125 Jahre Regionalspital Praettigau Festschrift - Flury Stiftung
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106schmerzen klagte. Zusammengekrümmt lag sie da, hielt eine Hand auf denBauch, die andere vor das Gesicht und stöhnte herzerweichend. Die Aufnahmeschwesterkonnte mir keine Auskunft geben, da die Patientin offenbar keinWort Deutsch verstand. Auch wehrte sie sich vehement gegen ein Ausziehenihrer zahlreichen Kleider, und eine Verständigung auch mit den Augen warunmöglich, da sie ihr Gesicht immer wieder von mir abwandte. Schliesslichverlor ich noch an meinem letzten Arbeitstag die Geduld, schrie die hysterischePatientin an und riss ihr den Schleier vom Gesicht. Die umstehendenAssistenten und Krankenschwestern brachen in ein schallendes Gelächteraus, als sie mein verdutztes Gesicht sahen: die vermeintliche Patientin entpupptesich nämlich als meine Tochter, welche – extra aus Zürich herkommend– dem Vater die Wehmut des letzten Arbeitstages mit einer humoristischenEinlage nehmen wollte.Am Abend hatte die Spitalleitung ein «rauschendes» Abschiedsfest vorbereitet– unsere Küchenbrigade übertraf sich einmal mehr mit einem vorzüglichenNachtessen, die Schwestern traten in alter Tracht mit Hauben auf dieBühne und spielten Szenen aus vergangenen Zeiten, Haushandwerker undReinigungs equipe verwöhnten mich mit einer wunderbaren Ruhebank undder Spital präsident überreichte mir zum Abschied ein Saxophon – damit ichauch im Ruhestand eine Beschäftigung habe!RückblickWenn ich heute am Regionalspital mit dem grossen Parkplatz, mit einemseparaten Notfall-Eingang, mit zwei «hauseigenen» Krankenwagen vorbeigehe, lasse ich in Gedanken die vergangenen 40 Jahre Revue passieren undfrage mich:«Was hat sich in dieser Zeit geändert?»Die Medizin hat enorme Fortschritte gemacht; wenige Beispiele mögen dieserläutern:Vor 40 Jahren lag ein Patient nach einem Herzinfarkt vier Wochen im Bett –heute gilt eine Frühmobilisation als Standard, oftmals auch eine Operationder verstopften Herzkranzgefässe (By-Pass).Das gutartige Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür wurde früher operativangegangen, indem man Zweidrittel des Magens entfernte. Später durchtrennteder Chirurg lediglich noch den Magennerven, welcher für die überschüssigeSäurebildung verantwortlich war und heute landet kaum mehr einPatient mit einem Geschwür auf dem Operationstisch – er wird mit säurehemmendenMedikamenten oder auch mit Antibiotika behandelt, seit manein Bakterium als Ursache entdeckt hat.
107Nach einer Gallenblasenoperation musste vor 40 Jahren der Patient mindestens10-12 Tage im Spital bleiben, heute verlässt er das Krankenhaus dankminimal invasiver Chirurgie bereits nach 48 Stunden.Nach einem Unterschenkelbruch, wie er bei einem Skiunfall auftreten kann,lag der Verunfallte vor 50 Jahren für mindestens 3 Wochen im Streckverband.Anschliessend erhielt er einen Gipsverband vom Fuss bis Mitte Oberschenkelfür weitere 12 Wochen. Heute verlässt der Patient nach der operativenVersorgung mit Platten und Schrauben das Krankenhaus bereits nach einerWoche – ohne Gips.Aber nicht nur die Medizin hat sich geändert – auch das administrativeUmfeld. Die öffentlichen Ortskrankenkassen wurden im Nebenamt geführt,das entsprechende Büro fand sich oft in der «guten Stube» des Kassenverwalters,die Abrechnungen mit dem Spital wurden mit einer holperigen Schreibmaschineoder sogar von Hand geschrieben. Nach meinem Arbeitsbeginn1965 sass ich mit Vertretern der Krankenkassen zusammen und wir suchtengemeinsam einen Weg, die Kosten im Griff zu haben. Heute sind die Büropalästeder Krankenkassen aus Glas und Stahl oder Beton nicht zu übersehen.Die Verhandlungsfronten zwischen den Kassen einerseits und Ärzten undSpitälern