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Zurück zur Zukunft – Back to the Future

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4/ 2005<br />

Flugsicherung ...<br />

... an die Kette gelegt?<br />

DFS<br />

Gedanken <strong>zur</strong> Jahrespressekonferenz<br />

Ausbildung<br />

Das Konzept der GdF<br />

FSTD:<br />

Anhörung zum<br />

FSG


von<br />

Klaus<br />

Berch<strong>to</strong>ld-<br />

Nicholls,<br />

Gewerkschaftsvorsitzender<br />

der flugleiter 2005/04<br />

4<br />

Edi<strong>to</strong>rial<br />

Die GdF,<br />

das fremde Wesen?<br />

Liebe Mitglieder,<br />

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,<br />

seit der Gründung der GdF gibt es im nicht-operativen<br />

Bereich der Flugsicherung etwa genauso viele Vorurteile<br />

gegenüber unserer Gewerkschaft, wie sie an Rückendeckung<br />

und Vertrauen im operativen Bereich<br />

genießt. Dies wurde bisher maßgeblich geschürt durch<br />

gezielte Desinformation und Propaganda durch die<br />

DFS, was nun hoffentlich hinter uns liegt, wenn man<br />

den diesbezüglichen Worten der Geschäftsführung<br />

glauben darf.<br />

Richtig ist, dass die GdF aus den ehemaligen Berufsverbänden<br />

der Flugsicherungstechniker und <strong>–</strong>Ingenieure<br />

sowie der Flugdatenbearbeiter und der Fluglotsen<br />

entstand, also auf Initiative des Betriebspersonals. Aber<br />

auch schon zu Zeiten des VDF und des FTI fühlten<br />

sich Nicht-Operative hier besser aufgehoben als in<br />

anderen Gruppierungen, so wie es leider immer noch<br />

einige wenige Fluglotsen und andere Operative geben<br />

soll, die der Direktmitgliedschaft in der ÖTV (später<br />

ver.di) den Vorzug gaben und geben. Beides gibt keinen<br />

Aufschluss darüber, wer oder was die GdF ist und bezweckt.<br />

Die GdF kann allein daran gemessen werden, was sie<br />

jetzt und in <strong>Zukunft</strong> an sozialen und tariflichen Standards<br />

für wen erreicht und sichert. Im Moment wird<br />

die GdF durch engagierte Ehrenamtliche vor allem aus<br />

den Betriebsdiensten politisch gelenkt, die auch das<br />

Tagesgeschäft durchführen. Das ist nicht verwunderlich,<br />

da diese auch das überwiegende Gros der Mitglieder<br />

stellen. Das muss und soll nicht so bleiben. Neben den<br />

Fachbereichen Flugsicherungsbetriebsdienste (FSBD)<br />

und Flugsicherungstechnische Dienste (FSTD) sind in<br />

der Satzung der GdF bewusst weitere Fachbereiche<br />

vorgesehen. Diese sollen sich nach dem Wunsch der<br />

Gründer und jetzigen Aktiven aus denjenigen Beschäftigten<br />

in der Flugsicherung speisen, die bisher in der<br />

Mitgliedschaft unterrepräsentiert sind: den administrativen<br />

und in anderen Supportbereichen tätigen Beschäftigten.<br />

Erst wenn sich diese KollegInnen in nennenswerten<br />

Zahlen dafür entscheiden, sich gewerkschaftlich zu<br />

organisieren, kann die GdF aus ihren Vorgaben eine<br />

echte Tarif- und Sozialpolitik entwerfen und durchsetzen,<br />

die auf diese Bereiche passend zugeschneidert<br />

ist. Ansonsten werden wir weiterhin aus bestehenden<br />

Regelungen (Stichwort Besitzstandswahrung) und<br />

unseren Vermutungen versuchen müssen, akzeptable<br />

Vergütungs- und Arbeitsverhältnisse zu erstreiten und<br />

zu verteidigen.<br />

Wir sind überzeugt davon, dass es in der Flugsicherung<br />

schon jetzt keine auch nur halbwegs annehmbare<br />

Alternative <strong>zur</strong> GdF gibt. Aber erst wenn wir auch die<br />

bisher unentschlossenen (oder gar uns ablehnend<br />

gegenüber stehenden) Kolleginnen und Kollegen für<br />

eine Mitgliedschaft gewinnen, können wir klare<br />

Verhältnisse schaffen und beweisen, dass die GdF in<br />

allen Bereichen allein vertretungsbefugt ist. Die jüngste<br />

Informationsveranstaltung in der DFS Unternehmenszentrale<br />

soll deswegen nicht die letzte Aktion ihrer Art<br />

sein. Die Be<strong>to</strong>nung der Bedeutung eines repräsentativen<br />

Organisationsgrades in allen Geschäftsbereichen ist für<br />

die Verantwortlichen der GdF kein bloßes Lippenbekenntnis:<br />

wir nehmen s(S)ie Ernst!<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Klaus Berch<strong>to</strong>ld-Nicholls<br />

Bundesvorsitzender der GdF


Bericht aus dem Vorstand<br />

Auch seit der letzten Ausgabe des „Flugleiter“ ist der Vorstand<br />

wieder an vielen Fronten aktiv gewesen, um die anstehenden<br />

Aufgaben möglichst vorteilhaften Lösungen zuzuführen.<br />

Neben den üblichen Sitzungen des Bundesvorstandes<br />

sowie den täglichen Diskussionen per Telefon oder<br />

E-Mail hat es auch diesmal wieder einige außergewöhnliche<br />

Aktivitäten gegeben, die an dieser Stelle<br />

etwas näher betrachtet und erläutert werden sollen.<br />

Markus Siebers<br />

Neuer Leiter der Tarifpolitik<br />

Eine wahre Herkules-Aufgabe zu bewältigen hat<br />

momentan unser Tarif-Gespann Markus Siebers und<br />

Dirk Vogelsang. Nach dem, bereits auf der letzten<br />

Bundesdelegiertenkonferenz angekündigten, Rücktritt<br />

unseres langjährigen Vorstandsmitglieds für Tarif<br />

und Soziales, Karla Reininghaus, hat M. Siebers, wie<br />

vorgesehen, im Juni den Posten als „Leiter der<br />

Tarifpolitik“ vollständig übernommen. Unter dieser<br />

Bezeichnung wird er bis <strong>zur</strong> nächsten Bundesdelegiertenkonferenz<br />

