125 Jahre Regionalspital Praettigau Festschrift - Flury Stiftung
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90Die KolumneVor geraumer Zeit las ich in meiner Tageszeitung einen Artikel einer bekanntenBündner Kolumnistin, welchen mich betroffen machte und mich zur Feder,resp. Schreibmaschine greifen liess. In der besagten Kolumne schrieb die Autorin,dass sie niemals in ein öffentliches Spital gehen würde – wenn schonSpital, dann nur eine Privatklinik. Doch lassen wir die Dame selbst zum Wortkommen:«Falls ich jemals in ein Spital eingeliefert werden müsste – was nicht sicher ist –,und wenn eines Tages das Sterben beginnt – was sicher ist –, dann möchte ichund mit mir noch viele anderen Menschen von meinem Hausarzt betreut werden,der mich seit Jahrzehnten kennt, von dem ich, was gottlob selten nötig ist,Rat und Behandlung jederzeit erfahren kann. Keinesfalls möchte ich einemanonymen, mir unbekannten Chefarzt überantwortet werden, auch nicht einemersten Oberarzt, einem zweiten Oberarzt, einem Assistenten und weiterenBehandlungszuständigkeiten im hierarchischen System eines öffentlichen Spitals,denn es handelt sich um Persönlichkeiten, die mir alle unbekannt sind.»Und da ein Hausarzt in einem öffentlichen Spital keinen Behandlungszutritthabe, komme nur eine Privatklinik mit sog. Belegarztsystem in Frage. Dannliess sich die Kolumnistin über die Chefarzteinkommen aus, über die millionenträchtigen«Anpassungen» an die neueste Technologie in den öffentlichenSpitälern, welche mit Unterstützung arzthöriger Verwalter erreicht würden unddass der Spitalaufenthalt in einer Privatklinik verkürzt werden könnte. Erbitterthatte mich aber der Schlusssatz:«Die Anonymität einer fremden Umgebung (gemeint: im öffentlichen Spital!)ist aufgehoben durch den täglichen Besuch des Hausarztes, durch das Gesprächmit ihm, durch seine Beratung und seine Hilfe, die auch dann gewährt wird,wenn der Tod sich meldet, den meines Wissens kein Chefarzt mit seinen Patientenmiterlebt.»Ich erinnerte mich an die vielen Stunden (ohne zusätzliches Honorar), welcheich, gemeinsam mit den Angehörigen, am Bett sterbender Patienten verbrachte.Als Ausdruck der Wertschätzung dieses für mich selbstverständlichen ärztlichenHandelns durfte ich zweimal erleben, dass eine Patientin mir auf dieFrage, was ich noch für sie tun könne, antwortete: «Ich möchte Ihnen, HerrDoktor, sagen!» Gibt es einen schöneren Beweis für das Vertrauensverhältniszwischen behandelndem Arzt und sterbendem Patienten?Und so antwortete ich der Kolumnistin auch in einem Leserbrief, in welchemich zuerst auf die Unwahrheiten ihrer Behauptungen einging, zum Schluss:«Die Menschlichkeit der ärztlichen Betreuung ist aber sicher nicht abhängigvon der Struktur eines Spitals und der Stellung seiner Ärzte, sondern allein vonder ethischen Einstellung eines jeden einzelnen Arztes – sei er Hausarzt, Belegarztoder Chefarzt.»