andrerseits haben sich verhärtet und die Prämien steigen jedes Jahr.Dafür treten die Kassen als Sponsoren von grösseren und kleineren Sportvereinenauf. Ich bin wahrscheinlich einer der letzten Ärzte, welcher zu seinerPensionierung von einem Krankenkassenverwalter einen Dankesbrief für dielangjährige gute Zusammenarbeit erhalten hat.Was aber hat sich speziell in Schiers geändert – auf dem Weg vom Kranken -asyl zum Regionalspital? Bedingt durch die grössere Anzahl von Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern und durch die verminderte Arbeitszeit ist sicher derintime, familiäre Charakter des Betriebes etwas verloren gegangen. Aus demeinstigen «Familienbetrieb», wo viele Mitarbeiter noch unter demselbenDach wohnten, ist ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen geworden. Diemoderne Medizin hat auch im Regionalspital Einzug gehalten, auch wennnicht alle Spezialitäten der Spitzenmedizin angeboten werden können. Undfür den Patienten konnte dank der überschaubaren Grösse des Hauses derpersönliche Kontakt zu Pflegepersonal und Arzt beibehalten werden.Und so glaube ich auch heute noch hundertprozentig an die Existenzberechtigungeines Kleinspitals.
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107Nach einer Gallenblasenoperation musste vor 40 <strong>Jahre</strong>n der Patient mindestens10-12 Tage im Spital bleiben, heute verlässt er das Krankenhaus dankminimal invasiver Chirurgie bereits nach 48 Stunden.Nach einem Unterschenkelbruch, wie er bei einem Skiunfall auftreten kann,lag der Verunfallte vor 50 <strong>Jahre</strong>n für mindestens 3 Wochen im Streckverband.Anschliessend erhielt er einen Gipsverband vom Fuss bis Mitte Oberschenkelfür weitere 12 Wochen. Heute verlässt der Patient nach der operativenVersorgung mit Platten und Schrauben das Krankenhaus bereits nach einerWoche – ohne Gips.Aber nicht nur die Medizin hat sich geändert – auch das administrativeUmfeld. Die öffentlichen Ortskrankenkassen wurden im Nebenamt geführt,das entsprechende Büro fand sich oft in der «guten Stube» des Kassenverwalters,die Abrechnungen mit dem Spital wurden mit einer holperigen Schreibmaschineoder sogar von Hand geschrieben. Nach meinem Arbeitsbeginn1965 sass ich mit Vertretern der Krankenkassen zusammen und wir suchtengemeinsam einen Weg, die Kosten im Griff zu haben. Heute sind die Büropalästeder Krankenkassen aus Glas und Stahl oder Beton nicht zu übersehen.Die Verhandlungsfronten zwischen den Kassen einerseits und Ärzten undSpitälern andrerseits haben sich verhärtet und die Prämien steigen jedes Jahr.Dafür treten die Kassen als Sponsoren von grösseren und kleineren Sportvereinenauf. Ich bin wahrscheinlich einer der letzten Ärzte, welcher zu seinerPensionierung von einem Krankenkassenverwalter einen Dankesbrief für dielangjährige gute Zusammenarbeit erhalten hat.Was aber hat sich speziell in Schiers geändert – auf dem Weg vom Kranken -asyl zum <strong>Regionalspital</strong>? Bedingt durch die grössere Anzahl von Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern und durch die verminderte Arbeitszeit ist sicher derintime, familiäre Charakter des Betriebes etwas verloren gegangen. Aus demeinstigen «Familienbetrieb», wo viele Mitarbeiter noch unter demselbenDach wohnten, ist ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen geworden. Diemoderne Medizin hat auch im <strong>Regionalspital</strong> Einzug gehalten, auch wennnicht alle Spezialitäten der Spitzenmedizin angeboten werden können. Undfür den Patienten konnte dank der überschaubaren Grösse des Hauses derpersönliche Kontakt zu Pflegepersonal und Arzt beibehalten werden.Und so glaube ich auch heute noch hundertprozentig an die Existenzberechtigungeines Kleinspitals.