im Ok<strong>to</strong>ber das Tarifresort kommissarisch<br />

führen. Da hat sich, in diesem Bereich, aufgrund<br />

der langen Zeit der Gesprächsverweigerung seitens<br />

der Deutschen Flugsicherung (DFS), mittlerweile ein<br />

großer Themen-Rückstau gebildet hat, der dringend<br />

einer Lösung bedarf. Markus ist quasi Tag und Nacht<br />

für die GdF quer durch die Republik unterwegs, sehr<br />

zum Leidwesen seiner Frau Sabine übrigens, aber<br />

dennoch stets mit ihrer Unterstützung, was hier<br />

lediglich einmal am Rande Erwähnung finden soll. Auch<br />

im Frankfurter Tower, seinem primären Arbeitsplatz,<br />

ist er momentan eher selten anzutreffen. Ruft man<br />

ihn auf seinem Mobiltelefon an, so ist er meist entweder<br />

in der GdF-Geschäftsstelle oder im Au<strong>to</strong> unterwegs<br />

zu den Arbeitsstätten unserer Mitglieder. Egal ob diese<br />

nun in ÖMV’en wie Karlsruhe, München und Langen<br />

zu finden sind oder aber in Regional<strong>to</strong>wern wie Hahn,<br />

Friedrichshafen, Augsburg, Hof, Ros<strong>to</strong>ck/Laage und<br />

Heringsdorf, Markus war garantiert in den letzten<br />

Wochen schon einmal da und hat sich vor Ort von den<br />

jeweiligen Gegebenheiten sowie den Sorgen und Nöten<br />

der Kollegen ein Bild gemacht. Anschließend werden<br />

die dabei gewonnenen Erkenntnisse mit unserem<br />

Tarifverhandlungsführer Dirk Vogelsang besprochen<br />

und bewertet, um dann konkret mit der DFS oder den<br />

anderen Arbeitgebern unserer Mitglieder in Verhandlungen<br />

zu treten. Angesichts des langen Stillstandes<br />

ist der Berg, der vor den beiden strategischen Köpfen<br />

des Tarifresorts sowie unserer Tarifkommission liegt,<br />

auf nahezu unglaubliche Ausmaße angewachsen und<br />

trotz erster Erfolge immer noch riesengroß. Dennoch<br />

arbeiten Markus und Dirk Vogelsang diese Aufgaben<br />

kontinuierlich und beharrlich ab, und die ersten erzielten<br />

Ergebnisse zeigen, dass das Tarifresort bei ihnen<br />

GdF-Vorstand<br />

in allerbesten Händen ist. So sind mittlerweile<br />

auch die restlichen, noch zu übernehmenden<br />

Tarifverträge unterschrieben und in das<br />

bestehende Tarifwerk eingefügt worden. Dieses sollte<br />

somit bei Erscheinen dieses Artikels sämtlichen<br />

Obleuten, Betriebsräten und Tarifkommissionsmitgliedern<br />

<strong>zur</strong> Verfügung stehen. Besonders hervorzuheben<br />

ist auch die erst vor wenigen Tagen erzielte<br />

Freistellungs-Vereinbarung mit der DFS, die für die<br />

am meisten belasteten Aktiven der GdF, wie unseren<br />

Vorsitzenden oder eben den Leiter des Tarifresorts,<br />

eine spürbare Entlastung bringen sollte, was sich nicht<br />

nur positiv auf die ihnen für die GdF <strong>zur</strong> Verfügung<br />

stehende Zeit, sondern vor allem auch auf ihre Gesundheit<br />

auswirken dürfte.<br />

Zum Abschied von Jürgen Hartwig<br />

Die seit dem Tarifabschluß bei der DFS im November<br />

in Gang gekommene erfreuliche Entwicklung in punk<strong>to</strong><br />

„Gespräche mit der DFS“ geriet Ende Juni vorübergehend<br />

kurz ins S<strong>to</strong>cken. Jürgen Hartwig, der Geschäfts-<br />

von<br />

Marek<br />

Kluzniak<br />

5 der flugleiter 2005/04


Ist das Haar gerissen<br />

oder hat der Mensch versagt?<br />

Der Unfall des Air France-Airbus am 2. August in Toron<strong>to</strong> ist<br />

ein Lehrstück für Unternehmen. Was tun, was sagen, wenn<br />

ein Unfall passiert?<br />

Die Air France ist ein großes Unternehmen. Sie hat<br />

eigene Stabsstellen für Medienarbeit, PR, Corporate<br />

Communications, Inves<strong>to</strong>r Relations. Sie alle sind<br />

gefragt, wenn das Unternehmen öffentlich Schaden<br />

nimmt. Die französische Fluggesellschaft hat absolut<br />

professionell reagiert. In den frühen Morgenstunden<br />

sowie am Vormittag des 3. August verbreitete die<br />

Airline zwei Pressemitteilungen, in denen die knappen<br />

Fakten des Unfalls, die ergriffenen Maßnahmen sowie<br />

ein Statement eines hochrangigen Unternehmenssprechers<br />

verbreitet wurden. Der zentrale Satz darin:<br />

„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es zu früh, zu den<br />

Gründen des Unfalls Stellung zu nehmen. Die verschiedenen<br />

Untersuchungen werden dazu beitragen,<br />

die Ursachen festzustellen.“ Zudem stellt sich das<br />

Unternehmen ausdrücklich hinter seine Mitarbeiter<br />

im Flugzeug.<br />

Das ist richtig und weise. Denn: Jede andere Aussage,<br />

jede Spekulation kann (und wird) in diesen Tagen dazu<br />

führen, dass findige Juristen oder Lobbyisten dem<br />

Unternehmen einen Strick daraus drehen.<br />

Bilder ohne Bedeutung<br />

Wie aber sieht die wahrgenommene Wirklichkeit aus?<br />

In den vier Stunden direkt nach dem Unglück überschlagen<br />

sich sogenannte Nachrichten-Sender damit,<br />

Live-Bilder auf den Fernsehschirm zu bringen und<br />

diese wortreich zu unterlegen. Wer in der Nacht zum<br />

Dienstag durch die einschlägigen Kanäle zappte,<br />

konnte ungeschminkt erleben, was die Modera<strong>to</strong>ren<br />

bewegte. „Jetzt liegt das Ding schon zwei Stunden<br />

am Boden und brennt. Das kann doch nicht sein,<br />

dass wir immer noch nicht wissen, was da passiert ist<br />

und wer daran schuld ist. Der Schröder und die Merkel<br />

können uns die Welt doch auch immer so schön in 90<br />

Sekunden erklären.“ Gesagt hat das keiner, aber der<br />

Unter<strong>to</strong>n der Fragen, die Zielrichtung der Aussagen<br />

machten es ohrenfällig: Hier leidet ein Medium, das<br />

von bewegten Bildern lebt. Es leidet daran, dass es<br />

beim Zwischenfall selbst nicht dabei war, dass die<br />

Kameras nicht nah genug an die havarierte Maschine<br />

herankamen <strong>–</strong> und dass sich zunächst keiner fand,<br />

der vor der Kamera etwas zu sagen hatte.<br />

So wurde jedes aufgeschnappte Fitzelchen <strong>zur</strong><br />

Sensation. „Ich habe etwas von Haarrissen gehört.<br />

Kann das eine mögliche Ursache sein?“ wird der<br />

Experte der Redaktion am Telefon gefragt. Ich kenne<br />

den Kollegen persönlich <strong>–</strong> er ist kenntnisreich, neigt<br />

Presse & PR<br />

nicht zu Spekulationen. Er antwortet auf<br />

diese Frage in aller Ruhe und sachlich, aber<br />

in seiner Stimme schwingt der Unter<strong>to</strong>n mit<br />

„Was soll der Quatsch?“ Denn wenn es Haarrisse gibt<br />

und diese tatsächlich etwas mit dem Unfall zu tun<br />

hätten, dann würde derlei erst nach vielen Monaten<br />

in einer aufwendigen Untersuchung festgestellt.<br />

Jetzt, in Toron<strong>to</strong>, bei schlechtem Licht, Regen und<br />

unter Zentimetern von Löschschaum, könnte nicht<br />

einmal Sherlock Holmes einen Haarriss feststellen.<br />

Aber im Redaktionsarchiv hat wohl einer auf die<br />

Schnelle die Datenbank mit den Unfallursachen der<br />

letzten 20 Jahre aufgerufen und ist auf das Wort<br />

„Haarriss“ ges<strong>to</strong>ßen <strong>–</strong> also muss das, wir sind ja<br />

