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Internetsucht - Internetpornografie - Die dunkle Seite des ... - ACC

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PUBLIC DOMAINAlle 12 Seminarhefte von Dr. Samuel Pfeiferstehen als PDF kostenfrei all denen zur Verfügung,die sich näher für seelischen Erkrankungensowie für dieVerbindung von Psychiatrie,Psychotherapie und Seelsorge interessieren.Fühlen Sie sich frei, diese PDF für sich selbst zu speichern und sieandern weiterzugeben.<strong>Die</strong>ses Angebot gilt besonders für Studenten der Medizin, der Psychologie,der Theologie, der sozialen Wissenschaften sowie der Seelsorgeim engeren Sinne.Verwendung von Abbildungen und Tabellen kostenfreiunter Angabe der Quelle.Optimale Darstellung auf dem iPad:Speichern Sie die Datei iniBooks


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTInhaltEthik, Wertung und Moral........................................................................... 2Männer surfen anders, Frauen auch .......................................................... 4Test: Sind Sie Internet-süchtig?................................................................... 5Ist mein Kind Internet-süchtig?.................................................................. 6Was Eltern wissen sollten............................................................................ 7Wie gefährlich sind Online-Spiele?............................................................. 8<strong>Die</strong> Erforschung der Unterwelt................................................................. 10<strong>Die</strong> <strong>dunkle</strong> <strong>Seite</strong> <strong>des</strong> Internets.................................................................. 11Kinderpornografie – eine Straftat ............................................................ 13Krankheit oder Verhaltensproblem?......................................................... 14Komorbidität – Nebenwirkungen der <strong>Internetsucht</strong> ............................. 15Muster <strong>des</strong> Online-Sex-Verhaltens........................................................... 17Risikofaktoren für <strong>Internetsucht</strong>.............................................................. 18<strong>Die</strong> Familie leidet mit!................................................................................ 19Opiate, Dopamin und Glücksgefühl......................................................... 21Triebkonflikt und Gewissen....................................................................... 23Gesunde Sexualität.................................................................................... 24Der Suchtkreislauf – Psychodynamik....................................................... 26Therapeutische Ansätze ............................................................................ 28Accountability – Rechenschaft geben...................................................... 31Therapie bei Sexualstraftätern................................................................. 32Gruppentherapie – 12-Schritte................................................................. 33Auswirkungen auf die Ehe – Paartherapie................................................ 34Seelsorge: Vom Durst, der bleibt ............................................................. 36Seelsorge bei <strong>Internetsucht</strong>...................................................................... 37Der Kampf um den Ausstieg – Hindernisse auf dem Weg...................... 38<strong>Internetsucht</strong> am Arbeitsplatz – Juristische Aspekte............................. 40Acht Tipps für Internetsüchtige................................................................ 41Literatur und Internet-Links...................................................................... 42D


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTMänner surfen anders – Frauen auch!Männersind in erster Linie anfällig auf Pornografieim Internet. Sie beginnen meist mit«Erotik», doch die Sucht nach dem Kickführt sie oft immer tiefer in harte Pornografie(vgl. S. 9). Aber auch im Chatroomgibt es jede Menge Angebote.«Kick» durch visuelle Reize.Sexuelle Erregung mit Masturbation.Sammlertrieb.Neigung zu vermehrter Gewalt / Demütigung.Frauensuchen Kontakte, möchten der Einsamkeitentfliehen, in Tagträume der Romantik,die dann auch erotisch gefärbt seinkann.«Kick» durch Kommunikation (Chat).Romantische Geschichten und Bilder.Sexuelle Erregung erst sekundär.Ein Mann berichtet über die enormeKraft der Bilder: «Manchmal erschrakich, wenn etwas ‹Abartiges› erschien.Doch allmählich baute sich meine innereHemmschwelle ab. <strong>Die</strong> Spirale drehte sichschneller und meine Ideen im Umgangmit dem Bildmaterial wurden raffinierter.<strong>Die</strong> Sammlerleidenschaft erfasste mich... <strong>Die</strong> heimliche Lust entwickelt sich zurheimlichen Sucht ... Selbst mit meiner riesigenSammlung war ich nicht gesättigt.<strong>Die</strong> Bilder verloren für mich ihren Reiz,sobald ich sie besass. Ich wollte ‹Neues›,noch Besseres, täglich frisches Fleisch.Aber satt wurde ich nie.»(Wolf Deling «Der sexte Sinn», Brunnen)Eine Frau berichtet:«Für mich war das Netz zuletzt mein Zuhause.Ich bin kaum noch vor die Türgegangen. Sogar meine Kommunikationspartnerim Internet bemerkten, dass etwasnicht stimmte, weil ich wirklich ständigonline war. Irgendwann fing ich an,mich dafür zu schämen und begann damit,mich beim Chatten zu tarnen.Frage: Wo überschreitet man die Grenzezur Sucht?Antwort: Wenn Sie ihr soziales Umfeldvöllig abbauen und zugleich feststellen,dass Ihnen dies unwichtig wird, dann istes schon zu spät.»(aus einem Interview mit Gabriele Farke)Bild: www.pbase.com4


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTSind Sie Internet-süchtig?1. Unwiderstehlicher Zwang zum Einloggen.2. Verletzung von ethisch-moralischen Werten, denen man sich eigentlich verpflichtetfühlt.3. Kontrollverluste (d.h. längeres Verweilen «online» als beabsichtigt) verbundenmit Schuldgefühlen.4. Sozial störende Auffälligkeiten im engsten Kreis der Bezugspersonen(Freunde, Partner, Familie). Häufige Rügen durch unmittelbare Bezugspersonen.5. PIG-bedingte * nachlassende Arbeitsleistung.6. Mehrmalige vergebliche Versuche von Einschränkungen7. Verheimlichen oder Bagatellisieren der Online-Aktivitäten vor der Umwelt.8. Psychische Irritabilität bei Verhinderung am Internet-Gebrauch (kann sich auswirkenin Form von Nervosität, Reizbarkeit und Depression)9. «Entzugserscheinungen»: Psychische Irritabilität bei Verhinderung am Internet-Gebrauch (kann sich auswirken in Form von Nervosität, Reizbarkeit und Depression).(in Anlehnung an Zimmerl & Panosch 1998)Nicht-stoff-gebundene Sucht / VerhaltenssuchtEin Zitat aus dem Jahr 1561:«Ich glaube, dass das Würfelspiel genaudieselbe Wirkung hat wie der Wein... <strong>Die</strong>sichtbarsten und schlimmsten Auswirkungensind folgende: ständige geistigeRuhelosigkeit, Pflichtvergessenheit, Armut,Verfluchung, <strong>Die</strong>bstahl und Verzweiflung.»Der flämische Arzt Pascasius Iustus TurckWährend Missbrauch und Abhängigkeitvon bewusstseins-verändernden Substanzenbzw. Drogen bestens bekannt und erforschtsind, gibt es über Süchte ohne auslösendeSubstanz noch wenig Forschungsliteratur.Zu den Formen der so genanntenVerhaltenssucht gehören: exzessive Computer-/Internetnutzung,(Glücks)Spielsucht,exzessives Sporttreiben und Arbeitssucht.<strong>Die</strong> weit verbreitete <strong>Internetsucht</strong> istnoch nicht einmal in den diagnostischenManualen psychischer Störungen (DSM undICD) aufgeführt.Grundsätzlich gilt: «Bei der nichtstoffgebundenenSucht, der Verhaltenssucht,werden keine psychotropen Substanzenvon aussen zugeführt oder eingenommen;der gewünschte, als Belohnung empfundenepsychotrope Effekt (Kick-Erleben, Entspannung,Ablenkung) stellt sich durch körpereigenebiochemische Veränderungenein, die durch bestimmte exzessiv durchgeführteVerhaltensweisen ausgelöst werden.»(Grüsser & Thalemann 2006)Weitere Details zu diesem Konzept findensich auf <strong>Seite</strong>n 20 – 23 in diesem Heft.* PIG = Pathologischer Internetgebrauch5


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTWas Eltern wissen solltenCHAT:«In manchen Foren herrschteine Atmosphäre wie aufeinem Strassenstrich»(Spiegel 21 / 2006)– 97 Prozent aller pädosexuell veranlagtenTäter (Kanada) bedienen sich <strong>des</strong>Internets, um Kontakt zu Kindern aufzunehmen.– 48 Prozent aller 12- bis 19-jährigensind innert eines Jahres (2005) min<strong>des</strong>tenseinmal durch einen Chatroomgestreift.– 31 Prozent der Internet-Surfer besuchenChatrooms exzessiv.– 45 Prozent wurden im Cyberspaceschon beschimpft oder sexuell belästigt.– Nur 7 Prozent der Eltern wissen, welchenBelästigungen ihre Kinder ausgesetztsind.Viele Kinder stossen bereits im Alter von10 bis 14 Jahren auf die ersten Pornoseiten.Bei nicht wenigen von ihnen wirdeine erste Bahnung erzeugt, die später zueinem suchtartigen Konsum von Pornografieführt.Aber Pornografie ist nicht die einzigeGefahr. Vier weitere Gefahren gilt es zubeachten:a) Exzessives Chattenb) Belästigung durch Pädophile im Netzc) Exzessive Online-Spieled) Brutalisierung durch Online-Spiele(vgl. S. 8)Eltern sollten wissen, was ihreKinder im Netz machen.– Welches sind die Websites, die ihrKind ansteuert?– Gibt es einen Firewall / Virenschutzauf dem Computer?– Ist es geschützt vor sog. Dialern, diehohe Kosten verursachen?– Wie viel Zeit verbringt Ihr Kind imNetz?– Mit wem chattet das Kind?– Kennt das Kind die Gefahren von Anmacheim Netz? (vgl. Beispiel)– Weiß es, wie es sich schützt?EMPFEHLUNG schutz-softwarewww.kindersicherung.dewww.mobicip.comAnmache im Chat - «Grooming»Immer wieder pirschen sich Männermit falschen Identitäten an Kinderheran. Sie geben sich als Jugendlicheaus, die «nur chatten» wollen. Ihrwahres Ziel aber ist es, Kinder sexuellauszubeuten. Dabei bringen sie imChat das Gespräch subtil auf sexuelleThemen und geben sich dabei vielleichtals Kinder, die selber Problememit ihrer Sexualität haben und Hilfebei Gleichaltrigen suchen. «Hast Duauch Probleme mit SB?», heißt es dannvielleicht, um das Thema Selbstbefriedigunganzuschneiden. Oder «HastDu es schon einmal erlebt? So richtigkuschelig?». Gefährlich wird es, wenndie Handynummer oder die Adresseerfragt wird. Niemals geben!!7


