Cindy Sherman Retrospektive

Cindy Sherman Retrospektive Cindy Sherman Retrospektive

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KUB 06.06 Presseinformation Cindy Sherman Cindy Sherman Retrospektive 2. Dezember 2006 – 28. Januar 2007 Pressekonferenz: Donnerstag, 30. November 2006, 12 Uhr Eröffnung: Freitag, 1. Dezember 2006, 20 Uhr Die Ausstellung Cindy Sherman wurde vom Jeu de Paume, Paris organisiert und vom Kunsthaus Bregenz, dem Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark und dem Martin-Gropius-Bau, Berlin, koproduziert. Schon in ihren frühesten Arbeiten vor mehr als dreißig Jahren bedient sich Cindy Sherman fast ausschließlich ihrer eigenen Person als Modell und Gegenstand ihrer Inszenierungen. In ihren Serien stellt sie mit Hilfe unterschiedlicher Accessoires (Schminke, Kostüme, Prothesen) erfundene Personen dar und fotografiert sie im Studio. Auf diese Weise schafft sie eines der bedeutendsten Werke unserer Zeit, das ausschließlich die Fotografie als Träger benützt. Abwechselnd parodistisch, bissig, manchmal brutal, inszenieren diese Arbeiten eine Galerie von Figuren in Anlehnung an kulturelle und soziale Stereotype, um sie und die unterschiedlichen Möglichkeiten ihrer Darstellung zu hinterfragen: Mittelseiten in Illustrierten, Werbung, Kino, klassische Malerei, etc. Im Hintergrund wird eine subtile Analyse der individuellen Identität, insbesondere der weiblichen, spürbar, sowie der Fantasien, die sie auslöst und der Kräfte, denen sie ausgesetzt ist. Dieses Eintauchen in ungewisse und konfliktbeladene Bereiche, wo die Identität des Individuums mit dem kollektiven Unbewussten, mit Stereotypen und symbolischer Macht ringt, erfolgt zuweilen spielerisch, dann wieder düster, wenn sie Schrecken oder Ekel, verstümmelte oder entstellte Körper darstellt. Die hier gezeigte Retrospektive mit Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 2005 erlaubt einen Blick auf die Entwicklung ihrer Arbeit, ihre üppige Karl-Tizian-Platz Postfach 371 A-6901 Bregenz Telefon (+43-55 74) 4 85 94-0 Fax (+43-55 74) 4 85 94-408 E-Mail kub@kunsthaus-bregenz.at Web www.kunsthaus-bregenz.at

KUB 06.06 Presseinformation <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

<strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

<strong>Retrospektive</strong><br />

2. Dezember 2006 – 28. Januar 2007<br />

Pressekonferenz:<br />

Donnerstag, 30. November 2006, 12 Uhr<br />

Eröffnung:<br />

Freitag, 1. Dezember 2006, 20 Uhr<br />

Die Ausstellung <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> wurde vom Jeu de Paume, Paris<br />

organisiert und vom Kunsthaus Bregenz, dem Louisiana Museum of<br />

Modern Art, Humlebæk, Dänemark und dem Martin-Gropius-Bau,<br />

Berlin, koproduziert.<br />

Schon in ihren frühesten Arbeiten vor mehr als dreißig Jahren bedient sich<br />

<strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> fast ausschließlich ihrer eigenen Person als Modell und<br />

Gegenstand ihrer Inszenierungen. In ihren Serien stellt sie mit Hilfe<br />

unterschiedlicher Accessoires (Schminke, Kostüme, Prothesen) erfundene<br />

Personen dar und fotografiert sie im Studio. Auf diese Weise schafft sie<br />

eines der bedeutendsten Werke unserer Zeit, das ausschließlich die<br />

Fotografie als Träger benützt.<br />

Abwechselnd parodistisch, bissig, manchmal brutal, inszenieren diese<br />

Arbeiten eine Galerie von Figuren in Anlehnung an kulturelle und soziale<br />

Stereotype, um sie und die unterschiedlichen Möglichkeiten ihrer<br />

Darstellung zu hinterfragen: Mittelseiten in Illustrierten, Werbung, Kino,<br />

klassische Malerei, etc. Im Hintergrund wird eine subtile Analyse der<br />

individuellen Identität, insbesondere der weiblichen, spürbar, sowie der<br />

Fantasien, die sie auslöst und der Kräfte, denen sie ausgesetzt ist. Dieses<br />