91Dass die Journalistin kurze Zeit später mit einem chirurgischen Leiden meineSprechstunde aufsuchte, betrachtete ich anfänglich als Test. Diesen hatte ichaber offenbar bestanden, war meine einstige Kritikerin doch in der Folge eineregelmässige Patientin, obschon sie nicht im Einzugsgebiet unseres Krankenhauseswohnte. Und das Büchlein mit ihren gesammelten Glossen und Kolumnen,welches sie mir schenkte, versah sie mit einer persönlichen Widmung.AntabusSilvester A. war ein Dorfbekanntes Original, das aber reichlich dem Alkoholzusprach. In meiner Sprechstunde habe ich ihn oft auf die Gefahren des übermässigenAlkoholgenusses aufmerksam gemacht – leider ohne jeden Erfolg.So erstaunte es mich eigentlich nicht, dass er eines Tages mit heftigsten akutenBauchschmerzen in unserer Notfallstation auftauchte. Schon die einfacheklinische Untersuchung ergab ein akut durchgebrochenes Magengeschwürund eine Notoperation wurde unumgänglich, auch wenn ein deutlich erhöhtesRisiko für den Eingriff bestand. Beim Eröffnen der Bauchhöhle zeigte sichdann auch ausser dem erwarteten Magengeschwür eine durch den Alkoholbedingte Leberverhärtung, was oft eine verzögerte Blutgerinnung zur Folgehat. Ich musste mich aber trotzdem zur Magenresektion entschliessen mit entsprechendpeinlicher Blutstillung. Wir hatten Glück – Silvester überstand denEingriff ohne jegliche Komplikation und wir konnten ihn am 10. Tag bereitswieder nach hause entlassen.Vor seiner Entlassung holte ich Silvester noch einmal in mein Sprechzimmerund wies ihn auf alle Gefahren eines weiteren Alkoholkonsumes hin – er hattees ja jetzt selbst erlebt! Zur Sicherheit gab ich ihm ein Medikament mitAntabuswirkung, das heisst, dass es ihm nach Genuss von Alkohol so übelwurde, dass er es kein zweites Mal versuchen würde. Um ihm den eigentlichenSinn der Medizin zu verheimlichen, erklärte ich ihm, dass das Medikamentdringend nötig sei für die Verdauung, da er ja nur noch den halbenMagen habe.Zur ersten Kontrolle nach der Spitalentlassung kam er nach einer Woche. Aufmeine Frage hin, wie es ihm denn mit dem neuen Medikament ginge, antworteteer ganz begeistert:«Es geht mir seit der Operation so gut, dass ich das Medikament gar nichtnötig habe!» Mir schwante Böses.«Und wie haben sie es mit dem Alkoholgenuss?»«Keine Probleme; ich trinke nicht mehr.»Mit einer gewissen Skepsis doppelte ich nach:«Gar nichts mehr?»«Nein – also, am Morgen (einen Schnaps vor dem Frühstück)
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90Die KolumneVor geraumer Zeit las ich in meiner Tageszeitung einen Artikel einer bekanntenBündner Kolumnistin, welchen mich betroffen machte und mich zur Feder,resp. Schreibmaschine greifen liess. In der besagten Kolumne schrieb die Autorin,dass sie niemals in ein öffentliches Spital gehen würde – wenn schonSpital, dann nur eine Privatklinik. Doch lassen wir die Dame selbst zum Wortkommen:«Falls ich jemals in ein Spital eingeliefert werden müsste – was nicht sicher ist –,und wenn eines Tages das Sterben beginnt – was sicher ist –, dann möchte ichund mit mir noch viele anderen Menschen von meinem Hausarzt betreut werden,der mich seit Jahrzehnten kennt, von dem ich, was gottlob selten nötig ist,Rat und Behandlung jederzeit erfahren kann. Keinesfalls möchte ich einemanonymen, mir unbekannten Chefarzt überantwortet werden, auch nicht einemersten Oberarzt, einem zweiten Oberarzt, einem Assistenten und weiterenBehandlungszuständigkeiten im hierarchischen System eines öffentlichen Spitals,denn es handelt sich um Persönlichkeiten, die mir alle unbekannt sind.»Und da ein Hausarzt in einem öffentlichen Spital keinen Behandlungszutritthabe, komme nur eine Privatklinik mit sog. Belegarztsystem in Frage. Dannliess sich die Kolumnistin über die Chefarzteinkommen aus, über die millionenträchtigen«Anpassungen» an die neueste Technologie in den öffentlichenSpitälern, welche mit Unterstützung arzthöriger Verwalter erreicht würden unddass der Spitalaufenthalt in einer Privatklinik verkürzt werden könnte. Erbitterthatte mich aber der Schlusssatz:«Die Anonymität einer fremden Umgebung (gemeint: im öffentlichen Spital!)ist aufgehoben durch den täglichen Besuch des Hausarztes, durch das Gesprächmit ihm, durch seine Beratung und seine Hilfe, die auch dann gewährt wird,wenn der Tod sich meldet, den meines Wissens kein Chefarzt mit seinen Patientenmiterlebt.»Ich erinnerte mich an die vielen Stunden (ohne zusätzliches Honorar), welcheich, gemeinsam mit den Angehörigen, am Bett sterbender Patienten verbrachte.Als Ausdruck der Wertschätzung dieses für mich selbstverständlichen ärztlichenHandelns durfte ich zweimal erleben, dass eine Patientin mir auf dieFrage, was ich noch für sie tun könne, antwortete: «Ich möchte Ihnen, HerrDoktor, sagen!» Gibt es einen schöneren Beweis für das Vertrauensverhältniszwischen behandelndem Arzt und sterbendem Patienten?Und so antwortete ich der Kolumnistin auch in einem Leserbrief, in welchemich zuerst auf die Unwahrheiten ihrer Behauptungen einging, zum Schluss:«Die Menschlichkeit der ärztlichen Betreuung ist aber sicher nicht abhängigvon der Struktur eines Spitals und der Stellung seiner Ärzte, sondern allein vonder ethischen Einstellung eines jeden einzelnen Arztes – sei er Hausarzt, Belegarztoder Chefarzt.»