> todgeweihterMensch” ausgeschaut. Se<strong>in</strong>e Ohren waren durch die fürchterlichen Schläge dermaßen geschädigt,daß ständig Flüssigkeit aus ihnen rann.Sonam Wangdu erlitt schwere Verletzungen der <strong>in</strong>neren Organe wie Lunge, Nieren, Leber und Darm.Außerdem litt er durch se<strong>in</strong>e Kopfschmerzen Höllenqualen und se<strong>in</strong> Gehör und se<strong>in</strong>e Sprechfähigkeitwaren schwer bee<strong>in</strong>trächtigt. Er konnte sich nur noch <strong>in</strong> gebeugter Stellung und mit Hilfe e<strong>in</strong>es Rollstuhlsfortbewegen.1993, als se<strong>in</strong> Zustand sich verschlechterte und er dem Tod nahe schien, wurde er aus mediz<strong>in</strong>ischenGründen entlassen. Die durch die Schläge im Gefängnis verursachten <strong>in</strong>neren Verletzungen führtenschließlich zu se<strong>in</strong>em Tod. Von der Taille abwärts gelähmt, starb er am 8. April 1999 im Alter von 44Jahren <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wohnung. Er h<strong>in</strong>terließ se<strong>in</strong>e Frau und drei K<strong>in</strong>der, von denen zwei nun im Exil leben.Weil er dem tibetischen Volk se<strong>in</strong>e legitimen Rechte und Gerechtigkeit verschaffen wollte, mußte SonamWangdu 11 Jahre lang unsägliche Qualen und Grausamkeiten durchmachen. Se<strong>in</strong> Tod ist bezeichnendfür das Ausmaß der bestialischen Behandlung, der politische Gefangene <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> unterworfenwurden und weiterh<strong>in</strong> unterworfen werden.64. Lekshe TsoglamLekshe Tsoglam, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Nalanda, kam Anfang April 1999 <strong>in</strong> das Gutsa-Haftzentrum,weil er es ablehnte, mit den Kadern, die die “patriotische Umerziehung” <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Kloster durchführten,zusammenzuarbeiten. Wie es heißt, wurde er <strong>in</strong> dem Haftzentrum von der Polizei so brutal geschlagen,daß er kurz nach se<strong>in</strong>er Entlassung am 12. April 1999 starb.65. Ngawang J<strong>in</strong>paNgawang J<strong>in</strong>pa, mit Laiennamen Lobsang Dawa, war von Beruf Bauer im Dorf Langthar, Kreis Phenpo,TAR. 1987 wurde er im Kloster Ganden zum Mönch ord<strong>in</strong>iert. Als am 6. Mai 1996 e<strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esisches“Umerziehungsteam” das Kloster heimsuchte, stellte es fest, daß die Mönche im Besitz von Bilderndes Dalai Lama waren, was als e<strong>in</strong> Verstoß gegen die Regel galt. E<strong>in</strong>en Tag später wurden Ngawangund 43 weitere Mönche festgenommen. Acht Monate lang wurden sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em örtlichen Haftzentrumso grausam mißhandelt, daß Ngawang e<strong>in</strong> Lungenleiden davontrug. Im Januar 1997 verurteilte das


68Mittlere Volksgericht von Lhasa ihn zu 12 Jahren Gefängnis und Verlust der bürgerlichen Rechte für 4Jahre. E<strong>in</strong>en Monat später wurde er nach Drapchi verlegt.Trotz se<strong>in</strong>er schwachen Gesundheit mußte er zusammen mit den anderen Insassen den anstrengendenDrill absolvieren. Die dr<strong>in</strong>gend benötigte ärztliche Behandlung wurde ihm verweigert. Als er demTod nahe schien, wurde er im März 1999 aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen entlassen. Da er ke<strong>in</strong>e Verwandten<strong>in</strong> Lhasa hatte, wurde er von e<strong>in</strong>er Wohltätigkeitsorganisation aufgenommen und gepflegt.Trotzdem besserte sich se<strong>in</strong> Zustand nicht mehr. Später wurde er se<strong>in</strong>er Familie im Kreis PhenpoLhundup übergeben. Im Gefängnis litt er an diversen Gebrechen. Am 20. April 1999 starb er im Altervon 31 Jahren an se<strong>in</strong>em Heimatort.66. NorbuNorbu stammte aus Khong Drugya, Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa. Mit 14 Jahren wurde er im KlosterNalanda zum Mönch ord<strong>in</strong>iert. Im Februar 1995 wurden die zwei Mönche Nyima Kelsang und GenSonam Dhondup unter dem Verdacht der Verwicklung <strong>in</strong> politische Tätigkeiten festgenommen. Am 24.Februar 1995 kamen 20 Polizisten <strong>in</strong> das Kloster, um Gen Sonam Dhondups Zimmer zu durchsuchen.Es kam zu e<strong>in</strong>em Streit zwischen der Polizei und den Mönchen, weil Norbu die Schlüssel von GenSonam Dhondups Zimmer nicht herausgeben wollte. Am folgenden Tag kamen drei Lastwagen vollerSicherheitspolizisten angefahren, die die Mönche verhörten und viele von ihnen festnahmen. Auf dieseWeise fanden sie heraus, daß Norbu und e<strong>in</strong>ige andere Mönche Unabhängigkeitsblätter und hölzerneDruckstöcke aus Gen Sonam Dhondups Zimmer entfernt hatten. Sie wurden sofort festgenommen und<strong>in</strong> Gutsa e<strong>in</strong>gesperrt. Damals wurden <strong>in</strong>sgesamt 32 Mönche festgenommen und 60 des Klosters verwiesen.Während der Inhaftierung <strong>in</strong> Gutsa wurde Norbu von den Gefängnisbeamten brutal geschlagen undgefoltert. Bei e<strong>in</strong>er Vernehmung traten sie mit ihren Stiefeln nach ihm und stießen ihn wild umher, wodurchse<strong>in</strong> Nacken gefährlich verletzt wurde. Er erhielt ke<strong>in</strong>e ärztliche Behandlung. Nach e<strong>in</strong>em Jahrständiger Schmerzen und Quälereien <strong>in</strong> der Guts-Haftanstalt wurde Norbu entlassen und kehrte imFebruar 1996 an se<strong>in</strong>en Heimatort zurück. Durch die fortgesetzte <strong>Folter</strong>ung war se<strong>in</strong>e Gesundheit soru<strong>in</strong>iert, daß er sich nicht mehr erholte und im März 1999 bei sich zu Hause starb. Er war erst 21 Jahrealt.67. PhuntsokPhuntsok war aus Lhasa gebürtig und trat <strong>in</strong> jungen Jahren <strong>in</strong> das Jhang Talung Kloster e<strong>in</strong>. Er bliebjedoch nicht lange dort und arbeitete bald als Automechaniker <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Tsomol<strong>in</strong>g. 1993 begaber sich mit se<strong>in</strong>er zweiten Frau Tser<strong>in</strong>g Dolma auf Pilgerfahrt zu e<strong>in</strong>er Kalachakra-Initiation nachIndien. Auf se<strong>in</strong>er Rückreise nach Lhasa nahm er viele Bücher und Audio- und Videokassetten übertibetische Themen mit. Darunter waren auch die Biographie des Dalai Lama, e<strong>in</strong>ige Bücher über Menschenrechteund die Richtl<strong>in</strong>ien für die zukünftige politische Gestaltung <strong>Tibet</strong>s. Er verteilte diese Bücherund Kassetten an Leute <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gegend. 1994 schrieb Phuntsok zusammen mit zwei Mönchenund drei Nonnen Briefe an die tibetische Exilregierung <strong>in</strong> Dharamsala, <strong>in</strong> denen sie das Leiden und dietatsächliche Lage des tibetischen Volkes und se<strong>in</strong>en Kampf gegen die ch<strong>in</strong>esischen Besatzer schilderten.1995, während der Feierlichkeiten zum 30. Gründungstag der Autonomen Region <strong>Tibet</strong>, durchsuchtedie Polizei von Lhasa se<strong>in</strong>e Wohnung und nahm ihn fest, weil sie Unabhängigkeitsliteratur bei ihm sicherstellte.Er wurde zwei Monate lang im Sangyip Gefängnis <strong>in</strong>haftiert und danach zu zwei Jahren <strong>in</strong>Drapchi verurteilt. Während e<strong>in</strong>er Vernehmung im Gefängnis schlugen und folterten sie ihn bestialisch,um Informationen aus ihm zu erpressen. Er erlitt dabei Rippen- und Wirbelbrüche, so daß se<strong>in</strong>eGliedmaßen taub wurden. Se<strong>in</strong> Zustand wurde immer schlimmer, aber er erhielt ke<strong>in</strong>e ärztliche Behandlung.Schließlich wurde er aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen entlassen. Se<strong>in</strong>e Familie mußte nun fürdie Kosten der Behandlung aufkommen, wodurch sie sich tief verschuldete. Phuntsok starb schließlichim September 1999 im Alter von 60 Jahren unter äußerst ärmlichen Umständen <strong>in</strong> Lhasa.


68. Tashi Tser<strong>in</strong>g69Tashi Tser<strong>in</strong>g war e<strong>in</strong> 39jähriger Bauunternehmer aus Nyangre, Lhasa. Am 26. August 1999 wurde erwährend der Nationalen M<strong>in</strong>derheitenspiele <strong>in</strong> Lhasa verhaftet, als er versuchte, die ch<strong>in</strong>esische Flaggevon e<strong>in</strong>em Fahnenmasten auf dem Platz vor dem Potala herunterzuholen und sie durch die tibetischeNationalflagge zu ersetzen. Er hatte die Absicht, sich bei se<strong>in</strong>em Protest zu töten, <strong>in</strong>dem er denprimitiven Sprengstoff, den er sich um den Leib gebunden hatte, zur Zündung br<strong>in</strong>gen wollte. Da es andiesem Tag stark regnete, gelang ihm dies aber nicht. Er wurde daraufh<strong>in</strong> von dem Sicherheitspersonalso zugerichtet, daß er sich nicht mehr auf den Füßen halten konnte, als er abgeführt wurde. TashiTser<strong>in</strong>g nahm sich am 10. Oktober im Polizeigewahrsam das Leben, <strong>in</strong>dem er sich die Kehle mit e<strong>in</strong>erRasierkl<strong>in</strong>ge durchtrennte. Früheren Berichten zufolge soll er bereits e<strong>in</strong>e Reihe von Selbstmordversuchen<strong>in</strong> der Haft unternommen haben, weil er die unmenschliche Behandlung und ständige <strong>Folter</strong> nichtmehr aushalten konnte.Tashi Tser<strong>in</strong>g h<strong>in</strong>terläßt zwei K<strong>in</strong>der, von denen e<strong>in</strong>es beh<strong>in</strong>dert ist. Er war früher von se<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>deausgezeichnet worden für se<strong>in</strong>e Arbeit, die er für das Geme<strong>in</strong>wohl leistete. Er baute auf eigene Kostenneue Häuser und stellte Möbel für e<strong>in</strong>e Grundschule <strong>in</strong> der Nähe des Klosters Sera zur Verfügung.Wenn Tashi Tser<strong>in</strong>g nicht Hand an sich gelegt hätte, wäre das Urteil wegen se<strong>in</strong>es kühnen Protesteszu e<strong>in</strong>em politisch heiklen Zeitpunkt gewiß sehr hart ausgefallen.200069. Lobsang SherabLobsang Sherab, mit Laienname Norbu, war e<strong>in</strong> 30jähriger Mönch des Klosters Sera, der ursprünglichaus der Region Lhoka kam. Anfang Oktober 2000 wurde er wegen angeblicher politischer Betätigungzum zweiten Male festgenommen. Er hatte bereits zuvor drei Jahre <strong>in</strong> der Haftanstalt Trisam gesessen.Als 1996 e<strong>in</strong> “Arbeitsteam” nach Sera kam, wurden im Zuge der patriotischen Umerziehung alleBilder des Dalai Lama konfisziert. Lobsang brachte se<strong>in</strong>en Unmut über die Umerziehungskampagnedadurch zum Ausdruck, daß er drei Tage lang die Hauptversammlungshalle des Klosters verschlossenhielt. Die Behörden g<strong>in</strong>gen damals, aus Sorge, das gesamte Kloster Sera gegen sich aufzubr<strong>in</strong>gen,nicht sofort gegen ihn vor.Am 7. August 1996 wurde Lobsang dann von Sicherheitsbeamten abgeführt. Vier Monate lang wurdeer im PSB-Haftzentrum der TAR festgehalten, wonach er nach Gutsa verlegt wurde. Im TAR-Haftzentrum wurde er so schwer gefoltert, daß er Knochenbrüche und e<strong>in</strong>e Kopfverletzung davontrug.Er wurde zu drei Jahren Haft im Arbeitslager Trisam verurteilt. Nach Verbüßung se<strong>in</strong>er Strafe wurde eram 7. August 1999 entlassen. Se<strong>in</strong>e Gesundheit war zerstört, und er konnte nicht mehr gehen. Trotzder Behandlung im <strong>Tibet</strong>an Medical Institute <strong>in</strong> Lhasa verschlechterte sich se<strong>in</strong> Zustand drastisch undam 20. Oktober 2000 starb er. Bei der Himmelsbestattung stellte sich heraus, daß er an e<strong>in</strong>er Gehirnblutunggestorben war.70. PenpaPenpa, e<strong>in</strong> ehemaliger Mönch des Tsulakhang <strong>in</strong> Lhasa, verbrachte wegen se<strong>in</strong>er Beteiligung an derDemonstration vom 5. März 1989 e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong> der Haft. Als er später wegen e<strong>in</strong>es Zwischenfalls mite<strong>in</strong>er tibetischen Nationalflagge von dem Nationalen Büro für Sicherheit (ch<strong>in</strong>. an quan t<strong>in</strong>g) abgeführtwurde, wurde er schwer gefoltert. Wenige Monate vor se<strong>in</strong>er zweiten Festnahme am 14. Mai 1997hatte jemand die verbotene tibetische Flagge auf dem Dach des Jokhang Tempels gehißt. Se<strong>in</strong>e Gefängnisstrafelautete auf drei Jahre.Er starb e<strong>in</strong>en Monat nach se<strong>in</strong>er Entlassung aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen im Alter von 40 Jahren. Bereitsim Gefängnis brach se<strong>in</strong>e Gesundheit als Folge der schweren Mißhandlungen zusammen. Weil erim Outridu (Lhasa) Gefängnis gegen die unzulängliche Ernährung protestierte, wurde er besondersheftig geschlagen. Trotz ärztlicher Behandlung starb er kurz nach der Rückkehr an se<strong>in</strong>en Geburtsort<strong>in</strong> Tsang Shalu, Präfektur Gyantse.