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTWie gefährlich sind Online-Spiele?Jugendliche bei einer sogenannten LAN-PartyMehrfach haben in den letzten Jahrenbrutale Morde an Schulen die Öffentlichkeitaufgeschreckt. Nicht selten wurdendie Taten detailliert in Computersimulationgeplant. Millionen von jungen Menschenverbringen täglich viele Stunden im Cyberspace.Es sind die Extremfälle, die schocken. Dasind junge Menschen jeden Tag währendbis zu 18 Stunden im Netz. Sie vernachlässigenalles andere, verlieren den Job, lassenFreundschaften sausen und ersetzenechte Beziehungen durch die Kontakte inden Weiten <strong>des</strong> Cyberspace.Aber auch da gibt es beide Welten: Esgibt die Wettkampfspieler, die gerade inAsien wie Helden gefeiert werden. DerSpiegel schreibt: «Während Tausende Fanshochbezahlte Daddler verehren, versinkenMillionen Nachahmer in die Abhängigkeit.»(SPIEGEL 6/2006).KILLERSPIELEBesonders bedenklich sind diejenigenSpiele, in denen es darum geht, andereMenschen zu erschiessen und möglichstrealistische Kampfszenen zu erleben.Blut ist da nur noch ein Haufen roter Pixel,Schmerzensschreie sind ein digitalerSound. Da besteht die Gefahr der VerrohungundIm Netz versumpftEin Gymnasiast schreibt auf einem Forum:«Ich aß unregelmäßiger und vielungesünder, weil es schließlich schnellgehen musste. Ich vernachlässigte Dingewie Hygiene, und auch der Zustandmeines Zimmers war katastrophal. Ichstritt mich immer häufiger mit meiner Familie.Ich versiffte richtig innerlich, weilich immer so gegen fünf Uhr morgens insBett ging und erst nachmittags aufstand.Mit der Zeit ging ich auch immer wenigerraus und verlor dadurch meine Freunde.Auch meine Freundin verlor ich, weil ichimmer neue Ausreden brauchte, um zuHause spielen zu können. Aber es interessiertemich nicht. Ich bemerkte es kaum.»8


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTHinweise auf Internet-Sex-Sucht1. Intensive Beschäftigung mit sexuellen Internetinhalten.2. Häufiges Aufsuchen von Sexseiten im Internet, länger als beabsichtigt.3. Wiederholte erfolglose Versuche, den Sex-Konsum im Internet zu kontrollieren, zuvermindern und damit aufzuhören.4. Ruhelosigkeit und Nervosität beim Versuch, mit Internetsex aufzuhören.5. Verwendung von Internetsex als einen Weg, Problemen zu entfliehen oder negativeGefühle wie Hilflosigkeit, Schuld, Angst oder Depression zu überdecken.6. Tägliches Wiedereinloggen ins Internet auf der Suche nach intensiveren oder riskanterensexuellen Erfahrungen.7. Lügen gegenüber Familienmitgliedern, Therapeuten oder andern Bezugspersonen,um das Ausmaß der Internetaktivitäten zu verheimlichen.8. Begehen von illegalen sexuellen Handlungen im Internet (z.B. das Versenden oderdas Herunterladen von Kinderpornografie oder das Vermitteln von illegalen sexuellenAktivitäten via Internet).9. Gefährdung oder Verlust einer wichtigen Beziehung, einer Arbeitsstelle oder einerberuflichen Aufstiegsmöglichkeit wegen Internet-Sex-Sucht.10. Erleiden von einschneidenden finanziellen Konsequenzen als Folge vonInternet-Sex.(nach P. Carnes)Fortsetzung: Online-Spieleder Abstumpfung. - Und dennochwerden lange nicht alle Spieler süchtig oderasozial. Meist versinken diejenigen in derPhantasiewelt, die im realen Leben unterEinsamkeit, Minderwertigkeitsgefühlenund Depressionen leiden. Vieles deutetdarauf hin, dass die Spielesucht eher eineFolge anderer Probleme als ein eigenständigesPhänomen sind.Therapeutische ZIELE» Mit Jugendlichen Zeiten <strong>des</strong> Internetkonsumsfestlegen.» Inhalte der Spiele hinterfragen» Ermutigen, reale Kontakte zu pflegen» Bei Vorliegen einer psychischen Störungfachgerechte Therapie suchen.Macht, Geborgenheit und SexProf. Ulrich Hegerl, München: «Das Internetkann viel mehr Bedürfnisse befriedigenals andere Medien.» Macht, Kontrolle,Vertrautheit, Geborgenheit und auch Sex,alles das bietet die virtuelle Welt neben Informationund Unterhaltung. «Das Internetspricht die sozio-kommunikative <strong>Seite</strong> vielmehr an als etwa das Fernsehen.» Hier liegtdie große Gefahr. Für Menschen, die nachdem Surfen süchtig sind, ersetzt das Internetim Extremfall alle sozialen Kontakte.<strong>Die</strong> Folge: Einsamkeit und die völlige Entfernungvon der Realität.9


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHT<strong>Die</strong> Erforschung der UnterweltMuss ich ein Fassaussaufen, um zu wissen,ob's Wein oder Essig ist?Geflügeltes Wortten ins Postfach «flattert». Wenn man bedenkt,dass rund 40 Prozent aller Inhalte<strong>des</strong> World Wide Web pornografischer Artsind, so fragt man sich, wie man als «normalerMensch» überhaupt an diesen Inhaltenvorbeikommt. Aber braucht es wirklicheine vertiefte Reise durch diese Unterwelt,um andere informieren, aufklären und beratenzu können?Von der «Forschungsreise» zureigenen SuchtNicht wenige Lehrer, Pastoren und wohlmeinendeAufklärer haben auf dem Wegder Selbsterfahrung, dem Eintauchen in dieWelt <strong>des</strong> Cybersex, selbst Schaden an ihrerSeele erlitten. Was als «Forschungsreise»begann, endete in eigener Sucht.Mehr noch: die Darstellungen von Entwürdigungund Gewalt, von krudem SexWie sammelt man Informationen überdie Thematik dieses Heftes, ohneselbst im Sumpf pornografischer Bilderzu versinken?In der heutigen Zeit braucht es nichtviel, um mit der allgegenwärtigen Erotisierungunserer Kultur in Kontakt zu kommen,sei dies im Spätprogramm <strong>des</strong> Fernsehensoder im versehentlichen Anklicken einesInternetlinks, der einem via SPAM ungebeohneLiebe, von Quälereien und Erniedrigungtut einem normal-sensiblen Betrachterfast körperlich weh. Wenn dann auchnoch Kinder betroffen sind, dann drehtsich einem nicht nur der Magen, man wirdauch erfasst von kalter Wut über die Kartelleder Pornoproduzenten, die derartigeKundenwünsche mit immer neuem Materialbefriedigen.Man mag vielleicht abgestumpft werden,wenn man als verdeckter Fahnder dieQuellen derartiger Darstellungen aufzudeckenversucht. Und doch können einem dieSzenen zutiefst verletzen (im Sinne einerSekundärtraumatisierung).Ein anderer WegIch habe <strong>des</strong>halb für dieses Seminarhefteinen anderen Weg beschritten. MeineInformationsquellen waren in erster LinieBücher von erfahrenen Therapeuten,Facharbeiten von Experten in diesem Gebietund Zeitschriftenartikel <strong>des</strong> investigativenJournalismus, der Detailkenntnis mitder nötigen Distanz verbindet (hauptsächlichim Nachrichtenmagazin «Der Spiegel»).Ganz wesentlich ist aber auch die Begegnungmit meinen Patientinnen und Patienten:mit der jungen Frau, die durch ihrenOnkel für Pornofilme der übelsten Sortemissbraucht worden ist; mit dem jungenMann, der nicht mehr loskommt von derunwiderstehlichen Lust nach immer neuenBildern; mit der verhärmten Frau im mittlerenAlter, die vor kurzem erfahren hat,dass ihr Mann stundenlang vor dem Bildschirmsitzt, um sich in die Ersatzwelt derInternet-Sexualität zu flüchten, während erfür seine Familie kaum mehr erreichbar ist.10


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHT<strong>Die</strong> <strong>dunkle</strong> <strong>Seite</strong> <strong>des</strong> InternetsDas Internet ist aus unserer Gesellschaftnicht mehr wegzudenken. Es erleichtertunsere Arbeit, hilft bei der Informationsbeschaffungund bietet eine Fülle vonEinkaufsmöglichkeiten.Doch da ist auch die <strong>dunkle</strong> <strong>Seite</strong> <strong>des</strong> Internets.Von dieser muss zwangsläufig indiesem Seminarheft die Rede sein.Was wird im Schatten<strong>des</strong> Internets angeboten?<strong>Die</strong> Antwort lautet: Grundsätzlich alles.Der Gipfel <strong>des</strong> Grauens war wohl der Fall<strong>des</strong> «Kannibalen von Rotenburg».Den Ermittlungen zufolge lernte der41-Jährige sein Opfer über eine Kontaktanzeigeim Internet kennen. Der Rotenburgersuchte jemanden, der sich von ihm tötenund anschließend aufessen lassen würde.Daraufhin hat sich ein 42-jährige BerlinerDiplom-Ingenieur gemeldet. <strong>Die</strong> Tat wurdevor laufender Videokamera ausgeführt.Suizidforen: Hier tauschen lebensmüdeJugendliche Möglichkeiten aus, wie manam besten aus dem Leben scheiden kann.Im Jahr 2000 nahm sich eine österreichischeSchülerin zusammen mit einem Norwegerdas Leben. Sie hatten sich im Internet zumgemeinsamen Tod verabredet.Der Schuldirektor <strong>des</strong> Mädchens sagtespäter: «Das Missbrauchspotenzial im Internetist erschreckend groß geworden. OhneWorldWideWeb wäre diese Tat in andererForm oder gar nicht passiert.»<strong>Die</strong> häufigsten Inhalte sind jedoch sexuellerNatur:Soft-Pornobilder / Erotische Bilder:Frauen posieren in mehr oder wenigerFortsetzung auf <strong>Seite</strong> 12Statistiken zur <strong>Internetsucht</strong>Das World Wide Web ist äußerst dynamisch.<strong>Seite</strong>n kommen und gehen. Täglichentstehen neue Angebote und anderegehen aus dem Netz. Aus diesem Grundhinken Statistiken im Bereich der <strong>Internetsucht</strong>immer hinter der Realität her.Folgende Zahlen wurden in den letztenfünf Jahren veröffentlicht. Sie sind wahrscheinlichnicht exakt, vielleicht eher zukonservativ, geben aber doch einen Eindruckvon der Präsenz suchtfördernderInhalte im Internet.30 Millionen Menschen haben inDeutschland Internetzugang, dieZahl der Süchtigen wird auf 1 Milliongeschätzt.40 Prozent aller Internetangebote enthaltenpornografische Inhalte.74 Prozent aller Einnahmen im Internetwerden mit Sex-Angeboten gemacht.Der Umsatz wird auf über eine MilliardeDollar pro Jahr geschätzt.25 Millionen Menschen surfen pro Wocheauf einer Pornoseite.31 Prozent aller Online-Nutzer habenPornoseiten besucht.60 Prozent aller Webseiten-Besuchesind sexueller Natur.200 sex-bezogene Websites werden jedenTag neu ins Internet gestellt.Hinweis:Aktuelle Zahlen und Daten finden sichauf folgender Homepage: www.onlinesucht.de.11


