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Integrationsjournal Juni 2004

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WERTE LESERIN! WERTER LESER!<br />

Wir freuen uns, eine weitere Ausgabe des <strong>Integrationsjournal</strong>s (mit neuem Cover)<br />

präsentieren zu dürfen.<br />

Vorweg „DANKE“ für die vielen Rückmeldungen (die Frage war, in welcher Form wir<br />

in Zukunft das I-Journal veröffentlichen sollen: nur digital oder weiterhin auch als<br />

„handout“). Als Ergebnis dieser Umfrage werden wir auch in Zukunft 3 gedruckte<br />

Exemplare jeder Ausgabe allen Pflichtschulstandorten, sowie ahS Standorten<br />

zukommen lassen (ein Exemplar für dir Direktion, ein Exemplar für das<br />

Lehrer/innenzimmer und ein Exemplar für den Elternverein). Zusätzlich wird das<br />

Journal ab dieser Ausgabe (<strong>Juni</strong> <strong>2004</strong>) auch im Internet erscheinen<br />

(www.lehrerweb.at).<br />

Die Vielfalt der Artikel ist wieder beeindruckend und wir möchten uns bei den<br />

Autor/innen auch auf diesem Weg sehr herzlich bedanken!<br />

Was die geplante, voraussichtlich im Spätherbst erscheinende Ausgabe betrifft,<br />

haben wir auch diesmal keinen Schwerpunkt festgelegt. Sie können uns gerne jeden<br />

Beitrag, der sich mit integrativer Beschulung (von Kindern mit körperlichen,<br />

intellektuellen, sprachlichen, kulturellen Besonderheiten) befasst, zusenden.<br />

Beispiele aus der Praxis sind immer besonders willkommen, aber auch interessante<br />

Erfahrungen bei Auslandsbesuchen , „Gastbeiträge“ zum Thema oder Berichte über<br />

Fort- und Ausbildungsmaßnahmen in diesem Bereich.<br />

Die Auswahl der Artikel, die publiziert werden, trifft das Redaktionsteam. Beiträge bitte als Word –<br />

Dokument (Standard, 12pz, Times New Roman), mittels E-Mail oder auf Diskette an die unten<br />

angeführte Adresse senden, Fotos können beigelegt werden (Bitte unbedingt Einverständnis der<br />

Erziehungsberechtigten zur Veröffentlichung der Photos einholen).<br />

Alle Autorinnen und Autoren sind eigenverantwortlich für den Inhalt der Artikel.<br />

Die Beiträge senden sie bitte an:<br />

Stadtschulrat für Wien<br />

INTEGRATIONSBERATUNGSSTELLE<br />

Brigitte Mörwald, Mag. Judith Pannos,<br />

Susanne Ertl<br />

1010 Wien, Wipplingerstraße. 28<br />

bzw. per E-Mail an:<br />

brigitte.moerwald@ssr-wien.gv.at<br />

judith.pannos@ssr-wien.gv.at<br />

susanne.ertl@ssr-wien.gv.at<br />

Abgabe für Beiträge: 10. Oktober <strong>2004</strong><br />

Die nächste Ausgabe wird voraussichtlich im Dezember <strong>2004</strong> erscheinen.<br />

Wir freuen uns auf Ihre /eure Mitarbeit !<br />

Redaktionsteam:<br />

Brigitte Mörwald, Mag. Judith Pannos, Susanne Ertl (Redaktion)<br />

Susanne Ertl (Layout)<br />

Claudia Otratowitz (Photos)<br />

Tim Simpson (Cover)<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 1


INHALTSVERZEICHNIS<br />

WERTE LESERIN! WERTER LESER!................................................................................................... 1<br />

TROTZ ALLEDEM .................................................................................................................................. 3<br />

SEXUALITÄT UND BEHINDERUNG – BEHINDERUNG UND SEXUALITÄT...................................... 4<br />

„ZURÜCK IN DIE PÄDAGOGISCHE STEINZEIT“.............................................................................. 10<br />

PRÄVENTIVE UND INTEGRATIVE ERZIEHUNGSHILFE IN DER SCHULE- EIN MODELLPROJEKT<br />

IN LEIPZIG -.......................................................................................................................................... 12<br />

WIE GEHT´S WEITER NACH DER SCHULE?.................................................................................... 28<br />

ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN.................................................................................................... 33<br />

LOGO [WERKSTATT] UND LOGO [SCHULPROJEKT] .................................................................... 35<br />

PROJEKT „SCHLANGENFUß“ ........................................................................................................... 37<br />

EIN SONDERPÄDAGOGISCHES ZENTRUM ALS REFORMPÄDAGOGISCHE MODELLSCHULE 40<br />

MEHRSTUFEN-INTEGRATIONSKLASSE IN WIEN 15 ...................................................................... 47<br />

WIE AUS EINER VISION WIRKLICHKEIT WURDE............................................................................ 53<br />

INTEGRATION AN DER BERUFSBILDENDEN MITTLEREN SCHULE ............................................ 54<br />

AUTISMUS: ERFAHRUNGEN WEITEN SICH..................................................................................... 56<br />

INTEGRATION VON KINDERN MIT AUTISTISCHER WAHRNEHMUNG ......................................... 58<br />

STUDIENREISE DER HOCHSCHULE FÜR HEILPÄDAGOGIK ZÜRICH .......................................... 60<br />

ÄNDERUNGEN IN DER LEHRER/INNENFORTBILDUNG IN STREBERSDORF ............................. 63<br />

EIN STUNDENBILD.............................................................................................................................. 65<br />

INDIVIDUELL, INTENSIV, INTEGRATIV ............................................................................................. 70<br />

1, 2 ODER 3 - WIR WAREN DABEI!.................................................................................................... 72<br />

"ALLES WAS FLÜGEL HAT FLIEGT" ................................................................................................ 75<br />

LESERBRIEFE ..................................................................................................................................... 79<br />

FACHBÜCHER UND RATGEBER ....................................................................................................... 80<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 2


TROTZ ALLEDEM<br />

Mein Vorwort dient diesmal einem einzigen Zweck. Ich möchte hier den Wiener<br />

Lehrerinnen und Lehrern meine ehrliche Hochachtung und meinen aufrichtigen Dank<br />

aussprechen. Alle meine Impressionen aus dem heurigen Schuljahr beweisen, dass<br />

trotz der massiven Änderungen, die sich durch die Kürzungen in den Wiener Schulen<br />

(noch dazu während des laufenden Schuljahres) als notwendig ergeben haben, die<br />

Lehrerinnen und Lehrer weiterhin ungebrochen freudig und engagiert arbeiten. Diese<br />

Situation erfüllt mich mit Freude und mit tiefer Beruhigung, bezogen auf die Situation<br />

der uns anvertrauten Kinder.<br />

Es darf aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass meiner Ansicht nach die<br />

„Schmerzgrenze“ in vielen Fällen erreicht, ja schon überschritten ist und das System<br />

nur dadurch noch (so gut) funktioniert, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen im<br />

Rahmen ihres pädagogischen Anspruchs und ihrer Verantwortung richtiggehend<br />

ausbeuten.<br />

Diese Situation kann als „Notprogramm“ in der bestehenden Situation nicht<br />

hoch genug geschätzt werden, ist aber auf längere Sicht sicher nicht haltbar<br />

und vertretbar.<br />

Gerhard Tuschel<br />

Landesschulinspektor<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 3


SEXUALITÄT UND BEHINDERUNG –<br />

BEHINDERUNG UND SEXUALITÄT<br />

Um die Sexualentwicklung behinderter Menschen, und wenn ich das schreibe meine<br />

ich geistig behinderte Kinder und Jugendliche, zu verstehen und einigermaßen sicher<br />

damit umzugehen, hat es mir sehr geholfen die Sexualentwicklung nicht behinderter<br />

Kinder und Jugendlicher vor Augen zu haben.<br />

Beim Thema Sexualität handelt es sich um einen<br />

gesellschaftlich sehr heiklen Bereich. Der Umgang<br />

mit und das Reden über Sexualität ist in unserer<br />

Gesellschaft durch viele Tabus geregelt. So ist es<br />

in unserer Kultur unvorstellbar, dass wir nackt<br />

durch die Straßen laufen, in öffentlichen Räumen<br />

sexuelle Handlungen vollziehen und das Gespräch<br />

über Intimitäten wird in unserer Gesellschaft nur<br />

hinter vorgehaltener Hand geduldet. Um es gleich<br />

vorweg zu nehmen: für mich gibt es keinen<br />

Unterschied in der Sexualentwicklung geistig<br />

behinderter Kinder und Jugendlicher im Vergleich<br />

mit nicht geistig behinderten Kindern und<br />

Jugendlichen. Allein der Stand der Entwicklung<br />

macht für mich den Unterschied.<br />

Auch im betreuenden Umfeld findet sich das<br />

gleiche Spektrum wie in der „normalen“ Welt. Der<br />

Bogen der Reaktionen spannt sich von Schweigen und verschämt Wegsehen bis zu<br />

Überreaktionen, intensiver Beschäftigung und dem Gefühl der Bedrohung.<br />

Die Reaktionen auf sexuelle Betätigung geistig behinderter Kinder und Jugendlicher<br />

durch ihr betreuendes Umfeld und unsere Gesellschaft ist aber insofern anders, als<br />

ihnen sexuelle Bedürfnisse und deren Befriedigung und auch ihr Wunsch nach Liebe,<br />

Geborgenheit und sexueller Nähe oft nicht zugestanden werden.<br />

Auf eine Kurzformel gebracht: Es ist nicht selbstverständlich für unsere Gesellschaft,<br />

dass ein geistig behindertes Kind und Jugendliche/er sexuelle Gefühle und den<br />

Wunsch nach Lustbefriedigung hat.<br />

Für mich sind daher die Reaktionen der Umgebung und des betreuenden Umfeldes,<br />

meine Reaktionen eingeschlossen, von Bedeutung.<br />

Wie in vielen Bereichen ihres Lebens sind geistig behinderte Kinder und Jugendliche<br />

auch in ihrer gesunden Sexualentwicklung auf unsere Mithilfe angewiesen.<br />

Onanierende Buben und Mädchen habe ich schon in der 1.Klasse gesehen.<br />

Gesunde, onanierende Säugling sind keine Seltenheit, wurde mir von ärztlicher Seite<br />

erklärt.<br />

Um zu verstehen, warum z.B. manche Kinder Windeln brauchen, ist es für mich<br />

hilfreich die gesunde Sexualentwicklung von Kindern und Jugendlichen vor Augen zu<br />

führen. Auch manche Vorwürfe an geistig behinderte Menschen, wie Triebhaftigkeit<br />

und Schamlosigkeit, sind für mich danach verständlicher geworden. Ich orientiere<br />

mich dabei an den Stufen der Sexualentwicklung nach Sigmund Freud.<br />

Der Mund ist unsere erste erogene Zone. Durch ihn bekommen wir Nahrung und<br />

gleichzeitig erzeugt und befriedigt Saugen Lust im Säugling. Der Säugling lernt, dass<br />

manches gut schmeckt und manches nicht. Das hängt auch sehr mit dem Bedürfnis<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 4


zusammen, das er gerade hat. Hat er Hunger, schmeckt ihm die Milch. Ist er satt wird<br />

die Milch abgelehnt.<br />

Die orale Phase (Mund) wird durch die anale Phase (Ausscheidungen) abgelöst.<br />

Dieser Abschnitt ist geprägt durch die Reinlichkeitserziehung. Die Ausscheidungen<br />

werden vom Kind als lustvoll erlebt. Manche Kleinkinder verschmieren ihren Kot und<br />

die Kontrolle darüber ist ein „Geschenk“ an die Eltern, auf diese Form des<br />

Lustgewinns zu verzichten. Gleichzeitig lernt das Kind, dass seine Ausscheidungen<br />

schmutzig und gesellschaftlich unerwünscht sind. Auch wenn es vorerst noch in<br />

Begleitung eines Elternteils die Toilette aufsucht und Hilfestellungen bekommt, so<br />

sieht es am Vorbild der Erwachsenen, dass es in unserer Gesellschaft normal ist<br />

alleine auf die Toilette zu gehen und über die Ausscheidungen zu schweigen.<br />

Es ist das erste sexuelle Tabu: über Absonderungen des Körpers wird geschwiegen<br />

In dieser Phase erkennt das Kind zum ersten Mal den Unterschied der Geschlechter.<br />

Es bemerkt, dass seine Eltern unterschiedlich aussehen und liebt auf kindlich<br />

sexuelle Art den andersgeschlechtlichen Elternteil. Das ist die Zeit in der der Sohn<br />

seine Mutter und die Tochter ihren Vater heiraten will. Diese Phase ist bei einer<br />

gesunden Sexualentwicklung bis zum Schuleintritt abgeschlossen. Die Unmöglichkeit<br />

seine Eltern zu heiraten ist erkannt und der Wunsch verschwindet. Das zweite<br />

sexuelle Tabu ist gelernt: enge Verwandte darf ich nicht heiraten.<br />

Mit dem Schuleintritt werden Schulfreundschaften und Gruppen gebildet. Durch diese<br />

Begegnungen entwickelt das Kind sein ICH, das es ihm ermöglicht sich in dieser<br />

Gruppe als eigenständige Person zu erleben. Gleichzeitig fühlt sich das Kind in<br />

Gruppen und Freundschaften lustvoll geborgen und gefördert. Lernen, Informationen<br />

sammeln, das gemeinsame Spiel, soziale Reife, die Begegnung mit dem Du und die<br />

Gruppenfähigkeit werden eingeübt. Es entwickelt sich das Schamgefühl und der<br />

Körper darf und will nicht mehr jedem nackt gezeigt werden. Das nächste Tabu ist<br />

gelernt: Ich bin ICH und du bist DU, wir haben Grenzen<br />

Die folgende Phase benötigt alle körperlichen, kognitiven, sozialen und emotionalen<br />

Ressourcen, die dem Kind im Übergang zum Erwachsenen zur Verfügung stehen. Es<br />

wachsen die Geschlechtsorgane, die Geschlechtsunterschiede am Jugendlichen<br />

werden immer deutlicher und die hormonelle Umstellung führt zu emotionaler und<br />

körperlicher Unsicherheit und Labilität. Kreislaufprobleme, Wutausbrüche,<br />

Konfrontationen mit den Eltern, den Gesetzen der Gesellschaft und Angst vor den<br />

immer massiver werdenden eigenen sexuellen Gefühlen und der Unerfahrenheit<br />

sexuelle Spannungszustände zu lösen, kennzeichnen diese letzte Periode der<br />

sexuellen Entwicklung vor dem Erwachsensein. Die ersten sexuellen Kontakte<br />

zwischen den Jugendlichen finden statt und sie lernen dabei geschützte Bereiche<br />

aufzusuchen. Sie ziehen sich in eine leere Wohnung zurück, in ein Zimmer oder<br />

gehen auf die Toilette. Sie haben ein weiteres Tabu unserer Gesellschaft gelernt:<br />

geschlechtliche Sexualität Jugendlicher und Erwachsener findet in den eigenen vier<br />

Wänden statt und die Missachtung dieses Faktums wird als abnormal und pervers<br />

empfunden und führt zum Einschalten der Polizei.<br />

Eltern gesunder Kinder beobachten, dass schon sehr kleine Kinder ihren Körper<br />

erforschen, ihn dabei befühlen und auch in ihre Körperöffnung fahren und dort<br />

gelegentlich etwas hinein stecken, seien es Perlen in die Nase oder Ohren und<br />

Münzen in den Mund, die dann oft verschluckt werden und ärztlich entfernt werden<br />

müssen. So entdecken Kinder gut zu stimulierende Zonen an ihrem Körper: Mund,<br />

After, Haut und Sexualorgane.<br />

Sie empfinden die Berührungen als angenehm und befriedigend. Durch die tägliche<br />

Körperpflege und das Windelwechseln findet eine zusätzliche Stimulation von außen<br />

statt.<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 5


Als Lehrerin bin ich Teil einer Institution, die in Zusammenarbeit mit Eltern und<br />

anderen Betreuungspersonen den Auftrag übernommen hat, Kinder, in meinem Fall<br />

geistig schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche, zu erziehen und sie so in<br />

unserer Sozialsystem, in unsere Gesellschaft zu integrieren.<br />

Das bedeutet, dass Tabus der Gesellschaft auch in der Schule gelten und wenn sie<br />

vom Kind bisher nicht gelernt wurden, müssen sie in der Schule, soweit es möglich<br />

ist in enger Zusammenarbeit mit den außerschulischen Betreuungspersonen und<br />

Eltern, dem Kind nahe gebracht werden.<br />

Geistig behinderte Kinder und Jugendliche zeigen massive Entwicklungsrückstände<br />

auch in ihrer Sexualentwicklung. Ihre Reinlichkeitserziehung ist von den Eltern meist<br />

nicht einmal begonnen worden wenn sie zu uns in die Schule kommen und viele<br />

geistig behinderte Kinder und Jugendliche werden diese Stufe der Sexualentwicklung<br />

auf Grund ihrer massiven geistigen Behinderung oder wegen starker<br />

Medikamentation leider auch nicht erreichen.<br />

So beobachte ich geistig behinderte Kinder die alles in den Mund stecken, sabbern<br />

und lallen, an ihren Fingern lutschen, am Boden liegen, spucken und am<br />

Schnabelbecher oder der Babyflasche saugen. Oft essen und trinken sie gerne und<br />

sind um den Mundbereich sehr empfindlich, ähnlich einem Säugling, der den Mund in<br />

die Richtung dreht, wenn er eine Berührung an der Wange spürt. Es sind jene<br />

schwerst geistig behinderten Kinder, die unabhängig ihres Lebensalters und auch<br />

ihrer kognitiven Reife (manche halten den Buntstift und kritzeln, andere spielen<br />

einfache Spiele), in ihrer Sexualentwicklung auf dem Stand eines Säuglings sind. Sie<br />

lutschen stundenlang an einer Rassel und wirken dabei zufrieden und in ihrer Lust<br />

gestillt.<br />

Diese Kinder reagieren unwillig beim Versuch eines Toilettentrainings. Sie weinen,<br />

reißen an den Haaren, spucken und beißen als Ausdruck ihrer Unlust. Sie sind in der<br />

oralen Phase und erleben alles in und um ihren Mund herum als lustvoll und<br />

befriedigend. Manche Kinder onanieren mit der Windel und rollen sich am Boden. Oft<br />

reicht es schon, sie an den Sessel zu gewöhnen und sie so aus dem<br />

Säuglingsstadium (am Boden liegend) herauszuholen um das Onanieren zu<br />

beenden.<br />

Da es sich bei diesen Kindern, vor allem wenn sie schon älter sind, um kognitiv sehr<br />

schwache Kinder handelt die außer Lallen und Schreien keine sprachliche<br />

Mitteilungsmöglichkeit haben und auch das Sprachverständnis auf wenige kurze<br />