7071. “Shol Dawa”Der 60jährige Shol Dawa war e<strong>in</strong>er der bekanntesten und angesehensten politischen Aktivisten <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>.Er starb während se<strong>in</strong>er dritten Gefangenschaft <strong>in</strong> Drapchi. Die Umstände, die am 19. November2000 zu se<strong>in</strong>em Tod führten, s<strong>in</strong>d unklar. Er war zuletzt bei schlechter Gesundheit, hatte e<strong>in</strong> Nierenleidenund wurde <strong>in</strong> den Jahren vor se<strong>in</strong>em Tod mehrmals mißhandelt und geschlagen. E<strong>in</strong> älterer ehemaligerpolitischer Häftl<strong>in</strong>g aus Lhasa, der jetzt im Exil lebt, sagte: “Er hatte viele K<strong>in</strong>der, und obwohl erdreimal im Gefängnis landete, arbeitete er unverdrossen für unsere Sache weiter. Am Ende gab er fürdie geme<strong>in</strong>same Sache [der <strong>Tibet</strong>er] se<strong>in</strong> Leben dah<strong>in</strong>. Er bereute nichts und änderte auch im Gefängnisse<strong>in</strong>e politischen Ansichten nicht”.Shol Dawa war e<strong>in</strong> Schneider aus Lhasa, der se<strong>in</strong>en Spitznamen dem früheren Dorf Shol am Fußedes Potala Palastes zu verdanken hatte. Er verbüßte e<strong>in</strong>e 9jährige Gefängnisstrafe, weil er e<strong>in</strong>e Listeder Namen politischer Häftl<strong>in</strong>ge aufgestellt hatte, die er aus <strong>Tibet</strong> herausschmuggeln wollte – e<strong>in</strong> Delikt,das von der ch<strong>in</strong>esischen Justiz als “Spionage” klassifiziert wird. Dies war se<strong>in</strong>e dritte und längsteHaftzeit, im August 2004 sollte er entlassen werden.Er wurde erstmals 1981 festgenommen und zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er 260 Kopien e<strong>in</strong>esPamphlets über tibetische Geschichte mit dem Titel “20 Jahre e<strong>in</strong>er tragischen Erfahrung” angefertigthatte. Dessen Autor war der berühmte Dissidenten-Gelehrte Geshe Lobsang Wangchuk, der 1987 imGefängnis starb. Das offizielle Urteil von 1982 besagte, daß er “e<strong>in</strong> Bild e<strong>in</strong>er tibetischen Nationalflaggeauf e<strong>in</strong> Zirkular gedruckt” hätte. 1985 wurde Dawa wieder <strong>in</strong>haftiert und <strong>in</strong> der Folge zu 4 Jahrenverurteilt, weil er, wie es <strong>in</strong> den Gerichtsakten heißt “mit eigener Hand 10 Kopien e<strong>in</strong>es Zirkulars hergestellthatte, <strong>in</strong> dem er die miserablen Lebensverhältnisse der <strong>Tibet</strong>er anprangerte”. Die Plakate undWandzeitungen seien am Barkhor, dem traditionellen tibetischen Stadtviertel Lhasas, angebracht worden,außerdem im Lukhang (dem Park h<strong>in</strong>ter dem Potala), am Büro der Abteilung für DarstellendeKünste der TAR und am zweiten Gästehaus der Regierung.Als Shol Dawa nach se<strong>in</strong>er zweiten Inhaftierung entlassen wurde, warnten ihn die Behörden, falls ernoch e<strong>in</strong>mal festgenommen würde, drohte ihm die H<strong>in</strong>richtung. Sechs Jahre nach se<strong>in</strong>er zweiten Gefängniszeitkam es 1995 zur dritten Festnahme. Shol Dawa und Topgyal wurden <strong>in</strong> Lhasa festgenommen,denn man warf ihnen vor, e<strong>in</strong>e Liste von tibetischen politischen Gefangenen zusammengestelltzu haben, die sie nach Indien schicken wollten. In den Gerichtsakten steht, sie hätten die Liste nachAngaben verfaßt, die ihnen von zwei ehemaligen Häftl<strong>in</strong>gen, Dondrub Dorje, e<strong>in</strong>em Kraftfahrer, undRatoe Dawa, e<strong>in</strong>em früheren Mönch, gemacht wurden. Wörtlich lautete die Urteilsschrift: “DieVolksprokuratur der Stadt Lhasa beschuldigt die Angeklagten Xue Dawa [ch<strong>in</strong>. Umschrift von SholDawa] und Duobujie [Topgyal], geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>e Namensliste derzeitiger und entlassener politischerHäftl<strong>in</strong>ge aus unserer Region zusammengestellt sowie reaktionäre Briefe geschrieben zu haben, diesie mit e<strong>in</strong>em selbstgemachten Ochsenkopf-Stempel versahen, um sie der Dalai Clique im Auslandzukommen zu lassen. In der Verhandlung gegen die beiden wurde bewiesen, daß der Angeklagte XueDawa von 1993 bis 1994 Dunzhu Duojie [Dondrub Dorje] und Reduo Dawa [Ratoe Dawa] veranlaßthatte, e<strong>in</strong>e Aufstellung mit den Namen der jetzigen und bereits entlassenen politischen Häftl<strong>in</strong>ge derRegion anzufertigen, die sie dann dem Angeklagten Xue Dawa aushändigten” (Strafurteil des MittlerenVolksgerichts, Lhasa, 1996). Der Urteilsschrift zufolge sei Shol Dawa weiterh<strong>in</strong> angeklagt worden, mitder “<strong>Tibet</strong>ischen Frauenorganisation der Dalai Clique” (womit die <strong>Tibet</strong>an Women’s Association <strong>in</strong> Dharamsalageme<strong>in</strong>t ist) Kontakt aufgenommen zu haben. Shol Dawa und Topgyal wurden beschuldigt,“von ausländischen Fe<strong>in</strong>den mit e<strong>in</strong>er speziellen Mission beauftragt gewesen zu se<strong>in</strong>, auf unseremTerritorium diverse Arten von geheimen Informationen über dieses Land zu sammeln, und krim<strong>in</strong>ellenTätigkeiten nachgegangen zu se<strong>in</strong>, welche die Staatssicherheit gefährden”.Auf se<strong>in</strong>e zweite Entlassung h<strong>in</strong> befand sich Shol Dawa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr schlechten gesundheitlichenZustand, er hatte stark an Gewicht verloren und litt unter heftigen Kopfschmerzen und Übelkeit. Erkonnte nur noch Tsampa zu sich nehmen und erbrach jede andere Speise. Nach se<strong>in</strong>er dritten Festnahme1995 wurde er mehrmals von den anderen Häftl<strong>in</strong>gen abgesondert und besonders schwermißhandelt, weil er sich, was se<strong>in</strong>en politischen Standpunkt betrifft, als unnachgiebig erwies. Die ch<strong>in</strong>esischenBehörden pflegen nämlich am härtesten mit jenen Gefangenen umzugehen, die sich der“Reform” störrisch widersetzen, und wie se<strong>in</strong>e Freunde berichteten, blieb Dawa se<strong>in</strong>er politischenÜberzeugung stets treu. Se<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Versorgung im Gefängnis erfolgte entweder verspätetoder war unzulänglich.


71Shol Dawas politische Ansichten sche<strong>in</strong>en sich <strong>in</strong> der Zeit, als er als junger Mann den Volksaufstandvom März 1959 <strong>in</strong> Lhasa miterlebte, geformt zu haben. Ende der 70er Jahre wurde er während derKulturrevolution als e<strong>in</strong> “Schwarzhut” gebrandmarkt – e<strong>in</strong>e Bezeichnung der Kommunisten für jemanden,der das Mißfallen der Partei auf sich gezogen hat.Ehemalige politische Häftl<strong>in</strong>ge er<strong>in</strong>nern sich liebevoll an Shol Dawa, denn <strong>in</strong> den 80er Jahren pflegteer, wenn er gerade selbst nicht <strong>in</strong>haftiert war, den Gefangenen Essenspakete mit Dosenfleisch, Butter,Zucker und Tsampa (geröstetes Gerstenmehl) zu br<strong>in</strong>gen.Shol Dawas Familie stand wegen se<strong>in</strong>er politischen Aktivitäten unter ständiger behördlicher Überwachung.Se<strong>in</strong> Sohn Samdrub soll zeitweise <strong>in</strong>haftiert und zu mehreren Anlässen geschlagen wordense<strong>in</strong>. Er starb 1998 <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>. E<strong>in</strong> anderer se<strong>in</strong>er Söhne wurde aus se<strong>in</strong>em Job gejagt, se<strong>in</strong>e Tochterwurde nach se<strong>in</strong>er zweiten Verhaftung aus der Schule ausgeschlossen, und die Sicherheitspolize<strong>in</strong>ahm mehrere Razzien <strong>in</strong> der Wohnung der Familie vor. Lhakpa Dolma, se<strong>in</strong>e Frau, starb 1987, währendihr Mann zum zweiten Mal im Gefängnis saß.72. Sonam R<strong>in</strong>chenSonam R<strong>in</strong>chen, e<strong>in</strong> 27jähriger politischer Gefangener, starb Mitte Januar 2000 im Drapchi Gefängnis.Obwohl se<strong>in</strong>e genaue Todesursache unbekannt ist, soll er unbestätigten Berichten zufolge seit 1997krank gewesen se<strong>in</strong>. Er wurde 1973 <strong>in</strong> der Ortschaft Gyama, Kreis Meldrogongkar, geboren und ware<strong>in</strong> Sprößl<strong>in</strong>g der Khangsar Familie. Nach der großen Massendemonstration vom 27. September 1987engagierte sich R<strong>in</strong>chen für die Unabhängigkeit <strong>Tibet</strong>s. Er begann se<strong>in</strong>e Aktivitäten <strong>in</strong> dem Kreis Meldrogongkar,wo er politische Pamphlete verteilte und an Mauern anbrachte. Bei e<strong>in</strong>er Bürgerversammlung<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Dorf 1990 protestierte se<strong>in</strong> Stiefvater Thupten Yeshi gegen die Bergbauoperationen derCh<strong>in</strong>esen <strong>in</strong> dem Landkreis und forderte e<strong>in</strong>e sofortige E<strong>in</strong>stellung des Raubbaus.Am 30. Juni 1992 unterbrachen Sonam R<strong>in</strong>chen, Sonam Dorjee, Kunchok Lodoe und Lhundrup Dorjeee<strong>in</strong>e Versammlung zur “patriotischen Umerziehung”, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>e tibetische Flagge entrollten undUnabhängigkeitsparolen wie “Free <strong>Tibet</strong>”, “Lang lebe Se<strong>in</strong>e Heiligkeit der Dalai Lama”, “Ch<strong>in</strong>esen rausaus <strong>Tibet</strong>” riefen. Als PSB-Kräfte von Meldrogongkar begannen, auf die vier e<strong>in</strong>zuschlagen und siewegzuzerren, protestierten etwa 100 Personen. Das Resultat waren mehrere Festnahmen.E<strong>in</strong> paar Wochen später, am 6. Juli, wurde R<strong>in</strong>chens Stiefvater Thupten Yeshi festgenommen, weil ermit den Demonstranten geme<strong>in</strong>same Sache gemacht hätte. Beide kamen <strong>in</strong> die Gutsa-Haftanstalt, wosie schwer geschlagen wurden. Der Umstand, daß auch R<strong>in</strong>chens Bruder Tamd<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e 5jährige Strafe<strong>in</strong> Drapchi wegen politischer Aktivitäten verbüßte, bedeutete, daß R<strong>in</strong>chen und Yeshi, nachdem sieauch dorth<strong>in</strong> verlegt wurden, e<strong>in</strong>e besonders brutale Behandlung erfuhren.73. Tser<strong>in</strong>g WangdragTser<strong>in</strong>g Wangdrag, e<strong>in</strong> 45jähriger tibetischer Bauer, starb am 4. Juni 2000 nach bestialischer Mißhandlungund <strong>Folter</strong>ung. Am 25. Oktober 1999 war er wegen e<strong>in</strong>er Demonstration <strong>in</strong> Kardze, Prov<strong>in</strong>z Sichuan,festgenommen worden. Er hatte bereits drei Jahre und 8 Monate se<strong>in</strong>er auf 4 Jahre lautendenStrafe verbüßt. Der Protest richtete sich gegen die Verhaftung des geachteten buddhistischen Lehrersund tibetischen Gelehrten Geshe Sonam Phuntsog. Obwohl dessen 5jährige Haft <strong>in</strong>zwischen zu Endeist, steht dieser immer noch unter Hausarrest.200174. Tsultrim TopgyalTsultrim Topgyal stammte aus der Geme<strong>in</strong>de Khimshe, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka. Nach demBesuch der staatlichen Grundschule wurde Tsultrim 1987 im Kloster Sungrabl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der Präfektur Lhokazum Mönch ord<strong>in</strong>iert. Im Juli 1997 brachte er zusammen mit fünf se<strong>in</strong>er Freunde Poster politischen