Nachrichtensender und gehen den Dingen in aller<br />

Breite auf den Grund, auch gefragt werden. Vielleicht<br />

hat aber auch nur einer in seiner Erinnerung gekramt:<br />

Warum stürzen Flugzeuge ab? Und hat sich halt zuerst<br />

daran erinnert. Oder ein vom Wettbewerb bezahlter<br />

Lobbyisten-Experte hat angerufen und einen Tipp<br />

gegeben. Aber wir wollen nun wirklich nicht gleich<br />

das Schlimmste annehmen.<br />

Der schlimme Verdacht<br />

Auf den Bildern des brennenden Flugzeugs sind<br />

Explosionen zu sehen. Der Modera<strong>to</strong>rin auf dem Bildschirm<br />

steht die Assoziation ins Gesicht geschrieben:<br />

Explosionen, Bomben, Al-Quaida. Sie bemüht sich um<br />

Sachlichkeit, hat aber erkennbar die Witterung einer<br />

neuen Spur aufgenommen: „Diese Explosionen <strong>–</strong> was<br />

haben die zu bedeuten?“ Der Experte am Telefon<br />

verweist auf den Treibs<strong>to</strong>ff in den Tanks, die Gase in<br />

den Leitungen, man merkt ihm an, dass das Thema<br />

Attentat in seinen Überlegungen keine Rolle spielt.<br />

In der Eile vergisst er den Hinweis auf die Sauers<strong>to</strong>ff-<br />

Flaschen an Bord, die es vermutlich in der Hitze zerreißt.<br />

Aber das Thema ist eh’ schon wieder abgehakt.<br />

Dafür kommt nun das „menschliche Versagen“ ins<br />

Spiel. Ein Schlagwort, aus hunderten von Unfallberichten<br />

bekannt, im Straßenverkehr Unfallursache<br />

von Ulrich<br />

Pfaffenberger,<br />

LPC<br />

21 der flugleiter 2005/04


der flugleiter 2005/04<br />

Presse & PR<br />

22<br />

Nummer eins <strong>–</strong> also, da war doch was, oder? Es wird<br />

immer klarer spürbar: Dieser Katastrophenbericht<br />

braucht einen Schuldigen, einen, dem man die Verantwortung<br />

zuschieben kann. Gewitter, Blitz? Davon<br />

haben wir keine Bilder. Wir brauchen einen Namen,<br />

damit wir ein Bild zeigen können. Dass es durch<br />

professionelles Handeln der Besatzung (wie sonst?)<br />

allen Passagieren gelungen ist, das Flugzeug zu<br />

verlassen, bevor es in Flammen aufging <strong>–</strong> menschliches<br />

Versagen?<br />

Ein paar Mal kommt die Frage, ob denn der Lester<br />

B. Pearson-Airport in Toron<strong>to</strong> sicher sei. Meist beantwortet<br />

sie der Modera<strong>to</strong>r selbst, indem er (oder sie)<br />

darauf hinweist, dass dort täglich mehrere hundert<br />

Flugzeuge starten und landen und unausgesprochen<br />

mitteilt: aber nicht jeden Tag etwas passiert. Aber die<br />

Frage muß nun mal gestellt werden. Genauso wie die,<br />

ob es gefährlich ist, bei schlechtem Wetter zu landen?<br />

Ja, sagt der Experte, ist es. Wie Au<strong>to</strong>fahren bei<br />

schlechtem Wetter, die Piloten werden aber darauf<br />

trainiert. Aber es könnten doch auch Scherwinde<br />

gewesen sein, kommt die nächste Frage. Wieder ein<br />

Hinweis aus der Unfalldatenbank. Der Experte schweigt.<br />

Augenzeugen berichten…<br />

Es sind bei CNN erste Augenzeugen aufgetaucht.<br />

Sie werden auf den deutschen Sendern eingespielt.<br />

Nein, sie waren nicht an Bord, haben aber von der<br />

Au<strong>to</strong>bahn aus etwas bemerkt. Ein Simultandolmetscher<br />

(Kompliment, so jemand zu mitternächtlicher Stunde<br />

verfügbar zu haben) übersetzt ihre Aussagen <strong>–</strong> bleibt<br />

aber im wesentlichen unverständlich. Wer den Original-<br />

Ton auf CNN mithört, versteht warum: Sie verwenden<br />

umgangssprachliche Ausdrücke, die in der Diplomatensprache<br />

eher selten vorkommen. Es entsteht ein<br />

lustiges Kauderwelsch allzu wörtlicher Übersetzungen.<br />

Doch die wirren Beobachtungen bestimmen ab sofort<br />

die Nachrichtenlage. „Augenzeugen berichten...“ heißt<br />

es ab sofort.<br />

Das Wunder, dass 309 Menschen die Katastrophe<br />

fast unbeschadet überlebt haben, reduziert sich auf<br />

diesen einen Satz. Und die Bemerkung, dass sie mit<br />

Bussen des Flughafens in abtransportiert wurden.<br />

Das wahre Fern-Sehen<br />

Inzwischen sind die Auslandskorrespondenten der<br />

Sender in ihren Studios eingetroffen. Das bringt<br />

Bewegung in die Nachrichtensendung, ist doch der<br />

Modera<strong>to</strong>r jetzt nicht mehr allein, sondern kann sich<br />

mit einem anderen Modera<strong>to</strong>r unterhalten. Zudem<br />

bekommt der Zuschauer signalisiert: Schau, wir haben<br />

jemand nah dran am Geschehen, der weiß das besser<br />

und genau, das macht unsere Nachrichten jetzt noch<br />

gehalt- und wertvoller. Das Traurige daran: Die<br />

Korrespondenten sitzen in New York und Washing<strong>to</strong>n.<br />

Also nicht einmal in Canada, wo das Unglück passiert<br />

ist. Sie sitzen in ihren Büros und sehen sich Berichte<br />

im amerikanischen Fernsehen an oder rufen die<br />

Websites amerikanischer Medien ab und geben das<br />

weiter. Toll, was? Nur <strong>zur</strong> Veranschaulichung: Von<br />

New York nach Toron<strong>to</strong> sind es rund 750 Kilometer,<br />

von Washing<strong>to</strong>n aus rund 900 Kilometer. Da könnte<br />

einer auch von Kopenhagen aus den Almabtrieb im<br />

Allgäu kommentieren.<br />

Fassen wir zusammen: Haarrisse, Scherwinde,<br />

menschliches Versagen, ein möglicherweise unsicherer<br />

Airport, ein Blitzeinschlag, der die ganze Elektronik<br />

an Bord lahm legte. Dieses Flugzeug musste abstürzen.<br />

Alle haben überlebt, aber von denen gibt’s keine Bilder.<br />

Von der Fluggesellschaft war bisher keine Stellungnahme<br />

zu erhalten.<br />

Am nächsten Morgen ein nüchternes Fax, eine sachliche<br />

E-Mail des betroffenen Unternehmens. Es wird dennoch<br />

viel Aufwand betreiben müssen, um Gerüchte aus der<br />

Welt zu schaffen und Vermutungen zu widerlegen.<br />

Selbst mit bester Vorbereitung und be<strong>to</strong>nt sachlicher<br />

Information gibt es keine Garantie gegen die Macht<br />

bebildeter Gerüchte und Mutmaßungen. Da macht es<br />

keinen Unterschied, ob es sich um die große Air<br />

France handelt oder um einen kleinen Mittelständler.