Anweisungen, meist „Ja“ und „Nein“, beschränkt ist, ist die einzige<br />

Interventionsmöglichkeit meist die, das Kind an den Sessel zu gewöhnen und es mit<br />

den Händen zu beschäftigen und so von der Windel abzulenken. Wenn das<br />

Verständnis und die Zusammenarbeit mit den Eltern möglich ist und das Kind auch<br />

zu Hause vom Boden auf den Sessel wechseln kann, dann hat es gute Chancen die<br />

nächste Entwicklungsphase zu erreichen.<br />

In der analen Phase ist die Sauberkeitserziehung das Thema Nr.1. Kinder die reif<br />

dafür sind empfinden es lustvoll, ihre Ausscheidungen zu steuern. Es ist ein<br />

wirklicher Liebesbeweis, wenn ein Kind „sauber“ wird, denn es verzichtet auf<br />

Lustgewinn zugunsten von Anerkennung und Lob der geliebte Personen.<br />

Daher kann es in dieser Phase durchaus vorkommen, dass Kinder zu Hause die<br />

Toilette benutzen, in der Schule aber in die Hose machen oder die Windel verlangen.<br />

Manche Kinder, auch nicht behinderte, verteilen den Inhalt ihrer Windel auf Tische<br />

und Wände oder an ihrem Körper. Das, was bei einem gesunden Kind vielleicht nur<br />

einmalig vorkommt, kann bei einem geistig behinderten Kind Monate und Jahre<br />

dauern und so zu einer Herausforderung für Eltern und Lehrer werden. Latzhosen<br />

und Gürteln, die den Griff in die Windel erschweren, können hier hilfreich sein.<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 6


Ständige Aufmerksamkeit und Beobachtung des Kindes ist schon aus hygienischen<br />

Gründen angebracht um den Griff in die Windel zu verhindern.<br />

Manche Kinder schaffen es in dieser Phase von der Windel wegzukommen. Dass sie<br />

in ihrer Sexualentwicklung in diesem Bereich stecken geblieben sind äußert sich<br />

dadurch, dass sie ihren Stuhl „öffentlich“ absetzen, also in der Klasse, am Gang oder<br />

vor der Toilette und so in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten (Bruch des<br />

Tabus die Ausscheidungen zu verbergen und unserer Hygienevorstellungen).<br />

Durch die Entwicklungsverzögerung schwerst geistig behinderter Kinder kann es<br />

auch vorkommen, dass es sich dabei bereits um einen jugendlichen Schüler/in<br />

handelt und die gesellschaftliche Missachtung und der Tabubruch gesellschaftlich<br />

noch schwerer wiegen.<br />

Die Entwicklungsverzögerung zeigt sich auch darin, dass ein vom Lebensalter bereits<br />

Jugendlicher/e in die nächste Phase kommt und den gegengeschlechtlichen<br />

Elternteil heiraten will. Da dieser Phase meist eine jahrelange Betreuung durch den<br />

gleichen Lehrer voraus geht, kann auch der Lehrer/in zum „gewählten“<br />

gegengeschlechtlichen Liebesobjekt werden.<br />

Klare Grenzen, wie auch bei nicht behinderten Kindern, sind hier notwendig, sowohl<br />

im schulischen wie auch im häuslichen Bereich, um dem geistig schwerstbehinderten<br />

Kind die Möglichkeit zu belassen, den nächsten Entwicklungsschritt in seiner<br />

Sexualentwicklung zu erreichen.<br />

Denn, nur wenn ein Entwicklungsschritt in der Sexualentwicklung vollständig und<br />

erfolgreich absolviert wurde (das gilt auch für nicht behinderte Jugendliche), kann<br />

zum nächsten weiter gegangen werden. Wenn nicht, bleibt das Kind oder der<br />

Jugendliche auf diesem Entwicklungsschritt stehen.<br />

Die unterschiedlich starken Entwicklungsverzögerungen geistig behinderter<br />

Jugendlicher können bewirken, dass zwei gleichaltrige Jugendliche sich in<br />

verschiedenen sexuellen Entwicklungsstufen befinden. Der eine befindet sich<br />

möglicherweise in der 3. Phase der Sexualentwicklung und ein schwächer geistig<br />

behinderter Jugendlicher befindet sich vielleicht bereits in der 5. Phase. Der erste<br />

wünscht gehalten und gestreichelt zu werden, der andere interessiert sich für<br />

geschlechtliche Liebe und Onanie.<br />

Die äußeren Geschlechtsmerkmale sind wahrscheinlich in beiden Fällen dem<br />

Lebensalter entsprechend entwickelt und die Annäherung an das andere Geschlecht<br />

ist ähnlich. Nur intensive Beobachtung<br />

und Hintergrundwissen kann hier die<br />

Zuordnung erleichtern.<br />

Geht es in der 3. Phase mehr um den<br />

Lustgewinn durch Körperkontakt<br />

(gehalten werden), ist in der 5. Phase die<br />

geschlechtliche Sexualität im<br />

Vordergrund und die sexuelle<br />

Befriedigung (Orgasmus) über die<br />

Geschlechtsorgane wird gesucht.<br />

Hier komme ich auch zum nächsten<br />

schwierigen Bereich der<br />

Sexualentwicklung behinderter<br />

Jugendlicher: die Pubertät.<br />

Von einem gesunden Jugendlichen/e werden während der Pubertät folgende<br />

Entwicklungsschritte erwartet:<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 7


körperlich reif werden und die geschlechtliche Reife erlangen, sich wie Erwachsene<br />

verhalten lernen und erwachsen urteilen können und soziale Unabhängigkeit<br />

erreichen und eine eigene Lebensvorstellung entwickeln<br />

Jugendliche mit geistigen Behinderung sind in der Entwicklungsphase, in der<br />

Gleichaltrige sich zunehmend von zu Hause ablösen, oft noch sehr an ihre Eltern<br />

und Lehrer gebunden. Diese unfreiwillig lange Abhängigkeit, soziale Unabhängigkeit<br />

erreichen sie meist nicht, schafft gegenüber den Eltern und Lehrern häufig<br />

Ambivalenzkonflikte, da die altersgerechte Entwicklung sowohl durch die<br />

Auswirkungen der Behinderung als auch durch elterliche und schulische<br />

Überfürsorge und Kontrolle verhindert bzw. verzögert werden kann. Massive<br />

Wutausbrüche haben hierin ihre Ursache.<br />

Je selbstständiger ein schwerst geistig behinderter Jugendlicher sich versorgen kann<br />

und Aufgaben übernehmen darf, umso erfolgreicher wird seine sexuelle Entwicklung<br />

sein.<br />

Dazu gehört auch die eigenständige Entscheidung zu sexuellen Handlungen. Ist in<br />

der Phase 3 und 4 der Wunsch nach einer Freundin oder einem Freund da um sich<br />

in die Arme zu fallen, sich zu drücken und zu halten, jemanden zu haben der neben<br />

mir sitzt um miteinander lachen oder spielen zu können, so ist die Phase 5 vom<br />

Wunsch nach einer geschlechtlichen Partner/in getragen.<br />

In der Phase 3 und 4 kann der Lehrer/in gemeinsam mit den Eltern die sexuelle<br />

Entwicklung des geistig schwerstbehinderten Jugendlichen begleiten, ihm Grenzen<br />

setzen und Tabus vermitteln.<br />

Die Phase 5 kann nur mehr durch Eltern und<br />

Erziehungsberechtigte begleitet werden, weil sie sich<br />

außerhalb der Schule entwickeln wird und muss.<br />

Manche geistig behinderte Jugendliche können über<br />

ihre sexuellen Wünsche und Erlebnisse sprechen und<br />

tun es auch. So kann ich als Lehrerin in einem<br />

Gespräch Tabus, Gefahren und Folgen ihrer<br />

Handlungen vermitteln.<br />

Auch das Thema Schwangerschaft geistig<br />

schwerstbehinderter Jugendlicher ist ein selten<br />

diskutiertes in unserer Gesellschaft und muss vor<br />

allem in den betroffenen Familien erfolgen. Als<br />

Lehrerin kann ich Eltern auf ihren Wunsch hin<br />

beratend zur Seite stehen.<br />

Im Sinne einer einigermaßen gesunden<br />

Sexualentwicklung, vor allem beim geistig<br />

behinderten Kind und Jugendlichen, möchte ich darauf hinweisen, dass Grenzen<br />

setzen im sexuellen Bereich und körperlich distanziertes Verhalten von Seiten der<br />

Eltern und Lehrer helfen, ihre sexuellen Entwicklungsschritte erfolgreich zu<br />

absolvieren.<br />

Für eine gesunde sexuelle Entwicklung braucht ein Kind ein eigenes Bett und die<br />

liebevolle und fördernde Zuwendung durch den Lehrer bei gleichzeitiger körperlicher<br />

Distanz.<br />

Auch wenn das Kind oder der/die Jugendliche noch so darauf drängt gehalten,<br />

getragen oder in die Arme genommen zu werden, ist im Sinne einer gesunden<br />

Sexualentwicklung darauf zu achten, dass das Kind und der/die Jugendliche seine<br />

Zuwendungen und Bestätigungen der Liebe in altersgemäßer Art durch Lob und<br />

Belohnung und durch den Kontakt zu Gleichaltrigen erhält.<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 8


Wenn diese Regel nicht eingehalten wird, besteht die Gefahr des sexuellen<br />

Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene.<br />

Gerade geistig schwerstbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind immer<br />

wieder Ziel sexueller Übergriffe von erwachsenen Männern und Frauen, weil geistig<br />

Schwerstbehinderte die Grenze zwischen Liebhaben und sexuellem Missbrauch oft<br />

nicht kennen und daher leicht zu verführen sind. Auch Abhängigkeiten können<br />

sexuellen Missbrauch begünstigen.<br />

Egal wie distanzlos, schamlos und erotisch ein geistig behindertes Kind oder<br />

Jugendliche/r sich Erwachsenen nähert, der gesunde Erwachsene hat für die nötige<br />

körperliche und emotionale Distanz zu sorgen, damit die Situation nicht zum<br />

Missbrauch ausartet.<br />

Dieses Gefühl der Distanz kann ich als Lehrerin meinen Schülern und Schülerinnen<br />

vermitteln und ihnen so ein wenig Schutz und Hilfe für Ihr Leben mitgeben.<br />

Barbara Cerny<br />

Die Autorin ist 44 Jahre alt und arbeitet seit vielen Jahren als Lehrerin für geistig<br />

schwerstbehinderte Kinder in Wien/Kienmayergasse.<br />

Weitere Ausbildungen: zur Psychagogischen Beraterin und zur Medienberaterin<br />

E-mailadresse: barbara.cerny@schule.at<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 9


„ZURÜCK IN DIE PÄDAGOGISCHE<br />

STEINZEIT“<br />

In der Folge können Sie einen GASTBEITRAG aus Leipzig lesen und ich möchte<br />

mich sehr herzlich bei Andreas Sparkuhl & Wolfgang Mutzeck dafür bedanken.<br />

In diesem Artikel möchte ich vor allem auch auf die Zusammenarbeit zwischen<br />

Pflichtschulbereich und Universität (Begleitung und Evaluation) hinweisen und mir<br />

wünschen, dass sich eine Kooperation dieser Art auch in Zukunft verstärkt in Wien<br />

ergeben wird.<br />

Wenn einerseits Sparmaßnahmen und Kürzungen bei Lehrer/innen im Bereich der<br />

Pflichtschule (und daher auch im Bereich der Sonderpädagogik) und andererseits<br />

das Wort Inklusion in aller Munde ist, möchte ich auf die sich daraus ergebenden<br />

Diskrepanzen hinweisen:<br />

Um Chancengleichheit, Gleichberechtigung und Gleichstellung leben zu können,<br />

bedarf es nicht nur einer entsprechenden (politischen) Haltung der Menschen, die<br />

Möglichkeit zur Umsetzung braucht auch Ressourcen.<br />

Im Vorwort des nachfolgenden Artikels wird deutlich, dass es in Wien schon vor 30<br />

Jahren entsprechende (politische) Haltungen von zuständigen<br />

Schulaufsichtsbeamten und Direktoren (Prof. Hans Matzenauer, Hofrat Dr. Karl<br />

Sretenovic, OSR Dir. Walter Schindl) gegeben hat und dass von ihnen auch erkannt<br />

wurde, dass zur Umsetzung dieser Einstellungen/Haltungen entsprechende<br />

Ressourcen notwendig sind/waren.<br />

Wien hat Pioniertätigkeit geleistet und (noch immer) Vorbildcharakter, mit wenig<br />

Schulverweigerern, wenig Jugendkriminalität und einem multikulturellen<br />

Angebot für Kinder (und das in einer Millionenstadt) an Wiens Pflichtschulen.<br />

Darauf können wir stolz sein und das ist erfreulich!<br />

Weniger erfreulich, um nicht zu sagen beschämend ist, dass es jetzt eindeutig zu<br />

einem „Umkehrschub“ gekommen ist!<br />

Wenn dieser anhält, wird es<br />

ohne Begleitlehrer/innen teuren und für Eltern nicht finanzierbaren<br />

Nachhilfeunterricht für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache geben müssen (erste<br />

Anfragen gab es bereits!)<br />

ohne Sprachheillehrer/innen große Benachteiligungen für Kinder mit<br />

Sprachentwicklungsstörungen während ihrer Schullaufbahn geben (da auch hier der<br />

Privatunterricht von vielen Eltern nicht finanzierbar sein wird!)<br />

ohne Stütz- und Förderlehrer/innen unzählige Kinder in der Schuleingangsphase<br />

geben, die ihre Defizite nicht aufholen werden können<br />

ohne Beratungslehrer/innen und Psychagogen/Psychagoginnen Kinder geben,<br />

die ohnedies schon benachteiligt sind und noch „benachteiligter“ (ohne integrative<br />

Betreuung) werden und vermehrt als „Schulverweigerer/innen“,<br />

„Schulversager/innen“ oder als schon „kriminalisierte Jugendliche“ ihre<br />

Pflichtschulzeit beenden oder eben nicht beenden werden<br />

Wolfgang Mutzeck schreibt in seinem Vorwort: „Außerdem ist eine deviante<br />

Schülerkarriere nachweislich langfristig teurer als aufwendige Maßnahmen<br />

präventiver und integrativer Erziehungshilfe“.<br />

Daher muss es meiner Meinung nach weiterhin die Forderung geben nach:<br />

• entsprechenden Personalressourcen (mit passenden Angeboten an<br />

verpflichtender Aus– und Fortbildung)<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 10


• einem flächendeckenden ANGEBOT an Ganztagsschulen (Minimierung der<br />

Herkunftsunterschiede – und nicht als „Zwangsbeglückung“, wie es Frau<br />

Bundesministerin Gehrer auszudrücken pflegt)<br />

• einer individuellen Begabungsförderung (in Klassen mit adäquater<br />

Schüler/innenanzahl- und NICHT: Beispiel aus der Praxis: eine Klassenlehrerin<br />

für 28 Kinder, davon 90% mit nichtdeutscher Muttersprache und zwei Kindern<br />

(ohne SPF) mit Diabetes, die regelmäßig Blutzucker messen müssen und Insulin<br />

spritzen)<br />

• der gemeinsamen Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen<br />

Nicht umsonst schneidet Finnland in der Pisastudie am besten ab:<br />

Das Land in dem die Besten Lehrer werden 1)<br />

Alle Kinder lernen Fremdsprachen und werden individuell betreut 2)<br />

Die Ausgaben für Bildung liegen weit über den OECD-Durchschnitt 3)<br />

Kein Lehrer blamiert einen Schüler vor der Klasse und tadelt seine mangelhaften<br />

Leistungen 4)<br />

Es kämen auch keine Politiker auf den Gedanken, Lehrer öffentlich zu<br />

beschimpfen. Lehrer können sich durch Rücksprache mit Speziallehrern,<br />

Schulpsychologen und Ärzten (die muss es geben!!! – Anmerkung der Autorin) an<br />

den Schulen selber ihr Urteil absichern. 5)<br />

1 – 5 : Zitat aus: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Politik, 24.02.2002, S.10,<br />

Nr.8<br />

Wenn uns diese Aussagen als sinnvoll erscheinen, sind wir zur Zeit sicher<br />

auf dem falschen Weg!!!!<br />

Brigitte Mörwald<br />

Haupt-, Volksschullehrerin, Beratungslehrerin<br />

Lehrer/innen Aus- und Fortbildung<br />

Integrationsberatungsstelle des SSR für Wien<br />

brigitte.moerwald@ssr-wien.gv.at<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 11


PRÄVENTIVE UND INTEGRATIVE<br />

ERZIEHUNGSHILFE IN DER SCHULE- EIN<br />

MODELLPROJEKT IN LEIPZIG -<br />

0. Vorwort<br />

Vor etwa 30 Jahren, in einer Zeit als die Sondererziehungsschule aufgelöst und das<br />

Wiener Zentrum für Verhaltenspädagogik in der Galileigasse aufgebaut wurde,<br />

hatte ich (Wolfgang Mutzeck) das Glück an vielen Diskussionen mit den Mitarbeitern<br />

des Zentrums, insbesondere mit Dr. Karl Köppel teilzunehmen. Diese Gespräche<br />

waren sehr fruchtbar. Die Ideen mündeten in zukunftsweisenden Innovationen. Ich<br />

konnte viele Gedanken für eine theoriegeleitete und praxisorientierte integrative<br />

Verhaltens(gestörten)pädagogik einbringen. Die Wiener schafften es aber die<br />

Rahmenbedingungen für ein nachhaltiges Modell zu organisieren. Insbesondere<br />

die Fortbildung von Pädagogen zu Beratungslehrern in Form intensiver<br />

Trainingskurse, die Supervision dieser Experten und die Pflege einer<br />

kommunikativen entwicklungsfähigen Gemeinschaft schienen mir und sind für<br />

mich immer noch die wesentlichsten Faktoren der sehr erfolgreichen Arbeit der<br />

Wiener Kollegen. Auch in bezug auf die Errichtung einer<br />

Integrationsberatungsstelle waren die Wiener wegweisend. Erst Jahre später<br />

entstanden und entstehen ähnliche Institutionen in den Ländern der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Zum einen sind dieses sonderpädagogische Beratungs- und<br />

Förderzentren, bzw. mobile (ambulante) Dienste für Erziehungshilfe. Zum anderen<br />

Beratungsdienste zur Integration behinderter Schüler (oft mit erweitertem Auftrag zur<br />

Fortbildung, Supervision und Schulentwicklung für integrativ arbeitende Lehrer und<br />