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHT<strong>Die</strong> Schattenwelt <strong>des</strong> InternetsFortsetzung von <strong>Seite</strong> 11Chattenbekleidetem Zustand für die Kamera.<strong>Die</strong> primären Geschlechtsteile sind nichtsichtbar. Paaraufnahmen reflektierendas Ideal von Romantik, Zärtlichkeit undErotik.Harte Pornografie: Unter Hardcore-Pornografiewird eine explizite Darstellung sexuellerAktivitäten verstanden, wobei die Geschlechtsorganewährend <strong>des</strong> Geschlechtsverkehrsoffen dargestellt werden.Thematisch betonen Hardcore-Produktionenmitunter ausschließlich speziellesexuelle Vorlieben oder Techniken wie z.B.Outdoor-Sex, Oralverkehr, Analverkehr,Gruppensex, Gangbang (Sex mit extremermännlicher Überzahl), Sex ausschließlichmit Farbigen, Übergewichtigen, Schwangerenoder mit älteren Menschen bis hin zuSex mit Urin und Exkrementen. (*)Live-Video-Streaming: aus Striplokalenoder direkt aus entsprechenden Pornostudioswerden via Webcam Live-Szenenübertragen.Live-Voyeurismus: Via Webcam werdenSzenen übertragen, wo sich Frauen scheinbarzufällig entblößen. Oft warten Süchtigeüber lange Zeit (kostenpflichtig), bis wiedereinmal eine kurze Entblößung sichtbarwird.Sadomasochismus: Sadismus beschreibteine lustvolle Erregung durch das Zufügenvon Schmerzen. Masochismus bedeutetlustvolle Erregung durch das Erleiden vonSchmerzen. Der Ausdruck wird auch imübertragenen Sinne für Verhaltensweisengebraucht, die nicht im engeren Sinne sexuellsind.Sadomasochismus ist aber eine Form dergewaltverherrlichenden Pornografie, diein ihrem perversen Ideenreichtum kaumzu überbieten ist (www.datenschlag.org).Spielformen <strong>des</strong> ChattensViele Jugendliche chatten via das Internet,ohne süchtig zu werden. Stärker istder Sog bei Chatrooms, die gezielt anbieten,Beziehungen zu vermitteln. Unter demMotto: «Flirt, Chat und Community» wirdangeboten: «Hier kannst Du neue Freundefinden, ansprechen und kennenlernen!»In den Chatroom geht man nicht unterder eigenen Identität. Da trifft man etwa«Hoppemaus» oder «Zarathustra_014». Wederdas Alter noch das Geschlecht müssenstimmen. <strong>Die</strong> Grenzen zwischen Spiel undRealität verschwimmen.<strong>Die</strong> Gefahr liegt nicht nur in exzessivenOnline-Zeiten, sondern auch darin, dass eszu Realbegegnungen kommt, die rasch inein sexuelles Abenteuer mit ungewissemAusgang münden können (vgl. S. 3).Chatrooms sind heute aber auch ein beliebterTreffpunkt für «Sonderinteressen»geworden, wo die härtesten Pornobilderpraktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeitausgetauscht werden.Weitere Informationen:G. Farke: OnlineSucht. Wenn Mailen und Chatten zumZwang werden. Kreuz.* Quelle: www.net-lexikon.de12


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTKinderpornografie – eine StraftatKinderpornografie ist die Darstellungsexuellen Mißbrauchs von Kindern,oft unter sadistischen Quälereien mit Nadeln,Klemmen oder Elektroschocks. BeiKonsumenten solcher Bilder lösen dieseQuälereien eine rausch-artige sexuelle Erregungaus.Kinderpornografie gibt es nicht erst,seit es das Internet gibt, aber der Zugangist sehr viel leichter geworden. Was die Betrachterin ihrem Rausch nicht bedenken:Hinter jedem Bild steht ein Schicksal, einschwerst gequältes, traumatisiertes Kind!Man unterscheidet drei Gruppen vonTätern:a) Produzenten handeln mit Kinderpornografieund verdienen ihr Geld auf Kostender Kinder.b) Konsumenten kaufen Kinderpornografieund unterstützen so die skrupellosenMachenschaften der Händler bzw.Hersteller solcher Fotos und Filme.c) Pädophile Täter mißbrauchen vielleichtauch IHR Kind, um sich sexuell zuerregen.In den letzten Jahren wurden dank der«Hinter jedem Bildsteht ein Schicksal, ein schwerstgequältes undtraumatisiertes Kind.»Aufklärungsarbeit der Polizei immer mehrMänner überführt, die auf ihren Computernkinderpornografisches Material gespeicherthaben – nicht zufällig, sondernganz systematisch. Darunter waren auchviele äußerlich unbescholtene Menschen,nicht wenige von ihnen in sozialen Berufentätig.<strong>Die</strong> Ermittler (und die Seelsorger) sindimmer wieder erschüttert, wie der Rauschder Bilder dazu führt, dass diese Männer –oft selbst Familienväter – ihr Tun verniedlichenund damit die Grundlage für Rückfälleund weitere Straftaten legen.GesetzestextOpfer der Kinderpornografie: <strong>Die</strong>se Kinderwurden von einem asiatischen Pornoringfür Videoaufnahmen benutzt unddurch die Polizei aus ihrem Gefängnisbefreit.«Wer pornografische Schriften, die densexuellen Missbrauch von Kindern zumGegenstand haben, 1. verbreitet, 2. öffentlichausstellt, anschlägt, vorführtoder sonst zugänglich macht oder 3.herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält,anbietet, ankündigt, anpreist, ... wird ...mit Freiheitsstrafe von drei Monaten biszu fünf Jahren, sonst mit Freiheitsstrafebis zu drei Jahren oder mit Geldstrafebestraft.»(Auszug aus dem deutschen Strafrecht)(Ausriss aus einer kambodschanischen Zeitung 2004).13


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTKrankheit oder Verhaltensproblem?Fachbegriffe für INTERNETSUCHTInternet Addiction Disorder – IAD(Ivan Goldberg 1995)Nichtsubstanzgebundene Verhaltenssucht(Grüsser & Thalemann 2006)Pathologischer Internetgebrauch – PIG(Zimmerl & Panosch 1998)Pathological Internet Use − PIU(Kimberly S. Young)Compulsive Sexual Behavior – CSB(Hollander 2004)Internet Sexual Addiction Disorder – ISAD(M. Kafka 1996)Nosologische Einordnung<strong>Die</strong> Fachleute sind sich in der diagnostischenEinordnung <strong>des</strong> pathologischenInternetgebrauchs nach ICD-10 / DSM-IVnoch nicht sicher. An einem Symposium inNew York 2004, das ich besucht habe, wurdenfolgende vier Bereiche für eine möglichediagnostische Einordnung genannt:1. Störungen der Sexualpräferenz? (Paraphilie)– Einerseits handelt es sich umein pathologisches Geschehen im sexuellenBereich, doch sind die Inhaltehäufig nicht als «pervers» einzuordnen,sodass der Begriff der Paraphilie nichtzur Anwendung käme.2. Zwangsstörung? Viele User erlebenden Drang zum Einloggen «wie einenZwang». Dagegen spricht die Tatsache,dass das Betrachten und Sammelnvon Bildern oder das erotisch gefärbteChatten Lust erzeugt, was bei den klassischenZwangsstörungen nicht der Fallist (vgl. auch das Seminarheft in dieserReihe: «Zwang und Zweifel»)3. Störung der Impulskontrolle? – Patientenmit diesen Störungen leiden unter impulsivenGefühlen und Handlungen, wiez.B. Wutausbrüchen. Beim PIG bestehtzwar ein «Kontrollverlust» – d.h. manbleibt oft viel länger im Netz als mandas vorhatte – aber das Verhalten wirdsorgfältig geplant, erfordert gezieltesEinloggen und Aufsuchen von Inhalten,was nicht mehr als impulsiv bezeichnetwerden kann.4. Suchtverhalten? <strong>Die</strong>ser Ansatz erklärtam besten alle Phänomene <strong>des</strong> pathologischenInternetgebrauchs und wirdals Grundlage für dieses Heft gebraucht.14


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTKomorbidität – zusätzliche ProblemeKrankheiten, die zusammen miteiner Internet-Abhängigkeit auftretenkörperliche SchädenBei chronischem Gebrauch sind oftmalskörperliche Schäden beobachtbar:– Durch falsche Sitzhaltung können Verspannungenbis hin zu WirbelsäulenundGenickschäden auftreten.– Das lange, ununterbrochene Starren aufden Bildschirm kann auf Dauer zu Schädigungen<strong>des</strong> Sehapparates führen.– Langes Surfen kann zusätzlich Dauerstressverursachen, der sich in Formvon Kopfschmerzen, Schlafstörungenund chronischer Anspannung ausprägenkann.– Kreislauf- und Gewichtsprobleme könnenebenfalls auftreten, sind aber individuellverschieden.PSYCHOSOZIALE KOMPLIKATIONEN– Hohe Telefon- bzw. Online-Kosten– Realitätsverlust– Scheitern menschlicher Beziehungen– Soziale Isolation– Arbeitslosigkeit und VerarmungSMS-TextaholicsAuch SMS kann süchtig machen, sagtder englische Psychologe Roy Bailey: «EinText kann dieselbe Wirkung wie eine Zigarettehaben.» Der Empfang einer SMS löstim Gehirn Genuss und Vergnügen, je nachBotschaft auch Angst und innere Spannungaus und bewirkt im Empfänger dasBestreben, die Nachricht umgehend zubeantworten, um möglichst schnell eineAntwort zu erhalten. Allein in Deutschlandwerden pro Jahr über 25 MilliardenKurznachrichten versendet.Zusätzliche KomplikationenBei vielen Online-süchtigen Menschensind folgende Probleme zu beobachten,z.T. chronisch oder aber in Krisenzeiten:– Alkoholismus: Oft wird die innere Nervositätmit Alkohol gedämpft, aber auchder durch das Betrachten der Bilder erzeugte«Rausch» durch Alkohol unterstützt.Es kommt zu einer gegenseitigenVerstärkung der beiden Süchte.– Gebrauch anderer schädlicher Substanzen(von aufputschenden Drogen, wieetwa Kokain, bis zum übermäßigen Gebrauchvon potenzsteigernden Mittelnwie z.B. Viagra).– Depressive Episoden: ausgelöst durchdie negativen psychosozialen Konsequenzenoder das Zerbrechen einer Beziehung– Suizidalität: In der Verzweiflung überdie Ausweglosigkeit oder bei sozialenKonsequenzen.– Zwanghaftes Kontrollieren: Online-Süchtige entwickeln z.T. komplexe Rituale,um ihre Sucht zu verheimlichenund sicherzustellen, dass ihre Umgebungnicht in ihren «geheimen Bereich»eindringen kann oder diesen per Zufallentdecken kann.– Paranoi<strong>des</strong> Denken: <strong>Die</strong> Angst vor Entdeckungund Beschämung führt dazu, dasshinter unbedeutenden Vorgängen einepersönliche Bedrohung vermutet wird.(Z.B. wenn ein Polizeiauto vorbeifährt:«Hoffentlich kommen sie nicht zu mir,um meinen Computer zu untersuchen»;z.B. wenn der Arbeitgeber ein Gesprächvereinbart: «Will er mich mit den Spurenmeiner Internet-Aktivitäten in derletzten Woche konfrontieren? Ich habezu wenig aufgepasst!»)15