von Joachim<br />

Nolte, Bremen<br />

der flugleiter 2005/04<br />

Meinung<br />

26<br />

Flugsicherung an die Kette gelegt?!?<br />

Überlegungen und Gedanken, gerichtet an Freunde der<br />

Luftfahrt und des „Flugleiter“, an unser Selbstverständnis<br />

als Fluglotsen und dem einiger Institutionen.<br />

Prolog<br />

Eine Frage vorab:<br />

Wären Sie zufrieden, wenn ihrem Fußballteam der<br />

Torwart fehlen würde und durch einen anderen Feldspieler<br />

ersetzt wird? Die deutsche Nationalmannschaft<br />

beispielsweise bei der WM2006 freiwillig auf ihre voraussichtlichen<br />

Torleute Kahn, Lehmann und Hildebrand<br />

ersatzlos verzichtet und dafür andere Feldspieler<br />

(Ballack oder Deisler?) ins Tor verpflichtet. Die Öffentlichkeit<br />

samt Bildzeitung wird sich empören, sollte diese<br />

Teamentscheidung getroffen werden. Ähnlich könnte<br />

es sich vielleicht auch verhalten, würden Flugzeuge<br />

nur noch von einem Piloten geführt oder Streifenwagen<br />

der Ordnungspolizei <strong>zur</strong> Wahrung öffentlicher Sicherheit<br />

nur noch von einem Polizisten besetzt werden.<br />

Schließlich ginge es um ihr Leben und ihr Eigentum.<br />

Und Fluglotsen?<br />

Meist von der Öffentlichkeit unbemerkt, wirken sie<br />

hinter den Kulissen des sichtbaren Luftverkehrs, die<br />

Fluglotsen. Sie stellen ein Gut bereit, das dann<br />

schmerzlich in Erinnerung geholt und vermisst wird,<br />

wenn es für den Augenblick nicht (mehr) gewährleistet<br />

wurde: die Flugsicherheit. Luftverkehrsunglücke<br />

in der Verantwortlichkeit von Fluglotsen zeugen von<br />

der Flüchtigkeit und den Dramen hinter einem für<br />

selbstverständlich gehaltenen Netz der Sicherheit.<br />

Warum aber nun die vorangestellten Beispiele?<br />

Sicherlich nicht, um zu behaupten, es gäbe bei der<br />

Deutschen Flugsicherung die Praktik einer sicherheitsgefährdenden<br />

Einfachbesetzung und um mich dann<br />

einer Repressalie seitens des Arbeitgebers auszusetzen.<br />

Ich werde aber mit meiner Beschreibung, auch mittels<br />

meiner o.g. Beispielanalogie, eine Kurzdarstellung der<br />

Fluglotsentätigkeit vornehmen, um so anschließend<br />

zum Verständnis von Begriff und Inhalt der Thematik<br />

„Einfachbesetzung“ beitragen zu können.<br />

Am Ende werde ich als mein Fazit einige Konsequenzen<br />

aufzeigen, die sich bei Gültigkeit denknotwendiger<br />

Gesetze und einem Alltagsmaß an Plausibilität einstellen<br />

würden.<br />

Der Leser möge anschließend selbst entscheiden, ob<br />

eine sicherheitsrelevante Einfach- bzw. Einzelbesetzung<br />

eine derzeit gültige Praxis bei der DFS ist.<br />

<strong>Zurück</strong> zu den Beispielen und den Fluglotsen.<br />

Überdurchschnittliche Berufsanforderungen<br />

Wir befinden uns bei den markanten Vergleichsmomenten<br />

zunächst innerhalb einer komplexen humanen<br />

Realität bzw. Aufgabe. Der Fluglotse hat übereinstimmend<br />

mit den oben genannten Fällen eine von unmittelbarem<br />

Handlungs- und Entscheidungszwang<br />

geprägte Tätigkeit. Wenn ich als Akademiker<br />

oder strategischer Entscheider über einem<br />

Problem brüte, entwickle ich dies u.U. in<br />

einem ganz anderem zeitlichen Horizont als der in<br />

der Verantwortung stehende Fluglotse. Dort zählen<br />

Sekundenentscheidungen mit unmittelbaren Folgewirkungen<br />

für Mensch und Material.<br />

Selbst Richter oder Staatsanwalt steht im Falle von<br />

Rechtsfällen zu Verkehrsunglücken mehr Reflektionszeit<br />

<strong>zur</strong> Begutachtung aller Umstände zu Verfügung,<br />

wodurch es manchmal klarer werden könnte, welche<br />

unmittelbaren Entscheidungseinflüsse zu einem<br />

Umstand beigetragen haben mögen. Vergleichen Sie<br />

einmal die vielen Zeitlupenaufnahmen beim Profifußball,<br />

die den Schiedsrichterbeweis erbringen sollen<br />

oder die Debatten haltbarer und nicht-haltbarer Torschüsse,<br />

die sich um den Nationalkeeper Oliver Kahn<br />

bei Gegen<strong>to</strong>ren entzünden. Das alles ist bequem vor<br />

und nach dem Spiel von vermeintlichen Fußballexperten<br />

zu analysieren. Aber sie stehen nicht auf dem Platz<br />

und auch nicht in der Handlungssituation.<br />

Ich meine, ich gehe recht in der Annahme, dass man<br />

dem Lotsen im allgemeinen einen weitaus höheren<br />

Verantwortungsgrad als dem Spiel<strong>to</strong>rwart zuschreiben<br />

würde, wenngleich beide, zusammen mit der Polizeistreife<br />

und dem Piloten, eine Sicherheits- bzw. Sicherungsaufgabe<br />

gemeinsam haben.<br />

Ich wage sogar zu behaupten, dass die Aufgabe des<br />

Fluglotsen bei Anwendung des „Genfer Schemas“ <strong>zur</strong><br />

Beurteilung von Berufsanforderungen in weitem Maße<br />

mit der Unmittelbarkeit von Entscheidungen und Verantwortung<br />

vergleichbar ist, wie man es sonst vielleicht<br />

nur im Falle vom Beruf des Herzchirurgen kennt.<br />

Ein Nachweis ist sicherlich nicht auf der Gratifikationsebene<br />

zu suchen, da die Lobby der Ärzte etwas anders<br />

geprägt ist als die der Fluglotsen. Er liegt vielmehr im<br />

unerwünschten Misserfolgsfall, bei dem in der Regel<br />

auf Seiten der Fluglotsen ein potentiell höherer Verlust<br />

für Mensch und Material entsteht.<br />

Zentrales Leistungsmerkmal der Fluglotsen<br />

Nun das zweite Merkmal, das einerseits eine gewisse<br />

Analogie zu obigen Beispielen erlaubt und andererseits<br />

die Rolle der Fluglotsentätigkeit in den Vordergrund<br />

stellt.<br />

Lotsen vollbringen im Rahmen ihrer Gewährleistung<br />

eines sicheren Luftverkehrsnetzes eine Aufmerksamkeitsleistung,<br />

deren Bestätigung sich durch das außergewöhnliche<br />

DLR-Auswahlverfahren nachzeichnen<br />

lässt. Zu den wesentlichen Testbatterien gehören u.a.<br />

Wahrnehmungs- und Mehrfachbelastungsteste; neben<br />

den Standards üblicher Wissensverständnisse. Im Team<br />

beinhaltet diese Aufmerksamkeit darüber hinaus ein<br />

bedeutsames Netz gegenseitiger Unterstützung, nicht<br />

nur im Rahmen des beruflichen Selbstschutzes, sondern<br />

sie (die Aufmerksamkeit) ist in besonderem Maße für<br />

die Sicherheitsgarantie jedes einzelnen kontrollierten<br />

Verkehrsflugzeuges wichtig.<br />

Und: Für diesen Anspruch an Sorgfalt im Umgang mit<br />

dem Gut Verkehrssicherheit verlangt die Öffentlichkeit<br />

ebenfalls eine berechtigte Nachweispflicht in Form<br />

gültiger Befähigungslizenzen und Arbeitsplatzberechtigungen!<br />

Diese Aufmerksamkeitsleistung und Sicherheit erbringt<br />

sich aber nicht durch das einmalige Erreichen dieses<br />

Ziels, sondern wird u.a. durch die Konstitution des<br />

menschlichen Wahrnehmungs- und Verhaltensapparates<br />

immer wieder neu verlangt.<br />

Streitpunkt - Technischer Fortschritt und das<br />

´System Mensch´<br />

Verwundert stelle ich immer wieder fest, mit welcher<br />

Überzeugung und gleichermaßen Einfalt sich technikverliebte<br />

Dogmatiker dem System Mensch annähern<br />

und verlautbaren lassen, dass es in absehbarer Zeit<br />

den vollau<strong>to</strong>matisierten Piloten oder Fluglotsen geben<br />

wird. Nun, ein Argument dafür, zwei dagegen:<br />

Pro: Es liegt in einem quasi natürlichen Verlauf der<br />

technologischen Entwicklung, dass Maschinenkraft<br />

menschliche Tätigkeit ersetzt bzw. ersetzen kann. Es<br />

wäre ein Trugschluss arbeitsmarktpolitischer Betrachtung,<br />

würde sich ein Phänomen schleichender Rationalisierung<br />

nicht in jedem Berufsfeld auftun (Anm.:<br />

Wir werden diesen Prozess in den nächsten Jahren<br />

insbesondere bei den Tätigkeiten des IT-Systems und<br />

deren Dienstleistungen zunehmend beobachten<br />

dürfen). Der Grad der Rationalisierung ist dabei vom<br />

Grad der Ersetzbarkeit der Aufgabenkomplexität<br />

menschlicher Tätigkeit abhängig. Soweit das „Pro“!<br />

Meinung<br />

Contra 1: Voraussetzung dieser technischen Ersetzbarkeit<br />

sind revolutionäre Basisinnovationen und<br />

Entwicklungen neuer Themen- und Berufsfelder wie<br />

vor mehreren Jahrzehnten der erste Computer und<br />

davor die Elektro- und Chemieindustrie. Frage: Aber<br />

wo sind derzeit diese Tendenzen, die eine echte Bedrohung<br />

für die komplexen Kopfarbeiten sein könnten?<br />

Entwicklungen gibt es viele, aber revolutionäre?<br />

Contra 2: Entscheidend ist, der Mensch bleibt in Systemen<br />

wie der Luftfahrt unverzichtbar. Humane Realitäten,<br />

insbesondere komplexe, zeigen nicht ein<br />

Algorithmusschema wie die gleichförmigen und geschlossenen<br />

Operationssysteme der Technik, die zu<br />

Sackgassenentscheidungen führen können. Im Feld<br />

der Luftfahrt wäre letzterer Effekt fatal, da dies einen<br />

Flugzeugabsturz <strong>zur</strong> Folge hätte. Menschen haben<br />

hingegen eine unersetzbare heuristische Komponente,<br />

eine Art Faustformelreper<strong>to</strong>ire, das kreative Entscheidungsmomente<br />

gewährleistet, in denen die EDV<br />

längs aufgegeben haben könnte.<br />

Den Nachteil, den man sich mit dem Menschsystem<br />

erkauft, ist sicherlich seine Anfälligkeit und Begrenz<strong>the</strong>it.<br />