Schulen).<br />

Ich hoffe sehr, dass Wien auch weiterhin seine Vorbildfunktion behält. Dieses<br />

hilft nicht nur Lehrern und Verwaltungsbeamten anderer Städte und Länder die<br />

zunehmende Zahl von Schülern mit Verhaltensstörungen (einschließlich<br />

Schulverweigerung) kompetent und nachhaltig zu bewältigen, sondern solche<br />

integrativen Ansätze helfen vor allem den betroffenen Schülern und deren<br />

Bezugspersonen. Außerdem ist eine deviante Schülerkarriere nachweislich<br />

langfristig teurer als aufwendige Maßnahmen präventiver und integrativer<br />

Erziehungshilfe.<br />

Als ich vor 11 Jahren von der Universität Kiel an die Universität Leipzig berufen<br />

wurde, wollte ich nicht nur der mir gestellten Aufgabe der Gründung und dem Aufbau<br />

eines Instituts für Förderpädagogik gerecht werden, sondern auch der Umgestaltung<br />

bzw. dem Aufbau der Förder- (Sonder-)pädagogik in den neuen Bundesländern<br />

neue Impulse geben. Ein „Kind“ dieser Entwicklungsphase möchte ich an dieser<br />

Stelle darstellen. Dieses Projektmodell wird von meinem Mitarbeiter Andreas<br />

Sparkuhl beschrieben. Er ist Leiter dieses Projekts und seit einem Jahr auch Leiter<br />

der Beratungsstelle des Beratungs- und Förderzentrums für Erziehungshilfe. Mit der<br />

anderen halben Stelle ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl<br />

Verhaltensgestörtenpädagogik der Universität Leipzig.<br />

Mit dieser Projektbeschreibung möchte ich den Wiener Kolleginnen und Kollegen<br />

nicht nur Dank für die frühere und seit zwei Jahren durch Brigitte Mörwald wieder<br />

entstandene Kooperation danken, sondern ihnen auch (Zünd-) Stoff für eine<br />

lebhafte Diskussion zur Weiterentwicklung einer präventiven und integrativen<br />

Erziehungshilfe geben. Auch in der 5. überarbeiteten und erweiterten Auflage des<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 12


Buches „Integration von Schülern mit Verhaltensstörungen“ (Mutzeck u.a. <strong>2004</strong>), jetzt<br />

unter dem Titel „Erziehungshilfe konkret - Prävention, Integration und Rehabilitation<br />

bei Schülern mit besonderem Förderbedarf im emotionalen und sozialen Erleben und<br />

Handeln“ erschienen, ist das Zentrum für Verhaltenspädagogik wieder vertreten.<br />

Ich hoffe, dass die Wiener Sparmaßnahmen im Schulbereich diese, wie auch<br />

die anderen innovativen Einrichtungen zur Integration nicht in ihrer Schaffens-<br />

und Wirkungskraft beeinträchtigen.<br />

Wolfgang Mutzeck<br />

1. Ausgangssituation<br />

Im Schuljahr 1993 / 94 wurde für die Stadt Leipzig ein Anstieg von Meldungen von<br />

Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem sonderpädagogischem Förderbedarf in der<br />

Erziehungshilfe festgestellt, die aus personellen und räumlichen Gründen von der<br />

Förderschule für Erziehungshilfe Leipzig nicht betreut werden konnten, d.h. die<br />

Schüler/innen wurden über ein reguläres Schüleraufnahmeverfahren diagnostiziert,<br />

mussten aber ohne förderpädagogische Unterstützung an der Regelschule<br />

verbleiben.<br />

Zunächst erwog das Oberschulamt Leipzig eine Erweiterung der Förderschule für<br />

Erziehungshilfe.<br />

Auf Initiative des Lehrstuhls des Instituts für Förderpädagogik der Universität Leipzig<br />

und in Zusammenarbeit mit dem Oberschulamt, dem Schulverwaltungsamt Leipzig<br />

und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus erfolgte, bezogen auf dieses<br />

Problem, ein Umdenken.<br />

Die beteiligten Institutionen entwarfen ein gemeinsames Grundkonzept zur<br />

präventiven und integrativen Förderung von Schüler/innen an Grundschulen. Eine<br />

besondere Intention wurde dabei den Bereichen "Prävention", "Kooperation bzw.<br />

Kooperatives Netzwerk" und „Integration“ gegeben. Dies gilt im Rahmen einer<br />

stadtteilbezogenen Förderung für Kinder an Regelschulen, die von<br />

Verhaltensstörungen bedroht sind bzw. bei denen Verhaltensstörungen geringen und<br />

mittleren Grades diagnostiziert wurden. Um einer ungünstigen Genese von<br />

Störungen im Verhalten frühzeitig vorbeugend bzw. verhindernd begegnen zu<br />

können, wurde im Schuljahr 1996 / 97 entschieden, das Modellprojekt „Präventive<br />

und integrative Erziehungshilfe“ für den Zeitraum von 5 Schuljahren an der 66.<br />

Grundschule in Leipzig – Mockau aufzubauen und in Zusammenarbeit mit dem<br />

Lehrstuhl Verhaltensgestörtenpädagogik (Prof. Dr. Wolfgang Mutzeck)<br />

durchzuführen. Leiter des Projekts ist Andreas Sparkuhl. Das Projekt wird auch nach<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 13


Ablauf des Modellzeitraums in oben genannter Kooperation weitergeführt (siehe<br />

auch Kapitel 8).<br />

2. Theoretische Grundlagen des Konzepts<br />

2.1. Beschreibung der Zielgruppe<br />

Zielgruppen des Projekts sind die Schüler/innen der Grundschule sowie deren<br />

engere Bezugspersonen, wie die Eltern und Lehrer/innen.<br />

Diese Schüler/innen haben Beeinträchtigungen :<br />

- in der emotionalen und sozialen Entwicklung,<br />

- im Erleben und Verarbeiten von Konflikten und traumatischer Erfahrungen,<br />

- in der Selbststeuerung in schwierigen Situationen, und im Umgehen -<br />

Können mit Störungen des eigenen Erlebens und Verhaltens. (nach KMK<br />

2000)<br />

Schwierigkeiten in der sozial – emotionalen Entwicklung sind häufig die ursächliche<br />

Basis für die Ausprägung kompensatorischer Verhaltensweisen, wie :<br />

- externalisierendes, aggressiv - ausagierendes Verhalten und<br />

- internalisierendes, ängstlich gehemmtes Verhalten.<br />

Unterrichtsstörungen, expressive und aggressive Ausbrüche, aber auch<br />

Rückzugsverhalten und Unterrichtsverweigerungen sind häufig die Folgen dieser<br />

Schwierigkeiten.<br />

Die kompensatorischen Verhaltensweisen sind meistens Signale, Hilferufe der Kinder<br />

und Jugendlichen und gleichzeitig Ausdruck ungünstig verlaufender<br />

Sozialisationsprozesse. Die sozial – emotionalen Folgereaktionen verlaufen häufig<br />

eskalierend und / oder selbstzerstörend. Zirkulär verstärkt werden diese<br />

Verhaltensweisen durch sogenannte „Teufelskreise" und Stigmatisierungsprozesse,<br />

welche die Schüler/innen etikettiert und dadurch ihr Selbstanspruchsniveau und<br />

Selbstwertgefühl herabgesetzt haben.<br />

Deshalb sind Beeinträchtigungen im emotionalen und sozialen Handeln und ihre<br />

Folgereaktionen nicht auf unveränderliche Eigenschaften der Persönlichkeit<br />

zurückzuführen, sondern als Folge einer inneren Erlebens- und Erfahrungswelt<br />

anzusehen, die sich in Interaktionsprozessen im persönlichen, familiären,<br />

schulischen und gesellschaftlichen Umfeld herausgebildet haben. (vgl. MUTZECK,<br />

2000 ; MYSCHKER, 1994 ; HILLENBRAND, 1999 ; GOETZE, 1994 ; GOETZE /<br />

NEUKÄTER, 1993)<br />

Folglich ergeben sich häufig Probleme in Bereichen der Interaktion, Kooperation<br />

und Kommunikation mit Lehrer/innen und Mitschüler/innen.<br />

Die aus dieser Beschreibung abgeleiteten Kategorien sind Grundlage für das<br />

Diagnose- und Förderkonzept des Projekts und damit die Entscheidungsbasis dafür,<br />

in welchem Schweregrad ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt oder nicht.<br />

Die sozial - emotionalen Störungen können mit anderen Störungsbildern korrelieren<br />

und sich dabei gegenseitig verstärken, wie :<br />

- ADD / ADDH (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit und ohne<br />

Hyperaktivität)<br />

- Teilleistungsstörungen (z.B. LRS)<br />

- Lernschwierigkeiten, Lernstörungen<br />

- körperliche und / oder psychosoziale Entwicklungsverzögerungen<br />

Die korrelierenden Störungen stehen bei der Beurteilung von Schwierigkeiten in der<br />

sozial – emotionalen Entwicklung nicht im Vordergrund, besitzen aber für<br />

diagnostische Entscheidungen und die Förderung soweit eine Bedeutung, wenn sie<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 14


die sozial – emotionalen Kompetenzen des Kindes / Jugendlichen stark<br />

beeinträchtigen und zirkulär verstärken.<br />

Folgen sozial - emotionaler Störungen in der Schule und der Familie:<br />

- Beeinträchtigungen im Arbeits- und Lernverhalten<br />

- Beeinträchtigungen der schulischen und familiären Integration<br />

- Beeinträchtigungen in der Kommunikation, Interaktion und Kooperation<br />

- Ungünstige persönliche und berufliche Lebensperspektiven<br />

Diese Beeinträchtigungen und ungünstigen Lebensperspektiven zeigen auf, dass<br />

eine effektive präventive und integrative Förderung auf Grund der Komplexität der<br />

Schwierigkeiten in der sozial – emotionalen Entwicklung nur in Zusammenarbeit und<br />

gegenseitiger Unterstützung aller Beteiligten, inkl. der Kooperationspartner (wie z.B.<br />

ASD und Jugendamt) möglich sein wird.<br />

2.2. Erklärungsansätze<br />

Die Erklärung von Verhaltensstörungen erfolgt auf der Basis verschiedener und sich<br />

gegenseitig ergänzender Ansätze (vgl. MUTZECK 2000 ; HILLENBRAND, 1999) :<br />

- Lerntheoretischer Ansatz,<br />

- Soziologischer (Interaktionstheoretischer) Ansatz,<br />

- Ökologisch – Systemischer Ansatz,<br />

- Handlungstheoretischer Ansatz.<br />

Diese Ansätze waren und sind die theoriegeleitete Grundlage für die<br />

Konzeptentwicklung, Förderdiagnostik und die daraus abgeleiteten<br />

Fördermaßnahmen der primären und sekundären Prävention bzw. Integration .<br />

3. Ziele des Projekts<br />

- Primäres Ziel sind vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung des Auftretens von<br />

Verhaltensstörungen (Grundprävention, primäre und sekundäre Prävention,<br />

Integration). Des weiteren soll die Umsetzung einer wohnortnahen Integration<br />

verhaltensgestörter Schüler ermöglicht werden. Die Überweisung an eine<br />

separate Förderschule soll weitestgehend vermieden werden.<br />

- Die sozial – emotionalen Kompetenzen der Schüler/innen sollen stabilisiert und<br />

erweitert werden.<br />

- Die pädagogisch - psychologischen Kompetenzen der Regelschullehrer/innen im<br />

Umgang mit verhaltensgestörten Kindern soll durch präventive und integrative<br />

Maßnahmen unterstützt werden (z.B. Beratung, Fortbildung, kooperative und<br />

alternative Unterrichtskonzepte und gezielte Elternarbeit).<br />

- Die pädagogisch - psychologische Kompetenz der Förderschullehrer/innen soll für<br />

die besonderen Handlungsfelder der Prävention / Integration erweitert werden.<br />

- Die Eltern sollen in Zusammenarbeit mit der Schule und anderen kooperativen<br />

Partnern Hilfe und beratende Unterstützung bekommen.<br />

- Das Projekt soll einen Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Grundschule und ihrer<br />

Profilierung als „Schule für alle Kinder“ leisten.<br />

- Die Förderung sozial – emotionaler Kompetenzen wird ein wichtiger Bestandteil<br />

der Aufgabenvielfalt der Grundschule.<br />

- Die Schüler/innen der Förderschule für Erziehungshilfe erhalten Angebote und<br />

Möglichkeiten zur Reintegration.<br />

- Das organisatorische Ziel ist die Koordination und Kooperation in einem<br />

schulischen und psycho - sozialen Verbundsystem (kooperatives Netzwerk).<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 15


4. Konzeptbeschreibung und Ergebnisse in den Präventionsstufen<br />

Die Aktivitäten des Projekts beziehen sich auf die Grundprävention, primäre und<br />

sekundäre Prävention sowie Integration von Schüler/innen in der Regelschule, die<br />

von Verhaltensstörungen bedroht sind und / oder von den Lehrer/innen als<br />

verhaltensauffällig bzw. verhaltensgestört beschrieben werden.<br />

4.1. Grundprävention<br />

Die Grundprävention umfasst i.e.S. Maßnahmen zur Veränderung und Passung des<br />

Schulkonzepts sowie der Schulorganisation der jeweiligen Grundschule als "Schule<br />

für alle Kinder".<br />

Die Grundprävention i.e.S. wird im Sinne einer Präventionskonferenz organisiert. Mit<br />

Unterstützung des Förderschullehrers des Förderzentrums beraten und beschließen<br />

die Schulleitung und die Lehrkräfte einer Schule, einer Jahrgangsstufe oder einer<br />

Klasse Maßnahmen zur Prävention von Verhaltensstörungen. Die Maßnahmen<br />

betreffen den schulorganisatorischen, unterrichtlichen und außerschulischen Bereich.<br />

Fachleute und Kooperationspartner (z.B. Sozialarbeiter, Eltern und Schülervertreter,<br />

Schulpsychologen, Schularzt, Vertreter von Vereinen u.a.) können dazu eingeladen<br />

werden. Das Regionalschulamt unterstützt durch adäquate Entscheidungen im<br />

Rahmen der Schulnetzplanung und Schulentwicklung für Grund - und Förderschulen<br />

i.w.S. diesen Prozess.<br />

Im Schulkonzept der Modellschule und deren Umsetzung ist besonders die gute<br />

Zusammenarbeit mit den Erzieher/innen des Schulhorts (Angebote :<br />

Arbeitsgemeinschaften nach der Schule) und den freien und öffentlichen Trägern im<br />

Freizeitbereich hervorzuheben (Sportvereine, die in der Schule für die Schüler/innen<br />

tätig werden können). Außerdem sind alternative Unterrichtskonzepte mit<br />

Unterstützung der Mitarbeiter/innen des Projekts zu einer festen Größe des<br />

Schulkonzepts geworden.<br />

Zukünftig muss der Grundprävention im Zusammenhang mit der primären<br />

Prävention, insbesondere dem kooperativen Netzwerk, ein größerer Stellenwert<br />

zugeschrieben werden. Für eine Erweiterung des Projekts auf andere Grundschulen<br />

(und perspektivisch Mittelschulen) ist dies dringend geboten.<br />

Die personellen und materiellen Rahmenbedingungen dafür müssen aber noch<br />

erschlossen werden.<br />

4.2. Primäre Prävention<br />

Durch vorbeugende Maßnahmen soll das Auftreten von Verhaltensstörungen<br />

vermieden werden. Die Maßnahmen der primären Prävention erfolgen für alle<br />

Schüler, Eltern und Lehrer/innen der Regelschule.<br />

1) Förder- und Lernwerkstatt<br />

Durch die Unterstützung durch das Sächsischen Staatsministerium für Kultus ,<br />

Schulverwaltungs- und Regionalschulamt ist es dem Projekt gelungen, eine sehr<br />

umfangreiche Förder- und Lernwerkstatt aufzubauen. So verfügt diese Lernwerkstatt<br />

u.a. über einen umfangreichen Fundus an Diagnose- und Fördermaterialien,<br />

Materialien zur Öffnung und Differenzierung des Unterrichts, Fachliteratur zur<br />

Verhaltensgestörtenpädagogik und angrenzenden Fachwissenschaften (z.B.<br />

Sozialpädagogik), Literatur für Eltern und Kinder.<br />

Außerdem wurden notwendige technische Geräte angeschafft. (z.B. für Maßnahmen<br />

des Videofeedbacks Camcorder, Videorecorder).<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 16


Die Materialien und Geräte werden von den Mitarbeiter/innen des Projekts, den<br />

Regelschullehrer/innen, den Kooperationspartnern (z.B. Hort, Allgemeiner Sozialer<br />

Dienst, Schulpsychologische Beratungsstelle, freie Träger der Erziehungshilfe),<br />

Eltern und Schüler/innen genutzt und sind Gegenstand von internen bzw. externen<br />

Fortbildungen.<br />

Kritisch anzumerken ist, dass diese eher bibliothekarische und fortbildende Arbeit<br />

viele wertvolle Lehrerstunden bindet, die den betreffenden Schüler/innen,<br />

Lehrer/innen und Eltern im Sinne der Prävention und Integration nicht zur Verfügung<br />

stehen kann.<br />

Es ist deshalb aus unserer Sicht notwendig, diese Tätigkeiten aus dem zur<br />

Verfügung stehenden Lehrerstundenpool auszugliedern und zusätzlich<br />

Lehrerstunden oder ABM – gestützte Maßnahmen (ABM :<br />

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) durch das Regionalschulamt bzw. gemeinsam mit<br />

dem Arbeitsamt zu zuweisen.<br />

2) Fortbildungen für Mitarbeiter/innen des Projekts, stadtteil- und<br />

kollegiumsbezogene Fortbildungen für Grundschullehrer/innen<br />

(Multiplikatorenschulung) sowie für Förderschullehrer/innen und<br />

Pädagogische Unterrichtshilfen<br />

Inhalte der Fortbildungen sind die Prävention von Verhaltensstörungen an der<br />

Grundschule und adäquate Fördermaßnahmen. Die Fortbildungen erfolgen in enger<br />

Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig und anderen Kooperationspartnern (z.B.<br />

Allgemeiner Sozialer Dienst, Jugendamt, Schulpsychologische Beratungsstelle).<br />

Folgende Ziele stehen dabei u.a. im Vordergrund:<br />

- Sehen und Verstehen von Verhaltensstörungen,<br />

- Verändern von schülerbezogenen Alltagstheorien und subjektiven Sichtweisen,<br />

- Verstehen der Problemlage des Kindes und seiner Eltern durch Erweiterung der<br />

Wissensinhalte über Verhaltensstörungen,<br />

- Unterstützen und Erweitern der pädagogischen Kompetenz im Umgang mit<br />

verhaltensauffälligen / verhaltensgestörten Kindern,<br />

- Stressprävention für Regel- und Förderschullehrer/innen,<br />

- Verbessern der Transparenz der förderpädagogischen Arbeit durch Vorstellen<br />

spezifischer förderpädagogischer Handlungsfelder,<br />

- Prozessimmanentes Handeln im Unterricht der Regelschule (z.B. Soziales<br />

Lernen, Aspekte der Kommunikation, Interaktion, Kooperation,<br />

Entspannungssequenzen u.a.)<br />

- Anregungen und Innovationen zur Gestaltung der Regelschule als „Schule für<br />

