125 Jahre Regionalspital Praettigau Festschrift - Flury Stiftung

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10.07.2015 Aufrufe

76So waren auch meine Assistenzärzte meistens Anfänger, denen ich dasKrankenhaus nicht ihrer alleinigen Obhut überlassen konnte. Das bedeutetefür mich ständige Anwesenheit oder mindestens kurzfristige Erreichbarkeit.So musste ich also für Ferien und militärische Wiederholungskurse – erstnach drei Jahren erreichte die Spitalbehörde für mich eine Dienstbefreiung– einen ausgebildeten Chirurgen von auswärts kommen lassen. Da sich dieSuche nach einem geeigneten Vertreter als sehr schwierig erwies, musste ichmich oft mit jährlich drei bis maximal vier Wochen Urlaubszeit begnügenund ein freies Wochenende war ganz selten.Prof. Allgöwer, Chefarzt am Kantonsspital Chur und später in Basel, hattegrosses Verständnis für meine Situation und schickte mir mehrmals einenseiner Oberärzte oder älteren Assistenten. Er war der Ansicht, dass eineselbständige Tätigkeit und die Übernahme von Verantwortung für die jungenChirurgen im Hinblick auf eine spätere Chefarztstellung ausgezeichnetseien. So gestand mir viel später Felix Harder, als er bereits Ordinarius ander Universitätsklinik Basel war, dass er bei seiner ersten selbständigenMagenoperation in seiner Vertretung in Schiers «Blut geschwitzt» habe.Noch mehrere spätere Chirurgie-Professoren hatten ihre ersten Sporen alsverantwortliche Chefarztvertreter an unserem Regionalspital abverdient.Aber auch bereits erfahrene Chirurgen konnte ich für meine Ferienablösunggewinnen, so unter anderem einen tschechischen Chefarzt, welchem 1969die Flucht nach dem Prager Aufstand in die Schweiz gelang. Er gewann balddurch seine chirurgische Kompetenz mein Vertrauen und durch seine charmanteArt die Herzen aller Mitarbeiter, welche ihn liebevoll «Papa Svarin»nannten. Ein schwedischer Professor und Chefarzt eines grossen Krankenhausesübernahm meine Vertretung, damit er in Schweden dank einem un -bezahlten Urlaub weniger Steuern bezahlen müsse, welche angeblich inseinem Heimatland 70% des Einkommens betrugen.Allen diesen Kollegen bin ich heute noch dankbar, dass ich in den erstenJahren hie und da mit meiner Familie Ferien machen konnte. Allerdingsmusste ich dazu in die Ferne schweifen, wie eine frühe Erfahrung zeigte:Als ich einen meiner ersten Urlaube im Prättigau verbrachte, um meine neueHeimat richtig kennen lernen zu können, erhielt ich bald einmal einen Anrufvon meinem Vertreter, einem Oberarzt und späteren Leitenden Arzt einerUniversitätsklinik. Er habe eben einen Verunfallten aufgenommen mit beidseitigerUnterschenkelfraktur. Und da ich doch in der Nähe sei, könnten wirja gemeinsam gleichzeitig den Patienten operieren. Als ich dann nach einerhalben Stunde in den Operationssaal kam, hatte mein Vertreter das linkeBein bereits in Angriff genommen – ein einfacher Knöchelbruch. Die rechteSeite, ein komplizierter Splitterbruch mit Beteiligung der Gelenkfläche,hatte er allerdings mir überlassen. Ich kam dann in dieser Woche doch noch