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTMuster <strong>des</strong> Online-Sex-Verhaltens<strong>Die</strong> obige Einteilung der Muster <strong>des</strong> Internet-Sex-Gebrauchsist nicht wertend,sondern rein beschreibend (vgl. auch S. 2).Gruppe A: Nichtsüchtige Nutzera) Angepasster Freizeitgebrauch: Es gibtnicht wenige Menschen, die erotischesMaterial lesen oder ansehen, ohne dadurchin eine pathologische Abhängigkeitzu verfallen oder eine Verschiebungihrer sexuellen Präferenzen oder derAchtung vor dem anderen Geschlecht zuerleben. <strong>Die</strong>se werden als «angepassteFreizeitnutzer» beschrieben.b) Unangepasster Freizeitgebrauch: Obwohldiese Gruppe nicht süchtig ist,geht sie mit sexuellen Inhalten <strong>des</strong> Internetsin anstößiger Weise um: <strong>Die</strong>ssind z.B. die schmierigen Typen, die pornografischeBilder an die Kollegin schicken,um sie in Verlegenheit zu bringen.Im Gegensatz zu Online-Süchtigen versuchensie nicht, ihren Spaß an derartigenBildern zu verstecken.Gruppe B: Problematische Nutzerc) Entdeckergruppe: <strong>Die</strong>se Menschen hattenvor der Entdeckung im Internet keineProbleme mit süchtiger Sexualität. Siegehen vielleicht zuerst fast mit spielerischerNeugier in einen Chatroom odereine Porno-Adresse. Doch dann werdensie hinein gezogen und verbringen immermehr Zeit im Netz, riskieren immermehr und werden abhängig.d) Prädisponierte Gruppe: <strong>Die</strong>se Menschenhatten zwar schon früher unangepasstesexuelle Fantasien, etwa zueiner Prostituierten zu gehen, oder einKind unsittlich zu berühren, doch sielebten diese Impulse nie aus, weil siesich schämten. Nun entdecken sie imInternet die Erfüllung ihrer Wünsche,ohne erkannt werden zu können. Zuerstverweilen sie nur einige Stunden pro Wocheim Netz, doch dann wird es immermehr. Dazu kommen auch zunehmendextremere Variationen der Sexualität,um noch einen «Kick» zu bekommen.Sie werden süchtig.e) Lebenslanges sexuelles Suchtverhalten:Schon seit der Jugend problematischessexuelles Verhalten: häufigeMasturbation, Gebrauch von pornografischemMaterial, Voyeurismus, Exhibitionismusoder pädophile Handlungen(«Paraphilien» ). Für sie bietet das Internetdie Möglichkeit, ihre bestehen<strong>des</strong>sexuelles Muster in einer neuen Formauszuleben. Drei Untergruppen:1. Internet als zusätzliche Möglichkeit, umdas gewohnte Verhalten auszuleben.2. <strong>Die</strong>jenigen, die im Internet einen wenigerriskanten Weg sehen, auch neueFormen der Sexualität auszuprobieren,sich etwa an Minderjährige heranzumachen.3. <strong>Die</strong>jenigen, deren sexuelles Verhaltenaußer Kontrolle geraten ist und, die imInternet vielfältige Risiken und Angebotewahrnehmen, die eventuell auchzu einer Strafverfolgung führen können.nach P. Carnes mit Schwerpunkt der sexuellen <strong>Internetsucht</strong>16


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTUnterschiedliche KonfliktbeurteilungIn unserer pluralistischen Gesellschaft wirdSexualität mit ihren Variationen sehr unterschiedlichgewichtet. Manche Autorensprechen auch von einer «pornografischenGesellschaft», in der Initimität in einemMass öffentlich gemacht wird, das früherunvorstellbar erschien.Ein sozialer bzw. juristischer Konsensbesteht nur noch bei eindeutig strafbarenHandlungen, nämlich Sex mit Kindern (Pädophilie),mit Tieren (Sodomie), mithilfevon Exkrementen und unter Anwendungextremer Gewalt.Alle anderen Formen der (internet-basierten)Darstellungen von Sexualität werdennach individuellen Massstäben gemessen– ohne Anspruch auf objektive Wertenormen.Das Kriterium der Häufigkeit isthier nicht wegweisend, weil andere Indikatorenviel früher «Alarm schlagen».Da ist zuerst einmal die einzelne Person:Lässt sie sich von einer christlichenEthik leiten, so erlebt sie schon bei sporadischemKonsum weicher PornografieSchuldgefühle oder zumin<strong>des</strong>t eine Unzufriedenheit,die den Wunsch entstehenlässt, dieses Muster zu stoppen. Weiterenegative Folgen ergeben sich am Arbeitsplatz,wo das Surfen auf Pornoseitengrundsätzlich unerwünscht ist und zumKündigungsgrund werden kann. Ein Warnsignalkönnen auch gesundheitliche Folgensein (S. 15).<strong>Die</strong> schwerwiegendsten Wertediskussionenentstehen in der Partnerschaft. Oftmuss eine Frau entscheiden, welches Verhalten<strong>des</strong> Partners sie zu tolerieren bereitist.In Gesprächen habe ich eine breite Palettevon Grundhaltungen erlebt. Dabei istzu bedenken, dass eine Frau oft vom Einkommen<strong>des</strong> Mannes abhängig ist, undauch an die Stabilität der Kinder denkt,bevor sie eine Trennung in Betracht zieht.Eine Schmerzgrenze ist spätestens dannerreicht, wenn es neben Pornografie zu einerrealen Aussenbeziehung kommt, oderdie Sucht zu erheblichen Folgen im Privatlebenund bei der Arbeit führt.17


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTRisikofaktoren für <strong>Internetsucht</strong>Abbildung: <strong>Die</strong> hier dargestellten Risikofaktorenzeigen sich je nach Lebenssituationin sehr unterschiedlichem Ausmaß.<strong>Die</strong> Erfahrung zeigt jedoch, dass meistmehrere Faktoren zusammenkommen,bevor schließlich die Gelegenheit zumInternetzugang die Suchtentwicklung inGang setzt.18


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTOpiate, Dopamin und GlücksgefühlAbbildung: Bei lustvollen Reizen (diesereichen von Sexualität über Alkohol undDrogen bis hin zu nicht-stoffgebundenenReizen wie die <strong>Internetsucht</strong>) kommtes zu komplexen Vorgängen im Gehirn.Je nachdem, wie ein Mensch mit seinerLust umgeht, entsteht verantwortungsbewussterGenuss oder <strong>des</strong>truktive Sucht.Erläuterungen S. 22.21


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTDer Sucht-Kreislaufnach P. Carnes, S. 5026


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTPsychodynamik<strong>Die</strong> Annahmenwelt <strong>des</strong> SüchtigenUnsere Annahmenwelt ist der Filter, mitdem wir unser Leben gestalten und Entscheidungentreffen.<strong>Die</strong> Sucht baut auf einem tiefen Gefühlder Minderwertigkeit auf: «Keiner liebtmich, so wie ich bin.» «Keiner kann mir geben,was ich wirklich brauche». «Sex (oderAlkohol etc.) gibt mir ein gutes Gefühl, hilftmir, das Leben besser zu ertragen.»Eingeschränktes DenkenEs kommt zu einer Verschiebung <strong>des</strong> Wertesystems.Online-Süchtige merken, dasssie die Werte aufgeben, die ihnen einstwichtig waren:– Respekt vor dem sexuellen Gegenüber.– Verabscheuung von Gewalt und Zwang.– Christliche Werte der Reinheit und derSelbstdisziplin.Es kommt zu einer Umdeutung und Bagatellisierung:– «Es sind nur Bilder!»– «Ich habe so viel Stress, das entspanntmich!»– «Andere tun es auch, wieso ich nicht!»– «Würde meine Frau mir mehr geben,hätte ich das nicht nötig!»Ständige Vereinnahmung undGetriebenheit<strong>Die</strong> Trance oder Stimmung, in der einePerson nur noch auf die sexuellen Gedankenausgerichtet ist. <strong>Die</strong>ser mentale Zustandführt zu einer obsessiven / zwanghaftenSuche nach sexueller Stimulation. Esist die ständige Suche nach dem elektrisierendenZustand erster Liebe, nach dem berauschendenGefühl <strong>des</strong> Ungewöhnlichen,nach der Spannung <strong>des</strong> Verbotenen. <strong>Die</strong>seGetriebenheit blendet jeden Schmerz,je<strong>des</strong> Mitgefühl und je<strong>des</strong> Bedauern aus.Ritualisierung<strong>Die</strong> Person entwickelt spezielle Handlungsroutinen,die zum sexuellen Verhaltenführen. Das Ritual verstärkt die Getriebenheitund erhöht die Erregung. Ritualesind (ähnlich wie das Vorspiel in echten Beziehungen)manchmal gerade so erregendwie der Höhepunkt selbst. Für den Online-Süchtigenist das vielleicht der Lieblingsstuhl,in dem er sitzt, die Beleuchtung<strong>des</strong> Raumes, das Bereitstellen alkoholischerGetränke, die Lieblings-Websites,das Heranpirschen an einen neuen Kontaktim Chat.Sexuelle SuchtDer eigentliche sexuelle Akt, der das Zielvon Getriebenheit und Ritualisierung ist.<strong>Die</strong> Person ist nicht mehr in der Lage, dasVerhalten zu stoppen. <strong>Die</strong> Betroffenen versuchenimmer wieder aufzuhören. Sie setzensich ein Ziel, sie nehmen sich vor, zweiWochen nicht auf die suchterzeugendenWebsites zu gehen, doch dann ist die Suchtwieder stärker und «es» passiert wieder.Verzweiflung undUnbeherrschbarkeitDas Gefühl äusserster Hoffnungslosigkeitund Machtlosigkeit in Bezug auf dassexuelle Verhalten. Das ständige Versagenführt zu einem tiefen Selbsthass, dem Gefühlder Machtlosigkeit und <strong>des</strong> Ausgeliefertsein.Sie verurteilen ihre eigene moralischeSchwäche, gerade dann, wenn siewieder ihre eigenen Werte verletzt haben,oder besonders entwürdigende Szenenkonsumiert haben. <strong>Die</strong> Verzweiflung gehtoft bis zur Suizidalität.<strong>Die</strong> Tragik: Erneute sexuelle Stimulationlässt die Verzweiflung für kurzeZeit wieder vergessen. Der Kreislauf gehtweiter.27