ALLE Kinder“<br />

- Die Fortbildungen sollen möglichst mit Praxistransfer und Praxisevaluation<br />

gekoppelt sein<br />

Die Fortbildungen werden auf verschiedenen Ebenen organisiert und<br />

durchgeführt:<br />

- Interne Fortbildungen der Mitarbeiter/innen des Projekts,<br />

- Externe Fortbildungen der Mitarbeiter/innen des Projekts,<br />

- Fortbildungen im Rahmen von Team- und Dienstberatungen des Projekts,<br />

- Fortbildungen innerhalb des gesamten Lehrerkollegiums der Grundschule,<br />

- Stadtteilbezogene Fortbildungsreihe (regelmäßige Fortbildungen mit festgelegtem<br />

Teilnehmerkreis für das Kollegium und ausgewählten Vertretern benachbarter<br />

Grundschulen im Stadtteil),<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 17


- Überregionale Fortbildungen zur Prävention / Integration (z.B. Präsentationen des<br />

Projekts an der SALF, im Institut für Förderpädagogik, Regionalschulamt Leipzig,<br />

Förderschultage regional und überregional, Tagungen, Schulleiterberatungen der<br />

Regel- und Förderschule, u.a.)<br />

Übersicht zu den bisher realisierten Fortbildungsinhalten<br />

- Grundlagen der Verhaltensgestörtenpädagogik und Erscheinungsformen<br />

(Bedingungen und Ursachen, Erklärungsansätze, Aspekte der Diagnostik,<br />

Möglichkeiten der unterrichtsintegrierten und ambulanten Förderung),<br />

- Möglichkeiten des Einsatzes von Fördermaterialien im Unterricht,<br />

- Alternative Unterrichtskonzepte (Freiarbeit, Wochenplanunterricht,<br />

Projektunterricht, Stationsunterricht),<br />

- Möglichkeiten des Erkennens und Förderns beim Vorliegen von Lernstörungen /<br />

Lernbehinderungen, Lese-Rechtschreibschwäche und Dyskalkulie,<br />

- Grundlagen und Fördermöglichkeiten zum sozialen Lernen in der Grundschule,<br />

- Streitschlichtung (Mediation) in der Grundschule,<br />

- Psychologische Grundlagen der Gesprächsführung,<br />

- Öffnung von Schule durch Stadtteilarbeit,<br />

- Trainingskurs : Psychomotorik für ADD / H,<br />

- Trainingskurs : Kooperative Beratung (vgl. MUZECK, 1996, 2002)<br />

Die überwiegende Zahl der Fortbildungen findet in einem Zeitrahmen von 2 Stunden<br />

statt. Ergänzt wird die Fortbildungsreihe durch 3-tägige Fortbildungs - bzw.<br />

Trainingskurse. Für die Teilnehmer/innen wird zu jeder Fortbildung jeweils ein<br />

umfangreiches Kompendium für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema,<br />

unterrichtsrelevante Fördermaterialien und Handlungsstrategien zum Umgang mit<br />

verhaltensauffälligen bzw. verhaltensgestörten Schüler/innen zusammengestellt.<br />

Die Evaluation der Fortbildungsreihe ergab, dass die Teilnehmer/innen die<br />

Fortbildungsinhalte gut beurteilt haben. Es war aber festzustellen, dass günstige<br />

Transfereffekte für Unterricht, Erziehung und die Arbeit mit den Schüler/innen und<br />

Eltern nur bei den Lehrer/innen zu verzeichnen waren, denen eine praxisbegleitende<br />

Beratung zur Verfügung gestellt werden konnte.<br />

3) Aufklärungsveranstaltungen für Eltern und Elternkurse<br />

Dieser wichtige Aspekt der Prävention von Verhaltensstörungen wurde bereits<br />

zweimal in Zusammenarbeit mit dem Schulpsychologischer Dienst und ASD Leipzig -<br />

Nord - Ost in Angriff genommen. Dabei wurde ein spezieller Kurs unter dem Titel:<br />

"Eltern sein, aber wie ?" mit 10 Sitzungen ausgearbeitet und den Eltern, deren Kinder<br />

innerhalb des Projekts betreut wurden, angeboten. Leider war die Resonanz zu<br />

gering, so dass diese Veranstaltungen ausfielen. Für die Zukunft ist es geplant, mit<br />

interessierten Eltern thematische Veranstaltungen durchzuführen, die sich mit dem<br />

Phänomen Verhaltensauffälligkeit / Verhaltensstörung auseinandersetzen und<br />

mögliche Wege der Erziehung aufzeigen. Diese Maßnahmen der primären<br />

Prävention sollen Kooperationspartner aus der Schulpsychologischen<br />

Beratungsstelle und Erziehungsberatungsstelle übernehmen.<br />

4) Gestaltung kindgerechter, schulischer Lebens- und Lernbedingungen für<br />

alle Schüler/innen<br />

• Entspannungsübungen<br />

Mit den Materialien und Geräten der Förder- und Lernwerkstatt des Projekts werden<br />

die Regelschullehrer/innen angeleitet, Entspannungsübungen im und außerhalb des<br />

Unterrichts durchzuführen. Schwerpunkte sind dabei Entspannung mit Musik und<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 18


Bewegung, mit Mandalas, Fantasiereisen und Partnerentspannung. Die Angebote<br />

finden unter den Schüler/innen große Resonanz. Die Regelschullehrer/innen<br />

schätzen ein, dass diese Maßnahmen sich positiv auf das Aufmerksamkeitsverhalten<br />

und Durchhaltevermögen der Schüler/innen in den nachfolgenden<br />

Unterrichtsstunden auswirkt.<br />

Techniken des Lehrer/innenverhaltens<br />

Auf Grund veränderter Sichtweisen gegenüber dem Phänomen von<br />

Verhaltensstörungen durch Fortbildungen und Beratungen, ergeben sich andere<br />

Möglichkeiten des präventiven und reaktiven Lehrer/innenverhaltens (sensibilisiertes<br />

Wahrnehmen und Verbalisieren der aktuellen Befindlichkeit der Schüler/innen,<br />

positives Bekräftigen, Spiegeln, Umlenken, Umstrukturieren, nonverbales und taktiles<br />

Signalisieren und Reagieren u.a.).<br />

• Strukturieren und Ausgestalten des Klassenraums<br />

Durch die Anregungen der Mitarbeiter/innen des Projekts alternative<br />

Unterrichtskonzepte anzuwenden, wird der Klassenraum zunehmend mobiler und<br />

variabler gestaltet und die Unterrichtsergebnisse in entsprechender Form im<br />

Klassenraum und Schulhaus präsentiert.<br />

• Regeln und Rituale im Unterricht<br />

Klassenregeln werden kindgemäß im Klassenraum visualisiert. Schüler/innen mit<br />

Schwierigkeiten in der sozial – emotionalen Entwicklung erhalten in Form von<br />

Signalkarten persönliche Regeln / Ziele, Strategien und Strukturierungshilfen an den<br />

Arbeitsplatz. Diese Maßnahmen werden häufig mit einem Kontingenzvertrag<br />

(Verhaltensvereinbarung) und einem Selbstbeobachtungsbogen für die<br />

Schüler/innen (im Bereich der sekundäre Prävention) kombiniert.<br />

• Einbeziehen von Fördermaterialien der Lern- und Förderwerkstatt<br />

Ein großer Teil der Lehrer/innen nutzt die vorhandenen Materialien der Lern- und<br />

Förderwerkstatt sehr intensiv, um den Unterricht differenzierender und interessanter<br />

gestalten zu können. Außerdem werden sie für die Gestaltung regulärer<br />

Förderstunden der Grundschule genutzt. Fördermaterialien zum sozialen Lernen<br />

werden insbesondere in den „sozialen Stunden“ eingesetzt.<br />

5) Soziale Stunde und / oder Mediation<br />

Soziale Stunden und Mediation stellen ein zentrales Element der primären<br />

Prävention dar und sollen zur besonderen Profilierung der Regelschule im Sinne des<br />

sozialen Lernens anregen. Dafür engagieren sich die Mitarbeiter/innen des Projekts,<br />

indem Sie gemeinsam mit den Regelschullehrer/innen diese Stunden vorbereiten,<br />

durchführen und nachbereiten.<br />

Ziel ist es, die soziale Kompetenz der Schüler/innen insgesamt zu stärken, um damit<br />

Störungen in der sozial – emotionalen Entwicklung vorzubeugen.<br />

Außerdem werden relevante psychosoziale Probleme im Deutsch -, Sachkunde -,<br />

und Ethikunterricht unter Berücksichtigung der Potenzen des Lehrplans (z.B. Familie,<br />

Freunde, Gesundheit, Drogen, Wut, Angst u.a.) thematisiert.<br />

6) Anwenden alternativer Unterrichtskonzepte<br />

In der Analyse der pädagogischen Ausgangssituation des Projekts waren alternative<br />

Unterrichtskonzepte an der Projektschule eher nicht die Regel. Auf Grund der<br />

besonderen sozial – emotionalen Potenzen dieser Unterrichtskonzeptionen werden<br />

in regelmäßigen Abständen die Regelschullehrer/innen durch Fortbildungen auf<br />

deren Durchführung vorbereitet. Um deren Effektivität und Praktikabilität im Sinne der<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 19


primären Prävention aufzuzeigen, werden mit interessierten Lehrer/innen<br />

ausgewählte Projekte gemeinsam vorbereitet, durchgeführt, ausgewertet und<br />

dokumentiert.<br />

Das gemeinsame unterrichtsbezogene Arbeiten von Förderschul- und<br />

Regelschullehrer/innen hat den Vorteil, dass sie sich gegenseitig in ihren<br />

Kompetenzen ergänzen, Erfahrungen austauschen und reflektieren können. Die<br />

gemeinsame Unterrichtsplanung und -durchführung könnte vorbereitend für das<br />

Arbeiten im 2 – Lehrersystem wirksam werden. Diese Form des gemeinsamen<br />

Unterrichtens wäre, bei entsprechenden personellen Rahmenbedingungen, in<br />

weiteren Phasen des Projekts wünschenswert.<br />

7) Allgemeine Beratungsangebote für Erziehung und Unterricht / Beratung mit<br />

Eltern<br />

Bei Schüler/innen mit geringen Verhaltensauffälligkeiten werden allgemeine<br />

Beratungsangebote (z.B. didaktisch - methodische Hinweise für die Lehrer/innen,<br />

Einzel – und / oder Gruppengespräche mit allen Beteiligten u.a.) gemacht, die von<br />

den Lehrer/innen und Eltern als hilfreich und psychisch entlastend eingeschätzt<br />

werden.<br />

8) Einbeziehen von Kooperationspartnern in die schulische und<br />

außerschulische Arbeit (Kooperatives Netzwerk)<br />

• Zusammenarbeit mit inner- und außerschulischen Kooperationspartnern im<br />

Freizeitbereich<br />

Die Zusammenarbeit innerhalb der Schule bezieht sich auf Arbeitsgemeinschaften<br />

und Förderangebote durch den Hort und außerschulische Partner, insbesondere<br />

Sportvereine, die über Kooperationsverträge in der Schule präsent sind.<br />

• Zusammenarbeit mit dem ASD und der Schulpsychologischen<br />

Beratungsstelle<br />

Differenzierte Kontakte existieren zu Mitarbeiter/innen des ASD und der<br />

Schulpsychologischen Beratungsstelle. Sie sind an der konzeptionellen<br />

Weiterentwicklung des Projekts beteiligt und nehmen, soweit es ihre dienstlichen<br />

Verpflichtungen möglich machen, an Fortbildungen teil und bringen sich mit ihren<br />

spezifischen Kompetenzen in die Präventionsarbeit ein. Auf die Ausgestaltung der<br />

Beziehungsebene wird besonderen Wert gelegt, da dadurch die Arbeit auf der<br />

Sachebene entscheidend gefördert werden kann. Die Kooperationspartner<br />

übernehmen bei Bedarf diagnostische bzw. sozialpädagogische Aufgaben. Diese<br />

Maßnahmen werden in den Fall – und Förderkonferenzen (sekundäre Prävention)<br />

mit dem Projekt abgestimmt.<br />

• Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig<br />

Der Lehrstuhl für Verhaltensgestörtenpädagogik an der Universität Leipzig<br />

übernimmt die wissenschaftliche Beratung und Begleitung des Projekts. Es wird<br />

untersucht, inwieweit es möglich ist, durch Maßnahmen der primären und<br />

sekundären Prävention, eine separate Beschulung verhaltensauffälliger /<br />

verhaltensgestörter Schüler/innen vermieden werden kann. Das Institut für<br />

Förderpädagogik (Lehrstuhl Verhaltensgestörtenpädagogik) unterstützt die<br />

Fortbildungsreihe des Projekts und die fachlich, inhaltliche Ausgestaltung der<br />

Handlungsfelder.<br />

• Stadtteilbezogener Katalog „Kooperatives Netzwerk“<br />

Potentielle Partner für Erziehungshilfe im Stadtteil werden anhand eines<br />

Fragebogens ausgesucht und in einem Katalog zusammengefasst. Er wird allen<br />

Grund – und Mittelschulen des Stadtteils als Arbeitsgrundlage zur Verfügung gestellt.<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 20


4.2. Maßnahmen der sekundären Prävention / Integration für Schüler/innen,<br />

Eltern, Lehrer/innen der Grundschule<br />

Die sekundäre Prävention umfasst Maßnahmen und Unterstützungsangebote für<br />

Kinder, die von Störungen in der sozial – emotionalen Entwicklung bedroht sind.<br />

Dabei kommt es darauf an, möglichst frühzeitig erste Anzeichen für diese Störungen<br />

zu erkennen und spezifische Fördermaßnahmen für das Kind zu organisieren. Die<br />

Feststellung eines individuellen Förderbedarfs mit dem Ziel der Überweisung in eine<br />

Förderschule für Erziehungshilfe soll dabei möglichst vermieden werden.<br />

Nach einer Problemanalyse (aus Sicht der Lehrer/in wird der Grad der Betroffenheit<br />

in Schein-, Rand-, Zentral- und Extremkonflikte eingeschätzt) und mit Hilfe<br />

unsystematischer Verhaltensbeobachtungen wird von den Mitarbeiter/innen des<br />

Projekts entschieden, ob nur eine Beratung und / oder allgemein präventive<br />

Maßnahmen mit der Lehrer/in bzw. den Beteiligten oder ein diagnostisches<br />

Verfahren zum Erstellen eines Gutachtens für die Feststellung des individuellen<br />

Förderbedarfs für die integrative Förderung der Schülerin an der Regelschule, nach §<br />

12 Abs. 2 SOFS und der Schulintegrationsverordnung Sachsens (SCHIVO)<br />

durchgeführt wird. Kriterien sind dabei Art, Umfang und Intensität der Probleme in der<br />

sozial – emotionalen Entwicklung der jeweiligen Schüler/in.<br />

Ist die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs für einige<br />

Schüler/innen, trotz aller vorherigen präventiven Bemühungen, dennoch notwendig,<br />

soll durch eine wohnortnahe Integration eine Separation weitgehend vermieden<br />

werden.<br />

In notwendigen Einzelfällen erfolgt für Schülerinnen der Klasse 4 eine weiterführende<br />

Förderung und Begleitung durch die Mitarbeiter/innen des Projekts in die Mittelschule<br />

(Klasse 5 und 6), sofern sich die betreffende Mittelschule im Stadtteil befindet und<br />

zur Kooperation bereit ist.<br />

Handlungsfelder der Mitarbeiter/innen im Bereich der sekundären Prävention<br />

1) Förderdiagnostik (Kind - Umfeld - Analyse)<br />

2) Erstellen eines Gutachtens nach § 12 SOFS (Schulordnung für<br />

Förderschulen in Sachsen) und Dokumentation durch die Regelschule<br />

3) Kooperative Beratung mit den Lehrer/innen und Eltern<br />

4) Gesprächsführung mit dem/der Schüler/in<br />

5) Unterrichtsintegrierte Fördermaßnahmen<br />

6) Ambulante Fördermaßnahmen<br />

7) Bei Bedarf Einbeziehen von Kooperationspartnern (z.B. Jugendamt,<br />

Allgemeiner Sozialer Dienst, Schulpsychologische Beratungsstelle)<br />

8) Evaluation / Modifizierung der Maßnahmen ; Jahresbericht zum<br />

Förderbedarf<br />

9) Ausblendende, förderpädagogische Begleitung<br />

10) ggf. Vorbereitung, Durchführung der Überweisung in die Förderschule<br />

für Erziehungshilfe mit Option der Rückführung (Reintegration)<br />

11) Reintegration aus den Stammklassen für Erziehungshilfe<br />

5. Ergebnisse und Resümee zur Modellphase des Projekts<br />

Betrachtet man rückblickend die Zielstellungen des Projekts (siehe Gliederungspunkt<br />

3), so kann folgendes festgestellt werden :<br />

• Schüler/innen<br />

Das primäre Ziel, eine Überweisung von Schüler/innen mit Verhaltensstörungen in<br />

separate Einrichtungen möglichst zu vermeiden, wurde erreicht. Keine der insgesamt<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 21


28 Schüler/innen (Klassen 1 bis 4), die während des Modellzeitraums in der<br />

sekundären Prävention gefördert und betreut wurden, mussten den Förderort in die<br />

Förderschule für Erziehungshilfe wechseln. Gründe sind in einer erhöhten Sensibilität<br />

gegenüber dem Phänomen von Verhaltensstörungen, erweiterten Wissensinhalten<br />

und Kompetenzen der Regelschullehrer/innen sowie einer fruchtbaren intensiven<br />

Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter/innen des Projekts zu finden. Die sozial –<br />

emotionalen Kompetenzen der Schüler/innen wurden stabilisiert und erweitert. So<br />

gelang es den Schüler/innen während des Förderprozesses immer besser, mit für sie<br />

schwierigen Situationen im Unterricht und in den Pausen umzugehen, stabile<br />

Beziehungen zu den Mitschüler/innen und den Erwachsenen aufzubauen, ihr Lern –<br />

und Arbeitsverhalten umzustellen sowie ihre schulischen Leistungen weitestgehend<br />

zu verbessern. Hilfreich waren dabei die wöchentlichen Gespräche mit den<br />

Mitarbeiter/innen des Projekts. Der neutrale Status der Mitarbeiter/innen ohne<br />

Machtinstanz (z.B. Zensurengebung) unterstützte diesen Prozess.<br />

Die didaktisch – methodische Umstellung des Unterrichts (z.B. Phasierung des<br />

Unterrichts, Anwenden alternativer Unterrichtskonzepte u.a.), Stützunterricht zur<br />