72Inhalts um das Kloster herum an und demonstrierte friedlich. Das Sicherheitspersonal war schnell zurStelle, doch örtliche Bewohner konnten durch e<strong>in</strong>en massiven Protest die Festnahme der Mönche verh<strong>in</strong>dern.Am nächsten Morgen kamen die Polizisten jedoch <strong>in</strong>s Kloster und nahmen sie fest. Zwei Sicherheitskräftewurden vor jedem Haus der Ortschaft stationiert, um weiteren Beh<strong>in</strong>derungen durch die Bevölkerungvorzubeugen. Auch e<strong>in</strong> paar Laien wurden festgenommen. Sechs Monate lang wurden sie imHaftzentrum von Lhoka festgehalten, wo sie immer wieder unter Schlägen und <strong>Folter</strong> vernommen wurden.Danach wurden sie wegen Gefährdung der Staatssicherheit vor das Höhere Volksgericht vonLhoka gestellt und zu Strafen verschiedener Länge verurteilte. Tsultrim Topgyal und Yeshi J<strong>in</strong>pa bekamenje fünf Jahre und wurden nach Drapchi verlegt.Wegen der <strong>Folter</strong>ung <strong>in</strong> Drapchi g<strong>in</strong>g es mit se<strong>in</strong>er Gesundheit rapide bergab, <strong>in</strong>sbesondere, da ihmdie rechtzeitige und ordentliche mediz<strong>in</strong>ische Versorgung versagt wurde. Nach Vollendung se<strong>in</strong>er5jährigen Haftstrafe wurde Topgyal im Juni 2001 entlassen. Durch die exzessiven Mißhandlungen befander sich jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so schlimmen Zustand, daß er zwei Monate später an se<strong>in</strong>em Heimatortstarb.75. Namgyal TashiNamgyal Tashi, der Vater von Ngawang Sangdrol, war e<strong>in</strong> ehemaliger politischer Gefangener, der ursprünglichaus der Geme<strong>in</strong>de Chideshol, Kreis Gongkar, Präfektur Lhoka, stammte. Wegen se<strong>in</strong>erUnabhängigkeitsaktivitäten 1959 und während der Kulturrevolution mußte Tashi viele Jahre lang <strong>in</strong>Arbeitslagern verbr<strong>in</strong>gen.Auf e<strong>in</strong>en Vorfall mit der tibetischen Flagge im Kloster Samye h<strong>in</strong> wurden Tashi und se<strong>in</strong> Sohn, dieman auch anderer politischer Aktivitäten verdächtigte, sowie vier weitere Verwandte im Juni 1991 festgenommen.Namgyal Tashi wurde nach 8 Jahren im Drapchi Gefängnis 1998 entlassen. Se<strong>in</strong> gesundheitlicherZustand war <strong>in</strong>folge der zahlreichen Mißhandlungen, die er während der Verhöre im Laufeder Jahre <strong>in</strong> diversen Haftzentren, Gefängnissen und Arbeitslagern zu erdulden hatte, sehr schlecht.Am 20. August 2001 starb er zu Hause <strong>in</strong> Lhasa im Alter von 66 Jahren.76. Ngawang LochoeNgawang Lochoe, e<strong>in</strong>e 28jährige Nonne des Klosters Nyen, stammte aus dem Kreis Toelung Dechen,Bezirk Lhasa. Sie starb am 5. Februar 2001 im Drapchi Gefängnis, e<strong>in</strong> Jahr vor Vollendung ihres auf10 Jahre lautenden Urteils. Ngawang Lochoe wurde zusammen mit 5 weiteren Nonnen, alle aus demKloster Nyen, wegen Teilnahme an e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration <strong>in</strong> Lhasa am 14. Mai 1992 festgenommen.Sie wurden der “Aufstachelung zu konterrevolutionären Aktivitäten und Propaganda” angeklagt,und Lochoe, die damals 19 Jahre alt war, wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Während der 7Monate, die sie bis zu ihrer Verurteilung <strong>in</strong> der Gutsa Haftanstalt e<strong>in</strong>saßen, wurden Lochoe und ihreMitnonnen bei den Verhören unmenschlicher Behandlung unterzogen.In Drapchi war Lochoe e<strong>in</strong>e jener 14 Nonnen, die im Juni 1993 Lieder und Botschaften an ihre Familienund Freunde auf e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Gefängnis geschmuggeltes Tonband aufgenommen hatten. Als die Gefängnisleitungihr heimliches Tun entdeckte, wurden sie mit der Verlängerung ihrer Haftzeiten bestraft.Lochoes Urteil wurde um 5 Jahre verlängert, womit es <strong>in</strong>sgesamt 10 Jahre betrug. Als jemand vonihren Angehörigen sie besuchen wollte – es war zwei Monate vor ihrem Tod –, ließen die Aufsehernicht zu, daß diese Person Lochoe zu Gesicht bekam. Sie starb am 5. Februar, kurz nachdem sie <strong>in</strong>das Polizeihospital <strong>in</strong> der Nähe von Drapchi verlegt worden war. Ihren Angehörigen wurden am selbenTag mitgeteilt, es g<strong>in</strong>ge ihr nicht gut und sie sei <strong>in</strong>s Krankenhaus e<strong>in</strong>geliefert worden. Als sie dort e<strong>in</strong>trafen,zeigte man ihnen e<strong>in</strong>fach den toten Körper von Lochoe, ohne daß man sie über die Todesursacheaufgeklärt hätte.Ihre Mitstreiter<strong>in</strong>nen, die mit ihr <strong>in</strong>haftiert waren und im letzten Jahr die Flucht <strong>in</strong>s Exil wagten, sagten:“Es sei denn, e<strong>in</strong> großes Unglück hätte sie ereilt, könnte sie unmöglich e<strong>in</strong>es so plötzlichen Todes gestorbense<strong>in</strong>. Sie war e<strong>in</strong>e gesunde Person von Natur aus und im Gefängnis nie länger krank gewesen”.


7377. Saru DawaSaru Dawa wurde <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Saru, Kreis Dzoge, TAP Ngaba, Prov<strong>in</strong>z Sichuan, geboren. ImAlter von 13 Jahren trat er <strong>in</strong> das Kloster Taktsang Lhamo Kirti e<strong>in</strong>. 1992 g<strong>in</strong>g er nach Indien, wo ersich dem Exilkloster Kirti <strong>in</strong> Dharamsala anschloß. Nachdem er dort 8 Jahre se<strong>in</strong>en Studien nachgegangenwar, kehrte er im November 2000 auf die Nachricht von der Erkrankung se<strong>in</strong>er Mutter nach<strong>Tibet</strong> zurück. Dawa wurde am 20. November <strong>in</strong> der Grenzortschaft Dram festgenommen. Man fand e<strong>in</strong>Bild bei ihm, das ihn mit dem Dalai Lama zeigte, sowie mehrere von der tibetischen Exilgeme<strong>in</strong>schaftveröffentlichte Bücher. Daru Dawa starb unter mysteriösen Umständen am 9. Januar 2001. Die ch<strong>in</strong>esischenBehörden behaupteten, der 27jährige Mönch hätte sich aus Gewissensbissen über se<strong>in</strong> begangenesVerbrechen und weil er sich körperlich unwohl fühlte, das Leben genommen.Als se<strong>in</strong>e Verwandten erfuhren, daß Saru Dawa festgenommen worden war, starteten sie sofort Erkundigungenan diversen Orten und bei Polizeistationen <strong>in</strong> der Nähe der Grenze. Sie hatten gehört,daß alle an der Grenze festgenommenen <strong>Tibet</strong>er <strong>in</strong> das Haftzentrum Nyari <strong>in</strong> Shigatse kommen, weshalbsie bei dem Leiter dieses Gefängnisses vorsprachen. Dieser leugnete, e<strong>in</strong>e Person namens Dawafestzuhalten. E<strong>in</strong> Tr<strong>in</strong>kgeld von den Verwandten bewirkte jedoch, daß e<strong>in</strong> Gefängnisangestellter zugab,daß Dawa e<strong>in</strong>ige Zeit lang <strong>in</strong> diesem Haftzentrum war, dann aber Selbstmord begangen hätte.Am 15. Februar wurden die Angehörigen <strong>in</strong> der Nähe des Gefängnisses zu der Stelle geführt, wo DawasKörper begraben worden war. Die Beamten exhumierten die Leiche, ohne daß die Angehörigensie berühren durften. Die Leiche strömte überhaupt ke<strong>in</strong>en Verwesungsgeruch aus, und auf das Verlangender Verwandten wurde sie noch am selben Tag vor ihren Augen e<strong>in</strong>geäschert.Den Verwandten wurde mitgeteilt, daß Dawa e<strong>in</strong> schweres Verbrechen begangen hätte. Als Beweisdafür zeigte man ihnen e<strong>in</strong> Bild, auf dem er zusammen mit dem Dalai Lama zu sehen war, sowie e<strong>in</strong>igeim Exil veröffentlichte Bücher. E<strong>in</strong> Gefängniswärter sagte, Dawa sei bei se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>lieferung <strong>in</strong> dieHaftanstalt <strong>in</strong> schlechter gesundheitlicher Verfassung gewesen und trotz ärztlicher Behandlung hättesich se<strong>in</strong> Zustand nicht gebessert. Se<strong>in</strong> körperliches Leiden zusammen mit der Reue über se<strong>in</strong> ernstesVerbrechen sei zu viel für ihn gewesen, so daß er sich am 9. Januar 2001 das Leben genommen hätte.E<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Mitmönche des Klosters Kirti bestätigte, daß Dawa e<strong>in</strong>en ganzen Sack voll Bücher mitnach <strong>Tibet</strong> nehmen wollte, es habe sich dabei aber um re<strong>in</strong> religiöse Texte und ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Buchpolitischen Inhalts gehandelt.78. Tseta MarongIm Zuge e<strong>in</strong>er Verhaftungswelle <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Thandong, Kreis Tengchen, Präfektur Chamdo, wurdee<strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>er namens Tseta Marong zu Tode geschlagen und drei andere wurden lebensgefährlichverletzt. Die Festnahmen, die völlig willkürlicher Natur waren, standen im Zusammenhang mit Ermittlungenim Anschluß an e<strong>in</strong>e Bombenexplosion am 11. Juli 2001 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bergarbeiter-Siedlung <strong>in</strong> derNähe der Thandong Goldm<strong>in</strong>e. Vier ch<strong>in</strong>esische Bergleute sollen dabei verletzt worden se<strong>in</strong>.Die Goldförderung <strong>in</strong> der Gegend wurde <strong>in</strong> den Neunzigern begonnen, nachdem e<strong>in</strong> Expertenteam fürGoldschürfung auf dem Land der Geme<strong>in</strong>de Thandong e<strong>in</strong>en golderzhaltigen Berg entdeckt hatte. Vondiesem Zeitpunkt an machten sich die E<strong>in</strong>heimischen Sorge wegen der möglichen ökologischen Katastrophe,welche der Goldabbau hervorrufen könnte. Aus Furcht vor harter Bestrafung, die ihnen drohenwürde, konnten sie ihrem Unmut über das Projekt aber ke<strong>in</strong>en Ausdruck verleihen.Die Behörden vermuteten e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen der Sprengstoffexplosion und dem Widerstandder Bevölkerung gegen das Bergbauprojekt. Ermittlungen großen Umfangs wurden e<strong>in</strong>geleitet,um die Schuldigen d<strong>in</strong>gfest zu machen. Die Polizisten des PSB begannen die Bewohner der Umgegendzu schikanieren und zu schlagen. Tseta Marong wurde dabei so schwer mißhandelt, daß er am18. Juli 2001 starb. Drei weitere Personen, die namentlich nicht bekannt s<strong>in</strong>d, gerieten auf die heftigenSchläge h<strong>in</strong> ebenfalls <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kritischen Zustand.