77dazu, gemeinsam mit meinem Sohn die Sulzfluh zu besteigen; Ferien imPrättigau habe ich aber keine mehr gemacht.Rettung aus der LuftIn den Anfangszeiten der «Rettung aus der Luft» kamen noch kleine Hubschrauberzum Einsatz, welche nur bei genügender Sicht, das heisst bei Tagund ohne Nebel oder Schneefall, fliegen konnten. Gerade in Graubündenhatten wir aber bald den immensen Wert dieses Transportmittels erkannt Undso war schon früh ein Helikopter mit entsprechend ausgebildeten Piloten imEngadin stationiert. Natürlich wurden damals noch nicht wie heute Skifahrermit unkomplizierten Beinbrüchen oder gar einfachen Schulterluxationen transportiert.Dazu hatten die gut organisierten Rettungsdienste der Bergbahnenhervorragende Patrouilleure mit ihren Rettungsschlitten ausgebildet. Es gababer Situationen, in welchen das neue Rettungsmittel wertvolle Diensteleistete.Der FlugplatzEs war in einem lawinenreichen Winter, als nicht nur das abgelegene St. Antönien,sondern das ganze Vorder- und Mittelprättigau von der übrigen Schweizabgeschnitten war. Eine Lawine bei Saas und ein Erdrutsch in der Klus hattenjeglichen Bahn- und Strassenzugang ins Prättigau von Landquart bis Klostersverunmöglicht.An einem späten Abend erhielt ich einen Telefonanruf von der SchweizerischenRettungsflugwacht, dass ein Patient aus Klosters mit einem Herzinfarktin unser Krankenhaus verlegt werden müsse. Das einzige Transportmittel seiein Hubschrauber, welcher aus Samaden angefordert worden wäre. Der «Heli»werde in den frühen Morgenstunden bei uns landen. Dazu benötigte der Pilotaber einen Landeplatz von gut 20 mal 20 Metern – am besten ein fest gestampftesSchneefeld in unmittelbarer Nähe des Spitals, bezeichnet an den vier Eckenmit Fähnchen. Der Auftrag war klar – aber die Ausführung?Noch am selben Abend erkundigte ich mich bei unserem Nachbar, der evangelischenMittelschule, ob eine Schulklasse schon in der ersten MorgenstundeTurnunterricht hätte. Der zuständige Turnlehrer war sofort begeistert von einersinnvollen Turnstunde und so stampften bereits kurz nach sieben Uhr rund 20Schüler mit ihren Skibrettern einen «Flugplatz», welcher sogar noch mitSlalom-Fähnchen abgesteckt wurde. Keine Stunde später hörten wir das Brummendes anfliegenden Helis und nach einer perfekten Landung sprach der Pilotein grosses Lob den immer noch schwitzenden Mittelschülern aus.

77dazu, gemeinsam mit meinem Sohn die Sulzfluh zu besteigen; Ferien imPrättigau habe ich aber keine mehr gemacht.Rettung aus der LuftIn den Anfangszeiten der «Rettung aus der Luft» kamen noch kleine Hubschrauberzum Einsatz, welche nur bei genügender Sicht, das heisst bei Tagund ohne Nebel oder Schneefall, fliegen konnten. Gerade in Graubündenhatten wir aber bald den immensen Wert dieses Transportmittels erkannt Undso war schon früh ein Helikopter mit entsprechend ausgebildeten Piloten imEngadin stationiert. Natürlich wurden damals noch nicht wie heute Skifahrermit unkomplizierten Beinbrüchen oder gar einfachen Schulterluxationen transportiert.Dazu hatten die gut organisierten Rettungsdienste der Bergbahnenhervorragende Patrouilleure mit ihren Rettungsschlitten ausgebildet. Es gababer Situationen, in welchen das neue Rettungsmittel wertvolle Diensteleistete.Der FlugplatzEs war in einem lawinenreichen Winter, als nicht nur das abgelegene St. Antönien,sondern das ganze Vorder- und Mittelprättigau von der übrigen Schweizabgeschnitten war. Eine Lawine bei Saas und ein Erdrutsch in der Klus hattenjeglichen Bahn- und Strassenzugang ins Prättigau von Landquart bis Klostersverunmöglicht.An einem späten Abend erhielt ich einen Telefonanruf von der SchweizerischenRettungsflugwacht, dass ein Patient aus Klosters mit einem Herzinfarktin unser Krankenhaus verlegt werden müsse. Das einzige Transportmittel seiein Hubschrauber, welcher aus Samaden angefordert worden wäre. Der «Heli»werde in den frühen Morgenstunden bei uns landen. Dazu benötigte der Pilotaber einen Landeplatz von gut 20 mal 20 Metern – am besten ein fest gestampftesSchneefeld in unmittelbarer Nähe des Spitals, bezeichnet an den vier Eckenmit Fähnchen. Der Auftrag war klar – aber die Ausführung?Noch am selben Abend erkundigte ich mich bei unserem Nachbar, der evangelischenMittelschule, ob eine Schulklasse schon in der ersten MorgenstundeTurnunterricht hätte. Der zuständige Turnlehrer war sofort begeistert von einersinnvollen Turnstunde und so stampften bereits kurz nach sieben Uhr rund 20Schüler mit ihren Skibrettern einen «Flugplatz», welcher sogar noch mitSlalom-Fähnchen abgesteckt wurde. Keine Stunde später hörten wir das Brummendes anfliegenden Helis und nach einer perfekten Landung sprach der Pilotein grosses Lob den immer noch schwitzenden Mittelschülern aus.

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