Dafür gibt es ausreichend physiologische und<br />

psychologische Erklärungsliteratur. Die Hinweise in<br />

DFS-Firmenlehrunterlagen und die Bildung von Abteilungen,<br />

die sich mit diesen Themen beschäftigen,<br />

zeugen ebenfalls davon.<br />

Kriterium und Expertise<br />

Nun stellt sich die Frage, wie man aus dieser Sachlage<br />

heraus überhaupt einen Gedanken an das eventuelle<br />

Thema Einzelarbeitsplatz/ Einfachbesetzung verschwenden<br />

kann. Technikvertrauen dürfte nicht die<br />

Voraussetzung für das mögliche Aufflammen eines<br />

solchen Themas sein, die Zusammenhänge<br />

wurden<br />

eben angedeutet.<br />

Aus den Erklärungen<br />

müsste klar sein, dass bei<br />

Vernachlässigung fluglotsentechnischerÜberwachungsverflechtungen<br />

das Sicherheitsnetz<br />

für die Luftfahrt<br />

immer größere<br />

Lücken aufweisen<br />

kann. Der Beweis<br />

ist nicht dadurch<br />

zu erbringen, indem<br />

der Sicherheitsschwellenwert<br />

anhand eines<br />

in vivo- Experiments<br />

ausgetestet wird.<br />

27 der flugleiter 2005/04


der flugleiter 2005/04<br />

Meinung<br />

28<br />

Das Kriterium <strong>zur</strong> Beurteilung einer sicherheitsrelevanten<br />

Maßnahme sollte sich in gewissem Grade immer<br />

am Niveau des Zweifels orientieren, den der Experte<br />

bei Beurteilung und Interpretation der Möglichkeiten<br />

und Alternativen berücksichtigen muss.<br />

Genauso wird ein Richter seine Urteilsbegründung<br />

aufbauen, wenn er zu einer weitestgehenden objektivierten<br />

Einordnung von Tatbeständen und derer<br />

Rechtsfolgen kommen möchte; er kann/wird zwar alle<br />

möglichen Deutungen in Betracht ziehen, muss aber<br />

dennoch auf die wirklich zwingende abzielen.<br />

Die Experten sind im Falle der Flugsicherung die aktiven<br />

Fluglotsen, keine Personen mit „Ehrentiteln“, denn<br />

letztere tragen im Falle eines Falles auch keine wesentliche<br />

Haftung. Von diesem Standpunkt zugunsten des<br />

Fluglotsenexpertentum aus kann man deshalb auch<br />

von einem Höchstmaß an Gewissenhaftigkeit ausgehen,<br />

da Lotsen sich Tag für Tag am Puls des Verkehrsgeschehens<br />

befinden.<br />

Der Begriff der ´Einfachbesetzung´<br />

Damit verständlich wird, was systemische Einfachbesetzung<br />

an Flugsicherungsarbeitsplätzen bedeutet<br />

(auch während der Nachtzeiten) komme ich nun zum<br />

Kern meiner Stichworte.<br />

Ein schneller Griff zu einem geläufigen Wörterbuch<br />

oder Duden gibt zunächst einen allgemeinen, einführenden<br />

Hinweis auf das Wort „einfach“. Ich verstehe<br />

dieses exemplarisch, da „einfach“ in der Zusammensetzung<br />

des Wortes „Einfachbesetzung“ den für unseren<br />

Sachverhalt wesentlichen Bedeutungsschwerpunkt<br />

im Vergleich zum Wortteil „Besetzung“ bildet. Ebenso<br />

hat der Begriff „Einfachbesetzung“ Stellvertreterfunktion<br />

für das, was wir auch als „Einzelbesetzung von<br />

Arbeitsplätzen“ bezeichnen.<br />

Also, unser Brockhaus (1996) gibt, wie ein weiteres<br />

Synonymwörterbuch (aera, 2004), sofort einige Schlag-<br />

wörter für die Annäherung an den Bedeutungshof<br />

heraus. Ich lese u.a.: Einfach = elementar; ungegliedert;<br />

einmal vorhanden, nicht doppelt; ein <strong>–</strong> fach.<br />

Wie der Richter bei der Urteilssuche, bekommt man<br />

also erste Interpretationsmöglichkeiten angeboten.<br />

Jedoch muss sich die Bestimmung erst noch weiter<br />

verdichten, um von einer nur möglichen Deutung zu<br />

einer zwingenden Aussage in unserer Fluglotsensache<br />

zu kommen.<br />

Funktionale Ausdeutung<br />

Deshalb bestimmt sich der Zusammenhang nicht allein<br />

durch eine begriffliche Ebene, sondern auch durch eine<br />

funktionale Ebene. Aus der Sicherheitsempfehlung<br />

02/2003 des Berichtes der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung<br />

(BFU) an die Flugsicherung der<br />

Schweiz zum nächtlichen Flugzeugzusammens<strong>to</strong>ß über<br />

dem Bodensee im Juli 2002 ergibt sich eine weitere<br />

interessante Facette.<br />

Es wird dort einerseits darauf hingewiesen, dass zu<br />

jeder Zeit eine physische Einfachbesetzung im Dienst<br />

(ich verstehe zusätzlich „Dienstraum“) zu vermeiden sei.<br />

Andererseits wird aber auch auf eine methodischfunktionale<br />

Perspektive der Fluglotsentätigkeit<br />

verwiesen, indem es darüber hinaus zu vermeiden ist,<br />

Fluglotsen mit einer Doppelfunktion der Verkehrsführung<br />

zu betrauen (z.B. ein Fluglotse nimmt gleichzeitig<br />

die Funktion eines Anfluglotsen und des Streckenverkehrslotsen<br />

wahr). Es werden ferner für die Streckenkontrollsek<strong>to</strong>ren<br />

(in Zürich) mindestens zwei Fluglotsen<br />

gefordert, ebenso ein weiterer Vorhaltewinkel an<br />

Lotsen für Approachtätigkeiten und Pausengewährleistungen.<br />

Es heißt auszugsweise somit wörtlich an den wesentlichen<br />

Stellen der BFU-Sicherheitsempfehlung 02/2003:<br />

„...- Zu jeder Zeit sollten sich mindestens zwei Lotsen<br />

im Dienst befinden.<br />

- Es sollten mindestens zwei Lotsen an Streckenkontrollsek<strong>to</strong>ren<br />