Impulsgebung, Veränderungen im Lehrer/innenverhalten, Anwenden von Methoden<br />

der Verhaltensmodifikation, Anwenden von Gesprächsregeln und – ritualen,<br />

Integrieren von Inhalten des sozialen Lernens in den Unterricht und das Einbinden<br />

des betreffenden Kindes in eine der ambulante Gruppen waren weitere<br />

unterstützende Faktoren zur sozial – emotionalen Förderung des Kindes.<br />

• Regelschullehrer/innen<br />

Die pädagogisch-psychologische Kompetenz der Regelschullehrer/innen konnte im<br />

wesentlichen erweitert werden. Punktuell waren Veränderungen in der<br />

Persönlichkeits-, der Sach-, der kognitiven Situations-, und der pragmatischen<br />

Situationskompetenz festzustellen. Zurückzuführen waren diese Veränderungen auf<br />

kooperative Beratungsgespräche, die Fortbildungsreihe des Projekts, gemeinsame<br />

Fall- und Förderkonferenzen, das gemeinsame Vorbereiten, Durchführen und<br />

Auswerten alternativer Unterrichtskonzepte und die Mitarbeit von<br />

Regelschullehrer/innen im Arbeitsteam des Projekts, die auf Grund ihrer erweiterten<br />

Kompetenzen als Multiplikatoren auftreten konnten. Der Umgang mit<br />

verhaltensauffälligen Schüler/innen erfolgte sensibler und störungsadäquater.<br />

Hilfreich war dabei auch das Nutzen der umfangreichen Materialien und Fachbücher<br />

der Lern – und Förderwerkstatt.<br />

Die Elternarbeit wurde durch das gemeinsame Vorgehen bei Elterngesprächen derart<br />

verändert, indem die Regelschullehrer/innen Techniken der Kooperativen Beratung<br />

beobachten und in ihr Verhaltensrepertoire übernehmen konnten.<br />

Es gestaltete sich trotzdem insgesamt sehr schwierig und langwierig, verfestigte<br />

Einstellungen, Sichtweisen und Verhaltensmuster bei einigen Lehrer/innen<br />

längerfristig zu verändern.<br />

• Förderschullehrer/innen und Pädagogische Unterrichtshilfen<br />

Die Förderdiagnostik, kooperative Beratung, Maßnahmen der primären und<br />

sekundären Prävention und die anspruchsvolle, sensible und intensive<br />

Zusammenarbeit mit den Regelschullehrer/innen waren Handlungsfelder, mit denen<br />

die Förderschullehrer/innen und Pädagogischen Unterrichtshilfen in dem Maße<br />

bisher nicht konfrontiert wurden. Die fachliche Kompetenzerweiterung erstreckte sich<br />

insbesondere in den o.g. Handlungsfeldern.<br />

Hilfreich waren dabei die während der Projektlaufzeit erarbeiteten und erprobten<br />

diagnostischen Inventare, Methoden und Instrumente (Förderpädagogische<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 22


Dokumentation, Strukturierung der diagnostischen Abläufe, diagnostische<br />

Handreichungen, Strukturierung der Gutachten, Handreichungen zum Förderplan,<br />

Handreichung zur kooperativen Beratung, Inventare zur primären und sekundären<br />

Prävention, Inventare zu präventiven und integrativen Fördermaßnahmen).<br />

Nach vielen Jahren förderpädagogischer Arbeit ausschließlich in der Separation,<br />

konnten für diese Kolleg/innen neue, kompetenzerweiternde und persönliche<br />

Erfahrungen gemacht werden.<br />

So wurden den Mitarbeiter/innen der Förderschule für Erziehungshilfe<br />

Bezugsnormen bezogen auf das Verhalten von Regelschüler/innen in der Praxis als<br />

ein für sie nicht gewohnten Erfahrungsbereich vermittelt und sie konnten besondere<br />

Probleme und Rahmenbedingungen der Regelschule verinnerlichen und begreifen.<br />

Das Beurteilen pädagogischer Arbeit in der Regelschule und der Beziehungsaufbau<br />

zu den Regelschullehrer/innen wurde damit im Vergleich zu den vorherigen, teilweise<br />

konträren Sichtweisen entscheidend verändert. Gleichberechtigt im Sinne einer<br />

horizontalen Kooperation, konnten gegenseitig Kompetenzen und Erfahrungen<br />

ausgetauscht werden. Dieses Vorgehen und das diesem zu Grunde liegende<br />

Menschenbild förderte die besondere und angenehme Atmosphäre im Arbeitsteam<br />

und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Regelschullehrer/innen.<br />

• Eltern<br />

Die Zusammenarbeit mit den Eltern war zu Beginn sehr schwierig. Vorbehalte,<br />

Vorurteile, Berührungsängste und negative Erfahrungen mit der Institution Schule<br />

und / oder anderen helfenden Diensten wirkten sich hemmend aus. Es galt diese<br />

Einflussfaktoren im Sinne einer kooperativen Beratung aus dem Weg zu räumen.<br />

Zum überwiegenden Teil gelang es den Mitarbeiter/innen des Projekts, die Eltern zu<br />

einer Mitarbeit zu bewegen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. In vielen<br />

Fällen war die Mitarbeit der Eltern der Schlüssel des förderpädagogischen Erfolges.<br />

Die Eltern wünschten sich häufig eine weitere präventive / integrative Betreuung Ihrer<br />

Kinder über die Grundschulzeit hinaus.<br />

• Entwicklung von Schule<br />

Das Projekt war bemüht, durch Maßnahmen der primären Prävention einen Beitrag<br />

zur Qualitätsentwicklung von Grundschule und Profilierung als „Schule für alle<br />

Kinder“ zu leisten. Das Einrichten einer Lern – und Förderwerkstatt, die Vorbereitung,<br />

Durchführung und Nachbereitung alternativer Unterrichtskonzepte, die<br />

Fortbildungsreihe des Projekts, die konzeptionelle Vorbereitung und Durchführung<br />

„sozialer Stunden“, das Anbieten von Entspannungsverfahren im und außerhalb des<br />

Unterrichts und Anregungen für die Gestaltung kindgerechter Rahmenbedingungen<br />

sollten die Grundschule unterstützen, als Förderer sozial – emotionaler Kompetenzen<br />

sich profilieren zu können.<br />

Fortbildungsangebote und Selbsthilfegruppen für Eltern kamen leider noch nicht<br />

zustande, sind aber weiterhin ein wichtiges Ziel für die primäre Prävention.<br />

• Kooperatives Netzwerk<br />

Die Organisation und Entwicklung eines kooperativen Netzwerks ging aus<br />

personellen und ressourcenbedingten Gründen nicht über die Gestaltung der<br />

Zusammenarbeit mit der Schulpsychologischen Beratungsstelle und dem ASD –<br />

Nord – Ost hinaus. Die Zusammenarbeit mit den o.g. Kooperationspartnern<br />

gestaltete sich aber positiv und war für alle Beteiligten gewinnbringend und<br />

kompetenzerweiternd. Der Ausbau des Kooperativen Netzwerks wird für das Projekt<br />

weiterhin ein Ziel bleiben.<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 23


6. Personelle und materielle Rahmenbedingungen<br />

Personelle Rahmenbedingungen<br />

Von der Förderschule für Erziehungshilfe wurden in der Regel 2 bis 3<br />

Förderschullehrer/innen mit jeweils 5 Wochenstunden für einen Wochentag an die<br />

Grundschule abgeordnet. Von Seiten der Grundschule konnten 2 bis 4<br />

Kollegen/Kolleginnen mit jeweils 4 bis 5 Wochenstunden dem Arbeitsteam<br />

zugeordnet werden. Alle beteiligten Lehrer/innen verstehen sich als eine durch<br />

Akzeptanz und gegenseitige Wertschätzung geprägte Projektgruppe. Innerhalb des<br />

Projektteams sind sogenannte Tandems gebildet worden, in denen jeweils eine<br />

Förderschul- und Regelschullehrer/in gleichberechtigt zusammenarbeiten. Diese<br />

„Tandems“ realisieren alle Handlungsfelder des Projekts gemeinsam, wie die<br />

Maßnahmen der primären und sekundären Prävention (Förderdiagnostik, Beratung,<br />

Förderung, integrative Maßnahmen). Die abgeordneten Grundschullehrerinnen<br />

können einige Aktivitäten auch auf andere Wochentage verteilen (z.B.<br />

Pausenentspannung, Stützunterricht, Elternarbeit).<br />

Das gemeinsame Vorgehen von Regel- und Förderschullehrer/innen hat folgende<br />

Vorteile :<br />

- Sensibilisierung für die Probleme von verhaltensgestörten Schüler/innen im<br />

Kontext der Regelschule,<br />

- Sehen und Verstehen von Verhaltensstörungen,<br />

- Transparenz von förderpädagogischen Prozessen im Sinne der Prävention und<br />

Integration,<br />

- Direkter und horizontaler Austausch von pädagogischen und persönlichen<br />

Erfahrungen und Kompetenzen,<br />

- Auftreten der Regelschullehrer/innen des Arbeitsteams als Multiplikatoren mit<br />

permanenten Kontakt zu den anderen Lehrer/innen, den Schüler/innen und der<br />

Schulleitung,<br />

- Kompetenztransfer für die förderpädagogischen Handlungsfelder,<br />

- Den Förderpädagogen wurde die Möglichkeit eröffnet, über besondere<br />

Bedingungen einer Regelschulklasse zu diskutieren, um dementsprechend ihr<br />

Förderkonzept diesen Bedingungen anzupassen,<br />

- Verbesserung der Gestaltung der Beziehungsebene zu den<br />

Regelschullehrer/innen.<br />

Eine umfangreiche interne Fortbildung und Einweisung der Kolleg/innen sowie das<br />

Vorhandensein vorstrukturierter Materialien zur Diagnostik, Beratung und Förderung<br />

sind Faktoren dafür, dass die gemeinsame Arbeit in den Handlungsfeldern des<br />

Projekts gelingen kann. Die Zusammensetzung des Projektteams aus Regel – und<br />

Förderschullehrer/innen soll zukünftig auf Grund der positiven Erfahrungen<br />

beibehalten werden.<br />

Materielle und räumliche Bedingungen<br />

Durch das Schulverwaltungsamt wurden jeweils ein Beratungs-, Therapie- und<br />

Förderraum in den Projektschulen hergerichtet und mit entsprechendem Mobiliar<br />

ausgestattet.<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 24


Förderliche und Hemmende Bedingungen<br />

• Förderliche Bedingungen für die Umsetzung des Konzepts<br />

- Sehr gute materielle Ausstattung des Projekts (Ausstattung mit Möbeln,<br />

Herrichten der Räume, Förder- und Lernwerkstatt durch das SMK und das<br />

Schulverwaltungsamt Leipzig)<br />

- Geeignete Auswahl der Mitarbeiter/innen des Projekts durch die Förderschule für<br />

Erziehungshilfe und die Schulleitungen der Regelschule)<br />

(Förderschullehrer/innen, PUH, Regelschullehrer/innen)<br />

- Die besondere Arbeitsatmosphäre im Team (Ausgestaltung der<br />

Beziehungsebene, horizontale Kooperation, gegenseitige Wertschätzung,<br />

Akzeptanz und Empathie)<br />

- Möglichkeiten der fachlichen Begleitung durch die Universität Leipzig<br />

- Regelmäßige interne und externe Fortbildungen für die Mitarbeiter/innen des<br />

Projekts<br />

• Hemmende Bedingungen<br />

- häufig wechselndes Personal<br />

- externe Unterrichtsverpflichtungen der Mitarbeiter/innen der Förderschule für<br />

Erziehungshilfe bzw. der Regelschule in ihrer Stammschule am jeweiligen<br />

„Projekttag“ (1. und 2. Unterrichtsstunde)<br />

- zu geringe und z.T. in der Projektlaufzeit schwankende Stundenzuweisungen für<br />

die Mitarbeiter/innen durch das Regionalschulamt<br />

- weite Anfahrtswege (z.B. für einen Zeitraum von 2 Jahren Kolleg/innen aus dem<br />

Landkreis von Leipzig - Torgau)<br />

- zusätzliche Belastungen der Mitarbeiter/innen durch eher verwaltungsbezogene<br />

Tätigkeiten<br />

8. Aktueller Stand der Projektentwicklung<br />

Mittlerweise ist das Projekt auf insgesamt 3 Standorte (seit dem Schuljahr 2000 / 01<br />

die W.- Wander-Grundschule in Leipzig-Ost und seit dem Schuljahr 2001 / 02 die 49.<br />

Grundschule in Leipzig-Süd-West) erweitert worden.<br />

Das Grundkonzept wurde im wesentlichen auf die o.g. Grundschulen übertragen. Als<br />

Besonderheit haben diese Grundschulen LRS – und Vorklassen eingerichtet. Die<br />

genannten Projekte werden durch das Institut für Förderpädagogik und den dafür<br />

beauftragten Projektleiter fachlich betreut und beratend begleitet. Ein vierter<br />

Grundschulstandort ist für das Schuljahr <strong>2004</strong> / 05 geplant und wird derzeit<br />

vorbereitet. Das Grundkonzept des Projekts wurde außerdem auf die Kooperation<br />

einer Grundschule mit der Förderschule für Lernbehinderte in Torgau (zukünftiges<br />

Förderschulzentrum) übertragen und bei der konzeptionellen Umsetzung durch das<br />

Projekt unterstützt.<br />

9. Ausblick / Perspektiven<br />

- Zukünftig soll ein weiterer Projektstandort für eine Grundschule in Kooperation<br />

mit einer Mittelschule Leipzigs aufgebaut werden<br />

- Die dezentralisierten Einrichtungen des Projekts werden organisatorisch und<br />

konzeptionell in das "Förderzentrum für Erziehungshilfe Leipzig" integriert.<br />

- Aufbau eines Kooperativen Netzwerks in den genannten Stadtteilen<br />

- Aufbau von Kooperationen zu benachbarten Mittelschulen, um eine<br />

weitergehende integrative Betreuung gewährleisten zu können<br />

- Entwicklung und Aufbau von Kooperationen zu Integrationskindergärten im<br />

Stadtteil, um den Übergang vom Elementar- in den Primarbereich präventiv /<br />

integrativ unterstützen und mitgestalten zu können<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 25


- Stadtteilbezogene Vernetzungen mit Beratungsstellen der Förderschule für<br />

Lernbehinderte im Sinne einer Prävention von Lernschwierigkeiten /<br />

Lernstörungen<br />

- Mittel- und langfristige Fortbildungsangebote und Supervision für die beteiligten<br />

Regelschullehrer/innen und Förderschullehrer/innen unter Einbeziehen der Lern -<br />

und Förderwerkstatt.<br />

- fachliche Weiterentwicklung der diagnostischen Materialien und Fördermaterialien<br />

für die besonderen Handlungsfelder der Prävention / Integration Schüler/innen mit<br />

Verhaltensstörungen<br />

10. Zusammenfassung und Bewertung<br />

Insgesamt kann ausgesagt werden, dass die Ziele des Projekts bezogen auf die<br />

Modellschule, trotz der benannten Einschränkungen, in guter Qualität erreicht<br />

werden konnten.<br />

Das Ziel eines kooperativen Netzwerkes konnte besonders zu dem Hauptpartner<br />

ASD, dem Jugendamt, der Schulpsychologischen Beratungsstelle aufgebaut und<br />

gesichert werden, zu Partnern der Freizeitgestaltung der Schüler aus den genannten<br />

Gründen leider nicht. Außerdem waren die zusätzlich geplanten Projekte zur<br />

Elternarbeit, wie z.B. Elterngruppen bzw. Elternselbsthilfegruppen bisher nicht<br />

erfolgreich.<br />

Die Mitarbeiter/innen des Projekts werden sich aber weiterhin bemühen, diese Ziele<br />

zu erreichen. Es ist gelungen durch präventive und integrative Maßnahmen keinen<br />

Schüler auf die Schule für Erziehungshilfe überweisen zu müssen.<br />

Positiv ist hervorzuheben, dass es in diesem Umfang erstmalig in der Stadt Leipzig<br />

gelungen ist, dass Mitarbeiter/innen der Förderschule für Erziehungshilfe (jetzt<br />

Förderzentrum für Erziehungshilfe) gemeinsam mit abgeordneten Lehrer/innen der<br />

Grundschule / Mittelschule konkrete Erfahrungen in der (förder-)pädagogischen<br />

Praxis machen konnten. Diese pädagogisch – und persönlich – geprägten<br />

Beziehungen waren getragen von gegenseitiger Wertschätzung, Akzeptanz und der<br />

Suche nach gemeinsamen Lösungen im Sinne der primären und sekundären<br />

Prävention für Schüler/innen mit Verhaltensauffälligkeiten bzw. Schwierigkeiten in der<br />

sozial - emotionalen Entwicklung.<br />

Es lohnt sich deshalb, dieses Modell der Zusammenarbeit zwischen Regel - und<br />

Förderschulen für Erziehungshilfe (Förderzentren) fortzuführen und weiter<br />

auszubauen.<br />

Insbesondere halten wir den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule und<br />

von der Grund – in die Mittelschule als notwendige präventiv begleitende Maßnahme<br />

für sinnvoll und ausbaufähig.<br />

Mit einer ausreichenden und kontinuierlich tätigen personell gesicherten Basis wird<br />

es zukünftig möglich sein, diese Zielbereiche weiter auszubauen und die Aktivitäten<br />

des Projekts auf umliegende Grund – und Mittelschulen des Stadtteils ausweiten zu<br />

können.<br />

Ich bedanke mich herzlich bei den Mitarbeiter/innen des Projekts, der Schulleitung<br />

der 66. Grundschule, der Wilhelm – Wander – Grundschule und der 49. Grundschule<br />

in Leipzig, dem Sächsischen Ministerium für Kultus, Schulverwaltungsamt,<br />

Regionalschulamt der Stadt Leipzig, dem Allgemeine Sozialen Dienst Nord – Ost, der<br />

Schulpsychologischen Beratungsstelle und dem Institut für Förderpädagogik<br />

(Lehrstuhl Verhaltensgestörtenpädagogik, Prof. Dr. Wolfgang Mutzeck) und vielen<br />

anderen Kooperationspartnern für die gute Zusammenarbeit. Ohne den besonderen<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 26


Einsatz, insbesondere der Mitarbeiter/innen des Projekts (Grund -, Mittel -, und<br />

Förderschule bzw. Förderzentrum) wäre die aktuelle Qualität der präventiven und<br />

integrativen Arbeit nicht erreichbar gewesen.<br />

Literatur<br />

Bergsson, M. / Luckfiel, H.: Umgang mit schwierigen Kindern. Cornelsen, 1998.<br />

Bundschuh, K.: Praxiskonzepte der Förderdiagnostik. Bad Heilbrunn, 1991.<br />

Bundschuh, K.: Einführung in die sonderpädagogische Diagnostik. Reinhardt, 1996.<br />