74200279. Lobsang DhargyalLobsang Dhargyal starb am 19. November 2002 im Alter von 40 Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Arbeitslager zur “Reformdurch Arbeit” <strong>in</strong> der Stadt Sil<strong>in</strong>g im Kreis Machen, bei dem es sich um e<strong>in</strong>e Baustelle für e<strong>in</strong> Wasserkraftwerkhandelt. Er war e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Rabgya im Kreis Machen (ch<strong>in</strong>. Maq<strong>in</strong> Xian), TAPGolog, Prov<strong>in</strong>z Q<strong>in</strong>ghai. 1962 als Sohn von Shergyam und Tsodon geboren, half Dhargyal als Bubse<strong>in</strong>en Eltern bei der nomadischen Arbeit und lernte gleichzeitig die tibetische Sprache.Wegen angeblicher Spionage und “spalterischer Tätigkeiten” wurde er zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.Bereits früher war er zweie<strong>in</strong>halb Jahre <strong>in</strong>haftiert gewesen, weil er sich für die tibetische Unabhängigkeite<strong>in</strong>gesetzt hatte. In der von Unabhängigkeitsbestrebungen geprägten Periode nach 1987druckte Dhargyal zusammen mit Lobsang Palden und Yeshi Gyaltsen annähernd 40.000 Flugblätter,die sie unter die Leute verteilten. Am 15. November 1992, am Vorabend der Inthronisationszeremoniefür den 13jährigen Sh<strong>in</strong>gsang R<strong>in</strong>poche, verteilten die drei ihre Flugblätter an strategisch günstigenPunkten wie Fernstraßen, geschäftigen Straßenmärkten und dem Umrundungsweg um das KlosterRabgya unter die Leute. Auf dem Dach der Versammlungshalle des Klosters hißten sie zudem e<strong>in</strong>etibetische Nationalflagge und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ecke brachten sie e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere Papierfahne an.Am folgenden Abend vernahmen PSB-Beamte von der Kreisverwaltung Machen und von der PräfekturGolog die gesamte Belegschaft des Klosters. Zehn Tage danach, am 25. November 1992, wurdeDhargyal festgenommen. In se<strong>in</strong>em Zimmer wurden hölzerne Druckstöcke gefunden, die er zum Drukkender Flugblätter benutzte. Se<strong>in</strong> Freund konnte entkommen. Nach e<strong>in</strong>em Jahr Haft im Golog-Gefängnis wurde Dhargyal vom Mittleren Volksgericht Golog zu e<strong>in</strong>er Gefängnisstrafe von zweie<strong>in</strong>halbJahren und zwei Jahren Verlust der bürgerlichen Rechte verurteilt. Während der ganzen Zeit se<strong>in</strong>erGefangenschaft waren se<strong>in</strong>e Hände <strong>in</strong> Handschellen gelegt und se<strong>in</strong>e Füße gefesselt. Durch dieschweren Schläge verlor er zwei se<strong>in</strong>er Schneidezähne. Lobsang Dhargyal wurde am 25. Mai 1995aus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen sechs Monate vor Ablauf der Haftzeit entlassen.Anfang 1997 wurde das Kloster Rabgya unter permanente Überwachung gestellt, und es wurden ihmschwere Restriktionen auferlegt. Im April 1997 floh Dhargyal zusammen mit Sh<strong>in</strong>gsang R<strong>in</strong>poche, dener <strong>in</strong>s Kloster Sera nach Süd<strong>in</strong>dien br<strong>in</strong>gen wollte. Als er im Mai 2001 nach <strong>Tibet</strong> zurückkehrte, umse<strong>in</strong>e kranke Mutter zu besuchen, wurde er <strong>in</strong> der Nähe von Shigatse festgenommen und von der dortigenPolizei den Behörden der TAP Golog überstellt. Im Oktober desselben Jahres verurteilte das MittlereVolksgericht von Golog Lobsang Dhargyal wegen Verdachts auf Spionage und “spalterische Aktivitäten”zu 15 Jahren Gefängnis.E<strong>in</strong> Neuankömml<strong>in</strong>g aus <strong>Tibet</strong>, der 29jährige Lobsang Tsultrim, erzählte: “Im April 2001, als ich mit ihmund Tashi Gyatso über Solokhumbu nach <strong>Tibet</strong> zurückkehrte, wurden wir von der ch<strong>in</strong>esischen Polizeigefaßt. Als sie auf uns e<strong>in</strong>zuschlagen begannen, wehrten wir uns und konnten entkommen. Da wir mitder Gegend nicht vertraut waren, rannten wir <strong>in</strong> verschiedene Richtungen davon. Dhargyal wurde imalten Kreis T<strong>in</strong>gri festgenommen und ich im neuen Kreis T<strong>in</strong>gri, Tashi Gyatso <strong>in</strong> Golog nach se<strong>in</strong>erRückkehr nach Hause. Nachdem man ihn 5 Tage lang im Haftzentrum von Nyari festgehalten hatte,brachten drei Polizisten Dhargyal nach Golog <strong>in</strong> Amdo. Danach sah ich ihn nie wieder. Es besteht ke<strong>in</strong>Zweifel, daß er <strong>Folter</strong> und Mißhandlung im Gefängnis erlitt. Dhargyal war e<strong>in</strong> guter Mensch, er wargesellig und kam mit allen gut aus. Er war sehr gebildet und patriotisch ges<strong>in</strong>nt. Die Nachricht überse<strong>in</strong>en plötzlichen Tod war e<strong>in</strong> großer Schock für mich. Jeder <strong>Tibet</strong>er sollte ihm nachzueifern suchen.Jeden Tag denke ich an ihn”.80. Thupten NamdolThupten Namdol, 71, wurde <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>de Dagpo, Kreis Gyatsa, Präfektur Lhoka, TAR, geborenund im Kloster Dagpo Shedrupl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Lhoka zum Mönch ord<strong>in</strong>iert. Während des tibetischen Volksaufstands1959 diente er als Verb<strong>in</strong>dungsmann zwischen se<strong>in</strong>em Kloster und den Freiheitskämpfern.1960 wurde er als Konterrevolutionär und Verfechter tibetischer Unabhängigkeit verhaftet, zu 20 JahrenGefängnis verurteilt und <strong>in</strong> Drapchi e<strong>in</strong>gesperrt. 1964 wurde er nach Powo Tramo verlegt und 1980entlassen. Sogleich schloß er sich wieder der tibetischen Unabhängigkeitsbewegung an. Noch im selbenJahr besuchte er Indien, um dort se<strong>in</strong>e Verwandten und Freunde zu treffen. Danach kehrte er


75nach <strong>Tibet</strong> zurück. Er gab e<strong>in</strong>ige von se<strong>in</strong>em Freund Tenpa Phulchung verfaßte und die Unabhängigkeit<strong>Tibet</strong>s befürwortende Artikel e<strong>in</strong>em Touristen mit, damit dieser sie <strong>in</strong>s Ausland br<strong>in</strong>ge.Zusammen mit Choezed Metok druckte und klebte er Hunderte von Plakaten, auf denen die beidenallen <strong>Tibet</strong>ern, die an den friedlichen Unabhängigkeitsdemonstrationen <strong>in</strong> Lhasa vom 27. Oktober und1. Oktober 1987 teilgenommen hatten, ihre Dankbarkeit und Grüße entboten.Thupten wurde am 16. Dezember 1987 wegen der Plakate mit der Forderung nach Unabhängigkeit,die sich bei ihm fanden, erneut festgenommen und im Sangyip Gefängnis der TAR <strong>in</strong>haftiert. Infolgeder vielen Jahre, die er im Gefängnis saß, und der Schläge, mit denen er traktiert wurde, verschlechtertesich se<strong>in</strong> Gesundheitszustand immer mehr, aber er durfte den Gefängnisarzt nicht aufsuchen. Am6. November 1994 wurde er bed<strong>in</strong>gt auf Bewährung entlassen. Aber durch die langjährige Gefangenschaftund die unmenschliche Behandlung, die er erlitten hatte, war er e<strong>in</strong> sowohl körperlich als auchgeistig kranker Mann. Nach langem Siechtum starb er am 17. Mai 2002 zu Hause <strong>in</strong> Lhasa im Altervon 71 Jahren.81. Yulo Dawa Tser<strong>in</strong>gDer ehrwürdige Yulo Dawa Tser<strong>in</strong>g wurde 1930 im Kreis Taktse, Bezirk Lhasa, TAR, geboren. In jungenJahren wurde er als die Re<strong>in</strong>karnation von Choney Yulo R<strong>in</strong>poche erkannt und daraufh<strong>in</strong> <strong>in</strong>s KlosterGanden Shartse gebracht. 1950 erwarb er den angesehenen Titel e<strong>in</strong>es Geshe. Später vertiefte ersich <strong>in</strong> der Tantra-Schule von Gyuto <strong>in</strong> den tantrischen Buddhismus.1959 wurde Tulku Dawa Tser<strong>in</strong>g im Zusammenhang mit dem Volksaufstand von Lhasa festgenommenund zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Nach 20 Jahren im Drapchi Gefängnis, wo er der 5. Arbeitsbrigadezugeteilt war, wurde er schließlich 1979 entlassen. Danach lehrte er bis 1982 an der Universitätvon Lhasa buddhistische Philosophie. Im selben Jahr wurde er Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz und der Buddhistischen Vere<strong>in</strong>igung von Lhasa.Am 26. Dezember 1987 wurde er zusammen mit se<strong>in</strong>em Freund, dem ehrw. Thupten Tser<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong>emMönch des Klosters Sera, verhaftet, weil er e<strong>in</strong>em im Exil lebenden tibetischen Mönch und dem italienischenTouristen Dr. Stefano Dallari e<strong>in</strong> Interview gegeben hatte, das auf Video aufgenommen wurdeund <strong>in</strong> dem er von den schweren Menschenrechtsverletzungen <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> und der allgeme<strong>in</strong>en Armutsprach.E<strong>in</strong>er Sendung von Radio Lhasa vom März 1988 zufolge “teilten am Nachmittag des 26. Juli 1987 zweiMönche, Yulo Dawa Tser<strong>in</strong>g und Thupten Tser<strong>in</strong>g, ausländischen fe<strong>in</strong>dlichen Elementen, die als Touristennach <strong>Tibet</strong> gekommen waren, ihre reaktionären Ansichten mit, d.h. ihr Verlangen nach Unabhängigkeitfür <strong>Tibet</strong>. Die zwei Mönche schimpften auch über den von der Kommunistischen Partei Ch<strong>in</strong>asund der Volksregierung e<strong>in</strong>geschlagenen politischen Kurs”. Beide Mönche wurden unter dem Art.102(2) des ch<strong>in</strong>esischen Strafgesetzes der Verbreitung “konterrevolutionärer Propaganda” angeklagt.Nach ihrer Festnahme am 26. Dezember 1987 wurden sie zuerst e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong> dem UntersuchungsgefängnisSeitru festgehalten, wovon sie sich 7 Monate <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelhaft mit häufigen nächtlichen Vernehmungenbefanden. Am 19. Januar 1989 verurteilte das Mittlere Volksgericht von Lhasa Yulo DawaTser<strong>in</strong>g zu 10 Jahren und den ehrw. Thupten Tser<strong>in</strong>g zu 6 Jahren Gefängnis <strong>in</strong> Drapchi.Diplomaten aus vier skand<strong>in</strong>avischen Ländern, die bei ihrem Besuch <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> im November 1990 mitTulku Dawa Tser<strong>in</strong>g im Drapchi Gefängnis zusammentrafen, berichteten, er befände sich <strong>in</strong> relativguter Verfassung. Yulo Dawa Tser<strong>in</strong>g wurde im November 1994, drei Wochen vor der Ankunft von UN-Vertretern <strong>in</strong> Lhasa, auf Bewährung entlassen. Bei e<strong>in</strong>er Begegnung mit ihnen erzählte er von e<strong>in</strong>emVerbot religiöser Aktivitäten <strong>in</strong> den Gefängnissen und ebenso, daß Mönche und Nonnen, die <strong>in</strong>haftiertwaren, nicht wieder <strong>in</strong> ihr Kloster aufgenommen würden. Beide Punkte fanden <strong>in</strong> den UN-Report E<strong>in</strong>gang,der nach dem Besuch verfaßt wurde. Obwohl er sich nicht mehr im Gefängnis befand, stand erunter der ständigen Überwachung durch die Polizei und Armee. Infolge der langen Zeit, die er <strong>in</strong> Gefangenschaftverbracht hatte, und der unmenschlichen Behandlung war er psychisch und physischgebrochen. Er starb am Nachmittag des 16. Januar 2002 zu Hause.


