125 Jahre Regionalspital Praettigau Festschrift - Flury Stiftung
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98neugeborenes Kind im Arm hielt, durfte ich ihr von Angesicht zu Angesicht gratulieren.Den Namen des Kindes wussten wir allerdings zu diesem Zeitpunktnoch nicht – dieser wurde erst später durch ihren Lama bestimmt.Der letzte WunschHeidi K. war so etwas wie eine Institution. Ihr Berghaus, welches sie nach demfrühen Tod ihres Mannes allein weiter führte, war weitherum bekannt und einbeliebtes Ausflugsziel im Sommer und vor allem im Winter, lag es doch an derSkiabfahrt ins Tal hinunter.Eines Tages kam Frau K. in meine Sprechstunde, wo ich ihr schon nach einerkurzen Untersuchung leider einen schlechten Bericht geben musste. Nach kurzerBedenkzeit trat sie ins Spital ein und ich operierte sie anderntags – leiderwar der Krebs bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Die Patientin erholtesich aber erstaunlich rasch vom Eingriff und konnte schon bald nach hauseentlassen werden.Ein gutes Jahr später wurde Frau K. durch ihren Hausarzt wieder zu uns eingewiesen.Ich erkannte sie kaum wieder, sosehr hatte die bösartige Krankheit anihr gezehrt. Bis auf das Skelett abgemagert schaute sie mich aus tief liegendengrossen Augen an:«Sie haben mir nochmals ein wunderbares Jahr geschenkt. Nun weiss ich aber,dass ich das Spital nicht mehr lebend verlassen werde. Ich bin zum Sterbenbereit – habe aber noch einen grossen Wunsch.»«Wunder kann ich Ihnen leider auch nicht versprechen. Ich werde Ihnen aberso gut als möglich die Schmerzen lindern und versuchen, die Leidenszeit zuerleichtern.»«Darum geht es nicht – ich habe Vertrauen zu Ihnen und gerade deshalb einenletzten Wunsch. Ich möchte Ihnen sagen dürfen – ich bin Heidi undIhren, Deinen, Namen kenne ich ja.»Während der nächsten drei Tagen setzte ich mich noch oft an ihren Bettrandund mit dem vertraulichen führten wir noch manche persönlichenGespräche über Gott und die Welt. Dann aber war die Krankheit stärker undHeidi konnte bald für immer einschlafen.Im Gegensatz zu der kontaktfreudigen, offenen und volksverbundenen Heidiwar Frau T. eher zurückhaltend und wirkte auf den ersten Blick sehr reserviert.Ihr Mann war ein erfolgreicher Wissenschafter und Geschäftsmann aus derGrossstadt, welcher ausser einer Traumvilla im Tessin ein Ferienhaus im Prättigaubesass. Kennen gelernt hatte ich ihn, als er mit einem Herzinfarkt aufunserer medizinischen Abteilung lag. Er schätzte offenbar die persönlicheAtmosphäre eines Kleinspitals, weshalb er mich später wegen einer bösartigenHautveränderung an der Schulter aufsuchte, welche ich weit im Gesunden ent-
fernte und den entstandenen Hautdefekt mit einem Hauttransplantat deckte.Trotz üblicher Nachbestrahlung und engmaschiger Kontrolle traten nach mehrerenJahren Metastasen in der Lunge auf und er verstarb.Lange Zeit hörte ich nichts mehr von seiner Witwe, bis sie eines Tages inmeine Sprechstunde kam. Sie lebte ganz zurückgezogen praktisch während desganzen Jahres in ihrem Ferienhaus im Prättigau und klagte nun über Bauchschmerzen,Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust. Die Abklärung undanschliessende Operation ergab eine stark fortgeschrittene Krebsgeschwulst,welche nicht mehr entfernt werden konnte. Auch Frau T. fürchtete den nahenTod nicht, bat mich aber um einen letzten Gefallen:«Herr Doktor – darf ich Ihnen Du sagen? Mein Name ist Letizia, aber allemeine Freunde nennen mich Lissie.»Und damit fiel die Barriere zwischen Arzt und Patientin, und Lissie konntedurch einen Freund beim Sterben begleitet werden.Ich aber fühlte mich, wie zuvor schon bei Heidi, reich beschenkt durch diesenetwas ungewohnten Vertrauensbeweis.99
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98neugeborenes Kind im Arm hielt, durfte ich ihr von Angesicht zu Angesicht gratulieren.Den Namen des Kindes wussten wir allerdings zu diesem Zeitpunktnoch nicht – dieser wurde erst später durch ihren Lama bestimmt.Der letzte WunschHeidi K. war so etwas wie eine Institution. Ihr Berghaus, welches sie nach demfrühen Tod ihres Mannes allein weiter führte, war weitherum bekannt und einbeliebtes Ausflugsziel im Sommer und vor allem im Winter, lag es doch an derSkiabfahrt ins Tal hinunter.Eines Tages kam Frau K. in meine Sprechstunde, wo ich ihr schon nach einerkurzen Untersuchung leider einen schlechten Bericht geben musste. Nach kurzerBedenkzeit trat sie ins Spital ein und ich operierte sie anderntags – leiderwar der Krebs bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Die Patientin erholtesich aber erstaunlich rasch vom Eingriff und konnte schon bald nach hauseentlassen werden.Ein gutes Jahr später wurde Frau K. durch ihren Hausarzt wieder zu uns eingewiesen.Ich erkannte sie kaum wieder, sosehr hatte die bösartige Krankheit anihr gezehrt. Bis auf das Skelett abgemagert schaute sie mich aus tief liegendengrossen Augen an:«Sie haben mir nochmals ein wunderbares Jahr geschenkt. Nun weiss ich aber,dass ich das Spital nicht mehr lebend verlassen werde. Ich bin zum Sterbenbereit – habe aber noch einen grossen Wunsch.»«Wunder kann ich Ihnen leider auch nicht versprechen. Ich werde Ihnen aberso gut als möglich die Schmerzen lindern und versuchen, die Leidenszeit zuerleichtern.»«Darum geht es nicht – ich habe Vertrauen zu Ihnen und gerade deshalb einenletzten Wunsch. Ich möchte Ihnen sagen dürfen – ich bin Heidi undIhren, Deinen, Namen kenne ich ja.»Während der nächsten drei Tagen setzte ich mich noch oft an ihren Bettrandund mit dem vertraulichen führten wir noch manche persönlichenGespräche über Gott und die Welt. Dann aber war die Krankheit stärker undHeidi konnte bald für immer einschlafen.Im Gegensatz zu der kontaktfreudigen, offenen und volksverbundenen Heidiwar Frau T. eher zurückhaltend und wirkte auf den ersten Blick sehr reserviert.Ihr Mann war ein erfolgreicher Wissenschafter und Geschäftsmann aus derGrossstadt, welcher ausser einer Traumvilla im Tessin ein Ferienhaus im Prättigaubesass. Kennen gelernt hatte ich ihn, als er mit einem Herzinfarkt aufunserer medizinischen Abteilung lag. Er schätzte offenbar die persönlicheAtmosphäre eines Kleinspitals, weshalb er mich später wegen einer bösartigenHautveränderung an der Schulter aufsuchte, welche ich weit im Gesunden ent-