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTTherapeutische Ansätze<strong>Internetsucht</strong> ist eine Sucht! In ihren Auswirkungenist sie ähnlich gefährlich wie eineAbhängigkeit von Kokain. Der Entzug isthart und von Entzugserscheinungen begleitet.Fünf Schwerpunkte:1. Gespräch / Problemanalyse /VerhaltenstherapieHinweise vgl. <strong>Seite</strong> 27 – 282. Praktische Massnahmen<strong>Die</strong> Sucht erfordert eine radikale Entgiftung(«Detoxification»): Entfernung sämtlicherInhalte vom Computer, Installieren vonFiltern, «offene Türen», begrenzte Zeiten, weitereKontrollmaßnahmen; evtl. sogar Verzichtauf den Computer während mehrerer Monate,bis die Entzugserscheinungen nachlassen(vgl. S 39).3. AccountabilityRechenschaft ablegen bedeutet: das Geheimnisdurchbrechen (Transparenz) und dasVerhalten einer Vertrauensperson offenlegen(vgl. S. 29).4. PaartherapieWeil die Partnerschaft massiv leidet, istes oft auch nötig, die Ehefrau einzuschliessen,zur Vertrauensbildung, zum Wiederaufbauder Beziehung und zur praktischen Unterstützung<strong>des</strong> Entzugs (vgl. S. 32).5. MedikamenteObwohl Botenstoffe im Gehirn eine wichtigeRolle bei der <strong>Internetsucht</strong> spielen, sosind die Möglichkeiten der medikamentösenBehandlung begrenzt (Details vgl. S. 28).1. Gespräch / Problemanalyse/ Verhaltenstherapie2. Praktische Massnahmen3. Rechenschaft ablegen4. Paartherapie5. Medikamente?28


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTSieben therapeutische Ziele<strong>Die</strong> folgenden sieben Schritte sind auszugsweiseeinem Therapiebuch von Dr. PatrickCarnes entnommen, das leider bishernicht auf Deutsch erschienen ist.1. <strong>Die</strong> Verleugnung durchbrechen– Erstellen Sie eine Liste der Probleme.– Erstellen Sie eine Liste der Geheimnisse.– Erstellen Sie eine Liste der Entschuldigungenund Rationalisierungen.– Machen Sie eine Liste der Konsequenzen– Welche Menschen wurden verletzt?– Finden Sie einen Therapeuten.– Finden Sie einen Partner, dem Sie Rechenschaftablegen können.– Seien Sie ganz offen gegenüber Therapeutund Rechenschafts-Partner.2. Verstehen Sie die NaturIhrer Störung– Lesen Sie min<strong>des</strong>tens ein Buch über sexuelleSucht.– Zeichnen Sie ihren eigenen Suchtkreislaufund Ihr Suchtsystem auf (vgl. S. 24).– Machen Sie eine Liste der Momente, wosie die Kontrolle verlieren.– Lernen Sie über «sexuelle Anorexie» und«Fress-Kotz-Zyklen».– Lernen Sie mehr über zusätzliche Indikatoren.Weitere Informationen:P. Carnes (2001): Facing the Shadow. Starting Sexualand Relationship Recovery. A Gentle Path Workbook forBeginning Recovery from Sex Addiction. Gentle PathPress, Wickenburg AZ. ISBN 1-929866-01-1.– Gehen Sie die Phasen der Liebe durch(S. 23). Was funktioniert noch, was gingdurch die <strong>Internetsucht</strong> verloren?3. Lassen Sie sich aufeinen Prozess ein– Schreiben Sie die Geschichte Ihrer sexuellenSucht auf!– Beschreiben Sie, wo sie merkten, dassSie die Kontrolle nicht mehr haben.– Berechnen Sie die Kosten Ihrer Sucht.– Welches waren Ihre schlimmsten Momente?– Erzählen Sie Ihren ersten Schritt in einer12-Schritte Gruppe.4. Begrenzen Sie den SchadenIhres Verhaltens– Machen Sie einen Plan zur Schadensbegrenzung.– Machen Sie einen Plan, wie Sie ihre Suchtbekannt machen können.5. Entwickeln Sie Nüchternheit– Welches sind die Herausforderungen?– Welches sind mögliche Rückfallgefahren?– Entwickeln Sie ein Notfallszenario.– Wie können Sie sich Grenzen setzen (innereund äußere)?6. Stellen Sie Ihre körperlicheGesundheit sicher– Lassen Sie einen ärztlichen Check-upmachen.– Erstellen Sie eine Matrix Ihrer sexuellenSucht.– Erstellen Sie eine Matrix Ihrer sexuellenGesundheit.www.gentlepath.com Fortsetzung auf <strong>Seite</strong> 3029


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTTherapiezieleFortsetzung von <strong>Seite</strong> 29– Bearbeiten Sie Ihr persönliches Erregungsmuster(Hier wird Bezug genommenauf spezifische Arbeitsblätter vonDr. P. Carnes, die leider auf Deutsch nichterhältlich sind).7. Nehmen Sie aktiv an einer Unterstützungskulturteil.– Finden Sie eine 12-Schritte Gruppeund nehmen Sie regelmäßig teil.– Haben Sie regelmäßigen Kontakt mitihrem Rechenschafts-Partner.– Machen Sie selbst einen Beitrag in derGruppe.– Entwickeln Sie tägliche Gewohnheiten,die ihre Genesung fördern: TäglicheStille Zeit, Lesen eines Wortes für denTag, Tagebuch schreiben.– Wenn nötig, nehmen Sie an Selbsthilfegruppenfür andere Süchte teil.Was bringen Medikamente?Serotonin: wird in komplexerWeise als Nebeneffekt <strong>des</strong> Suchtgeschehensproduziert. Antidepressivaerhöhen ebenfalls denSerotoninspiegel.Könnte Serotonin das Craving vermindern?Serotonin-Wiederaufnahmehemmer(SSRI) haben möglicheWirkungen bei Menschenmit Depression und Dysthymie.Dopamin: steigert die Appetenzbeim Suchtverhalten. Hier sindkeine medikamentösen Strategienbekannt, die nicht schwere Nebenwirkungenhätten.Opiatantagonisten: blockieren dieWirkung von Opiaten und reduzierendadurch den Lustgewinn.Sie werden <strong>des</strong>halb vereinzelt inFällen von Opiatsucht oder zurVerminderung <strong>des</strong> Cravings beianderen Süchten empfohlen. <strong>Die</strong>Tageskosten sind hoch und die Effizienzist begrenzt.Ritalin: Bei manchen Internetsüchtigenbesteht auch ein ADS. Hierkann Ritalin eine deutliche Beruhigungbringen.Schlussfolgerung:Medikamente sind (leider) keine Lösung,allenfalls als Unterstützung fürVerhaltenstherapie / Seelsorge dort, woeine Person auch unter Depressionenoder ADS leidet.Antiandrogene: <strong>Die</strong>se Medikamente(z.B. «Androcur») hemmendie Testosteronproduktion undvermindern so die Triebstärke.Einsatz bei Sexualstraftätern inBegleitung mit Gesprächen. DasSuchtmuster (das Triebziel) selbstwird kaum beeinflusst.30


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTAccountability – Rechenschaft gebenWie funktioniert Es?– Das Programm ist nicht nur für Kindergeeignet, sondern auch für Erwachsene,die einem anderen Menschen Rechenschaftablegen wollen. Es erlaubt, Zeitenfestzulegen und Inhalte auszusperren.Letztlich ist es aber auch ein Mittel zurEigenverantwortung.– Das Programm verfolgt jede Website,die Sie anwählen, registriert die Zeit,die Sie im Internet verbringen.– Dann wird wöchentlich ein e-Mail-Berichtan diese gesandt, die alle Ihre Web-Besuche aufzeigt.– Das Programm kann nicht umgangenoder ausgeschaltet werden.– Es vermindert die Internet-Versuchungund die Verheimlichung und verstärktIhre persönliche Verantwortlichkeit.– Im Betrieb hält es die Leute auf ihre Arbeitfokussiert, erhöht die Produktivitätund baut gleichzeitig gegenseitigeKommunikation und Vertrauen auf.– <strong>Die</strong> Kosten halten sich in Grenzen undsind angesichts der Schäden durch dieSucht vernachlässigbar.Könnten Sie auf einer Pornoseite surfen,während Ihnen Ihre Frau oder Ihr Freundüber die Schulter schaut? Sie würden sichschämen und rasch auf eine unverfängliche<strong>Seite</strong> wechseln.<strong>Die</strong>s ist das Prinzip der «accountability»,<strong>des</strong> Ablegens von Rechenschaft. <strong>Die</strong> Suchtbleibt nicht mehr im Dunkeln, sondern sieversprechen 1 oder 2 andern Vertrauenspersonen,sie offen über Ihren Webkonsumund die Zeit im Internet zu informieren.Besonders hilfreich ist das Programmwww.kindersicherung.de.Weitere Adressen:www.covenanteyes.comwww.max.comwww.mobicip.comSelbstkontrolleund Selbstdisziplinwerden durchTransparenz undRechenschaft entwickelt.Was ist einRechenschaftspartner?<strong>Die</strong>s ist jemand, dem Sie die Erlaubnisgeben, Ihnen dabei zu helfen, stark zu bleiben.Es ist jemand, dem Sie trauen, weildiese Person sich wirklich um Sie sorgt.Weil die Versuchung dann am stärksten ist,wenn niemand hinschaut, schwächt ein Rechenschaftspartnerdie Anziehung, weil daeiner ist, der Ihnen über die Schulter sieht,wenn sie im Internet surfen. Wenn Sie in eineBeziehung der Rechenschaft mit einemvertrauensvollen Freund eintreten, so istdies ein wesentliches Element zur Entwicklungvermehrter Integrität.31