Goetze, H.: Pädagogik bei Verhaltensstörungen: Innovationen. Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1994.<br />

Goetze, H. / Neukäter, H. (Hrsg.): Handbuch der Sonderpädagogik, Bd. 6,Pädagogik bei<br />

Verhaltensstörungen. Marhold, Berlin, 1993.<br />

Eggert, D.: Von den Stärken ausgehend ...: individuelle Entwicklungspläne in der<br />

Lernförderungsdiagnostik. Dortmund, 1998.<br />

Heyer, P. / Preuss-Lausitz, U. / Zielke, G.: Wohnortnahe Integration. Juventa, Weinheim, 1990.<br />

Hillenbrand, C.: Einführung in die Verhaltensgestörtenpädagogik. Reinhardt, 1999.<br />

KMK : Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik<br />

Deutschland,1994.<br />

KMK : „Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Arbeit in der Grundschule“ vom 06.05.1994<br />

KMK : „Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zum Förderschwerpunkt emotionale und soziale<br />

Entwicklung vom 10.03.2000“<br />

Kornmann, R. / Meister, H. / Schlee, J.: Förderungsdiagnostik. Heidelberg, 1994.<br />

Lichtenegger, B.: Ge(h)fühle. Arbeitsmaterialien für Schule, Hort und Jugendgruppen. Veritas, 1998.<br />

Mutzeck, W.: Verhaltensgestörtenpädagogik und Erziehungshilfe. Klinkhardt. 2000.<br />

Mutzeck, W. (Hrsg.): Förderdiagnostik. Beltz. 2002, 3. Auflage.<br />

Mutzeck, W. (Hrsg.) : Förderplanung. Beltz, 2003.<br />

Mutzeck, W.: Kooperative Beratung., Weinheim, 2002, 4. Auflage.<br />

Mutzeck, W. / Pallasch, W. / Popp, K. :Erziehungshilfe konkret - Prävention, Integration und<br />

Rehabilitation bei Schülern mit besonderem Förderbedarf im emotionalen und sozialen Erleben und<br />

Handeln. Praktische Modelle und Methoden, Beltz, <strong>2004</strong>,<br />

Myschker, N.: Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart / Berlin / Köln,<br />

Kohlhammer, 1994.<br />

Opp, G. / Fingerle, M. / Freytag, A.(Hrsg.): Was Kinder stärkt. Reinhardt, 1999.<br />

Schulintegrationsverordnung Sachsen (SCHIVO) vom 03.März 1999<br />

Schulgesetz für den Freistaat Sachsen (Sächs SchG)<br />

Sparkuhl, A. : Unveröffentlichter Abschlussbericht zum Projekt „Präventive und integrative<br />

Erziehungshilfe Leipzig“,2002.<br />

Wittrock, M.: Sonderpädagogischer Förderbedarf und sonderpädagogische Förderung in der Zukunft.<br />

Luchterhand, 1998.<br />

Autoren :<br />

Prof. Dr. phil. Habil. Wolfgang Mutzeck Tel. : 0049/341/9731500;<br />

Fax : 0049/0341/9731549;<br />

e-mail : mutzeck@rz.uni-leipzig.de<br />

Andreas Sparkuhl (Diplomlehrer / Förderschullehrer) Tel. : 0049/341/9731538<br />

e-mail : sparkuhl@rz.uni-leipzig.de<br />

Universität Leipzig<br />

Institut für Förderpädagogik<br />

Fachrichtung Verhaltensgestörtenpädagogik<br />

Marschnerstr. 29-31<br />

04109 Leipzig<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> 27


WIE GEHT´S WEITER NACH DER SCHULE?<br />

CLEARING – EIN ANGEBOT FÜR JUGENDLICHE AM<br />

ÜBERGANG SCHULE BERUF<br />

Besonders Jugendliche mit<br />

sonderpädagogischem Förderbedarf oder einer<br />

Behinderung haben es in den letzten Jahren<br />

schwer auf einem immer anspruchsvolleren<br />

Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Clearing soll<br />

gerade für diese<br />

Jugendlichen Unterstützung am Übergang<br />

Schule-Beruf anbieten. Clearing ist eine<br />

Dienstleistung mit dem Ziel, jungen Menschen<br />

mit besonderen Bedürfnissen, zwischen 13 und<br />

24 Jahren ihre Perspektiven in Bezug auf ein<br />

künftiges Berufsleben aufzuzeigen. Es sollen<br />

dabei Entscheidungsgrundlagen für ein<br />

realistisches weiteres Vorgehen in Richtung<br />

berufliche Integration erarbeitet werden.<br />

Das im Jahr 2001 neu eingeführte Clearing mit<br />

angeschlossener Integrationsbegleitung kann in<br />

Wien seit <strong>2004</strong> Dank der Finanzierung durch<br />

das BSB und durch eine massive Ausweitung<br />

flächendeckend in Schulen, die von Jugendlichen mit SPF besucht werden,<br />

angeboten werden. In Wien bieten drei Träger Clearing an: WIN (WIENER<br />

INTEGRATIONSNETZWERK) betreut die<br />

Schüler/innen von I-Klassen der Polytechnischen<br />

Schulen und Fachmittelschulen, WUK-faktor-i ist für<br />

die SPZ für sinnes-, körperlich- und<br />

schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche<br />

zuständig und Domino macht ein Clearingangebot in<br />

allen anderen Wiener SPZ. Für Jugendliche mit<br />

sozialen und emotionalen Handicaps gibt es ein<br />

speziell auf deren Bedürfnisse ausgerichtetes<br />

Angebot vom Verein LeB!.<br />

Das Clearingangebot umfasst die berufliche<br />

Orientierung durch das Abklären von Neigungen und<br />

Interessen sowie der Stärken und Fähigkeiten der<br />

Jugendlichen. Ein wichtiges Angebot stellt dabei das<br />

praktische Ausprobieren möglicher Berufe in Form<br />

von Schnuppertagen dar. Darauf aufbauend ist es<br />

möglich, einen allfälligen Nachschulungsbedarf zu umreißen sowie für die<br />

Jugendlichen passende berufliche Perspektiven aufzuzeigen. Ergebnis des<br />

Clearingprozesses ist ein Entwicklungsplan.<br />

Die auf den Ergebnissen des Clearings basierende Integrationsbegleitung hat zum<br />

Ziel die Jugendlichen auf Arbeitsplätze am sogenannten ersten aber auch zweiten<br />

Arbeitsmarkt zu vermitteln.<br />

28


Die Jugendlichen werden<br />

dabei durch die Vermittlung<br />

weiterer Praktika,<br />

Bewerbungstrainings und<br />

das Erstellen von<br />

Bewerbungsunterlagen bei<br />

der Arbeitsplatzsuche<br />

unterstützt. Nach dem<br />

Einstieg in das Berufsleben<br />

stehen die Mitarbeiter/innen<br />

der Clearingstellen den<br />

Jugendlichen und den<br />

Arbeitgeber/innen weiterhin<br />

als Ansprechpersonen zur<br />

Verfügung. Alle<br />

begleitenden Maßnahmen<br />

werden, so weit wie<br />

möglich, in<br />

Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten, Lehrer/innen und Personen aus<br />

dem sozialen Umkreis der Jugendlichen geplant und durchgeführt.<br />

29


In Form eines Ablaufschemas kann man das Clearingangebot folgendermaßen<br />

darstellen:<br />

Clearingablaufschema:<br />

30


Wie die Arbeit im Rahmen von Clearing mit angeschlossener Integrationsbegleitung<br />

ganz praktisch aussehen kann, illustriert sehr gut der folgende Bericht über die<br />

berufliche Integration einer Jugendlichen:<br />

Fallgeschichte:<br />

N. kam im Oktober 2002 gemeinsam mit ihrer Mutter zu einem Erstgespräch in<br />

meine Beratung. Sie entschloss sich am Clearing teilzunehmen und wurde von mir<br />

ab November 2002 in Begleitung übernommen. N. war sehr schüchtern und<br />

zurückhaltend, sie stellte immer wieder Fragen um ihre Unsicherheiten<br />

auszugleichen und zeigte Interesse und Motivation von Beginn an. Die ersten<br />

Schnuppertage der Schule verbrachte sie in einem Spielwarengeschäft als<br />

Einzelhandelsverkäuferin, wo es ihr an sich gut gefallen hat, wo aber keine Lehrlinge<br />

aufgenommen werden sollten.<br />

Schon bald nach der Aufnahme<br />

ins Projekt kam es zu einem<br />

Unterstützerkreis in unseren<br />

Büroräumlichkeiten, an dem<br />

außer N. und mir ihre Eltern, ihr<br />

Bruder und ihre Großmutter<br />

teilnahmen. Als nächstes<br />

gemeinsames Ziel ergab sich<br />

daraus das Heben und<br />

Verstärken von N.s<br />

Selbstwertgefühl. Sie konnte so<br />

gar keine Stärken und<br />

Fähigkeiten an sich selbst<br />

entdecken und blühte während<br />

des Unterstützerkreises richtig<br />

auf, als sie von den Anwesenden Lob hörte.<br />

Ein weiteres Ziel war es, Erfahrungen in anderen Berufen sammeln zu können. So<br />

organisierte ich ein Praktikum in einer Textilreinigung, in der der Lehrberechtigte<br />

auch Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf als Lehrlinge aufnahm. N.<br />

gefiel es im Betrieb sehr gut, sie konnte sich schon als Lehrling in der Firma sehen.<br />

Die Rückmeldungen des Lehrberechtigten waren aber nicht nur positiv. Obwohl es<br />

sich um konstruktive Kritik handelte, konnte N. nicht damit umgehen und begann zu<br />

weinen. Ich musste auf der einen Seite versuchen, das Selbstbewusstsein des<br />

Mädchens aufzubauen und sie zu trösten, sah es aber auch als meine Aufgabe auf<br />

der Kritik aufzubauen und N. dazu zu bringen an sich zu arbeiten. Bei den<br />

Kritikpunkten handelte es sich in erster Linie um Äußerlichkeiten. Gemeinsam<br />

entwickelten wir einen Plan, worauf N. in Zukunft genauer achten sollte. Ihre<br />

Kleidung sollte immer sauber sein, die Schuhe sollten geputzt sein, sie sollte auf ihre<br />

Frisur achten und einen allgemein ordentlichen Eindruck machen.<br />

Die Anregungen des Lehrberechtigten im Betrieb, dass sich N. „weiblicher“ anziehen<br />

sollte (mehr Röcke und Blusen, keine Jeans und Pullover) verfolgte ich nicht weiter.<br />

Die Interessen und Fähigkeiten von N. ergaben ein weiteres Praktikum als<br />

Systemgastronomin in einer McDonald’s-Filiale. Die Mitarbeiter/innen des Betriebes<br />

waren von N. sehr angetan, betonten aber auch sofort, dass eine Bewerbung keinen<br />

Sinn hätte, da in dieser Filiale keine Lehrlinge aufgenommen werden. Gemeinsam<br />

mit der Mutter fanden wir eine andere Filiale in der Nähe vom Wohnort der Familie.<br />

N. ging mit ihrer Mutter zu einem Vorstellungsgespräch und durfte auch einen<br />

31


Probetag absolvieren. Die Filialleitung erhielt von mir schriftlich alle Informationen<br />

bezüglich der Möglichkeit einer Förderung durch das AMS.<br />

Ein zusätzliches Schnupperpraktikum im Betrieb wurde als so positiv erlebt, dass<br />

man N. die Zusage für eine Lehrstelle machte und mich telefonisch kontaktierte. Mit<br />

dem Filialleiter wurde der weitere Ablauf besprochen und der Zeitpunkt des<br />

Lehrbeginns festgelegt. Er wollte von mir auch nähere Informationen zu N.s<br />

Lernschwäche haben, da er sich nichts darunter vorstellen konnte. Ich versuchte ihm<br />

einen Einblick zu verschaffen und erklärte anhand von Beispielen, worin N.s<br />

Lernschwäche bestand. Er war bereit sich der Herausforderung zu stellen.<br />

Im Rahmen der Probezeit gab es viele Kontakte mit dem Betrieb. Zum Einen<br />

tauschte ich mich mit dem Filialleiter telefonisch über N.s Fortschritte aus, zum<br />

Anderen gab es gemeinsam mit den Eltern ein persönliches Gespräch im Betrieb.<br />

Die Probezeit verlief nicht ohne Probleme, N. war oft zu langsam in der täglichen<br />

Arbeit. Über Nacht neigte sie dazu das am Vortag Gelernte zu vergessen. Sie konnte<br />

sich selbst nicht immer richtig einschätzen. Und N. wollte auch nur ungern über ihre<br />

Probleme in der Berufsschule sprechen. Es zeigte sich nämlich, dass es doch nicht<br />

so einfach war wie sie anfangs dachte. Ich nahm zur zuständigen Klassenvorständin<br />

Kontakt auf und erklärte meine Aufgabe. Das Gespräch verlief grundsätzlich positiv.<br />

Von Seiten der Berufsschule war zu spüren, dass große Bereitschaft und viel<br />

Verständnis vorhanden waren. Dennoch bekam N. von mir Name und<br />

Telefonnummer einer Studentin, die immer wieder für Klient/innen von uns Nachhilfe<br />

gab. Ein persönliches Treffen wurde organisiert. Von nun an musste N. selbständig<br />

agieren und rechtzeitig ihre Nachhilfelehrerin kontaktieren.<br />

Von Seiten des Clearings bzw. der Integrationsbegleitung war alles getan worden.<br />

Die Jugendliche war nach wie vor engagiert und motiviert, sie liebte ihren Beruf. Die<br />

Familie unterstützte N. so gut es ging. Das Abschlussgespräch mit dem Filialleiter<br />

des Betriebes verlief gut, einem positiven Verlauf der Lehre trotz einiger<br />

unvermeidbarer Schwierigkeiten stand nichts im Wege.<br />

Dr. in Camilla Bensch<br />

Mag. a (FH) Ingrid Hofer<br />

Mag. a Gabriele Krainz<br />

Die Clearingstellen und ihre Kontaktadressen:<br />

WIN – WIENERINTEGRATIONSNETZWERK<br />

Meidlinger Hauptstraße 51.53/2/5<br />

1120 Wien<br />

Tel.: 817 71 83<br />

e-mail: info@win.or.at<br />

www.win.or.at<br />

Kontaktperson: Mag a . Gabriele Krainz<br />

WUK Domino<br />

Josefstädterstraße 51/3/2<br />

1080 Wien<br />

Tel.: 523 48 11<br />

e-mail: domino@wuk.at<br />

www.wuk.at<br />

Ansprechperson: Dr in . Camilla Bensch<br />

WUK faktor i<br />

Rechte Wienzeile 81<br />

1050 Wien<br />

Tel.: 274 9 274<br />

e-mail: faktori@wuk.at<br />

www.faktori.wuk.at<br />

Ansprechperson: Mag a .(FH) Ingrid Hofer<br />

Lehreinstiegsbegleitung:<br />

LeB!<br />

Ansprechperson: Josef Fischer<br />

Tel.: 0650/355 13 59<br />

e-mail: fischer_bfi@gmx.at<br />

32


ZUR NACHAHMUNG EMPFOHLEN<br />

Vorbereitungsseminar der AHS Ödenburgerstraße auf eine Integrationsklasse<br />

Zwischen 1999 und 2003 führte die AHS Ödenburgerstraße eine Integrationsklasse.<br />

Auf die damalige Integrationsklasse bereitete sich das Lehrer/innenteam sorgfältig<br />

und professionell vor. Nach einem Jahr Pause wird im kommenden Schuljahr mit<br />

einer neuen Integrationsklasse begonnen. Ich wurde über die vorbereitenden<br />

Arbeiten für diese Integrationsklasse informiert und auch eingeladen, an einem der<br />

Seminartage teilzunehmen. Da diese Vorbereitungsarbeit für mich beispielhaft, im<br />

Sinne einer positiven und nachahmenswerter Vorgangsweise ist, möchte ich kurz<br />

darüber berichten.<br />

Es soll aber noch bemerkt werden, dass sich das Lehrer/innenteam nicht „nur“ im<br />

Zuge des gemeinsamen Seminars auf die künftige Integrationsklasse vorbereitet,<br />

sondern auch zahlreiche Gespräche dazu vorher geführt wurden und auch nach dem<br />

Seminar geführt werden.<br />

Das Lehrer/innenteam, das in der Integrationsklasse arbeiten wird, nahm nahezu<br />

geschlossen am zweitägigen Vorbereitungsseminar teil. Selbstverständlich wurde<br />

auch die zukünftige Sonderschullehrerin dazu eingeladen.<br />

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die positive Haltung des gesamten Teams zur<br />

integrativen Beschulung eine ist, die derartiges Engagement erst ermöglicht. Das<br />

heißt, Haltung ist die erste wichtige Voraussetzung zum Gelingen von<br />

Integration.<br />

Weiters versteht sich das Team tatsächlich als Team, das gemeinsame<br />

Vorstellungen entwickelt, Vereinbarungen über die Gemeinsamkeit der<br />

Vorgangsweise trifft, wobei der persönliche Stil jedes Teammitglieds respektiert wird.<br />

Anfangs war noch relativ unklar, welche Inhalte in diesem Seminar behandelt werden<br />

sollten. Im Laufe des Diskussionsprozesses innerhalb des Teams nahm die<br />

Gestaltung immer konkretere Formen an.<br />

Der erste Tag war folgenden Themen gewidmet:<br />

• Welche Integrationsschüler/innen haben wir zu erwarten, welche AHS-<br />

Schüler/innen ?<br />

• Wie gestalten wir konkret den ersten Elternabend, noch am Ende des heurigen<br />

Schuljahres<br />

• Unter externer Moderation wurde dann folgender Themenkomplex bearbeitet :<br />

• Erfahrungen der letzten Integrationsklasse: Was haben wir als Problemfelder<br />

erkannt / Lösungen ?<br />

• Welche organisatorischen Probleme gibt es, welche Neuerungen ?<br />

• Welche verbindlichen Klassenregeln erarbeiten wir, was soll in der Klassenstunde<br />

geschehen....?<br />

Anschließend wurden die zuständige SPZ-Leiterin und die AHS Leiterin zur Runde<br />

eingeladen, um sie über die besprochenen Themen zu informieren.<br />

Den zweiten Tag gestaltete das Team alleine und schöpfte aus den vorhandenen<br />

Ressourcen.<br />

Kollegen bereiteten einen Themenkomplex vor, den sie ihrem Team referierten und<br />

boten Gelegenheit zur Diskussion:<br />

33


Thema 1: „Lehrer-Schüler Konferenz“ nach Thomas Gordon – welchen Beitrag kann<br />

Gordon mit seinen Konzepten/Theorien/Erfahrungen leisten, damit der Schulalltag für<br />