Eintauchen in ungewisse und konfliktbeladene Bereiche, wo die Identität<br />

des Individuums mit dem kollektiven Unbewussten, mit Stereotypen und<br />

symbolischer Macht ringt, erfolgt zuweilen spielerisch, dann wieder düster,<br />

wenn sie Schrecken oder Ekel, verstümmelte oder entstellte Körper<br />

darstellt.<br />

Die hier gezeigte <strong>Retrospektive</strong> mit Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 2005<br />

erlaubt einen Blick auf die Entwicklung ihrer Arbeit, ihre üppige<br />

Karl-Tizian-Platz<br />

Postfach 371<br />

A-6901 Bregenz<br />

Telefon<br />

(+43-55 74) 4 85 94-0<br />

Fax<br />

(+43-55 74) 4 85 94-408<br />

E-Mail<br />

kub@kunsthaus-bregenz.at<br />

Web<br />

www.kunsthaus-bregenz.at


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Erfindungsgabe, die unterschiedlichen Kraftlinien, die sie strukturieren und<br />

die komplexen Fragestellungen, die sie aufwirft.<br />

Etappen der Ausstellung<br />

- Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk, Dänemark, 9. Februar bis<br />

13. Mai 2007<br />

- Martin-Gropius-Bau Berlin, 13. Juni bis 10. September 2007<br />

Besuchen Sie die Website der Künstlerin: www.cindysherman.com<br />

Die im Kunsthaus Bregenz gezeigte <strong>Retrospektive</strong> umfasst mehr als<br />

250 Werke, zum Großteil aus den bekanntesten Serien:<br />

- Doll Clothes, 1975 B/W super 8 film, 2’22<br />

- Untitled ABCDE, 1975 x 5 photographs: the<br />

complete series<br />

- Untitled from Bus Riders, 1976-2005 x 20<br />

- Murder Mystery, 1976-2000 x 17: the complete<br />

series<br />

- Untitled Film Stills, 1977-1980 x 70: the complete<br />

series<br />

- Rear Screen Projections, 1980 x 12<br />

- Centerfolds or Horizontals, 1981 x 12: the complete<br />

series<br />

- Pink Robes, 1982 x 3<br />

- Untitled, 1982 x 4<br />

- Fashion, 1983-1984 x 7<br />

- Fairy Tales, 1985 x 5<br />

- Disasters, 1986-1989 x 7<br />

- History Portraits, 1988-1990 x 24<br />

- Civil War, 1991 x 3<br />

- Sex Pictures, 1992 x 9<br />

- Fashion, 1993-1994 x 6<br />

- Horror and Surrealist Pictures, 1994-1996 x 9<br />

- Masks, 1995-1996 x 10<br />

- Broken Dolls, 1999 x 8<br />

- Hollywood Portraits, 2000-2002 x 12<br />

- Clowns, 2003-2004 x 10


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Lebenslauf<br />

<strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> ist 1954 in Glen Ridge, einem Vorort von New York (New<br />

Jersey) geboren.<br />

Sie studierte zunächst Malerei, dann Fotografie in Buffalo. Damals lernte<br />

sie einen Menschen kennen, der entscheidenden Einfluss auf ihr Leben<br />

haben sollte, den Künstler Robert Longo.<br />

Mit Longo und Charles Clough, einem befreundeten Künstler, schuf <strong>Cindy</strong><br />

<strong>Sherman</strong> einen Raum für unabhängige Künstler, Hallwalls genannt, wo sie<br />

mit anderen jungen Künstlern ausstellte.<br />

Nach dem Studienabschluss 1976 beschloss sie, sich in New York<br />

niederzulassen, wo sie 1977 begann, sich selbst zu fotografieren. Die<br />

Verwendung ihres eigenen Bildes in ihren Fotografien wurde damals ein<br />

Grundprinzip ihrer Arbeit.<br />

<strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> lebt und arbeitet in New York.<br />