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTTherapie bei SexualstraftäternPädophilie und Kinderpornografie werdenzunehmend konsequenter polizeilichaufgeklärt und gerichtlich verfolgt. Ofthat man es nicht mit hartgesottenen Verbrechernzu tun, sondern mit Männern, dievordergründig ein normales Leben führen,nicht selten sogar selbst eine Familie haben.Der Schock der Entdeckung, verbunden mitden schwerwiegenden sozialen Folgen führtoft dazu, dass sie selbst eine Therapie fürihre <strong>des</strong>truktive Neigung wünschen. <strong>Die</strong>sewird dann auch als Therapieauflage in dasUrteil integriert.Annahmen für die Therapievon Sexualstraftätern:– Sexualdelikte sind ein Missbrauch vonMacht.– Sexualstraftäter weigern sich, die volleVerantwortung für ihre Straftat zu übernehmen.– Sexualdelikte werden unter Einsatz derFantasie geplant und ausgeführt.– Das Verhalten von Sexualstraftäternkann nicht geheilt, sondern nur unterKontrolle gehalten werden.<strong>Die</strong> zentrale Rolle der Phantasie<strong>Die</strong> Fantasietätigkeit nimmt bei pädophilenStraftaten eine zentrale Rolle ein. Soführt ein sensorischer oder kognitiver Stimuluszu einer Erregung mit Entwicklungeiner Fantasie, die zu einer Steigerung derErregung mit Masturbation und Ejakulationführt. Allgemein lassen sich Fantasien in«geeignete und legale» resp. ungeeigneteund deviante unterteilen. Sie dienen derErhöhung der Erregung, Verstärkung vonkognitiven Verzerrungen, Verstärkung derMotivation zum Delinquieren, Planung undWiedererleben <strong>des</strong> Deliktes, Wiederherstellenvon positiven Gefühlen nach dem Delikt,Erleichterung von Schuld und Angstnach dem Delikt, sowie Erlaubnis zum erneutenDelinquieren.Schlussfolgerungen– <strong>Die</strong> Straftaten passieren nicht einfach,sondern werden bewusst angestrebt.– Ein Sexualdelikt zu begehen ist keineGeisteskrankheit, sondern ist insbesonderebei Wiederholungstätern zwanghaftemSuchtverhalten gleichzusetzenund kann ebenso wie die pädosexuellePräferenz nicht geheilt, sondern nur –die Motivation <strong>des</strong> Straftäters vorausgesetzt– kontrolliert werden.– Wie bei anderen Zwangs- und Suchtverhaltenlässt sich auch in diesen Fällenein Verhaltenszyklus auf der Basis entsprechenderDenkmuster feststellen.– Patient und Therapeutin müssen dieMechanismen kennen lernen, die zumDelikt führten und entsprechend Strategienzur Verhinderung weiterer Straftatenentwickeln.– Nur wenn beim Patienten eine grundlegendeÄnderung der Einstellungen erreichtwerden kann, kann auch langfristigvon einer günstigen Legalprognoseausgegangen werden.– <strong>Die</strong> Teilnahme an einer Gruppentherapiefür Sexualstraftäter kann sich positivauf die Vermeidung von Rückfällenauswirken.Weitere Informationen:Hoyer J. & Kunst H. (Hrsg.): Psychische Störungen beiSexualdelinquenten. Pabst.Jongsma A.E. & Budrionis R.: The Sexual Abuse Victimand Sexual Offender Treatment Planner. Wiley.32


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTGruppentherapie – 12 SchritteIm Jahre 1935 gründeten ein bekannterChirurg und ein Börsenmakler die Bewegungder Anonymen Alkoholiker (AA).Sie merkten, dass ihr Zwang zum Alkoholschwand, wenn sie offen miteinanderüber ihre Probleme sprachen. Mit denJahren entwickelten sie 12 Grundsätze,die für die Bewältigung der Sucht wegleitendwaren. <strong>Die</strong> Bewegung der 12 Schritteist heute anerkannt als die effektivsteSelbsthilfegruppe in der Behandlung derAlkoholsucht. Es hat sich gezeigt, dassdie Prinzipien der Suchtbewältigung sichauch auf sexuelle Süchte bzw. <strong>Internetsucht</strong>anwenden lassen.Info: www.anonyme-alkoholiker.de1. Wir gaben zu, dass wir unseren Abhängigkeiten und Problemen gegenübermachtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.2. Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht, größer als wir selbst, uns unseregeistige Gesundheit wiedergeben kann.3. Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottessoweitwir ihn verstanden – anzuvertrauen.4. Wir machten eine gründliche und furchtlose Inventur in unserem Inneren.5. Wir gaben Gott, uns selbst und einem anderen Menschen gegenüber unverhülltunsere Fehler zu.6. Wir waren völlig bereit, all diese Charakterfehler von Gott beseitigen zu lassen.7. Demütig baten wir ihn, unsere Mängel von uns zu nehmen.8. Wir machten eine Liste aller Personen, denen wir Schaden zugefügt hatten, undwurden willig, ihn bei allen wiedergutzumachen.9. Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut- wo immer es möglich war –es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt.10. Wir setzten die Inventur bei uns fort, und wenn wir unrecht hatten, gaben wires sofort zu.11. Wir suchten durch Gebet und Besinnung die bewusste Verbindung zu Gott – soweitwir ihn verstanden – zu vertiefen. Wir baten ihn nur, uns seinen Willen erkennbarwerden zu lassen und uns die Kraft zu geben, ihn auszuführen.12. Nachdem wir durch diese Schritte ein geistliches Erwachen erlebt hatten, versuchtenwir, diese Botschaft anderen weiterzugeben und unser tägliches Lebennach diesen Grundsätzen auszurichten.(in Anlehnung an die Formulierung der Bewegung «Endlich leben» mit freundlicher Genehmigung.)www.endlich-leben.netwww.wuestenstrom.de33


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTAuswirkungen auf die Ehe«Mein Mann zerstört mit seiner Suchtnicht nur unsere Ehe. Er hat sich dramatischverändert.»Internet-Pornografie hat einen dramatischenEinfluss, nicht nur auf die Persönlichkeit,sondern auch auf die Ehe, meistlange bevor die Frau das heimliche Laster<strong>des</strong> Mannes entdeckt.Pornografie ist nicht zuletzt <strong>des</strong>halb soverführerisch, weil sie keinen direkten Kontaktmit einem menschlichen Wesen erfordert.Hier hat der «Konsument» volle Kontrolleüber die «Beziehung». Das Fensterkann geöffnet und mit einem Klick geschlossenwerden; der Computer wird angemachtoder ausgeschaltet. Doch dahintersteht oft die Angst vor echter Intimität.Intim sein – mehr als SexEchte Intimität hat viele Facetten: <strong>Die</strong>folgende Liste gibt einen Überblick:VertrauenSelbstwertPositive Wertschätzung für den andernGegenseitige AbhängigkeitToleranz für Konflikte, Unklarheitenund Unvollkommenheit.Offenheit, Ehrlichkeit: Mitteilungder eigenen Gefühle und MeinungenMut und InitiativePräsenz, AnteilnahmeVerlässlichkeit: sich festlegenVerletzlichkeitFürsorglichkeitVerspieltheit, gemeinsamer Genuss.Neues VertrauenaufbauenDas Ziel einer Paartherapie ist nicht inerster Linie, eine bessere Sexualität zuentwickeln. Der Sexsüchtige ist so angefülltmit Bildern und Vorstellungen, dass keinereale Frau auch nur annähernd seinen Erwartungenentsprechen könnte.Viel eher geht es darum, Vertrauen wiederherzustellen, Grundlagen für gemeinsamesReden und normale Gemeinschaft.Es geht darum, neu eine ganzheitliche Intimität(S. 32) herzustellen. Das ist harteArbeit.VerbindlichkeitEntschlossenheit, neu anzufangen, derBeziehung wieder eine Chance zu geben.<strong>Die</strong>s darf nicht auf Gefühlen beruhen, sondernist eine Entscheidung, die Schritt umSchritt in die Tat umgesetzt wird.WachstumVertrauen muss wachsen. Haben Sie Verständnis,dass verletzte Gefühle Zeit zumHeilen brauchen. Fordern Sie von Ihrer Fraunicht sofortige Vergebung. Sie erhalten mitzunehmender Verlässlichkeit auch mehrVertrauen.34


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTPaartherapie bei <strong>Internetsucht</strong>Fortsetzung von <strong>Seite</strong> 34Miteinander redenNehmen Sie sich Zeit zum Reden. TeilenSie sich mit, auch in ihren Schwächen oderin den Bereichen ihres Lebens, derer Sie sichschämen. Kommunikation muss nicht immerin die Tiefe gehen: Erzählen Sie auchkleinere Details aus Ihrem Alltag, machenSie Ihr Leben und Erleben transparent.VerlässlichkeitVertrauen wächst, wenn Verhalten auchüber längere Zeit verlässlich ist. In derSuchtsprache heißt dies: «Trocken bleiben».Halten Sie Versprechungen, auch ganz gewöhnlicheTermine, etwa wann Sie nachHause kommen, oder wann Sie ihrem Sohnbeim Fussballspiel zuschauen werden.MitgefühlWenn Sie Ihre Beziehung durch IhreSucht geschädigt haben, so hat dies IhrerFrau tiefe Verletzungen zugefügt. Dasbedeutet:1. Erwarten Sie nicht, dass Heilung überNacht geschieht.2. Seien Sie darauf gefasst, dass mancheDinge plötzlich eine schmerzliche Erinnerungauslösen.3. Seien Sie willig, den Schmerz IhrerFrau anzuhören, auch wenn er für Sie bereits«Schnee von gestern» ist.<strong>Die</strong> Kontrolle aufgebenEine Frau kann Ihren Mann nicht durchständige Kontrolle bei sich behalten. Letztlichist der Partner für seine Treue selbstverantwortlich. Marc Laaser schreibt: «Wirmüssen willig sein, unsere Beziehung zu verlieren,um sie zurück zu erhalten. Wir müssendie Sorge um unseren Partner Gott überlassenlernen.» (S. 121)Wieviel Verantwortungübernimmt die Ehefrau?<strong>Die</strong>s wird unterschiedlich beantwortet.In einem Interview sagt der BernerArzt und Pastor, Dr. Wilfried Gasser:«<strong>Die</strong> Frau sollte in jedem Fall wissen,wenn ihr Mann mit Pornografie zu kämpfenhat. Aber Rechenschaft gegenüberoder Kontrolle durch die Ehefrau ist nichtunbedingt ratsam. Unsere Frauen erlebenSexualität ganz anders und könnenmanches am Wesen männlicher Sexualitätnicht nachvollziehen. Der Pornografiekonsum<strong>des</strong> Mannes kann für sie sehrdramatisch sein. Das hilft aber nicht, weilsich ein Mann dann noch mehr schämtund stärker in die Heimlichkeit gedrängtwird.»Ein Ehepaar hat die Problematik wiefolgt gelöst:«... ich brauche eine Frau, die Bescheidweiß, womit ich kämpfe und mit der ichklare Absprachen treffen kann. Konkretheißt das:− Meine Zeit im Internet ist beschränktauf die Zeit vor 22 Uhr, wenn meineFrau noch wach ist.− Wenn ich im Internet surfe oder e-mails abrufe, bin ich nicht allein imstillen Kämmerlein.− Unser Fernseher wurde mit dem Einverständnismeiner Frau verbannt.− Meine Frau bekommt die Oberhoheitüber alle Kataloge, die für mich schonimmer eine Art Einstiegsdroge waren.(aus Salzkorn 2/2004, www.ojc.de)35