82. Ngawang Donsel76Ngawang Donsel, die mit 28 Jahren starb, wurde im Kreis Dranang, Präfektur Lhoka, geboren. Siewurde im Kloster Chutsang sehr jung zur Nonne ord<strong>in</strong>iert. 1995 demonstrierte sie friedlich zusammenmit drei weiteren Nonnen aus Lhasa. Sie wurde <strong>in</strong> Gutsa <strong>in</strong>haftiert und später zu vier Jahren <strong>in</strong> Drapchiverurteilt. Im Gefängnis wurde sie dermaßen brutal gefoltert, daß ihre Gesundheit völlig zusammenbrach.Nach ihrer Entlassung im Januar 1999 arbeitete sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em privaten Restaurant, trotzdemkonnte sie die hohen Kosten für die ärztliche Behandlung nicht bestreiten. Infolge der unmenschlichenMißhandlungen, denen sie ausgesetzt war, litt sie an den zahlreichen Gebrechen, die 2002 schließlichzu ihrem Tod führten.200383. Lobsang DamchoeLobsang Damchoe wurde 1938 <strong>in</strong> dem Dorf Changra, Kreis Gyantse, Präfektur Shigatse, geboren undwar e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Palkhor. 1958 schloß sich Lobsang der Freiwilligen Dharma-Schutz-Truppe an und g<strong>in</strong>g nach Lhoka, um dort gegen die e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>genden ch<strong>in</strong>esischen Soldaten zu kämpfen.1959 nahmen die Ch<strong>in</strong>esen ihn fest und <strong>in</strong>haftierten ihn <strong>in</strong> Gutsa, wo er schweren Schlägen und anderenFormen der <strong>Folter</strong> ausgesetzt wurde. Nach dem Ende se<strong>in</strong>er Haftzeit kam er <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Arbeitslager <strong>in</strong>Gyantse, wo er 20 Jahre lang unter schwierigsten Bed<strong>in</strong>gungen Zwangsarbeit leisten mußte.In den 80er Jahren lockerten die Ch<strong>in</strong>esen ihre Politik, so daß sich die Lage etwas entspannte. 1987kehrte Lobsang nach langen Jahren der Abwesenheit <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Kloster zurück. 1995 druckte er e<strong>in</strong> Buchmit Gebeten für den jungen Panchen Lama, das er an viele Leute verteilte. Daraufh<strong>in</strong> nahm die ch<strong>in</strong>esischePolizei ihn am 18. Dezember 1995 fest. Später wurde er zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt.Nach der Entlassung wohnte er bei e<strong>in</strong>em Verwandten. Er selbst war völlig mittellos, doch dank derUnterstützung durch se<strong>in</strong>e Verwandten konnte er sich vorübergehend <strong>in</strong> Behandlung begeben. Späterwohnte er bei se<strong>in</strong>em Schüler Kelsang, was sich wegen dessen spärlichen f<strong>in</strong>anziellen Mitteln alsschwierig erwies. Am 31. Januar 2003 tat Lobsang, e<strong>in</strong>er der Helden des tibetischen Freiheitskampfes,se<strong>in</strong>en letzten Atemzug.84. Nyima DrakpaNyima Drakpa stammte aus dem Kreis Tawu, TAP Kardze, Prov<strong>in</strong>z Sichuan, und war e<strong>in</strong> Mönch desdortigen Klosters Tawu Nyitso. Drei Jahre lang besuchte er die Grundschule und e<strong>in</strong> weiteres Jahr dieDistrikt-Mittelschule. Bis zu se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> das Tawu Nyitso Kloster 1989 arbeitete er <strong>in</strong> der Landwirtschaft.1990 floh er nach Indien und weilte drei Jahre lang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kloster <strong>in</strong> Süd<strong>in</strong>dien (Ganden).1994 kehrte er <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Heimatkloster nach <strong>Tibet</strong> zurück, wo er wohnte, bis er sich wegen der ihm drohendenFestnahme <strong>in</strong>folge se<strong>in</strong>er Plakatier-Tätigkeit nach Lhasa absetzte.Ende 1999 hatte Drakpa Unabhängigkeitsposter an die Tore e<strong>in</strong>es Gedächtnisgartens im Kreis Tawu,TAP Kardze, Sichuan, geklebt. Darauf standen Parolen wie ”Free <strong>Tibet</strong>”, ”Die <strong>Tibet</strong>er haben <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>ke<strong>in</strong>e Freiheit”, ”<strong>Tibet</strong> ist ke<strong>in</strong> Teil Ch<strong>in</strong>as”. Unterschrieben waren die Plakate mit se<strong>in</strong>em eigenen Namen.Beamte des Distrikt-Sicherheitsbüros (PSB) nahmen sofort die Fahndung nach dem Täter auf,sie hielten jedoch zuerst e<strong>in</strong>e andere Person mit selbem Namen aus dem Kloster Nyitso fest.Dakpa begab sich auf die Flucht, während der Mann im Polizeigewahrsam nach zwei Wochen, als dieBeamten ihr Versehen merkten, freigelassen wurde. Fahnder der Distriktpolizei von Tawu nahmenDrakpa schließlich im Mai 2000 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dorf bei Lhasa fest, nachdem ihnen zugetragen worden war,daß er sich dort verstecke. Sie brachten ihn <strong>in</strong> das PSB-Haftzentrum von Tawu, wo sie ihn schwermißhandelten, um e<strong>in</strong> Geständnis der ihm angelasteten Verbrechen von ihm zu erpressen. Se<strong>in</strong>enAngehörigen wurde das Besuchsrecht verweigert. Der Polizeichef Yeshi erhielt als Belohnung für se<strong>in</strong>e”beispielhafte Tat” e<strong>in</strong>en Geländewagen. In der Nähe des Klosters Tawu wurde e<strong>in</strong> Sicherheitspostene<strong>in</strong>gerichtet, der Yeshi unterstand und mit 15 PSB-Milizionären besetzt wurde.


77Am 5. Oktober 2000 verurteilte das Distriktgericht Drakpa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nichtöffentlichen Prozeß zu 9 JahrenGefängnis. Die Anklage lautete auf “Gefährdung der Staatssicherheit” und “Volksverhetzung”. Erstim Dezember des Jahres konnten se<strong>in</strong>e Angehörigen ihm Nahrungsmittel <strong>in</strong> die Haftanstalt schicken,obwohl sie ihn immer noch nicht besuchen durften. Üblicherweise werden Häftl<strong>in</strong>ge nach der Verurteilung<strong>in</strong> e<strong>in</strong> reguläres Gefängnis verlegt, doch Drakpa wurde weiterh<strong>in</strong> <strong>in</strong> dem Polizei-Haftzentrum desDistrikts Tawu festgehalten. Berichte drangen nach außen, daß er so schwer gefoltert worden sei, daßse<strong>in</strong>e beiden Be<strong>in</strong>e und Arme gebrochen waren. Er konnte nicht mehr alle<strong>in</strong>e stehen und mußte vonMitgefangenen gestützt werden, um zur Toilette zu gehen.Nyima Drakpa, der e<strong>in</strong>e Strafe von 9 Jahren zu verbüßen hatte, wurde Anfang September 2003 ausmediz<strong>in</strong>ischen Gründen freigelassen. Zu diesem Zeitpunkt soll er sich bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesundheitlichkritischen Zustand befunden haben. Er starb am 1. Oktober 2003 im Alter von 29 Jahren zu Hause.85. Tenz<strong>in</strong> PhuntsokTenz<strong>in</strong> Phuntsok, e<strong>in</strong>stmals Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz von Khangmar, starb am 8.September 2003 im Alter von 64 Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hospital <strong>in</strong> Shigatse als Resultat der <strong>Folter</strong>ungenund Schläge, die er während se<strong>in</strong>er Inhaftierung im Nyari Gefängnis <strong>in</strong> Shigatse erlitten hatte.Wie von <strong>Tibet</strong>.Net (der Website der tibetischen Exilregierung) berichtet, wurde der aus Khangmar <strong>in</strong>der Präfektur Shigatse stammende Tenz<strong>in</strong> Phuntsok am 21. Februar 2003 unter dem Verdacht politischerBetätigung festgenommen. Bis dah<strong>in</strong> erfreute er sich bester Gesundheit. Die <strong>in</strong> Khangmar wohnenden<strong>Tibet</strong>er schreiben se<strong>in</strong>en plötzlichen Tod der schweren Mißhandlung <strong>in</strong> der Haft zu. Dies warnicht das erste Mal, daß Tenz<strong>in</strong> Phuntsok <strong>in</strong>haftiert war. Bereits 1959 während der Besetzung <strong>Tibet</strong>sdurch die Volksbefreiungsarmee (PLA) verbüßte er zusammen mit se<strong>in</strong>em Vater fünf Jahre im Gefängnis.Damals hatte se<strong>in</strong>e Familie durch die ch<strong>in</strong>esischen Behörden Schweres zu erdulden.Tenz<strong>in</strong> Phuntsok, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Heimatstadt großes Ansehen genoß, war kurzzeitig Mitglied der PolitischenKonsultativ-Konferenz von Khangmar. Er hatte mehrere Pilgerfahrten nach Indien unternommenund dort se<strong>in</strong>e Verwandten besucht. 2001 verbrachte er längere Zeit <strong>in</strong> Indien. Er h<strong>in</strong>terließ se<strong>in</strong>e Frau,se<strong>in</strong>e Mutter und elf K<strong>in</strong>der.86. Yeshi GyatsoYeshi Gyatso starb am 15. Januar 2004 im Alter von 65 Jahren zu Hause, nachdem er aus mediz<strong>in</strong>ischenGründen aus dem Haftzentrum Lhasa entlassen worden war. Die häufigen und verschiedenartigen<strong>Folter</strong>ungen, die er <strong>in</strong> dem Haftzentrum durchmachte, zerstörten se<strong>in</strong>e Gesundheit und führtenschließlich zu se<strong>in</strong>em Tod.Yeshi Gyatso, e<strong>in</strong> Mitglied der Politischen Konsultativ-Konferenz der Stadt Lhasa, wurde am 16. Juni2003 unter dem Verdacht der Verwicklung <strong>in</strong> politische Aktivitäten festgenommen und <strong>in</strong> der Folge vondem Mittleren Volksgericht zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt. Im August 2003 bestätigten die Behördengegenüber ausländischen Journalisten, die <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> weilten, daß sich Yeshi Gyatso und andere <strong>Tibet</strong>er<strong>in</strong> Haft befänden. Auf die Frage e<strong>in</strong>es Korrespondenten von Associated Press antwortete der Vize-Bürgermeister von Lhasa, Yeshi Gyatso sei “separatistischen Aktivitäten” nachgegangen, womit ergegen die Gesetze der Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a verstoßen hätte.Yeshi Gyatso, der im alten <strong>Tibet</strong> e<strong>in</strong> Regierungsbeamter im Rang e<strong>in</strong>es “drung-khor” war, wurde bereits1959 festgenommen und verbrachte 10 Jahre <strong>in</strong> Drapchi, danach weitere 10 Jahre <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>heitNo. 5 der Haftanstalt Sangyip zur “Umerziehung-durch-Arbeit”. Beim Volk war er als Kyamtoe YeshiGyatso bekannt oder als T<strong>in</strong>gshar Yeshi Gyatso wegen se<strong>in</strong>er Heirat mit Sonam aus der FamilieT<strong>in</strong>gshar, die <strong>in</strong> dem Lhasaer Stadtteil Banak Shol wohnte.