Zahlreiche Ausstellungen (Einzel- oder Gruppenausstellungen)<br />

wurden weltweit mit den Arbeiten von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> organisiert.<br />

Hier einige der wichtigsten in den letzten Jahren:<br />

1997: <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong>: The Complete Untitled Film Stills, MoMA, New York<br />

1999: CAPC de Bordeaux<br />

2001: Nikolaj Copenhagen Contemporary Art Center<br />

2003: Scottish National Gallery of Modern Art, Edinburgh<br />

2004: Fashioning Fiction – In Photography since 1990, MoMA, New York<br />

Auszüge aus dem Text von Régis Durand<br />

veröffentlicht im Ausstellungskatalog <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

(gemeinsam verlegt von Flammarion und Jeu de Paume im Mai 2006)<br />

„Bis auf wenige Ausnahmen werden die Arbeiten von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

sowohl im Buch als auch in der Ausstellung in großen Serien gezeigt, ihrer<br />

Zusammengehörigkeit entsprechend und meist in chronologischer<br />

Reihenfolge. Obwohl übergreifende Stränge und Überschneidungen stets<br />

möglich sind (einige werden im Folgenden suggeriert) und die Grenzen<br />

zwischen den Serien manchmal fließend sind, können Serie und<br />

Chronologie als eine der Grundbedingungen im Werk der Künstlerin<br />

bezeichnet werden. Diese Konstellation ermöglicht es, sowohl die starke


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innere Kohärenz als auch die ständige Weiterentwicklung der Arbeit<br />

nachzuvollziehen.<br />

Ein solcher Werdegang beeindruckt durch seine Strenge, seinen<br />

Erfindungsreichtum und seine beständige Vertiefung. Er verblüfft auch<br />

durch seinen Witz und seine Extravaganz, die jedoch auch über eine eher<br />

düstere Komponente verfügen, die mit der Unmöglichkeit, das Ich zu<br />

erfassen und mit der Allgegenwart von Illusion und Tod zu tun hat. Dieses<br />

Werk, das sich an der Oberfläche zu bewegen scheint und mit Trugbildern<br />

spielt, hält der Betrachtung Stand und hütet sein Geheimnis. Dieses<br />

Geheimnis gehört nicht zu denen, die eine bessere Information oder ein<br />

systematischerer Zugang zu lüften imstande wären. Denn es hängt<br />

zusammen mit der Identität des Menschen, mit seiner Fähigkeit, sich<br />

selbst zu erkennen und zu verkennen, sich darzustellen und sich parallele<br />

Leben zu erfinden – einer Fähigkeit, über die kein anderes Lebewesen<br />

verfügt. (...)<br />

A <strong>Cindy</strong> Book, c. 1964-1975<br />

Bus Riders, 1976-2005<br />

Murder Mystery, 1976-2000<br />

Bei A <strong>Cindy</strong> Book geht es um ein Fotoalbum, wie sich viele Jugendliche<br />

eines zusammenstellen, um darin liebevoll die Erinnerungen an wichtige<br />

Momente ihres Lebens zu bewahren. Der Unterschied besteht darin, dass<br />

hier nicht der fragliche Augenblick wichtig ist, sondern das eigene Bild in<br />

der Fotografie: That’s me, das bin ich in verschiedenen Lebensaltern, in<br />

den Ferien in Maine, bei der Hochzeit meiner Cousine, bei meinem ersten<br />

Ball, etc. Alles läuft so ab, als könnte das Subjekt gar nicht aufhören, sich<br />