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTSeelsorge: Vom Durst, der bleibt«WAuszüge aus einem Interview mit Rudi Böhm, Familienberaterund Seelsorger bei der OJC in Reichelsheim:ir alle kommen auf die Welt miteinem unbändigen Durst nach völligemEinssein. ‹Unruhig ist unser Herz, bises Ruhe findet in Gott›, sagt Augustinus.Doch diese Unruhe ist die ‹Wurzel allerPilgerschaft›, eine Sehnsucht, die über unsselbst hinausweist. Wir sind geschaffenaus Liebe, um zu lieben. Und wir werdennicht eher zur Ruhe kommen, bis wir sie alsGegenüber finden und das Empfangene anandere weitergeben. <strong>Die</strong>sem Geheimnis giltes auf die Spur zu kommen. Es wird uns mitdem persönlich erlittenen Mangel immermehr aussöhnen.Was treibt einen Menschen dazu, sichpornografische Bilder anzuschauen?Es ist dieses noch innere Ungesättigtsein,das ihn zum Suchen und irgendwannin die Sucht treibt. <strong>Die</strong> Bildersuchthat nichts mit seiner realen Partnerbeziehungzu tun. Selbst die in seiner Vorstellungtollste Partnerin würde ihn letztlichnicht zufriedenstellen können. <strong>Die</strong> Gründeliegen tiefer.Welche Fragen helfen, die Gründe zu finden?Erst einmal frage ich: Was schaust duan? Welche Bedeutung hat das, was du diranschaust? Wie fühlst du dich, während dudas tust? Wie fühlst du dich danach? Istdas, was du angeschaut hast, das, was dudir erhofft hattest? Alles Fragen, die helfen,genau hinzuschauen. Er selbst mussdie Antwort finden: Ich bediene mich irgendwelcherMittel, um etwas zu bekommen,was letzten En<strong>des</strong> meinen Durst nichtMit freundlicher Genehmigung.Ganzes Interview: www.ojc.<strong>des</strong>tillt. Das führt dann zur Frage: Wo findeich innerlich Ruhe und wie?Was rätst Du einem Betroffenen, der ausdiesem Teufelskreis aussteigen will?Vor allem Nüchternheit! Das heißt, dieWirklichkeit sehen, wie sie ist, und alle Verharmlosungen,Ausreden und Rechtfertigungenhinter sich lassen. Das ist der ersteSchritt zur Heilung. Das konfrontiert michmit Scham, ich erlebe mich an dieser Stelleschmutzig, unwert, versagend. Darumist der Zuspruch wichtig, dass alles, wasich getan habe, meinen Wert nicht in Fragegestellt. Ich bin für Gott dadurch keinbißchen weniger liebenswert.<strong>Die</strong> Unterscheidung zwischen Sündeund Sünder ist hier ganz wichtig. Gott hasstdie Sünde, weil sie uns zerstört; aber er liebtden Sünder, der auf seine rettende Liebe angewiesenist, und er wird seinem Geschöpfseine Liebe – durch alle Verstrickung hindurch– zukommen lassen. Im nächstenHeilungsschritt muss der Mensch die Sündevor sich selber wahr sein lassen und erkennen,wohin er geraten ist. Dabei ist es sehrwichtig, in den Abgrund der eigenen Seelezu blicken, genau hinzuschauen. Nicht davorzurückzuschrecken oder sich dafür zuverurteilen, sondern den Schmerz im LichteGottes zu spüren.36


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTSeelsorge bei <strong>Internetsucht</strong>Sexualität wird in der Bibel nicht losgelöstvon der Beziehung gesehen, ja sie wirdsogar als Ebenbild der Beziehung Gotteszum Menschen beschrieben.<strong>Die</strong> rauschähnlichen Phänomene <strong>des</strong> Orgasmushaben selbst für nicht-religiöseMenschen eine «spirituelle Dimension».In der christlichen Seelsorge werden folgendeAnnahmen gemacht:1. Sexualität ist Teil einer festen Paarbeziehung.2. Sexualität ist eingebettet in eine Grundhaltung<strong>des</strong> Respektes, der Gegenseitigkeitund der Liebe.3. Perversionen der Sexualität werden geradeim Alten Testament ausführlich beschriebenund deutlich abgelehnt.4. Masturbation als Akt per se wird an keinerStelle ausdrücklich verurteilt.5. Außereheliche Sexualität («Hurerei»),die Betonung der visuellen Reize («Augenlust»),das Begehren einer anderenFrau – also all diejenigen Aktivitäten,die bei der Internet-Sex-Sucht eine Rollespielen – werden deutlich als «Sünde»,also als Abweichung vom guten und geradenWeg bezeichnet. Mehr noch: Siehemmen das geistliche Leben und dieBeziehung zu Gott.6. Seelsorge begegnet dem Betroffenen inder Liebe Gottes: Sie verurteilt nicht diePerson, aber sie konfrontiert das falscheVerhalten und Denken.7. Ziel der Seelsorge ist es, dem Betroffenenzu helfen, sein Fehlverhalten offenzu legen, Vergebung zu erhalten undein neues Verhalten einzuüben. Hier verbindetsich das Anliegen von Psychotherapieund christlicher Lebensberatung.«Und führe unsnicht in Versuchung,sondern erlöse unsvom Bösen.»aus dem Vater UnserDämonische kräfte?Der sexuelle Trieb wird manchmal sointensiv, <strong>des</strong>truktiv und von aussen aufgedrängterlebt, dass der Trieb als «dämonischeMacht» erlebt wird. Viele pornografischeDarstellungen im Internetsind derart menschenverachtend und entwürdigend,dass sie selbst im übertragenenSinne als «diabolisch» betrachtetwerden können.Doch was bedeutet dies für die Seelsorgemit Betroffenen? In manchen Seelsorgemodellenwird dieses Erleben konkretin Zusammenhang mit einer «dämonischenBelastung» gebracht. So nenntein Autor, Charles H. Kraft neben ca. 100anderen Dämonen (darunter auch «Nervosität»oder «Bulimie») folgende: «Wollust,Pornografie, Homosexualität, Masturbation.»<strong>Die</strong> Lösung sei ein «Befreiungsdienst»,also ein mehr oder weniger umfangreichesGebet um Befreiung von dämonischenKräften, das bis hin zum Exorzismus gehenkann.Auch wenn ein solches Ritual als hilfreicherlebt werden kann, so wird dieDämonisierung der Sexualität häufigals geistliche Bagatellisierung der eigenenVerantwortung missbraucht. GeistlicheHilfe ohne umfassende Veränderungwird keine Lösung für eine Online-Sex-Sucht sein.37


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTDer Kampf um den AusstiegErmüdender Kampf<strong>Die</strong> Betroffenen erleben den Kampf mitder Sucht in ihrem Auf und Ab oft als sehrermüdend. Der entscheidende Punkt imKampf um Befreiung, so ein Betroffener,«ist die Ehrlichkeit vor mir selbst, vor meinenVerbündeten und vor Gott. Sobald meineAufmerksamkeit im Kampf nachließ,wurde ich anfällig.Kommt her zu mir, alle, die ihrmühselig und beladen seid,ich will euch Frieden schenken.Nehmt auf euch mein Joch undlernt von mir... so werdet ihr Ruhefinden für Eure Seelen.Matthäus 11,28–30Wenn ich ‹angefallen wurde›, gab es Situationen,in denen ich Kompromisse schloss– sofort nahm die Ehrlichkeit ab. Ich musstelernen, mir einzugestehen, dass es Dingegibt, die ich attraktiv und stimulierendfand, die aber doch nicht gut für mich sind.»Heilung ist WachstumBefreiung von einer Sucht geschiehtmeistens nicht auf einen Schlag. Es musssich viel mehr verändern als nur das Suchtverhalten.Im Kampf mit der Sucht verändertsich der Mensch als Ganzes.Heilung durch ZerbrochenheitMark Laaser schreibt: «Heilung (Recovery)von Pornografie und anderen sexuellenSünden ist für diejenigen, die geistlichund emotional gebrochen sind. Sie istfür die Müden, für die Beladenen, für dieAngstvollen, für die Einsamen. Sie ist nichtda für die, die meinen, sie könnten es allein.Wir alle brauchen Gott und einander.»«Aus diesem Grund glauben wir, dassPastoren, die eine geistliche Erneuerungund Heilung von sexueller Sucht erlebt haben,wirksamere Pastoren werden können.Sie werden fähig sein, andere zu tröstenund ihnen in ihrem Wachstum zu helfen,weil sie selbst erlebt haben, was Trost undWachstum ist.»Vom Umgang mit Rückfall«Neben allen Schritten, die ich vorangehe,gibt es auch das Fallen. Oder meinebewusste Abkehr; dann kümmert michGottes Verheißung nicht, ich schaue bewusstweg und treffe die Entscheidung,dass er mir jetzt egal ist, dass ich jetzt die‹Erfüllung› will und zwar sofort. <strong>Die</strong> vermeintliche‹Erfüllung› ist jedoch schnellverflogen, und ich muss dann diese Entscheidungmühsam wieder zurücknehmen,das heißt ans Licht bringen, voreinem Freund als Sünde bekennen. Solangeich das nicht tue, geht die durchVerharmlosung vernebelte Spirale weiterabwärts.»38