arbeiten, d.h. ein Radar Planer<br />

(RP) und ein Radar Executive (RE).<br />

- Wenn durch das ACC Zürich die Anflugkontrolle<br />

[...] durchgeführt werden muss, sollte ein zusätzlicher<br />

Lotse vorgesehen werden.<br />

- [...] Zusätzliche Lotsen sind vorzusehen, um die<br />

Einhaltung von Pausen zu gewährleisten.“<br />

Merkmalsbestimmungen<br />

Gemessen an diesen Aussagen und einigen weiteren<br />

Hinweisen, die sich aus den Schlussfolgerungen der<br />

BFU ergeben, erhält man also zwingendere Interpretationshinweise.<br />

Zwei Merkmale stechen also für eine<br />

Bestimmung von Einfachbesetzung bei Fluglotsenarbeitsplätzen<br />

hervor:<br />

Einfachbesetzung besteht demnach,<br />

- wenn eine physische Einfachbesetzung im Dienst<br />

vorliegt, und<br />

- wenn ein Fluglotse methodisch eine Doppelfunktion<br />

wahrnimmt.<br />

Streitpunkt könnte sicherlich sein, ob wir es bei dieser<br />

inhaltlichen Bestimmung um eine typisch schweizerische<br />

Variante im Verständnis von Einfach-/ Einzelbesetzung<br />

von Fluglotsenarbeitsplätzen handelt. Dennoch<br />

ergäbe sich meiner Meinung nach ein Widerspruch<br />

für denjenigen, der einerseits im Themengebiet ´Single<br />

European Sky´ (SES) internationale Luftfahrthorizonte<br />

propagiert und im Bereich der Flugsicherheitsdebatten<br />

mit dem Plausibilitätshorizont eines Kleintierzüchterverein<br />

argumentiert. Zumindest wäre dies keine<br />

schlüssige Dimensionierung der Argumentation.<br />

Zu meinen Fazit und möglichen Konsequenzen<br />

Ein einzelner Lotse, physisch einzeln oder mit einer<br />

gleichzeitigen Doppelfunktion (Approach/ACC bzw.<br />

Radar/Coordina<strong>to</strong>r) bei Arbeitsplatzzusammenlegungen<br />

ist Einfachbesetzung. Dies scheint unverträglich<br />

mit einer Darstellung der Konstruktion eines engen<br />

Sicherheitsnetzes der Flugsicherung. Das Kriterium<br />

ist der Zweifel bei Expertise.<br />

Die ökonomische Eigenlogik von Flugsicherungsunternehmen<br />

<strong>–</strong> neben dem eigentlichen Unternehmenszweck<br />

<strong>–</strong> ist mir so geläufig wie verständlich. Deshalb<br />

kann ich die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen,<br />

die sich aus dem Überlebensprozess eines Unternehmens<br />

stellen, nicht verurteilen, denn sie stellen aus<br />

dieser Teilperspektive eine natürliche Logik dar.<br />

Aufgaben<br />

Die Diskussion konkretisiert sich aber über die diesbezüglichen<br />

Rahmenbedingungen der Handlungen,<br />

die über die rechtlichen Regelungen erzeugt werden.<br />

Sollte nach einer möglichen Feststellung der o.g.<br />

Annahmen bei einem Flugsicherungsunternehmen<br />

die Einfachbesetzung eine Praxis sein, dann sind die<br />

gesetzgebenden Institutionen des Staates und seine<br />

stellvertretenden Einrichtungen, zu denen auch das<br />

Luftfahrtbundesamt zählt, aufgefordert, ihrer originären<br />

Aufgabe im Interesse eines Gemeinwesens nachzukommen.<br />

Nicht (nur) zum Schutz für ein paar Fluglotsen,<br />

sondern im Sicherheitsinteresse einer breiteren<br />

Öffentlichkeit. Ansonsten verlieren diese Institutio-<br />

Meinung<br />

nen selbst ihre Legitimationsbasis (Anm.: Und damit<br />

möglicherweise auch einige schöne Büroeinrichtungen<br />

am DFS-Campus Langen!).<br />

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) hat in einer<br />

solchen Debatte eine wichtige Funktion:<br />

Über den Appell für Verbesserung und für Wartung<br />

etwaiger Qualitäten für die Sicherheitsstandards<br />

einzutreten!<br />

Wenn dies nicht mehr probat ist, dann ist über die<br />

Neubewertung erbrachter Fluglotsenleistungen nachzudenken.<br />

Dazu hat man dann diese Überlegungen in<br />

eine entsprechende Bepreisung der Fluglotsenleistungen<br />

einfließen zu lassen. Dann wären wir allerdings<br />

auf der Ebene von Ökonomie und einer „neuverstandenen“<br />

Variante von Kostenbewusstsein angekommen,<br />

die ja mittlerweile auch von der führenden Politik<br />

befürwortet wird (siehe Franz Müntefering, SPD, und<br />

die Aufgabe der Tarif<strong>zur</strong>ückhaltung auf dem Parteitag<br />

der JuSos in Leipzig am 11.Juni 2005).<br />

Der Preis regelt dann ja bekanntlich (fast) alles, das<br />

Thema Sicherheit bleibt dennoch weiterhin verschärft.<br />

Sicherheit ist aber keine Verhandlungssache.<br />

Also!<br />

Denken Sie nun, beurteilen Sie selbst!<br />

Zum Au<strong>to</strong>r<br />

Jahrgang: 1969<br />

1989 (Abitur) - 1993:<br />

Ausbildung und Tätigkeit als Flugdienstberater/<br />

1.Flugzeugabfertiger bei der Luftwaffe beim Mil.-AIS<br />

(Base-Ops) in Oldenburg (JaBoG 43).<br />

1993- 1996: Ausbildung zum Fluglotsen bei der DFS,<br />

derzeit EBG-Zulassungen auf ehemaligen Bremer<br />

´Zivil´ und ´Militär´-Sek<strong>to</strong>ren (Ost und Nord).<br />

1997: Beginn der Universitätsstudiengänge<br />

Wirtschaftswissenschaften,<br />

Philosophie und Psychologie; derzeit<br />

bereite ich den letzten der Abschlüsse<br />

vor.(nota bene: Beruf und Uni jeweils<br />

nebeneinander in Vollzeit!).<br />

seit Anfang 2004 Mitglied der<br />

´Großen Tarifkommission´ der GdF<br />

29 der flugleiter 2005/04


Gedanken <strong>zur</strong><br />

DFS-Jahrespressekonferenz<br />

Jahrespressekonferenzen und die damit verbundene Vorstellung<br />

des Geschäftsberichts für das vergangene Jahr gehören zu<br />

jenen Ritualen, die auch Pflichttermine für die bundesdeutsche<br />

Journaille sind. Was nicht au<strong>to</strong>matisch bedeutet, dass sie dann<br />