zu erkennen, zu identifizieren inmitten der Anderen, in Entzücken zu<br />

verfallen über die eigene Existenz, über die Unterschiedlichkeit der<br />

Umstände, die Plastizität des eigenen Seins, in Verbindung mit der<br />

Kontinuität einer Identität. (...)<br />

Mit Bus Riders (1976-2005) fand die grundlegende Umkehr statt. Es ist<br />

nicht mehr ein hysterisiertes Ich, das seine multiple Präsenz und sein<br />

Bedürfnis nach Anerkennung in einer Vielfalt von Erscheinungsformen und<br />

Umständen hinausschreit. Ganz im Gegenteil wird sich dieses Ich durch<br />

Simulierung spielerisch die Vielzahl der Identitäten derer aneignen, die es<br />

umgeben. (...)<br />

Murder Mystery (1976-2000) schafft ein fiktives, in sich geschlossenes<br />

Universum. Die dargestellten Figuren sind die mutmaßlichen Protagonisten<br />

einer Meldung aus den Lokalnachrichten, sie sind die obligate Besetzung<br />

für dieses Ereignis. Das Subjekt / der Regisseur setzt sie für uns in kurzen


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Momentaufnahmen ein, wie ein Autor von Kriminalromanen, und liefert sie<br />

unserer Neugier und unserer Scharfsicht aus. Wir als Betrachter/Leser sind<br />

aufgefordert, Indizien aufzuspüren, Hypothesen zu konstruieren: das<br />

könnte in der besseren Gesellschaft geschehen (es gibt ein<br />

Dienstmädchen, einen Butler, Menschen, die reiten, elegante Kleider<br />

tragen, etc.). Es gibt einen Fotografen und einen Detektiv, eine Femme<br />

fatale, die unvermeidlichen Zeugen ... (...) Die Kunst liegt im Make-up und<br />

in der Verkleidung, mit Hilfe derer das Subjekt sich virtuos alle Rollen<br />

aneignet, in einem Ansatz, der etwas Kindliches und triumphierend<br />

Fröhliches bewahrt. (...)<br />

Untitled A-E, 1975<br />

Diese kurze Serie aus fünf Arbeiten erscheint im Rückblick wie ein<br />

Wendepunkt. Sehr homogen inszeniert sie fünf Porträts von jungen Frauen,<br />

die den Betrachter anlächeln. Gleichzeitig kommt das Subjekt hier in<br />

Formen vor, die man dann später wieder findet (der Clown, die junge<br />

Naive), die jedoch hier mit sehr wenigen Kunstgriffen bearbeitet werden,<br />

auf eine Art, die an Kinderspiele erinnert. Die narrative Dimension tritt in<br />

den Hintergrund, zugunsten einer knapperen, weniger schwatzhaften<br />

Form: das sind Anzeichen für mögliche Fiktionen oder Universen, und nicht<br />

so sehr für Erzählungen. (...)<br />

Untitled Film Stills, 1977-1980<br />

Diese Werkgruppe ist zweifellos die wichtigste Serie im ersten Teil des<br />

Werks von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong>. Ihre 69 Teile bilden eine Welt von Avataren des<br />

Subjekts, das sich nun stärker konstruierte Identitäten erfindet, mit<br />

Accessoires und Kulissen, ohne deswegen notwendigerweise expliziter zu<br />

werden. Diese fröhliche Lust an der Verwandlung bedient sich in<br />

unterschiedlichen Welten: den Stereotypen des Alltagslebens (die junge<br />

Hausfrau, die Studentin, etc.), aber auch in der Literatur, Malerei, und<br />

natürlich im Film (der italienische Neorealismus oder der amerikanische<br />

Film Noir zum Beispiel). (...)<br />

Der große Erfolg dieser Werkgruppe beruht auf der von der Künstlerin<br />

gehaltenen Spannung zwischen der unmittelbaren Identifizierung einer<br />

Referenz oder eines Stereotyps (was leicht zu einem etwas oberflächlichen<br />

Spiel werden kann), und einem Projektionsraum für die Fantasie und den<br />

Wunsch des Betrachters nach Fiktion. Alle diese Szenen sind speziell für<br />

ihn konstruiert, es sind Vorstadien von Fiktion. (...)