78200487. R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> WangyalR<strong>in</strong>z<strong>in</strong> Wangyal, alias R<strong>in</strong>wang, verbüßte im 250 km östlich von Lhasa gelegenen Gefängnis PowoTramo e<strong>in</strong>e lebenslängliche Haftstrafe, als er Ende 2004 59jährig starb. Am 31. März 2004 erfuhr dasTCHRD, daß sich se<strong>in</strong> Zustand <strong>in</strong>folge der ständigen <strong>Folter</strong>ungen über viele Jahre drastisch verschlechterthatte.Zum ersten Mal wurde R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> Wangyal 1966/67 verhaftet, weil er sich bei e<strong>in</strong>er Untergrundbewegungfür die Unabhängigkeit <strong>Tibet</strong>s e<strong>in</strong>gesetzt haben soll, während er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zementfabrik arbeitete. Erverbrachte 17 Jahre im Gefängnis und wurde 1982 aus der Haft entlassen. Berichten zufolge wurde erim Drapchi-Gefängnis regelmäßig unter <strong>Folter</strong> verhört.Im August 1995 wurde er erneut vom PSB festgenommen – unter dem Verdacht, sich an e<strong>in</strong>er politischenGruppierung beteiligt zu haben, deren Ziel die Störung der für den 1. September 1995 geplantenFeierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Gründung der TAR war. Im Oktober 1995 wurde er zu weiteren16 Jahren Haft verurteilt, und während er sich bereits im Gefängnis befand, wurde se<strong>in</strong>e Strafe auflebenslänglich erhöht.Der Grund für die harte Bestrafung war R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> Wangyals Beteiligung an den Protestaktionen der Häftl<strong>in</strong>ge<strong>in</strong> Drapchi während und nach dem Besuch der UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Verhaftung am11. Oktober 1997. Infolge dieser Proteste wurden mehrere Häftl<strong>in</strong>ge brutal zusammengeschlagen und<strong>in</strong> Isolationszellen verlegt.Im Frühjahr 1996, als se<strong>in</strong>e Frau Sonam schwerkrank im Volkshospital von Lhasa lag, wurde R<strong>in</strong>z<strong>in</strong>Wangyal die Bitte, sie e<strong>in</strong> letztes Mal sehen zu dürfen, verweigert. Sonam verstarb noch im selbenJahr. Während ihres langen Siechtums hat das PSB auf ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige der Petitionen von R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> Wangyalund den Verwandten se<strong>in</strong>er Frau reagiert, <strong>in</strong> denen diese darum baten, dem Paar e<strong>in</strong> letztes Treffenzu ermöglichen.Früher war R<strong>in</strong>z<strong>in</strong> als Bauarbeiter <strong>in</strong> dem Elektrizitätswerk ”Ngachen Lokhang” beschäftigt. Da er sowohlder tibetischen als auch der ch<strong>in</strong>esischen Sprache mächtig war, soll ihm e<strong>in</strong>e Tätigkeit <strong>in</strong> derGeographischen Abteilung angeboten worden se<strong>in</strong>. Als der ch<strong>in</strong>esische Spitzenfunktionär Liu Shao Qijedoch se<strong>in</strong>e politische Macht verlor, gab es e<strong>in</strong>e Wende <strong>in</strong> der ch<strong>in</strong>esischen <strong>Tibet</strong>politik. Als Folgehiervon wurden e<strong>in</strong>ige <strong>Tibet</strong>er, darunter auch R<strong>in</strong>z<strong>in</strong>, denen man ”falsche politische Ansichten” anlastete,<strong>in</strong> der ”Shiuni Chang” Zementfabrik zu Arbeitern degradiert.88. Tsemonl<strong>in</strong>g DawaIn Lhasa verstarb am 22. Februar 2004 der ehemalige politische Gefangene Dawa “Tsemonl<strong>in</strong>g”. Der1937 <strong>in</strong> Tsemonl<strong>in</strong>g, Lhasa, geborene Dawa war anfänglich Mönch im Kloster Sera, trat später jedoch<strong>in</strong> den Laienstand über. Nach der Besetzung <strong>Tibet</strong>s durch Ch<strong>in</strong>a 1959 wurde se<strong>in</strong>e Familie als “reaktionärund der feudalen Schicht zugehörig” gebrandmarkt und ihr Vermögen konfisziert. Dawa war <strong>in</strong>verschiedenen Anstalten zur Umerziehung-durch-Arbeit <strong>in</strong>haftiert.Von 1960-64 mußte er unter äußerst gefährlichen und unhygienischen Umständen im WasserkraftwerkNyachen <strong>in</strong> Lhasa und von 1965-1966 beim Bau e<strong>in</strong>es Elektrizitätswerks <strong>in</strong> Gechik, Kongpo, Zwangsarbeitleisten. Als Reaktionär wurde er zu dieser harten Arbeit ohne Lohn zwangsverpflichtet.Nach se<strong>in</strong>er Rückkehr nach Lhasa arbeitete er als Ste<strong>in</strong>metz und <strong>in</strong> den nächsten 15 Jahren g<strong>in</strong>g erGelegenheitsjobs nach, von deren ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen er se<strong>in</strong>e Familie gerade unterhalten konnte.Als die erste Erkundungsdelegation der Exilregierung 1980 <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> weilte, versuchte Dawa, so gut erkonnte, dieser klarzumachen, daß die <strong>Tibet</strong>er unter der ch<strong>in</strong>esischen Herrschaft ungeheuer leiden.Mitten aus der Menschenmenge heraus rief er nach “Unabhängigkeit für <strong>Tibet</strong>” und “e<strong>in</strong>em langen Lebenfür Se<strong>in</strong>e Heiligkeit den Dalai Lama”, obwohl er sich der harten Bestrafung, die ihn im Falle e<strong>in</strong>erFestnahme erwartete, voll bewußt war. Er konnte jedoch <strong>in</strong> der Menge untertauchen und entg<strong>in</strong>g fürdiesmal der Verhaftung.Anläßlich des 20. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region <strong>Tibet</strong> 1985 trafen die Behörden imvoraus Maßnahmen, um jegliche Äußerung politischer Art zu vermeiden; auch Dawa wurde vier Monatelang <strong>in</strong> der Gutsa-Haftanstalt festgehalten. Am 10. Dezember 1988 riefen Dawa und e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er


79Freunde <strong>Tibet</strong>-Parolen am Barkhor-Markt. Dawa band e<strong>in</strong>e tibetische Nationalflagge an se<strong>in</strong>en Gehstockund schwenkte ihn <strong>in</strong> der Luft. Er führte e<strong>in</strong>en friedlichen Protest an und andere jüngere <strong>Tibet</strong>erfolgten ihm. Die PSB-Beamten nahmen ihn augenblicklich fest und führten ihn zu dem nächsten Haftzentrumab. Später wurde er zu drei Jahren <strong>in</strong> Gutsa verurteilt. Infolge der <strong>Folter</strong> und Schläge durchdie ch<strong>in</strong>esischen Aufseher litt se<strong>in</strong>e Gesundheit dermaßen, daß sie ihn noch vor Ende se<strong>in</strong>er Haftzeitaus mediz<strong>in</strong>ischen Gründen entließen. Im Juli 1997 wurde Dawa erneut verhaftet, und zu drei JahrenUmerziehung-durch-Arbeit <strong>in</strong> dem Trisam-Lager verurteilt. Nach Verbüßung se<strong>in</strong>er Strafe wurde er2000 entlassen und verbrachte danach die letzten Jahres se<strong>in</strong>es Lebens <strong>in</strong> Lhasa. Er starb am 22.Februar 2004 im Alter von 67 Jahren.200589. Ngawang JangchubDer 28 Jahre alte Mönch Ngawang Jangchub, alias Aku Ril Ril, aus dem Dorf Lakhang, Geme<strong>in</strong>dePhodo, Kreis Phenpo Lhundrup, Bezirk Lhasa, verstarb <strong>in</strong> der ersten Oktoberwoche 2005 unter ungeklärtenUmständen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zelle im Kloster Drepung. E<strong>in</strong>en Tag nach e<strong>in</strong>er heftigen Ause<strong>in</strong>andersetzungmit den Kadern des Arbeitsteams für "Patriotische Erziehung" wurde er im Kloster tot aufgefunden.Die Kader waren Anfang Oktober im Kloster e<strong>in</strong>getroffen, um die Kampagne durchzuführen. Entsprechendihren Vorgaben wurde von den Mönchen verlangt, den Dalai Lama als "Separatisten" zu verurteilenund Loyalität gegenüber der ch<strong>in</strong>esischen Regierung zu geloben. E<strong>in</strong>ige Mönche wollten sichjedoch nicht "umerziehen” lassen, weshalb es zum Streit mit den Kadern kam. Wie berichtet, weigertesich Ngawang bei der Ause<strong>in</strong>andersetzung rundweg, den Dalai Lama zu verunglimpfen und bezeichneteihn als den "Erlöser im jetzigen und im nächsten Leben". Er erklärte den Kadern, er würde selbstdann nichts bereuen, wenn er aus dem Kloster ausgeschlossen würde. Ngawang widersprach weiterh<strong>in</strong>dem offiziellen Standpunkt der Regierung, <strong>Tibet</strong> sei e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegraler Bestandteil Ch<strong>in</strong>as. Wörtlich sagteer: "<strong>Tibet</strong> war niemals e<strong>in</strong> Teil Ch<strong>in</strong>as, und ich weise Euren Anspruch auf <strong>Tibet</strong> zurück." Als Antworthierauf beschimpften ihn die Kader und drohten ihm schwerwiegende Konsequenzen an. Nach demStreit zog Ngawang sich wütend <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Quartier zurück; am folgenden Tag erschien er nicht zur Schulung.Als die anderen Mönche nach ihm schauen wollten, fanden sie ihn tot <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zimmer liegen.Die genaue Todesursache ist nicht bekannt, die Mönche vermuten jedoch Selbstmord wegen des extremenpsychologischen Drucks.


80Liste der uns bekannt gewordenen Fälle von <strong>Tibet</strong>ern, die seit 1987 erschossenwurden oder die <strong>in</strong>folge der entsetzliche <strong>Folter</strong> Selbstmord beg<strong>in</strong>gen Ngawang Kunga, Laienname Gyalpo, alias Ngawang Thardoe, 27, Phenpo Lhundurp, Mönchdes Klosters Drepung, der am 10. Dezember 1988 bei e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration <strong>in</strong> Lhasadurch e<strong>in</strong>en Schuß getötet wurde. Lobsang Legden, 21, Medro Takpu, Mönch des Klosters Sera, der am 1. Oktober 1987 bei e<strong>in</strong>erDemonstration Lhasa erschossen wurde. Phurbu, 34, aus Gyal<strong>in</strong>gsha, Lhasa, starb nach den Verletzungen, die er während der Demonstrationvom 5. März 1989 erlitt. Karsel, 20, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Nechung, wurde bei der Demonstration vom 1. Oktober1987 erschossen. Gonpo Paljor aus Kham wurde während e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration am 5. März 1989 erschossen. Anu, 32, aus Lhasa, wurde während e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration am 5. März 1989 erschossen. Nyima Drakpa, 26, aus Lhasa, wurde bei der Demonstration vom 5. März 1989 erschossen. Lobsang Phuntsok, 51, aus Lhasa, wurde während der großen Demonstration vom 5. März1989 von e<strong>in</strong>er Kugel getroffen und starb am 19. Juni. Paljor, 20, aus Tsarong <strong>in</strong> Kham, wurde während e<strong>in</strong>er friedlichen Demonstration am 5. März1989 durch e<strong>in</strong>en Schuß getötet. Wangden, 30, aus Toelung, wurde während der friedlichen Demonstration vom 5. März 1989durch e<strong>in</strong>en Schuß getötet. Tashi Phuntsok, 37, aus Lhasa, wurde bei der Demonstration am 5. März 1989 erschossen. Anu, 28, aus Lhasa, wurde bei der Demonstration vom 5. März 1989 erschossen. Lobsang Gelek, 48, Kardze, wurde bei der Demonstration vom 5. März 1989 von e<strong>in</strong>er Kugelgetroffen und starb am 24. März. Pasang Tser<strong>in</strong>g, 34, aus Markham, wurde am 6. Juli 1991 erstochen, weil er verbotenerweiseden Geburtstag des Dalai Lama begangen hatte. Dhondup Gyalpo, 19, Phenpo Lhundrup, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Namar, sprang Ende Juli 1993<strong>in</strong> den Kyichu Fluß bei Lhasa und beg<strong>in</strong>g Selbstmord. Wangdu, 26, aus Shey Thokmon, Shigatse, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Tashi Lhunpo, beg<strong>in</strong>g am24. Juli 1995 Selbstmord, weil er dem auf ihn ausgeübten Druck, den jungen vom Dalai Lamaerwählten Panchen Lama zu schmähen, nicht länger standhalten konnte. Jampa Choeden, 21, e<strong>in</strong> Mönch aus Chamdo Tawateng, beg<strong>in</strong>g Selbstmord. Karma Dawa, alias Kadar, wurde während des Gefängnisprotests <strong>in</strong> Drapchi am 1. Mai 1998erschossen. Lobsang Gelek, 24, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Khangmar, wurde bei dem Gefängnisprotest <strong>in</strong>Drapchi am 1. Mai 1998 erschossen. Wangdu, 24, aus Thongmon Shigatse, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Tashi Lhunpo, beg<strong>in</strong>g nach demAuftauchen e<strong>in</strong>es Arbeitsteams im Kloster Selbstmord. Kalsang Tser<strong>in</strong>g, Laienname Lobsang Geykyong, 29, der aus Phenpo Lhundrup stammte unde<strong>in</strong> Mönch des Klosters Sera war, wurde während der Demonstration vom 10. Dezember 1988von e<strong>in</strong>er Kugel getroffen und erlag e<strong>in</strong>en Monat später se<strong>in</strong>en Verletzungen im Volkshospitalvon Lhasa. Ngawang Jangchup, 28, e<strong>in</strong> Mönch des Klosters Drepung, beg<strong>in</strong>g im Oktober 2005 auf dieMaßnahmen zur „patriotischen Umerziehung“ h<strong>in</strong> Selbstmord.