auch zu den Glanzlichtern des medialen Treibens gehören.<br />

Und natürlich geht es für das jeweilige Unternehmen um<br />

mehr, als nur für das verflossene Geschäftsjahr Rechenschaft<br />

abzulegen. Derartige Pressekonferenzen bieten der Geschäftsführung<br />

nicht nur die Möglichkeit, sich im besten Licht zu<br />

präsentieren, sondern auch bestimmte Botschaften auszusenden.<br />

Botschaften, die Sich sowohl nach außen als auch nach<br />

innen richten. Weshalb sollte dies bei der DFS, die am 4. Juli<br />

zu ihrer Jahrespressekonferenz geladen hatte, anders sein?<br />

Die Botschaft nach außen....<br />

Zunächst einmal <strong>–</strong> die DFS kann offensichtlich vor Kraft<br />

kaum mehr laufen. Bei einem Umsatzvolumen von<br />

923,4 Mio. EUR erzielte sie im letzten Jahr einen Jahresüberschuss<br />

von 36,3 Mio. EUR, der Cashflow lag mit<br />

165,1 Mio. rund zwölf Prozent über dem des Vorjahrs<br />

und die Net<strong>to</strong>verschuldung wurde von 236,2 auf<br />

60,3 Mio. EUR gesenkt. Und dies, darauf legt man am<br />

Campus zu Langen wohl ganz besonders Wert, bei<br />

einer deutlichen Gebührensenkung. Die lag im An-<br />

/Abflugbereich bei 12,9 und im Streckenbereich bei<br />

3,2%. Und in diesem Jahr soll noch kräftig reduziert<br />

werden: 28,3% im An-/Abflug- und 20,2% im Streckenbereich.<br />

Setzt sich diese Tendenz fort, dann wird sich<br />

der Wunschtraum von Ryanair-Chef<br />

Michael O´Leary nicht bei den Flughäfen,<br />

sondern bei der Flugsicherung verwirklichen<br />

lassen. Der ist bekanntlich der<br />

Meinung, dass nicht er den Flughäfen<br />

irgendwelche Gebühren zu zahlen habe,<br />

sondern die Flughäfen ihn für seine<br />

Gnade, diesen und jenen Airport anzufliegen,<br />

finanziell zu entlohnen hätten.<br />

Trotz dieser Gebührensenkungen, so<br />

versichert die DFS, wird eine qualitativ<br />

hochwertige Leistung abgeliefert (was<br />

an dieser Stelle auch nicht bestritten<br />

werden soll). Von den mehr als 2,7 Mio.<br />

Flügen (+6,7%) wurden 96% ohne flugsicherungsbedingte<br />

Verzögerungen abgewickelt.<br />

Auch bei der Sicherheit schlägt<br />

sich die DFS <strong>to</strong>tal begeistert auf ihre<br />

Schulter. „Nur sechs Luftfahrzeugannäherungen<br />

(wurden) im deutschen Luftraum“<br />

registriert. Dabei fielen nur drei<br />

unter die Kategorie A und stellten somit<br />

eine unmittelbare Kollisionsgefahr dar.<br />

Presse & PR<br />

Auch wenn man einwenden kann, dass „nur“<br />

drei Flugzeugannäherungen“ eben drei zu<br />

viel sind, so ist dies eine gute Leistung. Doch<br />

die Zahl der Flugzeugannäherungen sagt<br />

bekanntlich nicht so besonders viel über die<br />

Sicherheitsleistung einer Flugsicherungsorganisation<br />

aus. Von entscheidender Bedeutung<br />

ist die Unternehmens- und Sicherheitskultur,<br />

ist die Frage, wie die Firma auf die<br />

von ihrem Personal vorgebrachten Bedenken<br />

eingeht, ob das stereotype Vorbringen des<br />

„Sicherheit hat absoluten Vorrang“ auch<br />

wirklich im täglichen Betrieb gelebt wird. Ob<br />

die Controller nicht unter permanenten Stress gesetzt<br />

werden, im Sinne einer Produktionssteigerung immer<br />

mehr Flugbewegungen in ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

abzuwickeln oder an den Flughäfen die Pistenkapazität<br />

bis an die oberste Grenze auszuquetschen? Da wäre<br />

doch schon einmal die Frage erlaubt, wie sich die Zahlen<br />

der „Runway-Incursions“ in den letzten Jahren<br />

entwickelt haben? Wurden im Zuge der umstrittenen<br />

nächtlichen „Continuous Descend Approaches“ die<br />

Bezeichnung der „Day“ und „Night Transitions“ dummerweise<br />

so gewählt, dass es dabei leicht zu Verwechslungen<br />

auf Pilotenseite kommen konnte? Mit<br />

der Gefahr, dass daraus ernsthafte Staffelungsunterschreitungen<br />

nicht ausgeschlossen werden können?<br />

Und zeugt die Absicht, den Technikern und Ingenieuren<br />

die eigentlich erforderliche Lizensierung zu verweigern,<br />

unbedingt auf ein fest verankertes Sicherheitsbewusstsein<br />

in den oberen Etagen der DFS?<br />

Davon ist in der Pressemeldung <strong>zur</strong> Jahrespressekonferenz<br />

natürlich nichts zu lesen. Was auch nicht weiter<br />

verwunderlich und den PR-Menschen der DFS auch<br />

nicht vorzuwerfen ist. Denn schließlich haben Presseund<br />

Kommunikationsabteilungen die Aufgabe, ihre<br />

Firma im besten Licht erscheinen zu lassen. Die Botschaft,<br />

die da an den Mann gebracht werden soll, ist<br />

eine andere. Schließlich steht die Kapitalprivatisierung<br />

auf der Tagesordnung. Da muss die Braut ordentlich<br />

geschminkt werden, um sie für mögliche Inves<strong>to</strong>ren<br />

auch attraktiv erscheinen zu lassen. Desweiteren<br />

muss auch die Kunde, dass nur eine knackige Braut<br />

auch die besten Chancen hat, im zukünftigen Wettbewerb<br />

zu bestehen, unters Volk gebracht werden.<br />

Die DFS, so lautet die weitere Botschaft, richtet sich<br />

auf den bevorstehenden Wettbewerb ein. Und der<br />

beginnt bereits im nächsten Jahr an den Regionalflughäfen.<br />

Mit der Gründung der „Tower Company“ wird<br />

die DFS bei diesem Wettbewerb mitmischen und ihre<br />

von Werner<br />

Fischbach<br />

15 der flugleiter 2005/04


<strong>Zurück</strong> <strong>zur</strong> <strong>Zukunft</strong> <strong>–</strong> <strong>Back</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>Future</strong><br />

Jetzt ist es amtlich, die GdF hat den Gewerkschaftsstatus<br />

erreicht - zumindest vorerst. Das Arbeitsgericht in Offenbach<br />

bescherte der GdF einen erneuten Etappensieg auf dem Weg<br />

zu einer tariffähigen Gewerkschaft. Aber es ist sehr wahrscheinlich,<br />

dass dieser Sieg eben wiederum und wieder<br />

Mal nur ein Etappensieg sein dürfte.<br />

Man darf davon ausgehen, vielleicht muss man sogar<br />

davon ausgehen, dass zumindest eine, wenn nicht<br />

sogar das ganze Kollektiv der Gegenseite, die Revisionskarte<br />

zieht und das ganze Verfahren in die nächste<br />

Runde vorm Landesarbeitsgericht Frankfurt landet.<br />

Dort werden die Karten dann wieder neu gegeben,<br />

wobei die GdF nach den jetzt vorliegenden Richtersprüchen<br />

einige Trümpfe mehr auf der Hand hat als je<br />

zuvor.<br />

Es ist sicherlich schwer verständlich für die Mitglieder<br />

der GdF, die größtenteils auch Mitarbeiter der DFS<br />

sind, dass sich die DFS weiter schlecht beraten lässt<br />

und immer wieder versucht, den Gewerkschaftsstatus<br />

der GdF in Frage zu stellen. Die Kosten dieses Gerichtsstreites,<br />

die im übrigen auch von den GdF-Mitgliedern<br />

erwirtschaftet werden müssen, wachsen stetig an<br />

und der Erfolg, zumindest aus DFS-Sicht, lässt zu<br />

wünschen übrig. Die Anzahl der in der GdF organisierten<br />

Mitglieder wächst und wächst. Nicht zuletzt ist der<br />

Grund dafür in dem bisherigen Verhalten der DFS zu<br />

suchen und in der Beharrlichkeit der GdF zu finden.<br />

In den letzten Wochen und Monaten standen die Auseinandersetzungen<br />

mit der DFS und dem Flughafen<br />

Hahn im Vordergrund. Es ging in erster Linie um die<br />

Anerkennung der GdF als Tarifpartner und die Feststellung<br />

eines gewerkschaftlichen Status der GdF.<br />

Viele Veröffentlichungen von Seiten der DFS wie auch<br />

von Seiten der GdF befassten sich nur mit der Tatsache,<br />

dem jeweils anderen das Leben so schwer wie nur<br />

irgendwie möglich machen.Grundsätzlichkeiten und<br />

Prinzipientreue machte das Miteinander recht schwierig.<br />

Untermalt mit persönlichen Angriffen wurden<br />

Sachfragen sehr oft in den Hintergrund geschoben.<br />

Erst durch einen Richterspruch des Landesarbeitsgerichtes<br />

Hessen in Frankfurt kam man ganz langsam<br />

wieder auf die Fachschiene <strong>zur</strong>ück. Zwar wurden<br />

die folgenden ersten Tarifverhandlungen im<br />

November 2004 zwischen GdF und DFS<br />

durch so manch eine „Meinungsäußerung“<br />

verschiedener Personen zum Teil<br />

nachhaltig gestört, aber schließlich<br />

haben sich beide Seiten zusammengerauft<br />

und einen Tarifabschluss unterzeichnet.<br />

Intern<br />

Dass die GdF Tarifverhandlungen führen kann,<br />

hat sie also in der jüngeren Vergangenheit<br />

bewiesen. Das Echo der Mitglieder war und<br />

ist übereinstimmend zufrieden stellend. Auf Lorbeeren<br />

ausruhen ist nicht empfehlenswert und auch nicht<br />

gewollt, neue Aufgaben und Herausforderungen stehen<br />

auf dem Spielplan. Und bei diesem Spielplan für die<br />

<strong>Zukunft</strong> sind die Revisionsverhandlungen über den<br />

Gewerkschaftsstatus nur ein Akt von vielen anderen.<br />

Erinnert sei an die bevorstehenden Tarifverhandlungen<br />

im Ok<strong>to</strong>ber, an die Arbeitsgruppe <strong>zur</strong> Neu-Kastner-<br />