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Rear Screen Projections, 1980<br />

Mit dieser Serie wechselt <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> von Schwarz-Weiß zur Farbe und<br />

zu deutlich größeren Formaten (50,8 x 61 cm). Sie arbeitet auch erstmals<br />

mit einem neuen Verfahren: die Figur wird jetzt vor einem Hintergrund<br />

fotografiert, auf den ein Bild projiziert wird, das als „Kulisse“ dient. (...)<br />

Das Subjekt erscheint nun in eher vertrauten Formen, die weniger<br />

unmittelbar mit kulturellen oder sozialen Referenzen verknüpft sind –<br />

junge, „modern“ wirkende Frauen, festgehalten vor einer Kulisse (im Innen-<br />

oder Außenbereich), in Halbnahe oder Großaufnahme, manchmal aus der<br />

Bildmitte versetzt, ertappt im Lauf einer narrativen Situation, die auf<br />

Anhieb schwierig zu identifizieren ist. (...)<br />

Centerfolds/Horizontals, 1981<br />

Diese horizontalen großformatigen Aufnahmen (61 x 122 cm) greifen das<br />

Prinzip der Mittelseiten bestimmter Mode- oder Unterhaltungsmagazine<br />

auf. Sie entstanden aufgrund eines Auftrags der Zeitschrift Artforum, die<br />

sich dann übrigens weigerte, sie zu veröffentlichen. Der Bildausschnitt<br />

zeigt die Protagonistin in Nahaufnahme, meist liegend oder sitzend;<br />

gewählt wurde die Vogelperspektive, was den Eindruck verstärkt, dass<br />

etwas passiert ist oder im Begriff ist, zu passieren. (...)<br />

Was in dieser Serie wichtig erscheint, ist die Konzentration auf die<br />

Protagonistin (auf Kosten der Kulisse oder des Hintergrundes), und damit<br />

auf das Detail der Verwandlungen, die durch Make-up, Frisur oder<br />

Kleidung mit ihr geschehen. Die Kleidung bekommt eine besondere<br />

Bedeutung und wird geradezu zum eigentlichen Rahmen, in den sich die<br />

Protagonistin einfügt. (...)<br />

Pink Robes, 1982<br />

Untitled #102-116, 1982<br />

Fashion, 1983-1984<br />

Fashion, 1993-1994<br />

Die Bedeutung von Stoffen und Kleidern wird in dieser Gruppe von im<br />

Abstand von zehn Jahren produzierten Arbeiten klar, in denen sie das<br />

wesentliche Subjekt darstellen.<br />

In der Serie Pink Robes scheinen der Ausdruck und die generelle Mimik<br />

des Gesichts eine Person zu suggerieren, die beim Aufstehen überrascht<br />

wird, oder während sie aus dem Bad kommt, das Kleidungsstück in einer<br />

schamhaften Geste an den Körper gepresst. Die Serie verfährt in subtilen<br />

Variationen, gleichzeitig chromatisch und stilistisch, wie eine Serie von<br />

Studien nach alter Art über Schattierungen einer Farbe und den Fall eines


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Kleidungsstückes, aber durchdrungen und pervertiert durch das<br />

verwirrende Gefühl von Intimität, das von ihm ausgeht.<br />

Diese Schlüssel-Serie entwickelt sich dann in zwei verschiedene<br />

Richtungen. Einerseits (in Untitled #102-116) eine Reihe von Frauen in<br />

noch kleinerem Bildausschnitt, mit hartem Gesichtsausdruck und<br />

kontrastierter ausgeleuchtet; andererseits zwei Serien von so genannten<br />

„Mode“-Fotos (Fashion), im Abstand von ungefähr zehn Jahren, aber<br />

einander angenähert durch die Rolle, die Kleider von großen<br />

Modeschöpfern spielen, die hier von der Künstlerin wie eine ihrer üblichen<br />

Verkleidungen behandelt werden.<br />

Fairy Tales, 1985<br />

Disasters, 1986-1989<br />

Die „Märchen“ von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> haben sehr viel von einem Alptraum,<br />

