125 Jahre Regionalspital Praettigau Festschrift - Flury Stiftung
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46Von der Krankenanstalt zumRegionalspitalReminiszenzen eines SpitalarztesEinleitungEin halbes Jahrhundert ist in der Entwicklung der Medizin eine lange Zeit. Vor50 Jahren gab es noch keine Computer, noch keine Herztransplantationen,keine laparoskopische «Schlüsselloch» – Chirurgie. Ein Beinbruch wurde imStreckbett und anschliessend während 3 Monaten im Gipsverband behandelt.Ja, selbst der Tod wurde damals anders definiert. Ein Mensch galt vor 50Jahren als gestorben, wenn sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Heute kannder Kreislauf, im Hinblick auf eine mögliche Organtransplantation, künstlicherhalten werden, und als tot gilt ein Mensch, wenn die Funktionen seinesGehirnes irreversibel ausgefallen sind.Die heutige Pflegefachfrau hiess damals noch schlicht und einfach «Schwester».Sie betreute einen Patienten und keinen «Leistungsempfänger», der Arztwar oft auch noch ein Seelentröster und nicht nur ein «Leistungserbringer»,wie er in der heutigen Gesundheitspolitik betitelt wird.Wenn ich später mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensass und wir von der «guten alten Zeit» sprachen, hörte ich oftmals die Bitte,Ihnen von früher zu erzählen.Und so sind diese Reminiszenzen entstanden – eine Sammlung von kurzenheiteren oder auch ernsteren Episoden, wie sie im Alltag eines Spitalarztes imKleinspital auftraten. Der Beginn meiner Tätigkeit am Prättigauer Regional -spital liegt über 40 Jahre zurück und so ist möglicherweise auch ein Zeitdokumententstanden, welches die Entwicklung des schweizerischen und kantonalenGesundheitswesen in den letzten 50 Jahren aufzeigt.1965, zu Beginn meiner Tätigkeit, waren die meisten der kleinen RegionaloderOrts-Krankenhäuser sog. «Ein-Mann-Spitäler», das heisst, dass dieLeitung in der Hand eines einzigen Arztes lag, welcher die Patienten internmedizinischbetreute, Beinbrüche behandelte und Gallensteine operierte, alsGeburtshelfer tätig war und oft auch noch Verwaltungsaufgaben übernahm. Dasich die Arbeitszeit vertraglich «nach den Bedürfnissen der Anstalt» richtete,hiess das nichts anderes als 7-Tage-Woche, 24-Stunden-Dienst und Ferien nur,wenn ein entsprechend ausgebildeter Vertreter gefunden werden konnte. Auchder – anfänglich – einzige Assistenzarzt hatte sich nach denselben «Bedürfnis-
47sen der Anstalt» zu richten, weshalb er selbstverständlich im Spital selbstwohnte. Dafür wurde er frühzeitig zu Selbständigkeit erzogen und lernte alsständiger Begleiter des Chefarztes die Medizin und Chirurgie quasi «aus ersterHand». So habe auch ich mit einem einzigen deutschen Medizinalassistentenan meiner Seite begonnen und 32 Jahre später meinem Nachfolger das Spitalmit 6 leitenden Ärzten und ebenso vielen Assistenzärzten übergeben.Um niemanden in seinen Persönlichkeitsrechten zu verletzen, werde ich in dennachfolgenden Erinnerungen, weder bei Patienten noch Kollegen oder Politikern,ausgeschriebene Namen nennen – entweder sind sie abgeändert oder nurmit Initialen versehen. Sollte sich der eine oder andere Leser trotzdem erkennen,so möge er mir verzeihen – ich habe ihn aber sicher in bester Erinnerungbewahrt!Schiers, im Frühjahr 2006
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46Von der Krankenanstalt zum<strong>Regionalspital</strong>Reminiszenzen eines SpitalarztesEinleitungEin halbes Jahrhundert ist in der Entwicklung der Medizin eine lange Zeit. Vor50 <strong>Jahre</strong>n gab es noch keine Computer, noch keine Herztransplantationen,keine laparoskopische «Schlüsselloch» – Chirurgie. Ein Beinbruch wurde imStreckbett und anschliessend während 3 Monaten im Gipsverband behandelt.Ja, selbst der Tod wurde damals anders definiert. Ein Mensch galt vor 50<strong>Jahre</strong>n als gestorben, wenn sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Heute kannder Kreislauf, im Hinblick auf eine mögliche Organtransplantation, künstlicherhalten werden, und als tot gilt ein Mensch, wenn die Funktionen seinesGehirnes irreversibel ausgefallen sind.Die heutige Pflegefachfrau hiess damals noch schlicht und einfach «Schwester».Sie betreute einen Patienten und keinen «Leistungsempfänger», der Arztwar oft auch noch ein Seelentröster und nicht nur ein «Leistungserbringer»,wie er in der heutigen Gesundheitspolitik betitelt wird.Wenn ich später mit ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensass und wir von der «guten alten Zeit» sprachen, hörte ich oftmals die Bitte,Ihnen von früher zu erzählen.Und so sind diese Reminiszenzen entstanden – eine Sammlung von kurzenheiteren oder auch ernsteren Episoden, wie sie im Alltag eines Spitalarztes imKleinspital auftraten. Der Beginn meiner Tätigkeit am Prättigauer Regional -spital liegt über 40 <strong>Jahre</strong> zurück und so ist möglicherweise auch ein Zeitdokumententstanden, welches die Entwicklung des schweizerischen und kantonalenGesundheitswesen in den letzten 50 <strong>Jahre</strong>n aufzeigt.1965, zu Beginn meiner Tätigkeit, waren die meisten der kleinen RegionaloderOrts-Krankenhäuser sog. «Ein-Mann-Spitäler», das heisst, dass dieLeitung in der Hand eines einzigen Arztes lag, welcher die Patienten internmedizinischbetreute, Beinbrüche behandelte und Gallensteine operierte, alsGeburtshelfer tätig war und oft auch noch Verwaltungsaufgaben übernahm. Dasich die Arbeitszeit vertraglich «nach den Bedürfnissen der Anstalt» richtete,hiess das nichts anderes als 7-Tage-Woche, 24-Stunden-Dienst und Ferien nur,wenn ein entsprechend ausgebildeter Vertreter gefunden werden konnte. Auchder – anfänglich – einzige Assistenzarzt hatte sich nach denselben «Bedürfnis-