Validierung der einzelnen Flugsicherungssek<strong>to</strong>ren<br />

und DFS-Niederlassungen, oder auch an die Kapitalprivatisierung<br />

der DFS.<br />

Das was die Ursprung-Verbände (VDF und FTI) der GdF<br />

bekannt gemacht hat, war die sachliche und fachliche<br />

Basisarbeit. Viele Ideen und Projekte lebten vom Einfluss<br />

der Mitarbeiter in diesen Organisationen. Rat<br />

und Tat der GdF (VDF und FTI) wurde vielerorts eingeholt<br />

und berücksichtigt. Nun ist die GdF dabei, verloren<br />

gegangenes Terrain <strong>zur</strong>ück zu holen, aber es dauert<br />

noch einige Zeit bis man sich überall etabliert hat.<br />

Für die GdF kann es in <strong>Zukunft</strong> deshalb nur heißen,<br />

sich neben dem Tarifarbeitsfeld wieder<br />

vermehrt auch den fachlichen Dingen<br />

zuzuwenden. Da sich zwischenzeitlich<br />

einige bemerkenswerte Veränderungen<br />

in der DFS und<br />

auch in der GdF ergeben<br />

haben, müssen alte<br />

Zöpfe zum Teil<br />

abgeschnitten<br />

oder schlicht<br />

und ergreifend<br />

neu<br />

gebunden<br />

werden.<br />

Dabei ist es wenig<br />

hilfreich, wenn<br />

Leute der „Guten Alten<br />

Zeit“ hinter her jammern und<br />

die Zeichen des „Hier und Jetzt“<br />

nicht erkennen. Die Devise für die<br />

<strong>Zukunft</strong> kann eigentlich nur lauten: Mit<br />

Schritt und Taten sich der <strong>Zukunft</strong> aufgeschlossen<br />

zeigen und lernen Veränderungen zu<br />

akzeptieren. Und gerade bei diesen Veränderungen<br />

ist es wichtig, dass sich die GdF sachlich und fachlich<br />

gut aufstellt, ihre Meinung kund tut und ihren Einfluss<br />

geltend macht.<br />

von<br />

Hans-Joachim<br />

Krüger<br />

23 der flugleiter 2005/04


von Nanda<br />

Adam<br />

der flugleiter 2005/04<br />

Intern<br />

24<br />

Ebenso wichtig wie die fachlichen Gespräche der GdF<br />

ist die europäische Öffnung und damit die Weiterentwicklung<br />

hin zu unseren Nachbarn. Aber auch die<br />

Veränderungen der Flugsicherung innerhalb Deutschlands,wie<br />

sie z.B. der SES <strong>–</strong> Single European Sky mit<br />

sich bringt, ist nicht zu verachten. Mit der anstehenden<br />

Zertifizierung für die Flugsicherungsanbieter und die<br />

entsprechenden Mitarbeiter stehen plötzlich viele<br />

Probleme vor der Tür, die einer Regelung bedürfen.<br />

Auch hier wird sich die GdF beweisen und für weitere<br />

Themenbereiche öffnen müssen.<br />

Es ist ein sehr weites Spektrum, das sich der GdF in<br />

<strong>Zukunft</strong> bietet und den Offiziellen der GdF vieles<br />

abverlangt. Daher sollte, auch im Hinblick auf die<br />

anstehenden Betriebsratswahlen im Jahr 2006, jedes<br />

Mitglied prüfen, in wie weit für ihn eine Mitarbeit in<br />

einem internen Gremium der GdF oder als Betriebsrat<br />

möglich ist. Die GdF lebt <strong>–</strong> sie lebt von den Ideen und<br />

den Möglichkeiten der Mitglieder. Die <strong>Zukunft</strong> hat<br />

bereits begonnen und die GdF sollte sie mit gestalten.<br />

Das Ausbildungskonzept der GdF <strong>–</strong><br />

eine tätigkeitsorientierte Didaktik<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, eine Ausbildung zum Fluglotsen durchzuführen.<br />

Man kann zuerst die <strong>the</strong>oretischen Inhalte in verschiedenen<br />

Unterrichtsfächern vermitteln um anschließend am Simula<strong>to</strong>r<br />

zu trainieren. Das ist die klassische Theorie-Praxis-Trennung, die<br />

viele von uns erlebt haben. Um die Ausbildung besser zu strukturieren,<br />

wurden in vielen Ausbildungsstätten der Flugsicherung<br />

operationalisierte Lernziele eingeführt (z.B. DATS), d.h. jetzt wurde<br />

genau definiert, was in welcher Unterrichtsstunde eines Faches<br />

vermittelt bzw. gelernt werden sollte. Inzwischen sind diese Lernziele<br />

europaweit im so genannten Common Core Content (CCC)<br />

vorgegeben. Um ein besseres und früheres Verständnis zu fördern,<br />

wurden Praxisanteile nach vorne, in den Theorieteil hinein verschoben.<br />

Auch wenn sich die Struktur der Ausbildung im Gegensatz zu<br />

früher wesentlich verbessert hat, gibt es dennoch Raum für<br />

Weiterentwicklungen. Diesen Raum bietet das Ausbildungskonzept<br />

der GdF: das stark auf die Tätigkeiten der einzelnen Fluglotsen<br />

konzentrierte Konzept (Tätigkeiten des Upper en-route werden<br />

beispielsweise von denen des Approach unterschieden und mit<br />

entsprechenden Lerninhalten gekoppelt) ebnet den Weg für eine<br />

handlungsorientierte Didaktik.<br />

Handlungsorientierung statt Lernzielorientierung<br />

Das Ziel einer handlungsorientierten<br />

Ausbildung ist die Entwicklung der<br />

für den Beruf not-wendigen<br />

Handlungskompetenz. Die<br />

Praxis steht im Vordergrund<br />

und damit die tatsächliche<br />

Arbeit des Fluglotsen, die<br />

natürlich auch in diesem Konzept<br />

durch <strong>the</strong>oretische Teile<br />

ange-reichert wird, denn auch<br />

hier bleibt ein „Pauken“ für den<br />

Auszubildenden nicht aus. Der Lerns<strong>to</strong>ff<br />

ist jedoch immer an konkrete<br />

Handlungen gebunden, die der<br />

Realität entnommen sind, und die in<br />

dem Lernabschnitt auch<br />

tatsächlich durchgeführt werden.<br />

Lernfelder statt Unterrichtsfächer<br />

Anstatt die im CCC vorgegebenen<br />

Lernziele in Unterrichtsfächer zu<br />

packen und konsekutiv zu vermitteln,<br />

werden Lernfelder geschaffen, d.h.<br />

<strong>the</strong>matische Einheiten, die sich an<br />

konkreten beruflichen Aufgabenstellungen<br />

und Handlungsabläufen orientieren.<br />

Innerhalb eines Lernfeldes erhält<br />

der Auszubildende nicht nur Wissen,<br />

sondern entwickelt sich auch in anderen<br />

notwendigen Bereichen weiter. Er entwickelt<br />

durch ständiges Anwenden des<br />

erlernten Wissens eine Methodenkompetenz.<br />

Im Umgang mit anderen Auszubildenden<br />

trainiert er die für den Beruf<br />

erforderliche Sozialkompetenz. Gleichzeitig erwirbt<br />

er eine verantwortungsvolle Einstellung und sichere<br />

Verhaltensweisen, wenn er in Lernfeldern von Anfang<br />

an mit kon-kreten beruflichen Situationen konfrontiert<br />

wird. Solche Lernfelder könnten für den Upperen-route-Lotsen<br />

beispielsweise lauten:<br />

• einen Verantwortungsbereich übernehmen,<br />

• das Verkehrsbild analysieren,<br />

• Überflüge bearbeiten,<br />

• Sinkflüge bearbeiten,<br />

• Steigflüge bearbeiten,<br />

• Sonderflüge bearbeiten,<br />

• Staffelungsprobleme bearbeiten,<br />

• mit den Systemen interagieren,<br />

• einen Verantwortungsbereich übergeben.<br />

Ganzheitlichkeit statt Einseitigkeit<br />

Die jeweiligen Lernziele des CCC werden diesen Lernfeldern<br />

zugeordnet. Ich möchte das System an einem<br />

Beispiel verdeutlichen. Um Überflüge bearbeiten zu<br />

können, muss der Auszubildende erstens eine berufliche<br />

Einstellung haben, die den Sicherheitsvorstellungen<br />

des Unternehmens entspricht, d.h. er muss Überflüge<br />

überhaupt sicher bearbeiten wollen. Er muss hierzu<br />

die Staffelungsregeln kennen und wissen, wie er mit<br />

den Piloten kommuniziert. Zu guter Letzt muss er all<br />

dies zusammenpacken und<br />

die Tätigkeit „Überflüge bearbeiten“<br />

korrekt ausüben.<br />

Die einzelnen durch den CCC<br />

Intern<br />

vorgegebenen Lernziele werden nun diesem Lernfeld<br />

und damit dieser konkreten Handlung zugeordnet. Das<br />

wäre beispielsweise aus dem Bereich Luftverkehrsrecht<br />

das Lernziel, die Notwendigkeit von Sicherheitsbestimmungen<br />

zu beschreiben. Die Notwendigkeit korrekter<br />

Anwendung der Phraseology (laut CCC ein FVK-<br />

Thema) gehört ebenfalls in dieses Lernfeld bezogen<br />

auf den Sprechfunk und die Koordination von Überflügen.<br />

Prinzipien von Teamarbeit und Umgang mit<br />

Stress (heute im Fach HUM) sind ebenso Thema<br />

dieses Lernfeldes wie die Staffelungswerte (FVK),<br />

Geschwindigkeiten (NAV), Wetterereignisse (MET)<br />

und der Umgang mit dem technischen Gerät (Systems).<br />

Diese Lernziele werden nicht in den verschiedenen<br />

Unterrichtsfächern behandelt, sondern alles wird ganzheitlich,<br />

also im Zusammenhang mit der Bearbeitung<br />

der Überflüge gelehrt und getan, und dabei gelernt.<br />

In einem handlungsorientierten Ausbildungskonzept<br />

gewinnen neben dem Frontalunterricht alternative<br />

Unterrichtsformen wie Leittextmethoden, Fallstudien,<br />

Diskussionen und natürlich Simulation an Wert und<br />

helfen dem Auszubildenden, die für den Beruf notwendige<br />

Handlungskompetenz zu erwerben. ¯<br />

25 der flugleiter 2005/04

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