aber man weiß, dass das oft so ist und dass das Wunderbare gefährlich<br />

nahe bei der „beunruhigenden Fremdheit“ und sogar beim Makabren liegt.<br />

Jede Spur von Realismus verschwindet hier zugunsten des Kunstgriffs und<br />

des Nicht-Menschlichen. Die Künstlerin arbeitet zum ersten Mal mit<br />

sichtbaren Prothesen und Puppen. Sie inszeniert gleichzeitig groteske und<br />

rätselhafte Visionen. (...) Es ist die Welt der Märchen im Allgemeinen, wo<br />

das Fantastische regiert, hier in seiner groteskesten und verstörendsten<br />

Version dargestellt. (...)<br />

History Portraits/Old Masters, 1988-1990<br />

Sex Pictures, 1992<br />

Das groteske Element, das in den früheren Serien in Erscheinung tritt,<br />

entfaltet sich hier in seiner komischen Ausprägung (Bei <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> ist<br />

das Komische nie sehr weit entfernt. Sie vergnügt sich an seinen<br />

Überspitzungen, und man nimmt in ihrer Arbeit die reine Freude am Spiel<br />

wahr, am Theater und seinen Requisiten, bis in die düstersten Bilder).<br />

Was die Serie der History Portraits charakterisiert, ist zunächst<br />

offensichtlich, dass es sich um Porträts in der klassischen Bedeutung des<br />

Begriffs handelt. Das Subjekt posiert in verschiedenen Aufmachungen,<br />

Kostümen und Prothesen, die bisweilen explizit auf Werke der alten<br />

Meister verweisen. (...)<br />

Mit den Sex Pictures wird ein weiterer Schritt gemacht, weil etwas, das<br />

zum Leben gehört (die Sexualität) nur mehr durch Unbelebtes, durch<br />

Puppen dargestellt wird (...). Die Sex Pictures pendeln zwischen obszönen<br />

Ansichten des Körpers und Abbildungen von speziellen Praktiken. Aber<br />

das Wesentliche liegt nicht in den Details der Posen und der Praktiken,


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sondern im verstörenden Charakter dieser Entmenschlichung der sexuellen<br />

Begierde, in der Tatsache, dass diese gewissermaßen an Puppen delegiert<br />

wird, deren obszöner Exhibitionismus sie auf verwirrende Weise<br />

„menschlich“ macht. Hier haben wir es mit einer beunruhigenden Welt zu<br />

tun, angesiedelt zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem, wo alle<br />

Überschreitungen möglich erscheinen, wie in den Phantasmagorien der<br />

Werke von Bosch. (...)<br />

Civil War, 1991<br />

Horror and Surrealist Pictures, 1994-1996<br />

Diese beiden Serien knüpfen an die vorhergehende an, mit ihren<br />

zerstückelten, auf Teilobjekte reduzierten Körpern. In den Civil War<br />

Pictures sehen wir Details von Leichen, im Wesentlichen Füße und Hände,<br />

die am Boden liegen, mit dem sie sich bald vermischen werden. (...) Der<br />

„Bürgerkrieg“, um den es hier geht, (...), ist auch der, der in der heutigen<br />