81Anhang 1: Die Gefängnisse und Haftzentren <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong>Das Gefängnis der Autonomen Region <strong>Tibet</strong> oder DrapchiDrapchi ist das größte und berüchtigste Gefängnis <strong>in</strong> der TAR. Hier werden Häftl<strong>in</strong>ge mit langen Freiheitsstrafenaus dem Gebiet der gesamten TAR e<strong>in</strong>gesperrt. Vermutlich wurde diese am nordöstlichenStadtrand von Lhasa gelegene Anstalt 1960 gebaut. Das direkt von den Vollstreckungsbehörden derTAR verwaltete Gefängnis umfaßt neun E<strong>in</strong>heiten, von denen die dritte und die fünfte für weibliche undmännliche politische Häftl<strong>in</strong>ge bestimmt s<strong>in</strong>d. 1990 wurden dort elf Zellen für Isolationshaft e<strong>in</strong>gerichtet.Die übrigen E<strong>in</strong>heiten s<strong>in</strong>d für die nicht-politischen Häftl<strong>in</strong>ge bestimmt. Wegen Überbelegung wurdeim April 1998 das südliche Tor des Drapchi Gefängnisses e<strong>in</strong>gerissen und mit der Erweiterung derAnlage begonnen. Die Häftl<strong>in</strong>ge werden hauptsächlich zur Arbeit <strong>in</strong> der Gemüsefarm, beim Häuserbau,<strong>in</strong> der Schneiderei, <strong>in</strong> der Teppichweberei und <strong>in</strong> mechanischen Werkstätten e<strong>in</strong>gesetzt.Das PSB Haftzentrum der TAR oder das Sangyip GefängnisDieses liegt im nördlichen Bereich des Bezirks “Lhasa Stadt”. Vermutlich wurde es 1983 gebaut. Mannimmt an, daß Personen, die schwerwiegender politischer Delikte, wie etwa der Organisation von Protestenoder des Sammelns von politisch brisanten Informationen, beschuldigt werden, hier <strong>in</strong>haftiertund vernommen werden, möglicherweise unter der Aufsicht des PSB der TAR. In Sangyip können ungefähr70 Insassen <strong>in</strong> drei Zellentrakten untergebracht werden, von denen jeder wiederum 12 Zellenumfaßt. Alle Straftäter, die unter die Jurisdiktion der TAR fallen, werden zunächst hier e<strong>in</strong>gesperrt.Häftl<strong>in</strong>ge mit langen Freiheitsstrafen werden <strong>in</strong> die anderen größeren Haftanstalten der TAR verlegt,während solche, die zu kürzeren Strafen verurteilt worden s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> Sangyip verbleiben.Das PSB Haftzentrum der Stadt Lhasa oder das Gutsa GefängnisDieses liegt 3 km östlich von Lhasa <strong>in</strong> der Nähe des Kyichu Flusses. Die Hauptabteilung <strong>in</strong> Gutsa istfür Gefangene bestimmt, gegen die ermittelt wird oder die auf ihre Verurteilung warten. Gegen diemeisten der Insassen wurde noch ke<strong>in</strong>e formelle Klage erhoben, noch wurden sie mit Adm<strong>in</strong>istrativhaftbelegt. Ehemalige Häftl<strong>in</strong>ge berichten, daß sie schwere körperliche Arbeit wie etwa Ste<strong>in</strong>ebrechenverrichten mußten. Während Gutsa hauptsächlich für Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge bestimmt ist, bleibt etwae<strong>in</strong> Prozent auch nach der Verurteilung hier <strong>in</strong>haftiert, gewöhnlich für e<strong>in</strong>en Zeitraum bis zu e<strong>in</strong>emJahr.Das TAR-Zentrum zur Umerziehung-durch-Arbeit oder das Trisam GefängnisDieses untersteht ebenfalls unmittelbar den Vollstreckungsbehörden der TAR. Infolge se<strong>in</strong>er Lage <strong>in</strong>der Nähe der Brücke des Kreises Toelung, 10 km westlich von Lhasa, wird es auch als Toelung Dechenoder “Toelung Brücke” bezeichnet. Trisam wurde wahrsche<strong>in</strong>lich im Februar 1992 se<strong>in</strong>er Funktionübergeben, und seitdem wurden viele politische Häftl<strong>in</strong>ge aus Sangyip, Outridu und Gutsa hierhertransferiert. Die Anstalt hat drei E<strong>in</strong>heiten: die erste für männliche politische Häftl<strong>in</strong>ge, die zweite fürmännliche Straftäter und die dritte für weibliche (sowohl politische als auch krim<strong>in</strong>elle) Häftl<strong>in</strong>ge. Siefungiert auch als e<strong>in</strong> “adm<strong>in</strong>istratives Haftzentrum” für jugendliche Straftäter und solche mit Freiheitsstrafenbis zu drei Jahren. Die Insassen müssen Zwangsarbeit leisten. M<strong>in</strong>destens acht Zellen <strong>in</strong> Trisamsollen für E<strong>in</strong>zelhaft vorgesehen se<strong>in</strong>.Powo Tramo, früher das “Gefängnis No. 2 der TAR”Es liegt 500 km östlich von Lhasa <strong>in</strong> der Nähe der Stadt Tramo im Kreis Pome, Präfektur Ny<strong>in</strong>gtri (ch<strong>in</strong>.L<strong>in</strong>zhi). Es untersteht der Regierung der TAR und ist für Häftl<strong>in</strong>ge bestimmt, die zu 10 Jahren Haft undmehr verurteilt wurden. Als e<strong>in</strong>e der größten Strafanstalten der TAR verfügt es über genügend Zellen


82für Isolationshaft. Die meisten Häftl<strong>in</strong>ge werden hier zur Zwangsarbeit, etwa <strong>in</strong> der Holz- und Landwirtschaft,herangezogen.Das Lhasa Gefängnis, früher OutriduEs könnte die Anstalt se<strong>in</strong>, welche die Ch<strong>in</strong>esen e<strong>in</strong>er EU-Delegation, die im Mai 1998 <strong>Tibet</strong> besuchte,als das Stadtgefängnis von Lhasa beschrieben. Die Haftzellen für die Bestrafung der Gefangenenmessen hier 6 x 3 Fuß und s<strong>in</strong>d fensterlos. Durch den Anbau mehrerer neuer Zellentrakte haben diech<strong>in</strong>esischen Behörden die Kapazität des Lhasa-Gefängnisses erweitert. Verlautbarungen zufolge solles vier Zellentrakte geben, <strong>in</strong> denen annähernd 500 Straftäter gefangen gehalten werden. Diese Anstaltuntersteht ebenfalls den Vollstreckungsbehörden der TAR. Im Lhasa-Gefängnis bef<strong>in</strong>den sichHäftl<strong>in</strong>ge, die offiziell bis zu 5 Jahren verurteilt wurden. Die meisten von ihnen müssen Zwangsarbeitleisten, wie Ste<strong>in</strong>ebrechen, oder sie werden <strong>in</strong> der Gemüsefarm der Anstalt e<strong>in</strong>gesetzt.Das <strong>Tibet</strong>ische Militär-HaftzentrumEs existiert seit 1959 und wird von der PLA verwaltet. Um 1992 wurde es <strong>in</strong> die Gegend von Tsalgungthang,11 km östlich von Lhasa, verlegt. Man weiß von mehreren politischen Gefangenen, die1999 dort e<strong>in</strong>saßen, aber wegen der Erweiterung anderer Strafanstalten kann man nicht sagen, ob <strong>in</strong>der Folge noch weitere politische Häftl<strong>in</strong>ge dorth<strong>in</strong> kamen. In der Anstalt bef<strong>in</strong>den sich jetzt vor allemMilitärgefangene.Präfektur-HaftzentrenDiese gibt es an dem Verwaltungssitz e<strong>in</strong>er jeden Präfektur. Abgesehen von dem Bezirk Lhasa umfaßtdie TAR sechs Präfekturen: Shigatse, Nagchu, Ngari, Lhoka, Kongpo-Ny<strong>in</strong>gtri und Chamdo. Sie s<strong>in</strong>dalle mit “adm<strong>in</strong>istrativen Haftzentren” und kanshuo suo (Untersuchungsgefängnissen) versehen. Außerdemgibt es noch Gefängnisse auf Kreisebene, die allgeme<strong>in</strong> für Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge vorgesehens<strong>in</strong>d. Die Ch<strong>in</strong>esen erklärten der 1998 zu Besuch weilenden EU-Delegation, daß jede Präfekturund e<strong>in</strong>e Reihe von Landkreisen ihre eigenen Haftzentren hätten.Die Anstalt zur “Reform durch Arbeit” <strong>in</strong> ZethangEs handelt sich hierbei um e<strong>in</strong> neues laojiao, das am 15. Januar 1998 mit sechs Mönchen aus Drayabals den ersten Insassen se<strong>in</strong>e Funktion aufnahm. Dieser Komplex zur “Reform und Umerziehung” liegt<strong>in</strong> dem Dorf Zethang, 10 km östlich von Chamdo, und untersteht der Vollzugsbehörde der PräfekturChamdo. Straftäter, die auf adm<strong>in</strong>istrativem Wege verurteilt werden, kommen <strong>in</strong> diese neue Anstalt.Sie verfügt über 30 Zellen, <strong>in</strong> denen je sechs Häftl<strong>in</strong>ge untergebracht werden können.Das Gefängnis Maowan(ch<strong>in</strong>. Aba Jian Yu) liegt im Autonomen Distrikt Maowan Qiang der TAP Ngaba, Sichuan. Dort werdenGefangene aus Ngaba und Kardze e<strong>in</strong>geliefert. Es handelt sich um e<strong>in</strong>e der größten Strafanstalten <strong>in</strong>der Prov<strong>in</strong>z Sichuan. Straftäter, die zu langen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, wozu auch politischeGefangene gehören, werden hier unter Verschluß gehalten. Außerdem gibt es <strong>in</strong> jedem Landkreis undjeder Präfektur der tibetischen Regionen von Sichuan, Q<strong>in</strong>ghai, Gansu und Yunnan Haftzentren undGefängnisse.


83Das Haftzentrum oder das Gefängnis ChamdoEs wurde 1960 angelegt und ist vermutlich e<strong>in</strong>e der größten Haftanstalten der TAR. Es wurde <strong>in</strong> letzterZeit vergrößert, so daß nun noch mehr Straftäter dort untergebracht werden können. Häftl<strong>in</strong>ge mitStrafen von 4 bis 5 Jahren kommen <strong>in</strong> diese Anstalt.Haftzentrum Nyari bei ShigatseEs liegt 7 km nordwestlich von Shigatse im Nyari-Tal, Kreis Shigatse, TAR. Hier sitzen sowohl politischeals auch gewöhnliche Straftäter e<strong>in</strong>. Viele <strong>Tibet</strong>er, die Indien besucht haben, werden bei ihrerRückkehr nach <strong>Tibet</strong> mehrere Monate hier unter der Anklage, politisches Material oder Tonbänder ausIndien und Nepal mitgebracht zu haben, festgehalten. 1997 bestand das Haftzentrum Nyari aus nur 5Zellentrakten, von denen jeder 10 Zellen hatte. Die Gefangenen müssen auf den Gemüsefeldern oder<strong>in</strong> der dem Gefängnis angeschlossenen Obstplantage arbeiten.Das Gefängnis Chushur (Qushui)In der Nähe von Lhasa ist im April 2005 e<strong>in</strong> neues und größeres Gefängnis <strong>in</strong> Betrieb genommen worden,wor<strong>in</strong> bereits Hunderte von Insassen, darunter auch Mönche, Nonnen und andere politische Häftl<strong>in</strong>geuntergebracht wurden. E<strong>in</strong>e gewisse Anzahl von politischen Gefangenen aus Drapchi (Gefängnisder TAR) ist <strong>in</strong> diese neue Anstalt verlegt worden, die sich im Kreis Chushur (ch<strong>in</strong>. Qushui) <strong>in</strong> der Nähevon Nyethang an der südlichen Ausfallstraße von Lhasa <strong>in</strong> Richtung Shigatse bef<strong>in</strong>det.Der UN-Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong>, Manfred Nowak, <strong>in</strong>spizierte während se<strong>in</strong>es zweiwöchigenAufenthalts <strong>in</strong> der VR Ch<strong>in</strong>a (November-Dezember 2005) auch diese Anstalt. Er sagte, er habe dortmit Insassen gesprochen, die politischer Vergehen wegen <strong>in</strong>haftiert s<strong>in</strong>d und aus Drapchi verlegt wurden.Aus e<strong>in</strong>er Quelle aus <strong>Tibet</strong> verlautet, viele Gefangen würden dort <strong>in</strong> Isolationshaft gehalten, undzwar <strong>in</strong> besonderen “Strafzellen”, die wegen des Mangels an Tageslicht und den gräßlichen Bed<strong>in</strong>gungenauch “f<strong>in</strong>stere Zellen” genannt werden.E<strong>in</strong> politischer Gefangener, der jetzt im Exil ist, schildert die Anstalt so: “Von außen schaut die Anlagesehr modern aus und viele der E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d neu. Aber <strong>in</strong>nen ist sie äußerst hart und brutal fürdie Häftl<strong>in</strong>ge – sogar im Vergleich zu Drapchi. Dort kann man von den Zellen aus den Himmel undmanchmal auch die Berge sehen. Aber <strong>in</strong> der neuen Anstalt s<strong>in</strong>d die Fenster so kle<strong>in</strong> und so hoch angebracht,daß die Zellen beklemmender wirken. Sie bef<strong>in</strong>det sich weit abseits der Stadt, womit bezwecktwird, die politischen Gefangenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen Entfernung von Lhasa und anderen Gefangenenzu halten, damit niemand ihre Stimmen hören kann”. Die Überwachung <strong>in</strong> der neuen Anstalt seisogar noch schärfer als <strong>in</strong> Drapchi.Der Sonderberichterstatter für <strong>Folter</strong> war entsetzt darüber, daß manche Häftl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Chushur ihre Zellen,<strong>in</strong> denen während der Sommer- und W<strong>in</strong>termonate oft extreme Temperaturen herrschen, nur für20 M<strong>in</strong>uten am Tag verlassen dürfen und daß sie auf Grund des Mangels an körperlicher Betätigungim allgeme<strong>in</strong>en sehr geschwächt s<strong>in</strong>d.Anhang 2: Internationale Menschenrechtsdokumente, die von der VR Ch<strong>in</strong>a ratifiziertwurdenDie Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a hat die folgenden <strong>in</strong>ternationalen Verträge ratifiziert: Genfer Konventionen (1956) Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskrim<strong>in</strong>ierung der Frau (CEDAW) (1981) Internationales Übere<strong>in</strong>kommen über die Beseitigung aller Formen von Rassendiskrim<strong>in</strong>ierung(ICERD) (1982) Genozidkonvention (1983)