Schüler/innen wie Lehrer/innen zufriedenstellend verläuft; was können wir persönlich<br />

umsetzen. .<br />

Thema 2: Die Montessoripädagogik – Theorien von Maria Montessori, Vorstellung<br />

von Materialien und Ideen, Gedanken darüber, wie Teilbereiche auch in der<br />

Integrationsklasse zur Anwendung kommen können.<br />

Thema 3: Fand am Schulstandort statt: Die Nutzungsmöglichkeiten des<br />

hochkomplexen schulinternen elektronischen Netzwerks wurden vorgestellt und die<br />

konkrete Anwendung erklärt (Learning by Doing).<br />

Thema 4: Möglichkeiten des Offenen Lernens. Ein Kollegin erläuterte anhand der<br />

von ihr im Unterricht praktizierten „Offenen Lernphasen“ die Möglichkeiten dieser<br />

Methode und stellte viele Materialien dafür vor.<br />

Dieser Kurzbericht wirft natürlich nur ein Schlaglicht auf einen kleinen Ausschnitt der<br />

vorbereitenden Arbeiten eines Sekundarstufenteams auf eine kommende<br />

Integrationsklasse. Schwer zu vermitteln ist die angenehme, wertschätzende<br />

Atmosphäre, die unter den Kolleg/innen herrscht und auch das Engagement und die<br />

Begeisterung, die zu spüren waren.<br />

Eine Schlussfolgerung ist jedenfalls zu ziehen: Die intensive Auseinandersetzung mit<br />

der kommenden Aufgabe der Führung einer Integrationsklasse, lässt, bei<br />

Bereitschaft aller im Team arbeitenden Personen, ein sehr positives Gefühl<br />

gemeinsamer Verantwortung wachsen und ist (nahezu) ein Garant für das gute<br />

Gelingen bei der Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe.<br />

Ich danke dem Team der AHS Ödenburgerstraße, dass ich bei einem Teil dieser<br />

Vorbereitungsmaßnahmen dabei sein durfte, an dieser positiven Stimmung teilhaben<br />

konnte und wünsche gutes Gelingen !<br />

Mag. Judith Pannos<br />

Integrationsberatungsstelle des Stadtschulrats für Wien<br />

34


LOGO [WERKSTATT] UND LOGO<br />

[SCHULPROJEKT]<br />

»So oder so: mehr denn je ist Erziehung – Erziehung zur Verantwortung.<br />

Und verantwortlich sein heißt, selektiv sein, wählerisch sein.«<br />

(V. E. Frankl, Der Wille zum Sinn, S. 27)<br />

Viktor E. Frankl (1905–1997), Begründer der sinnzentrierten Psychotherapie<br />

»Logotherapie und Existenzanalyse«, bietet in seinem therapeutischen Konzept<br />

überlegenswerte Ansätze gerade für die Pädagogik bei Kindern mit<br />

außergewöhnlichem Verhalten und besonderen Bedürfnissen.<br />

Autoren wie Ines Budnik, Elisabeth Lukas, Karlheinz Biller, Dieter Lotz, Wolfram<br />

Kurz, Franz Sedlak, Karl Dienelt, haben in verschiedensten Publikation versucht, den<br />

Franklschen Ansatz in Theorie und Praxis für die Pädagogik fruchtbar zu machen.<br />

Seit drei Jahren bringt Gudrun Ertl ihre Erfahrungen aus Pädagogik, Existenzanalyse<br />

und Logotherapie, Mediation, Supervision und Philosophie mit Kindern in das logo<br />

[schulprojekt] ein.<br />

Das logo [schulprojekt] ist der Versuch das Gedankengut des Viktor E. Frankl in den<br />

Schulalltag hineinzubuchstabieren und diesem in der logo [pädagogik] eine konkrete<br />

Gestalt zu geben.<br />

Im September 2001 startete das logo [schulprojekt] in den Räumlichkeiten der VS<br />

Hainburger Straße 40 im dritten Wiener Gemeindebezirk.<br />

Das von Norbert Aubrunner und Gudrun Ertl erarbeitete Konzept, erfährt zunächst<br />

seine Umsetzung in einer Kleinklasse – der logo [werkstatt]. Im Sinne verbesserter<br />

Integration und Reintegrationsmöglichkeiten wird das Projekt im Herbst 2003 um<br />

3 Volksschulklassen ergänzt.<br />

Das Kernstück des Projekts bildet die logo [werkstatt]. In dieser Kleingruppe wird mit<br />

Kindern mit außergwöhnlichem Verhalten und besonderen Bedürfnissen gearbeitet.<br />

Der Aufenthalt in der logo [werkstatt] bietet sich also für Kinder an, die den<br />

Anforderungen des täglichen Lebens, insbesondere des Schulalltages in einer ihrem<br />

Potential entsprechenden Weise nicht nachkommen können. Ziel der Arbeit ist die<br />

Wiedereingliederung in die Jahrgangsklasse. Falls ein Kind Probleme bei der<br />

Wiedereingliederung hat, steht ihm weiterhin das Team der logo [werkstatt] zur<br />

Verfügung. Da es sich um ein Tür-an-Tür-Projekt handelt, kann mit auftretenden<br />

Problemen spontan und flexibel umgegangen werden. Möglicher Eskalation kann<br />

schon im Vorfeld gegengesteuert werden. Der weitere Verbleib in der Kleingruppe<br />

mit stundenweiser Reintegration bis hin zu längeren Aufenthalten und letztlich<br />

endgültiger Wiedereingliederung in den Klassenverband ist möglich.<br />

Ein Hauptaugenmerk richtet sich auch auf die intensive Zusammenarbeit mit den<br />

Eltern – den eigentlichen Experten für ihre Kinder. Ein Anliegen ist es auch die<br />

verschiedenen Bezugspunkte der Kinder in die Erziehungsarbeit einfließen zu<br />

lassen: Hort, MA 11, therapeutische Einrichtungen,…<br />

In der logo [werkstatt] geht es um Achtung, Beachtung und Hebung der geistigen<br />

Tiefenperson (V. E. Frankl).<br />

Im Konkreten heißt das:<br />

Vermittlung von sozialer, kognitiver und operativer Kompetenz<br />

Erarbeitung von Kompetenz zur Bewältigung alltäglicher Lebenssituationen<br />

Befähigung zur »Entschleunigung« und »Zergliederung« komplexer Situationen<br />

35


Ausbalancierung von Anpassung und Eigenstand<br />

Hilfe bei der Findung von Kriterien für alltägliches Handeln: wollen – müssen – sollen<br />

Auseinandersetzung mit Werten sozialer und individueller Natur<br />

Unterstützung bei der Ausarbeitung und Erreichung von gesteckten Zielen<br />

Erweiterung des individuellen Handlungsspielraumes<br />

Förderung von Sinnerfahrungen (Erfahrung wertvollen Lebens)<br />

Hebung der Frustrationstoleranz (Stärkung des Psychoimmunsystems)<br />

Aneignung und Stärkung von Erziehungskompetenz (Elternarbeit)<br />

Krisenintervention in akut dramatischen Situationen<br />

Die Auswahl der Kinder für die logo [werkstatt] erfolgt durch das bewährte Modell<br />

der Beratungslehrer/innen und Psychagogen/Psychagoginnen<br />

(Zuständigkeitsbereich:18.IB, BSI Felsleitner).<br />

Norbert Aubrunner<br />

(Kontakt: aubrunner@logo-werkstatt.at)<br />

Weitere Informationen auf www.logo-werkstatt.at<br />

36


PROJEKT „SCHLANGENFUß“<br />

Ein Schulprojekt für Schulverweigerer<br />

SPZ 11, Hoefftgasse 7<br />

1110 Wien<br />

Tel.: 01/7673336/129<br />

Fax. : 01/ 7673336/218<br />

e-mail : schlangenfuss@gmx.at<br />

Kurzbeschreibung des Projektes „Schlangenfuß“<br />

Das Schulprojekt ist ein Angebot für Schulaussteiger im Alter von 12- 15 Jahren, die<br />

weder die Regelschule noch eine bereits erfolgte Kleingruppenbeschulung im<br />

Rahmen eines SPZ halten können und somit Gefahr laufen, durch das soziale Netz<br />

zu fallen.<br />

Rahmenbedingungen :<br />

4 Lehrer ( 2 weiblich, 2 männlich ) unterrichten 12<br />

SchülerInnen koedukativ in einer Gruppe, wobei<br />

mindestens ein Drittel weiblich sein soll. Die<br />

Beschulung erfolgt entsprechend dem SCHUG, in<br />

unkonventionellem Rahmen.<br />

Der Unterricht ist projektorientiert und<br />

erlebnispädagogisch ausgerichtet.<br />

Elternarbeit und Vernetzung mit Institutionen wie<br />

Jugendamt, Therapieeinrichtungen, Lehrstellen,...<br />

sind wesentlicher Bestandteil der Arbeit.<br />

Schulische Ziele :<br />

- HS- Abschluss<br />

- Begleitung in das Berufsleben<br />

- Soziale Integration<br />

-<br />

Soziale Ziele :<br />

- Persönlichkeitsförderung<br />

- Entwicklung von Selbst- und Sachkompetenz<br />

- Entwicklung von Konflikt- und Kommunikationsfähigkeit<br />

- Entwicklung von Problemlösungsstrategien<br />

- Prävention (Gewalt, Drogen, Randgruppen,...)<br />

Aufnahmeverfahren :<br />

Beratungslehrer/in, Schulleiter/in, SPZ- Leiter/in, Klinik, AJF nimmt Kontakt entweder<br />

mit Projektklasse direkt oder mit dem SPZ 11, welchem die Projektklasse angehört,<br />

auf .<br />

Die Aufnahme erfolgt nach Absprache und Vernetzung mit Kind, Projektlehrer/innen,<br />

Beratungslehrer/innen, Psychagogen/Psychagoginnen, Klassenvorständen,<br />

Stammschulleiter/innen, SPZ Leiter/innen, Eltern, Kliniken, Jugendamt und<br />

Therapeuten .<br />

37


Voraussetzungen für Aufnahme ins Projekt :<br />

- alle verfügbaren ambulanten und sonderpädagogischen Betreuungsmöglichkeiten<br />

wurden an der Stammschule bereits ausgeschöpft<br />

- eine Aufnahme in eine Förderklasse oder in eine andere Form der<br />

Kleingruppenbeschulung war entweder nicht möglich oder erfolglos<br />

- es gibt kein schulisches Angebot, welches der/die Schüler/in akzeptieren kann<br />

- der/die Schüler/in bleibt im Stand seiner/ihrer Herkunftsschule<br />

- der/die Schüler/in und seine/ihre Erziehungsberechtigten unterzeichnen einen<br />

Vertrag, in dem grob die wichtigsten Grundregeln des Projekts angeführt sind, ein<br />

Nichteinhalten des Vertrages kann einen Ausschluss aus dem Projekt mit sich<br />

bringen.<br />

Status des/der Schülers/in :<br />

Der/die Schüler/in bleibt wie in der integrativ orientierten Kleingruppenbeschulung im<br />

Stand seiner/ihrer Stammschule.<br />

Die Projektlehrer/innen schicken einen Notenvorschlag an den Klassenvorstand in<br />

der Stammschule, dieser stellt das Originalzeugnis aus und schickt es zurück.<br />

Der/die Schüler/in bekommt somit am Ende seiner/ihrer Schulpflicht im Falle eines<br />

erfolgreichen Abschlusses im Projekt ein Zeugnis seiner/ihrer Herkunftsschule. Im<br />

Schüler/innenstammblatt wird auf keinen Fall vermerkt, dass der/die Schüler/in am<br />

Projekt teilnimmt.<br />

Schulbücher, Fahrausweise, Schulbesuchsbestätigungen und dgl. bekommen<br />

die Schüler/innen von ihrer Stammschule.<br />

Unterrichtsinhalte / Ziele :<br />

Unterrichtet wird nach dem „Prinzip der niederschwelligen Beschulung“. Die<br />

Schüler/innen werden in den notwendigsten Unterrichtsinhalten geschult und<br />

erbringen somit die Mindestanforderungen des Lehrplans. Dies ist<br />

Grundvoraussetzung für einen positiven Jahresabschluss. Ziel des Projektes ist es,<br />

dass die Schüler/innen am Ende der Schulpflicht einen erfolgreichen Abschluss der<br />

jeweiligen Schulstufe erreichen .<br />

Vorrangig sind jedoch Ziele anzustreben, die im sozialen und emotionalen Bereich<br />

liegen.<br />

Erreicht werden sollen diese durch<br />

� eine homogene Gruppengemeinschaft, welche familiäre Strukturen hat -<br />

- die Schüler/innen können im geschützten Rahmen Interaktionen üben;<br />

- sie erleben positive Beziehungen,<br />

- ihr Verhalten in der Gruppe wird ohne zu verurteilen reflektiert<br />

� gemeinsame, alltägliche Aktivitäten wie z. B.: einkaufen, kochen,<br />

abwaschen …. -<br />

- der Gemeinschaftsgedanke steht im Vordergrund,<br />

- abwechselnd stellt sich jeder/e Schüler/in in den Dienst der Gruppe<br />

� Projekte und Outdoortage mit erlebnispädagogischem Ansatz -<br />

- Erfahrung der eigenen Grenzen, Überwindung derselben, Stärkung des Ich-<br />

Bewusstseins,<br />

- Erkennen von Ursache-Folgewirkungen, Übertragung von erlebten Situationen in<br />

den Alltag<br />

- Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen<br />

38


Berufsbegleitung<br />

Das Projekt nimmt eine Brückenfunktion beim Übertritt ins Berufsleben ein.<br />

Durch Kooperation mit Lehrstellen werden den Schülern/innen Möglichkeiten zum<br />

Schnuppern in der Arbeitswelt geboten. Bei der Übernahme in ein Lehrlingsverhältnis<br />

haben die Projektlehrer/innen die Möglichkeit, die Schüler/innen unterstützend zu<br />

begleiten und sich mit den Lehrherren und den Clearingstellen zu vernetzen .<br />

Idealerweise kennen die Lehrherren das Projekt und entscheiden sich bewusst dafür,<br />

auch manchmal schwierige Jugendliche auszubilden.<br />

Unterrichtszeit :<br />

Der Unterricht findet von Montag bis Donnerstag von 8.30 bis 13.30 Uhr und am<br />

Freitag von 8.00 bis 12.00 Uhr statt . An Outdoortagen bzw. bei<br />

erlebnispädagogischen Projekten werden diese Zeiten möglicherweise erheblich<br />

überschritten und der Stundenplan wird im Einvernehmen mit der zuständigen<br />

Schulleitung und Schulaufsicht verändert.<br />

Der Unterricht findet im Rahmen der vorgegebenen Wochenstundenanzahl analog<br />

zur Stundentafel der integrativ orientierten Kleinklassen im Mittelstufenbereich statt.<br />

Dies bedeutet in diesem Fall 22 Stunden Unterrichtszeit und 2 Stunden<br />

psychosoziale Intensivbetreuung. In den Intensivbetreuungsstunden finden auch<br />

Gespräche mit Sozialarbeitern, Erziehungsberechtigten, Therapieeinrichtungen und<br />

Lehrstellen statt.<br />

Martin Plattensteiner<br />

Lehrer am SPZ 11, Hoefftgasse 7<br />

39


EIN SONDERPÄDAGOGISCHES ZENTRUM ALS<br />

REFORMPÄDAGOGISCHE MODELLSCHULE<br />

Das Sonderpädagogische Zentrum in der Steinbrechergasse 6 in der Wiener<br />

Donaustadt versteht sich als eine Reformpädagogische Modellschule.<br />

Ein geplanter Entwicklungsprozess, ein kreatives Ergebnis oder eine magische<br />

Mischung?<br />

Sonderpädagogik, Integrationspädagogik und Reformpädagogik haben sehr ähnliche<br />

Zielvorstellungen: allen geht es um die Humanisierung, die Individualisierung, die<br />

Sozialisierung und die Demokratisierung von Lern- und Lebensprozessen. Unter<br />

diesem Blickwinkel betrachtet, ergibt sich eine nahezu unausweichliche<br />

Schulentwicklungsrichtung.<br />

Dieser Artikel beschreibt drei wesentliche Säulen der Qualitätsentwicklung des<br />

Sonderpädagogischen Zentrums: die kreative Führungsphilosophie (1), die<br />

demokratische Organisationsentwicklung (2) sowie die reformpädagogische<br />

Unterrichtsentwicklung (3).<br />

1) Das Leiten einer Reformpädagogischen Modellschule ist wie das Führen<br />

einer Jazzband<br />

Die Lehrer/innen der Schule Steinbrechergasse haben viele Zusatzqualifikationen<br />

und unterschiedliche reformpädagogische Ausbildungen (Montessori, Freinet,<br />

Jenaplan, Daltonplan). Wie beim Zusammenspiel der unterschiedlichen Instrumente,<br />

gilt es nun die Mannigfaltigkeit der reformpädagogischen Systeme zu einer<br />

vielstimmigen Melodie erklingen zu lassen. Die Aufgabe der Schulleiterin dabei ist es,<br />

Vielfalt zu fördern und Unterschiedlichkeit zu akzentuieren. Wenn dann<br />

Einverständnis über Werte und Ziele hergestellt ist, tönt ein kreativer Sound und<br />

blüht ein belebender Wettbewerb.<br />

Jedes Schulstufenteam lebt in unterschiedlicher Weise seine reformpädagogischen<br />

Ideen. Weltorientierung, Lernwerkstattarbeit, Freiarbeit und Wochenplan sind nur<br />

einige der Organisationsmodelle des Unterrichtes. Bei pädagogischen Konferenzen,<br />

schulinterner Fortbildung und in teamübergreifenden Arbeitsgruppen kommen die<br />

Lehrer/innen miteinander ins Gespräch, werden Erfahrungen ausgetauscht, wird<br />

Praxis verändert und findet organisationales Lernen statt.<br />

Nicht nur zwischen den Lehrer/innen gibt es Unterschiede, auch die Schüler/innen<br />

unserer Schule unterscheiden sich durch ihre Begabungen, ihre sozialen<br />

Lebenswirklichkeiten und ihre kulturellen Wurzeln. So ertönt auch beim<br />

gemeinsamen Lernen und Leben in der Klasse ein jazziger Bigbandsound.<br />

Unterschiede werden als bereichernd erlebt und nicht als Störung, so wie<br />

Disharmonien ein belebendes Element in der Jazzmusik sind. Schulleitung oder das<br />

Führen einer Jazzband bedeutet folgerichtig den produktiven Umgang mit<br />

Unterschieden als Normalität zu etablieren und als Erfolgskriterium zu definieren.<br />

Keine Jazzband kommt ohne Fleiß und Leidenschaft aus. Motivation und<br />

Professionalität sind auch Voraussetzungen zur Entwicklung einer<br />

reformpädagogischen Modellschule. Die Aufgabe einer Schulleiterin in diesem<br />