Welt wütet, mit der ganz normalen anonymen Gewalt, von der die „kleinen“<br />

vergessenen Kriege zeugen, die Zeitungsmeldungen, und die<br />

Leichenschauhäuser überall auf der Welt. (...)<br />

Die Phantasmagorie bezieht sich hier nicht mehr einzig auf ein Teilobjekt,<br />

die Geschlechtsteile oder verstreuten Gliedmaßen. Sie scheint den ganzen<br />

Körper zu erfassen – einen zerstückelten, offensichtlich wieder<br />

zusammengesetzten Körper, in dem die verschiedenen Teile nun ein<br />

monströses Eigenleben zu führen scheinen und zur Entstehung von<br />

verstörenden Golems führen.<br />

Masks, 1994-1996<br />

Masken kommen bereits, und zusehends mit mehr Nachdruck, in den Sex<br />

Pictures und in den Horror and Surrealist Pictures vor. Ihre immer<br />

häufigere Verwendung erklärt sich möglicherweise durch den Wunsch der<br />

Künstlerin, nicht mehr „selbst“ in ihren Bildern aufzuscheinen, sondern<br />

gewissermaßen die Last der Verkleidung und des Agierens an unbelebte<br />

Substitute zu delegieren. Daher die Masken, aber auch die Puppen und die<br />

Schatten, und sogar die völlige Abwesenheit einer identifizierbaren Figur.<br />

In der Serie Masks wird die Maske selbst zum Subjekt des Bildes, zum<br />

Subjekt schlechthin, und scheint sich dort ein Eigenleben zuzulegen. (...)<br />

Broken Dolls, 1999<br />

In dieser Serie von Schwarz-Weiß-Fotografien verschwindet jede Spur<br />

einer Präsenz (...) zugunsten von verstümmelten, verrenkten, in obszönen<br />

Stellungen angeordneten Puppen. Die Inszenierungen erinnern an die in<br />

den Sex Pictures, manchmal sogar an die Horror Pictures. Was bei ihnen


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auffällt, ist ihre Intensität und die Fähigkeit dieser erniedrigten Objekte,<br />

diese zu kommunizieren. (...)<br />

Hollywood/Hampton Types, 2000-2002<br />

Laut <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> sollten „die Figuren gescheiterte oder vergessene<br />

Schauspieler sein (im wirklichen Leben Sekretärinnen, Hausfrauen oder<br />

Gärtner), die für Porträts sitzen, um sich für einen Job zu bewerben. Diese<br />

Leute versuchen, sich so gut wie möglich zu verkaufen. (...) Die Porträts<br />

bilden eine zugleich komische und aufwühlende Serie. (...) Diese<br />

Stiefkinder des Traums von Hollywood verweisen uns selbstverständlich<br />

auf unsere eigenen Illusionen und auf unser ständiges Bedürfnis nach<br />

Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie sind zwar Karikaturen, aber kaum<br />

schlimmer als im „wirklichen Leben“, an das sie erinnern. (...)<br />

Clowns, 2003-2004<br />

Das Werk von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> musste zwangsläufig eines Tages auf die<br />

Figur des Clowns stoßen. Ihr Interesse an Maskerade und Verkleidung, die<br />

Mischung aus Grotesk und Ernst, die Hysterie des Chamäleons, all das rief<br />

nach dem Clown, der im Übrigen bereits in früheren Arbeiten präsent war.<br />

(...)<br />

Die ganze karnevaleske Dimension im Werk von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong>, alles was<br />

darin an Widersprüchlichem und Exzessivem vorkommt, wird in der Figur<br />

des Clowns verdichtet.<br />

Man weiß, dass er etwas Beunruhigendes hat – unter der fröhlichen Maske<br />

liegt etwas Abgründiges, zuweilen depressiv, dann wieder pervers. Er wird<br />

der Kindheit und damit der diesem Alter eigenen Ambivalenz zugeordnet.<br />

Die Clowns von <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> bleiben nicht innerhalb der Codes ihrer Art.<br />

Ihre Aufmachung und ihre Schminke liegen außerhalb der Normen. (...)


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KUB 06.06 Presseinformation <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

<strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

Ausstellungskatalog, gemeinsam verlegt von Flammarion und Jeu de<br />

Paume<br />

Mit Texten von Jean-Pierre Criqui, Régis Durand, Laura Mulvey<br />

Von ihren ersten Schwarz-Weiß-Fotografien, den Untitled Stills, bis zu ihrer<br />

neuesten Serie Clowns ist <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong> eine der wichtigsten Figuren der<br />