84 Fakultativprotokolle I und II zu den Genfer Konventionen (1993) Übere<strong>in</strong>kommen über die Rechte des K<strong>in</strong>des (CRC) (1992) Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (2001)Die Aufrichtigkeit der ch<strong>in</strong>esischen Regierung bei ihrem Beitritt zu verschiedenen <strong>in</strong>ternationalen Verträgenwird häufig <strong>in</strong> Frage gestellt, angesichts der Tatsache, daß sie genau gegen die Verträge, diesie angeblich willkommen heißt, <strong>in</strong> der Folge massiv verstößt, was zur Genüge dokumentiert wurde.Die Unterzeichnung und/oder Ratifizierung der <strong>in</strong>ternationalen Instrumente gegen <strong>Folter</strong> erfolgt oft zue<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der die Welt besonders auf die Menschenrechtsverletzungen <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a blickt.Anhang 3: Begriffserklärung und AbkürzungenArbeitsteam (tib. lae doen rukhag, ch<strong>in</strong>. gongzuo dui), speziell gebildete Sondere<strong>in</strong>heiten von Regierungspersonal,die zur Durchführung der „patriotischen Umerziehung“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Institutionoder an e<strong>in</strong>en bestimmten Ort entsandt werden.BarkhorKaderCATCCPCEDAWDas alte tibetische Stadtviertel und der Markt um den Jokhang Tempel <strong>in</strong> Lhasa. WörtlicheBedeutung: „mittlerer Umlauf“ oder der Umwandlungsweg im Zentrum der Stadt.(tib. le che pa; ch<strong>in</strong>. gan bu) bezieht sich auf das ch<strong>in</strong>esische Verwaltungspersonal oderauf Personen, die bei offiziellen Projekten oder <strong>in</strong> staatlichen Unternehmen arbeiten.UN-Konvention gegen <strong>Folter</strong> und andere grausame, unmenschliche oder herabwürdigendeBehandlung und Bestrafung.(ch<strong>in</strong>. zhong guo gong chan dang) „Ch<strong>in</strong>ese Communist Party“, die im Juli 1921 gegründetech<strong>in</strong>esische kommunistische Partei.UN-Konvention über die Beseitigung aller Formen der Diskrim<strong>in</strong>ierung der Frau.CPL „Crim<strong>in</strong>al Procedure Law“, Strafgesetz, das revidierte ch<strong>in</strong>esische Strafgesetzt trat am 1.Januar 1997 <strong>in</strong> Kraft.CPPCCDistriktDMC“Ch<strong>in</strong>ese People’s Political Consultative Conference” (tib. krung-go mi-dmangs chab-sridgrod mol tshogs-’du). Erstmals 1949 e<strong>in</strong>berufen, besteht die „Politische Konsultativ-Konferenz des ch<strong>in</strong>esischen Volkes“ aus Vertretern von außerparteilichen Organisationen,die jedoch die Partei unterstützen. In Gegenden nationaler M<strong>in</strong>derheiten gehörenihr auch führende Persönlichkeiten der verschiedenen Religionen und ehemalige Aristokratenan, die sich mit der Partei arrangiert haben. Sie ist das Hauptorgan der E<strong>in</strong>heitsfrontund tritt regelmäßig zusammen, um die Parteipolitik zu unterstützen und zu besprechen.(tib. dzong, ch<strong>in</strong>. xian, engl. county) – e<strong>in</strong>em Landkreis entsprechende Verwaltungse<strong>in</strong>heitmittlerer Ebene.(tib. u-yon lhan-khang, ch<strong>in</strong>. wei yuan hi) „Democratic Management Committee“ – DemokratischerVerwaltungsrat. 1962 zur Kontrolle der religiösen Institutionen <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> e<strong>in</strong>gerichteteVerwaltungsorgane, die 1996 im Zuge der Kampagne zur „Patriotischen Erziehung“neu konstituiert wurden.Drapchi Offiziell als das „Gefängnis der Autonomen Region <strong>Tibet</strong>“ bezeichnet.Gefährdung der Staatssicherheit: Anklagekategorie <strong>in</strong> dem neuen Strafgesetz statt dem bisherigen„konterrevolutionären Delikt“.Geme<strong>in</strong>de ch<strong>in</strong>. xiang, die unterste Verwaltungse<strong>in</strong>heit, umfaßt formell das Gebiet e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de,<strong>in</strong> ländlichen Gegenden e<strong>in</strong>e Reihe von Dörfern.Geshe Geistlicher Titel, <strong>in</strong> etwa e<strong>in</strong>em Doktor der Theologie entsprechend. Mönch oder Lamamit dem höchsten philosophischen und monastischen Studium der Gelugpa Schule destibetischen Buddhismus.


GuanxiGutsaGyamaHukou85wörtlich „Beziehung“, die Unterhaltung guter Beziehungen zu Höhergestellten, um bevorzugtbehandelt zu werden.Haftanstalt für die Stadt Lhasa, 3 km östlich der Stadt am Kyichu Fluß gelegen. Hierwerden Personen <strong>in</strong>haftiert, gegen die ermittelt wird, die also noch nicht offiziell angeklagtoder die <strong>in</strong> Adm<strong>in</strong>istrativhaft genommen wurden.(tib.) Gewichtse<strong>in</strong>heit, die 500 g entspricht.(ch<strong>in</strong>.), (tib. themtho), Ausweis für die Wohnsitzregistrierung.Haftzentrum (tib. lta-srung-khang, ch<strong>in</strong>. kanshousuo), Anstalt, <strong>in</strong> der Gefangene ohne Anklage vorder Verurteilung e<strong>in</strong>gesperrt werden und die etwa der Untersuchungshaftanstalt entspricht.ICCPRICESCRKhenpoInternationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte.Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.(tib.) wörtlich Abt <strong>in</strong> der Ny<strong>in</strong>gma und Kagyu Tradition des tibetischen Buddhismus,Khenpo entspricht dem Geshe-Titel der Gelugpa Schule.Kulturrevolution: (tib. rigs-nas gsar-brje), diese wurde 1966 von Mao Zedong lanciert, um die Kontrolleüber die kommunistische Partei zurückzugew<strong>in</strong>nen. Er befahl der Jugend, „die Zentralezu bombardieren“ (die Partei von <strong>in</strong>neren Opponenten zu säubern) und die „vier Alten“(alte Ideen, alte Kultur, alte Bräuche und alte Gewohnheiten) auszurotten. Die ch<strong>in</strong>esischeRegierung beschreibt sie heutzutage als die „zehn schlechten Jahre“, womitsie die ganze Periode von 1966-1976 me<strong>in</strong>t, obwohl sie eigentlich nur zwei Jahre dauerte.LamaMuNPCPAP(tib.) das tibetische Wort für e<strong>in</strong>en angesehenen religiösen Lehrer, gleichbedeutend mitdem Sanskritbegriff Guru. E<strong>in</strong> Lama muß nicht unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong> Mönch se<strong>in</strong>, obwohl vorzugsweisealle Lamas der Gelugpa Schule Mönche se<strong>in</strong> sollten. Ch<strong>in</strong>esische Politikerverwenden das Wort <strong>in</strong>korrekterweise für jeden Mönch.(tib.) Flächenmaß, 67 Quadratmetern entsprechend.„National People’s Congress“, Nationaler Volkskongreß.(tib. drag ches nyen tok dmag mi, ch<strong>in</strong>. wu j<strong>in</strong>g), People’s Armed Police – BewaffneteVolkspolizei, e<strong>in</strong>e 1983 aufgestellte paramilitärische Truppe, die für die <strong>in</strong>nere Sicherheit,die Grenzüberwachung, den Schutz staatlicher E<strong>in</strong>richtungen und auch die Gefängnissezuständig ist.Patriotische Umerziehung: E<strong>in</strong>e Kampagne, im Zuge derer ch<strong>in</strong>esische „Arbeitsteams“ <strong>in</strong> tibetischeKlöster geschickt werden, um dort die kommunistische Ideologie zu propagieren undgeltend zu machen.PRC People’s Republic of Ch<strong>in</strong>a – Volksrepublik Ch<strong>in</strong>a.PräfekturProkuraturPSBRukhagSaga Dawa(tib. sa-khul, ch<strong>in</strong>. dique), Verwaltungse<strong>in</strong>heit unterhalb der Ebene e<strong>in</strong>er Prov<strong>in</strong>z oderRegion und oberhalb e<strong>in</strong>es Distrikts oder Landkreises; die Autonome Region <strong>Tibet</strong>(TAR) ist <strong>in</strong> sechs Präfekturen unterteilt.(tib. zhib chu; ch<strong>in</strong>. jian chayan), <strong>in</strong> Ch<strong>in</strong>a e<strong>in</strong> Justizorgan, ähnlich der Staatsanwaltschaft,das für die Ermittlung und strafrechtliche Verfolgung von Krim<strong>in</strong>alfällen zuständigist; ihr obliegt auch die Bearbeitung von Beschwerden gegen Polizei, Gefängnispersonalund andere Verwaltungsorgane.(tib. schi de chus, ch<strong>in</strong>. Gong An Ju) „Public Security Bureau“, Amt für Öffentliche Sicherheit,Polizei auf Lokalebene, die Verdächtige festnimmt und sie <strong>in</strong> der Vorprozeßphase<strong>in</strong> Gewahrsam hält.(tib.) Unterabteilung <strong>in</strong> Gefängnissen, Dörfern, Schulen oder beim Militär.(tib.) der vierte und heiligste Monat des tibetischen Kalenders, <strong>in</strong> den der Tag der Geburt,der Erleuchtung und des Par<strong>in</strong>irvana von Buddha fällt.


Strike HardSpaltertumTAPTAR86Die Kampagne „hartes Durchgreifen“; (tib. dungdek tsanen, ch<strong>in</strong>. yanda), „Schlag-hartzu“,e<strong>in</strong>e Kampagne der VR Ch<strong>in</strong>a, die ursprünglich zur Bekämpfung von Korruption undVerbrechen gestartet wurde; <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> benutzen die Behörden sie jedoch vornehmlich, umgegen „spalterische Elemente“ vorzugehen.(tib. kha-dral-r<strong>in</strong>g-lugs, engl. splittism), Parteijargon zur Bezeichnung der tibetischenUnabhängigkeitsbewegung oder jedweder Äußerung von tibetischem Nationalismus.(tib. Bod rang-skyong khul) – <strong>Tibet</strong>an Autonomous Prefecture (Autonome <strong>Tibet</strong>ischePräfektur); die Ch<strong>in</strong>esen schufen zehn solcher Verwaltungsbezirke (unterhalb der Ebenee<strong>in</strong>er Prov<strong>in</strong>z oder Region) außerhalb der TAR, die <strong>in</strong> Nord- und Osttibet (den ehemaligentibetischen Prov<strong>in</strong>zen Kham und Amdo) liegen und e<strong>in</strong>e vorwiegend tibetische Bevölkerungaufweisen.(tib. Bod rang skyong ljongs, ch<strong>in</strong>. Xizang Zizhiqu) – <strong>Tibet</strong> Autonomous Region (AutonomeRegion <strong>Tibet</strong>); formell 1965 von Ch<strong>in</strong>a gebildet, stellt diese Region Zentral- undWesttibets (westlich des Yangtse und südlich des Kunlun Gebirges) das e<strong>in</strong>zige vonCh<strong>in</strong>a als „<strong>Tibet</strong>“ anerkannte Gebiet dar.<strong>Tibet</strong> Die Bezeichnung „<strong>Tibet</strong>“ <strong>in</strong> diesem Bericht me<strong>in</strong>t das „ethnographische“ Gebiet <strong>Tibet</strong>und umfaßt das gesamte tibetische Hochland. Vor der ch<strong>in</strong>esischen Besetzung war es<strong>in</strong> die drei Prov<strong>in</strong>zen Kham, Amdo und U’Tsang unterteilt. Heute umfaßt es das, wasCh<strong>in</strong>a als die Autonome Region <strong>Tibet</strong> (TAR) bezeichnet, sowie die Gebiete der ch<strong>in</strong>esischenNachbarprov<strong>in</strong>zen Q<strong>in</strong>ghai, Sichuan, Gansu und Yunnan mit vorwiegend tibetischerBevölkerung. Für Pek<strong>in</strong>g bezieht sich der Begriff „<strong>Tibet</strong>“ nur auf jenen Teil desethnographischen <strong>Tibet</strong>s, der von der Autonomen Region <strong>Tibet</strong> (TAR) gebildet wird.Umerziehung Indoktr<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> ch<strong>in</strong>esischer kommunistischer Ideologie und nationaler E<strong>in</strong>heit, die <strong>in</strong>den religiösen E<strong>in</strong>richtungen und Arbeitslagern <strong>in</strong> <strong>Tibet</strong> gewaltsam durchgeführt wird.Umwandlung (tib. kora), e<strong>in</strong> religiöses Ritual, bei dem man im Uhrzeigers<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e heilige Stätte umrundet,um Verdienste anzusammeln.Tsampa (tib.) geröstetes Gerstenmehl.Tsongkhul (tib.) Gefängnisareal.Tsuglhakhang (tib.) Zentraler und wichtigster Tempel <strong>in</strong> Lhasa.

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