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTHindernisse auf dem Weg<strong>Die</strong> Bewältigung der Internet-Sex-Suchtist auch mit Hilfe <strong>des</strong> Glaubens kein einfacherWeg.Psychologisch spielen sich beim Rückfalldie gleichen Phänomene ab wie beinicht-religiösen Menschen: Scham – Verzweiflung– Aufgeben <strong>des</strong> Kampfes – Lebenmit dem «inneren Schweinehund».ODER ABER: erneuter Anlauf – verbesserteRechenschaft / Aussenkontrolle – zunehmendlängere Phasen ohne Rückfall.Der Glaube kann komplizierend wirken,aber auch helfend und unterstützend.«Ein Gerechter fälltsieben Mal und stehtwieder auf» Sprüche 24,16Glaubenskonflikte bei RückfallFür den gläubigen Menschen ist einRückfall nicht nur ein «Ausrutscher». Nebendem allgemeinen Schamgefühl ist auch dieBeziehung zu Gott gestört. Das Gefühl derinneren Beschmutzung kann sich steigernbis zur Überzeugung, Gott könne einemmit diesem Laster nicht mehr annehmenund nicht mehr vergeben, ja zur Angst vorder «ewigen Verdammnis».Der Glaube als HilfeBiblische Texte enthalten viele ermutigendeWorte der Vergebung und der Hoffnung.,ja auch Geschichten von Menschen,die trotz ihres Versagens neu angefangenhaben und gerade <strong>des</strong>halb von Gott gebrauchtwerden konnten. Hilfreich kannauch die Unterstützung von Mitchristensein, um im positiven Sinne eine Kulturder Rechenschaft zu pflegen.Ein ermüdender Prozess«Ich kann keine triumphale Geschichteerzählen, die von kontinuierlichenSchritten <strong>des</strong> Loskommens berichtet,sondern eher von einem langwierigenund ermüdenden Prozess. Auf der geistlichenEbene geht es mir vor allem darum,mein Vertrauen darauf zu setzen,dass tatsächlich Gott allein meine Sehnsuchtstillt. Ganz real. Noch nicht vollkommenund nicht immer so, wie ich esmir vorstelle, aber doch ganz real.<strong>Die</strong> Voraussetzung ist, dass ich michnicht selbst dafür verantwortlich mache,dass meine Sehnsucht gestillt wird, sondernvon Gott erwarte, dass er auf meinVertrauen antworten wird. Das kann heißen,warten zu müssen, die Spannung tatsächlichauszuhalten. Mit der Zeit habeich erlebt, – nicht immer, nicht automatisch–, dass der Drang, mich mit Stimulierendemselbst zu ‹versorgen›, nachlässt.Ich erlebe andere Arten von Entspannung,entdecke Schönes, für das ich bishernoch gar keinen Blick hatte. Mir gehtes darum, mein Vertrauen auf Jesus alleinzu setzen und eben nicht auf ihn UNDmeine Weise, mich zu versorgen.Doch obwohl ich regelmäßig die Stillesuche, mein Herz und mein Schicksalihm anvertraue und auch wirklich Trost,Zuspruch und Bestätigung erlebe, bin ichnicht auf der sicheren <strong>Seite</strong>. Eigentlich imGegenteil, die Unsicherheit verstärkt sich,da ich viel stärker die Kräfte zu spürenbekomme, die mich in eine andere Richtungzerren möchten.»<strong>Die</strong> Zitate stammen aus einem Lebensbericht in derZeitschrift «Salzkorn» der OJC 2004) – www.ojc.de39


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHT<strong>Internetsucht</strong> am ArbeitsplatzFormulierung in einem Firmenhandbuch(Auszug)Private Nutzung <strong>des</strong> Internets<strong>Die</strong> private Nutzung <strong>des</strong> Internets, E-Mail und der Telefonie ist erlaubt, soferndie dafür eingesetzte Arbeitszeit und Serverkapazitätvernachlässigbar sind. <strong>Die</strong>private Nutzung darf die Erfüllung derzugewiesenen Aufgaben nicht beeinträchtigenund ist daher auf das absolut Notwendigezu beschränken.Regeln zum Gebrauch von E-Mail / Internet/ TelefonieDer Zugang zum Internet ist keinRechtsanspruch und kann jederzeit entzogenwerden. ....Herunterladen von Informationen(Downloading)Den Benutzern ist es grundsätzlich erlaubtDokumente aus dem Internet herunterzuladen.Nicht erlaubt ist der Downloadoder die Installation folgender Applikationen:– Pornografisches Material (auch nichtfür private Zwecke!)– Internet-Radio/Internet-TV (und andereStreamingapplikationen)– Chaträume .... (weitere im Originaltext)Kontrollen und ProtokollierungUm die notwendigen Sicherheitsanforderungenzu gewährleisten, prüft die Unternehmensleitungoder eine von ihr bezeichneteStelle periodisch die zeitlicheBenutzung <strong>des</strong> Internets. Bei Verdachtauf Verstoß gegen diese Weisung bleibenweitere Prüfungen unter entsprechenderVorankündigung vorbehalten.Juristische AspekteGrundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeberweder Mails noch Internet-Nutzung umfassendüberwachen darf. Eine totale (geheime)Überwachung der Beschäftigten istunverhältnismäßig und entspricht nichtden Vorgaben <strong>des</strong> Datenschutzes.Der Arbeitgeber hat aber das Recht, zubestimmen, welche Inhalte Arbeitnehmerauf ihrem Computer einsehen dürfen. Erdarf auch entsprechende Filtersoftwarezum Einsatz bringen.Der Arbeitgeber hat das Recht, Einsichtin betriebliche e-Mails zu nehmen. Privatee-Mails sind aber wie die Privatpost zu behandeln.Vor der Einrichtung eines umfassenderenKontrollsystems ist (in größeren Betrieben)der Betriebsrat zu informieren.Eine weitere Möglichkeit ist der Abschlusseiner Betriebsvereinbarung, diedie private und dienstliche Nutzung <strong>des</strong>Internets regelt. <strong>Die</strong>se muss vom Arbeitnehmerunterschrieben werden und dientals Grundlage für weiter gehende Kontrollenund allfällige Sanktionen (vgl. Kasten).Auszüge aus Leitlinien der Firma EKU AG,mit freundlicher Genehmigng.40


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTAcht Tipps für Internetsüchtige1. Gestehen Sie sich ein, dass Ihre«Gewohnheit» eine SUCHT ist,die entschlossenes Handeln erfordert.2. Denken Sie an die Schicksale derFrauen und Kinder, die auf denBildern zu sehen sind. Konsumentenmachen sich mitschuldigam modernen Sklavenhandel undlebenslanger Traumatisierung.3. Verhindern Sie, dass Sie sich indie Websites einloggen können,die ihre Sucht unterstützen. InstallierenSie eine Filtersoftwareund blockieren Sie kostenpflichtigeTelefonnummern.4. Werden Sie transparent: Teilen Sieihre Sucht Ihrem Ehepartner odereinem Seelsorger mit.5. Verpflichten Sie sich zur Rechenschaftund unterstützen Sie diesedurch entsprechende Software.6. Stellen Sie Ihren Computer in einenoffen zugänglichen Raum undverzichten Sie bewusst darauf, dieTür zu schließen.7. Wenn es Ihnen nicht gelingt, mitdiesen Massnahmen den pathologischenInternetkonsum zu unterbrechen,so verzichten Sie füreinige Monate bewusst auf denComputer («Reiss Dein Augeaus...»). Sperren Sie Ihre Kreditkarte(oder lassen Sie die Abrechnungvon Ihrem Rechenschaftspartnerregelmäßig einsehen).Ein Rabbinisches Gebet«Möge es Dein Wille sein, dass wir unsin Frieden ins Internet hineinklicken, inFrieden surfen und die gesuchte Websitein Frieden erreichen.Verabschiede uns in Frieden aus demInternet mit möglichst geringen Kostenund bewahre uns vor Viren und vor allerleiMüllwebseiten, Unzüchtigkeit undGötzendienst, die in der virtuellen Weltexistieren.Segne jeden Mausklick und lasse unsGnade finden vor dem Bildschirm. Höredie Stimme unseres Geldbeutels, denn Duerhörst Gebet und Bitten, und schütze unsvor Zeitverschwendung.»Verfasser unbekannt. <strong>Die</strong>ses Gebet sollte laut Rabbinernvor jedem Eintritt ins Internet gebetet werden.8 Besuchen Sie eine Selbsthilfegruppe,um zusammen mit anderenSüchtigen zu lernen, wie Sie IhrLeben neu gestalten können.41


DR. SAMUEL PFEIFER: INTERNET-SUCHTLiteratur<strong>Die</strong> folgenden Bücher enthalten weitere Informationenzur Thematik dieses Arbeitsheftes.Im Rahmen der knappen Übersicht ist es jedochnicht möglich, alle Aspekte ausreichendzu beleuchten.Arterburn S. u.a.: Jeder Mann und dieVersuchungen. SCM Hänssler.Batthyány D. & Pritz A: Rausch ohne Drogen:Substanzungebundene Süchte.Springer.Bergmann W. & Hüther G.: Computersüchtig.Kinder im Sog der modernenMedien. Walter.Carnes P.: In the Shadow of the Net. BreakingFree of Compulsive Online SexualBehavior. Hazelden.Deling W.: Der sexte Sinn – Ein Lebensbericht.Brunnen.Earle R.H. & Laaser M.: Wenn Bilder süchtigmachen. Brunnen.Farke G.: OnlineSucht – Wenn Mailen undChatten zum Zwang werden. Kreuz.Grüsser S. & Thalemann C.N.: Verhal-Internet-Ressourcenwww.onlinesucht.de: Eine Fülle von sachlichenInformationen und Hilfestellungenfür Menschen mit Onlinesucht.www.porno-frei.ch: Informationen undLinks zum Thema.www.kindersicherung.de: Kontrolle fürden Internetkonsum von Kindern undErwachsenen.www.ncsac.org: National Council on Se-tenssucht. Diagnostik, Therapie, Forschung.Huber.Hoyer J. & Kunst H. (Hrsg.): PsychischeStörungen bei Sexualdelinquenten.Pabst.Jongsma A.E. & Budrionis R.: The SexualAbuse Victim and Sexual OffenderTreatment Planner. Wiley.Pahl C.: «Voll Porno!»: Warum echte Kerle«Nein» sagen. francke.Petry J.: Dysfunktionaler und pathologischerPC- und Internet-Gebrauch.Hogrefe.Pfeifer S.: Der sensible Mensch. Lebenzwischen Begabung und Verletzlichkeit.SCM Hänssler.Roth K.: Sexsucht. Krankheit und Traumaim Verborgenen. Ch. Links Verlag.Schirrmacher T.: <strong>Internetpornografie</strong>: ...und was jeder darüber wissen sollte.Hänssler.Seekamp H.: Endlich leben. Brunnen.Stoller R.J.: Perversion – <strong>Die</strong> erotischeForm von Hass. Psychosozial.Willi J.: Psychologie der Liebe. Klett-Cotta.xual Addiction.www.kindersindtabu.de: Sachliche Informationenüber Kinderpornografie.www.sexhelp.com: Informationen überSeminare mit Dr. P. Carnes.www.endlich-leben.net: Hinweise aufSelbsthilfegruppen der 12-Schritte-Bewegung.www.offenetuer-zh.ch: Hinweise aufSelbsthilfegruppen in der Schweiz.Allgemeiner Hinweis:Unter der Adresse www.google.de könnenSie je<strong>des</strong> Schlagwort im Netz finden.42


Titelgrafik: Photos.com: 92816301 / Fotolia: 1973201_XL3. überarbeitete AuflageCopyright: Dr. med. Samuel Pfeifer 2012ISBN: 978-3-905709-27-8SEMINARHEFTE für TABLET-PCBewährte Inhalte für neue Medien! Unterfolgendem Link finden Sie mehr Infos zumDownload von iPad-optimierten PDFs derReihe PSYCHIATRIE & SEELSORGE:www.seminare-ps.net/ipad/Bezugsquelle für gedruckte hefte:Schweiz:Psychiatrische Klinik SonnenhaldeGänshaldenweg 28CH-4125 Riehen - SchweizTel. (+41) 061 645 46 46Fax (+41) 061 645 46 00ONLINE-Bestellung: www.seminare-ps.netE-Mail: seminare@sonnenhalde.chDeutschland / EU:Alpha BuchhandlungMarktplatz 9D-79539 LörrachTel. +49 (0) 7621 10303Fax +49 (0) 7821 82150

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