aktuellen Kunst- und Kulturszene. Wie Régis Durand sagt: „Ihr Werdegang<br />

beeindruckt durch seine Strenge, seinen Erfindungsreichtum und seine<br />

beständige Vertiefung. Er verblüfft auch durch seinen Witz und seine<br />

Extravaganz, die jedoch auch über eine eher düstere Komponente<br />

verfügen, die mit der Unmöglichkeit, das Ich zu erfassen und mit der<br />

Allgegenwart von Illusion und Tod zu tun hat. Dieses Werk, das sich an der<br />

Oberfläche zu bewegen scheint und mit Trugbildern spielt, hält der<br />

Betrachtung Stand und hütet sein Geheimnis. Dieses Geheimnis gehört<br />

nicht zu denen, die eine bessere Information oder ein systematischerer<br />

Zugang zu lüften imstande wären. Denn es hängt zusammen mit der<br />

Identität des Menschen, mit seiner Fähigkeit, sich selbst zu erkennen und<br />

zu verkennen, sich darzustellen und sich parallele Leben zu erfinden –<br />

einer Fähigkeit, über die kein anderes Lebewesen verfügt.“<br />

Dieser Katalog ist wie eine richtige Monographie konzipiert und umfasst<br />

alle Werke in der Ausstellung, 200 Reproduktionen, in Serien präsentiert<br />

und chronologisch angeordnet. Jede Serie wird durch einen Essay von<br />

Régis Durand, dem Kurator der Ausstellung, kommentiert. Zwei allgemeine<br />

ergänzende Essays von Laura Mulvey und Jean-Pierre Criqui analysieren<br />

das Werk der Künstlerin.<br />

Gemeinsam mit der Grafikfirma deValence konzipiert, ist dieser Katalog<br />

sowohl ein Nachschlagewerk als auch ein Buchobjekt.<br />

Die Autoren<br />

Régis Durand ist Leiter des Jeu de Paume und Kurator der Ausstellung.<br />

Laura Mulvey ist Professorin für Filmkunst und Bilderstudien am Birckbeck<br />

College, Universität London.<br />

Jean-Pierre Criqui ist Kunstkritiker und Chefredakteur der „Cahiers du<br />

Musée national d’Art moderne“.<br />

288 Seiten, 200 Abbildungen<br />

Format: 24,5 x 28,5 cm<br />

Preis: 49,90€


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KUB 06.06 Presseinformation <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

Partner und Sponsoren<br />

Das Kunsthaus Bregenz bedankt sich bei seinen Partnern für die großzügige<br />

finanzielle Unterstützung und das damit verbundene kulturelle Engagement.<br />

Sponsor der<br />

KUB Arena<br />

Haussponsor<br />

des Kunsthaus Bregenz<br />

Hypo Landesbank<br />

Vorarlberg


KUB 06.06 Presseinformation <strong>Cindy</strong> <strong>Sherman</strong><br />

Kunsthaus Bregenz<br />

Ausstellungsort/Veranstalter<br />

Kunsthaus Bregenz<br />

Karl-Tizian-Platz<br />

A-6900 Bregenz<br />

Direktor<br />

Eckhard Schneider<br />

Kurator<br />

Rudolf Sagmeister<br />

Kurator der Ausstellung<br />

Régis Durand<br />

Leiter des Jeu de Paume, Paris<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Birgit Albers<br />

Tel (+43-55 74) 4 85 94-413<br />

Fax (+43-55 74) 4 85 94-408<br />

b.albers@kunsthaus-bregenz.at<br />

Pressefotos per download:<br />

www.kunsthaus-bregenz.at<br />

Kunstvermittlung<br />

Winfried Nußbaummüller<br />

Tel (+43-55 74) 4 85 94-417<br />

Fax (+43-55 74) 4 85 94-408<br />

w.nussbaummueller@<br />

kunsthaus-bregenz.at<br />

Publikationen<br />

Katrin Wiethege<br />

Tel.: (+43-55 74) 4 85 94-416<br />

Fax: (+43-55 74) 4 85 94-408<br />

k.wiethege@kunsthaus-bregenz.at<br />

Editionen<br />

Caroline Schneider<br />

Tel.: (+43-55 74) 4 85 94-444<br />

Fax: (+43-55 74) 4 85 94-408<br />

c.schneider@kunsthaus-bregenz.at<br />

Öffnungszeiten<br />

Di – So 10 – 18 Uhr<br />

Donnerstag 10 – 21 Uhr

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