Zusammenhang ist es, Anerkennung und Anreizsystemen Platz zu geben. Gleichzeit<br />

muss sie Gelegenheiten zum Üben und auch zum Fehler machen schaffen. Um<br />

Veränderungen zuzulassen, müssen sich die Mitarbeiter/innen emotional sicher<br />

fühlen. Gemeinsam kann es gelingen, in jedem Fehler eine Entwicklungschance<br />

wahrzunehmen. Wenn Fehler machen „normal“ ist, bringt die Bewältigung von<br />

40


Fehlern ein höheres Maß an Kompetenz und Ermutigung für alle Beteiligten. Ebenso<br />

muss Schulleitung Strukturen und entsprechende Räume zum Üben schaffen und<br />

letztlich immer wieder erfolgreiche Konzerte und Auftritte für die Band organisieren.<br />

Der Jazz lebt von spannenden Solis und dem Zusammenspiel aller. Die Aufgabe der<br />

Schulleiterin besteht darin, allen ihr Solo zu verschaffen und gleichzeitig darauf zu<br />

achten, dass es ein Solo für die gemeinsame Schule wird. Im Rahmen des<br />

Kooperativen Schulmanagements übernimmt jede/r eine verantwortungsvolle<br />

Aufgabe für die Organisation und kann dabei durchaus mit Starqualitäten brillieren.<br />

Das Feeling für den Prozess und das entwicklungsorientierte Führen sind hierbei<br />

bedeutsamere Leitungskompetenzen als das Verwalten. Ebenso wichtig erscheint<br />

es, produktive Spannungsfelder zu vereinigen und Spielräume für Denken und<br />

Handeln zu eröffnen – in Mitarbeitergesprächen, bei Konferenzen, im<br />

Schulentwicklungsteam,….<br />

Jazz wird dann genial, wenn die Musiker genügend Mut und Vertrauen haben und zu<br />

improvisieren beginnen. Da kann die Bandleaderin in den Hintergrund treten. Wenn<br />

dann eine neue Melodie miteinander kommuniziert wird, wird damit der Rhythmus<br />

des Lebens spürbar. Die Schulleiterin einer reformpädagogischen Schule definiert<br />

Improvisationen als wesentliches Erfolgskriterium. Nicht der vollständig<br />

ausgeklügelte Plan und die perfekte Strategie erschaffen eine lernende Organisation,<br />

sondern eine Balance zwischen Führung, Synergien und Vertrauen in das<br />

gemeinsame Spiel. Ein allzu mechanistisches Kontrollsystem, genaue<br />

Notenvorgaben werden nie den Jazz in seiner höchsten Vollendung – dem<br />

reformpädagogischen Freejazz klingen lassen.<br />

Letzten Endes gibt es in reformpädagogischen Schulen, wie in brillanten Jazzpartien<br />

ein Stück unbeschreibbarer Magie, das sie unverwechselbar macht. Dieses<br />

Erfolgsgeheimnis kann nicht beschrieben werden, kann aber bei Konzerten und<br />

Besuchen wahrgenommen werden.<br />

Diese Magie ist ein wesentlicher Baustein für die ständige Weiterentwicklung des<br />

Jazz, der Schule, der Reformpädagogik.<br />

Was von New Orleans seinen Weg genommen hat und in Chicago seine Blütezeit<br />

erlebt hat, scheint für das Sonderpädagogische Zentrum in der Donaustadt die<br />

passende Philosophie zu sein.<br />

2) Eine reformpädagogische Schule heute ist ohne ein Schulentwicklungsteam<br />

nicht vorstellbar.<br />

An unserer Schule arbeitet nicht Maria Montessori, nicht Celestin Freinet, nicht Peter<br />

Peterson, nicht Helen Parkhurst. An unserer Schule arbeiten engagierte<br />

Lehrer/innen, die unsere Schule zu einem Ort des miteinander Lebens und Lernens<br />

machen möchten.<br />

Wir wünschen<br />

- offenere, flexiblere, individualisierte Unterrichtsgestaltung<br />

- Verbesserung und Humanisierung des Schullebens<br />

- Professionalisierung der Lehrerkooperation.<br />

Wir wollen die Prinzipien der Reformpädagogik miteinander leben: Demokratie,<br />

Humanisierung, Selbstständigkeit, autonomes Handeln in Eigenverantwortung,<br />

Individualisierung, Qualifizierung, Kooperation, Solidarität.<br />

Das Schulentwicklungsteam = SET wurde im Jahr 1999 ins Leben gerufen und hat<br />

sich in einer ca. vierjährigen Aufbauphase zu einer gut funktionierenden<br />

Steuergruppe an unserer Schule entwickelt.<br />

41


Das SET<br />

• beobachtet Schulprozesse<br />

• bringt Projekte, Entwicklungsprozesse in Gang<br />

• bereitet inhaltliche Entscheidungsprozesse vor<br />

• erstellt kleine realistische Ziele<br />

• greift Differenzen und Konflikte auf<br />

• hilft bei der Vorbereitung von lebendigen und effizienten Konferenzen<br />

• entwickelt Kommunikationsstrukturen<br />

• pflegt Kontakte innerhalb der Schulpartnerschaften.<br />

Wichtig ist, dass alle Bezugsgruppen, die an unserer Schule bestehen, eingebunden<br />

sind, beteiligt sind und sich vertreten fühlen. Es zeigt sich, dass in einer<br />

reformpädagogischen Modellschule Schulentwicklung besser im Team stattfindet,<br />

weil damit dem demokratischen Prinzip entsprochen werden kann.<br />

Das SET setzt sich zusammen aus<br />

• je einer Vertreter/in der 4 Jahrgangsteams der Kooperativen Mittelschule<br />

(KMS)<br />

• zwei Vertreter/innen des Aufbaulehrganges (ALG)<br />

• einer Vertreter/in der Spezialist/innen<br />

• einer Vertreter/in der Therapeut/innen<br />

• zwei Elternvertreter/innen<br />

• der Schulleiterin<br />

• zwei Standortkoordinatorinnen für Außenkontakte<br />

• der SET - Leiterin.<br />

Nur wenn es uns gelingt eine große Akzeptanz und Verankerung des SET im<br />

Kollegium zu erreichen, haben unsere Vorhaben eine Chance.<br />

Unsere Schüler/innen sollen zu einem demokratischen Zusammenleben befähigt<br />

werden. Nur was wir selbst leben und erfahren, können wir überzeugend<br />

weitergeben.<br />

Fragen, Diskussionsaufträge, Briefe an das SET sind gute Möglichkeiten Allen das<br />

Wort zu geben. So führte z.B. der Brief einer Kollegin mit der Anfrage und Bitte um<br />

Diskussion: „Wie gehen wir mit `schwierigen` Kindern um?“ zu einem heftigen<br />

Gedankenaustausch im SET, des Weiteren zu einer moderierten Sequenz auf der<br />

Konferenz zur Konsequenzen - Diskussion und zu einer Arbeitsgruppe, die unseren<br />

Konsens zu Papier bringt. Diese Vereinbarungen werden wieder im SET diskutiert<br />

und kommen zu einer abschließenden Abstimmung auf die Gesamtkonferenz.<br />

Übrigens werden die Konferenzen seit einem Jahr nicht mehr allein von der<br />

Schulleiterin vorbereitet und moderiert. Themen werden auf einem Plakat im<br />

Lehrerzimmer gesammelt. Planung und Moderation geschehen in der<br />

Zusammenarbeit jeweils eines SET -Mitgliedes und der Direktorin. Die Lebendigkeit<br />

und Effizienz der Konferenzen hat sich durch diese Kooperation sehr gesteigert.<br />

Für die Befindlichkeitsrunde zu Beginn unserer Sitzungen lassen wir uns viel Zeit.<br />

Jedes SET -Mitglied berichtet in einem Klima von Offenheit und Akzeptanz. Dieser<br />

Austausch von Erfahrungen ist oft Ausgangspunkt für neue Projekte und<br />

Diskussionsthemen. Durch die Berichte über Aktuelles, Persönliches, Brennendes,<br />

über gelungene Wege, unterschiedliche Perspektiven können wir voneinander lernen<br />

und profitieren.<br />

42


Integration ist die Kernaufgabe des SET. Integration verändert das System<br />

Schule. Sie gelingt dann am besten, wenn alle daran arbeiten, Verantwortung<br />

übernehmen und sie als gemeinsame Entwicklungsaufgabe verstehen.<br />

Wenn wir einem inklusiven Menschenbild gerecht werden wollen, besteht die<br />

Aufgabe des SET darin, ein ganz besonderes Augenmerk auf die verbindenden<br />

Momente der beiden Modelle ALG und KMS zu legen. Integration hat nur dann<br />

Aussicht auf Erfolg, wenn sie nicht nur als Ergänzung und Anhängsel an ein<br />

bestehendes System verstanden wird.<br />

Es bedeutet eine große Überforderung und Belastung, wenn nur einige<br />

Integrationslehrer/innen die Verantwortung für die Integration übernehmen. Die<br />

Gestaltungskraft, Gestaltungsfreude, Erfindungsgabe, Originalität, Phantasie aller ist<br />

gefragt, wenn wir Integration leben wollen. Nur so kann es zu einer nachhaltigen<br />

Erneuerung und Umgestaltung kommen.<br />

Aus Not – im ALG fehlten krankheitsbedingt viele Lehrer/innen und der Schulbetrieb<br />

war kaum aufrecht zu erhalten – entwickelten wir die Idee eines flexibleren Einsatzes<br />

von HS und ASO –Lehrer/innen im Haus. Nun unterrichten auch HS –Lehrer/innen<br />

mit einigen Stunden im ALG.<br />

Im SET Qualität sichern und neue Qualitäten entwickeln<br />

Qualität ist dann garantiert, wenn alle Betroffenen in einen Lernprozess eingebunden<br />

sind.<br />

• Schulentwicklung hat Zeit und Raum an der Schule. Sie ist im Kooperativen<br />

Schulmanagement verankert.<br />

• Das SET tagt fünfmal im Jahr. Das hat sich als ausreichend erwiesen. Das<br />

SET plant und bereitet Entwicklungen und Entscheidungsprozesse vor. Die<br />

Arbeit an den eingeleiteten Prozessen, die meist in kleineren Gruppen<br />

stattfindet, braucht Zeit.<br />

• Die SET -Sitzungen werden professionell vorbereitet, moderiert und<br />

nachbereitet. Alle Prozesse und Entscheidungen sind in Protokollen<br />

dokumentiert. Dies sind die Aufgaben der SET -Leiterin bei inhaltlicher<br />

Abstinenz.<br />

• Wenn nötig holen wir uns Hilfe von außen durch einen externen Berater, der<br />

unsere Schulentwicklungsprozesse beobachtet und reflektiert, der Fragen und<br />

Interventionen mitplant.<br />

• Wir lassen uns Zeit für Prozesse. Themen wie z.B. die Leitbilderstellung<br />

werden in mehreren Schleifen bearbeitet: Auftrag der Konferenz, Arbeit in<br />

kleinen Gruppen mit je einem koordinierenden SET -Mitglied, Diskussion im<br />

SET, Bearbeitung des Vorschlags auf der Konferenz, Überarbeitung in<br />

Kleingruppen und im SET, Abstimmung auf der Konferenz.<br />

• Damit keine Entwicklungselitegruppe entsteht, rotieren die SET -Mitglieder alle<br />

zwei Jahre und zwar so, dass jeweils die Hälfte der Mitglieder ausgetauscht<br />

wird. So sind Kontinuität und Wechsel gewährleistet und wir dem Ziel einer<br />

breiten Verankerung etwas näher.<br />

• Wir suchen immer wieder nach neuen Kommunikationsstrukturen. Um<br />

möglichst große Transparenz herzustellen, gibt es ein SET - Informationsbrett.<br />

Dort ist das aktuelle Protokoll ausgehängt. Alle Protokolle werden in einer<br />

Mappe gesammelt und haben ihren festen Platz im Lehrerzimmer. Die SET -<br />

Vertreter/innen berichten in ihren Teams und sammeln Aufträge der Teams<br />

vor den SET - Sitzungen. Die SET Leiterin berichtet auf den Konferenzen.<br />

43


• Reflexion und Evaluation sind Teil unserer Arbeit im SET. Wo stehen wir? Wo<br />

wollen wir hin? Haben wir unsere Ziele erreicht? Wo gibt es<br />

Entwicklungspotential?<br />

Zum Ende des letzten Schuljahres haben wir auf der Konferenz einen<br />

Evaluationsfragebogen verteilt, um zu untersuchen inwieweit die Arbeit des<br />

SET bekannt und im Kollegium verankert ist. Diesen haben wir schriftlich und<br />

kreativ, als Dialog auf der nächsten Konferenz dargestellt.<br />

3) Individualisierung gilt als wesentliches Merkmal einer reformpädagogischen<br />

Modellschule<br />

Ich möchte einen kleinen Ausflug in die Welt der Bedeutungen unternehmen. So<br />

finde ich im Duden unter dem Stichwort individuell „ besonders geartet, von betonter<br />

Eigenart“ und unter Individuum „ das Unteilbare“. Wir alle kennen den abwertenden<br />

Ausdruck: Der ist ein komisches Individuum! Und tatsächlich weist uns der Duden<br />

unter diesem Stichwort neben der Bedeutung „ der Mensch als Einzelwesen“ auch<br />

die Bedeutung „Kerl, Lump“ aus.<br />

Es ist interessant zu sehen, dass zur Zeit absolutistischer Herrschaftssysteme auch<br />

die Pädagogik autoritär ausgerichtet war, da man ja vor allem gefügige Bürger haben<br />

wollte. Nach der Jahrhundertwende von 1900, als die Herrschaftssysteme ins<br />

Wanken gerieten, traten Männer und Frauen auf den Plan, die mit der<br />

Reformpädagogik und deren Wertvorstellungen von der Würde des Kindes<br />

gesellschaftspolitische Umwälzungen bewirkten, wenngleich der Wirkungsradius<br />

relativ klein war. In den 30er Jahren mündete dann die Pädagogik erneut in<br />

autoritäre Systeme.<br />

In der heutigen Zeit, in der die Orientierung auf den Menschen wichtig ist, wie sich<br />

unschwer in der Politik, in der humanistischen Psychologie, im Wohnen und in der<br />

Mode erkennen lässt, erstaunt es, dass Individualisierung, Differenzierung,<br />

Integration, Inklusion so schleppend in der pädagogischen Landschaft Einzug halten!<br />

Eine reformpädagogische Modellschule, die allen Schüler/innen selbstbestimmtes<br />

Lernen ermöglicht, ist selbst eine lernende Organisation.<br />

Dies zeigt sich:<br />

� dass Lehrer/innen nach eigenen Fähigkeiten an ihrer Weiterbildung arbeiten,<br />

denn je mehr ich in eine Thematik involviert bin, desto eher kann ich mein<br />

Wissen mit meiner Begeisterung und Leidenschaft umsetzen<br />

� dass die Bereiche des Kooperativen Schulmanagements in<br />

Eigenverantwortung abgedeckt werden<br />

� dass Feste und Feiern schulpartnerschaftlich geplant und durchgeführt<br />

werden<br />

� dass neue und kreative Ideen, die für den Schulalltag effizient sind Platz<br />

haben, z.B. klassenübergreifende Ateliertage<br />

� dass Schulentwicklung von allen Lehrer/innen getragen wird: Schulprofil,<br />

Leitbild, Veränderungen von außen, wie etwa die Umstellung vom<br />

Schulversuch zur Kooperativen Mittelschule, Vereinbarungen,<br />

Neuorientierungen in der Pädagogik (von der Integration zur Inklusion,<br />

Rollenverteilung und Kompetenztransfer zwischen Hauptschullehrer/innen und<br />

Sonderschullehrer/innen), das schulpartnerschaftliche Zusammenleben.<br />

Die Verschiedenheit des Anderen als bereichend erleben!<br />

44


Die Gedanken der Reformpädagogik sind so fundamental, dass es verwundert, wie<br />

sehr sie immer wieder hervorgehoben werden: das Weltbild der Wertschätzung des<br />

Individuums, die Verschiedenheit des Einzelnen als bereichernd erleben, das<br />

Anderssein ins Schulleben hinein nehmen, damit etwas tun, davon profitieren. Wenn<br />

Integrationskinder die Möglichkeit haben, ihre Stärken zu zeigen, werden Schwächen<br />

zweitrangig. Es zeigt ein hohes Maß an Sozial-, und Selbstkompetenz, wenn sie<br />

Konflikte ansprechen, sich mit anderen Kindern auseinandersetzen, sich trauen im<br />

Klassenrat Probleme anzusprechen. Dann ist ein Höhenwachstum spürbar, kann<br />

sich der Geist frei entfalten und ist für das einzelne Menschenwesen größtmöglicher<br />

Freiraum zu geistig- seelisch-körperlicher Entwicklung gewährt.<br />

In einer Atmosphäre der individuellen Unterschiede können Selbstbewusstsein,<br />

eigene Wertschätzung, das Bild „Ich bin jemand“ wachsen.<br />

Ich möchte nun einige Merkmale dazu aus der gelebten Pädagogik unserer Schule<br />

nennen.<br />

� die Wichtigkeit der Frage für den Lernprozess: Beobachten, Fragen<br />

entstehen lassen, etwas wird fraglich, durch Fragen irritieren oder provozieren,<br />

im Staunen Fragen stellen, Fragen nachgehen, durch Fragen neue<br />

Erkenntnisse gewinnen und diese ins Wissen einbauen.<br />

Ein Beispiel: ich zeige im Unterricht einen Film, unterbreche öfters und lasse in<br />

diesen Pausen die Schüler/innen Fragen stellen, die aber nicht beantwortet<br />

werden. Ebenso gibt es im entdeckenden Lernen, im Fragen- an- die- Welt-<br />

Stellen unbeantwortbare Fragen.<br />

� Hypothesen bilden: offen an ein Thema herangehen, es gibt keine fertigen<br />

Fakten, lernen durch Untersuchen, versuchen, etwas über unsere Welt<br />

herauszufinden- jeder auf seinen Eigenart-, Knoten für das Wissensnetz<br />

knüpfen. Möglich wird dies in der Lernwerkstattarbeit und der Weltorientierung<br />

der Jenaplan Pädagogik.<br />

� Sachkompetenz ist ohne Selbst, - Sozial, - und Methodenkompetenz<br />

nicht möglich. In den Kokoko-Stunden (Kompetenz, Konfliktlösen,<br />

Kommunikation), im Klassenrat, im Schüler/innenparlament, bei<br />

klassenübergreifenden Aktionen werden soziales Lernen und demokratisches<br />

Denken trainiert. So etwa im Bereich Interaktion: Hilfe annehmen, selbst<br />

aktiver Teil des Helfersystems sein, Aufgaben für die Gruppe übernehmen<br />

oder im Bereich Kommunikation: zuhören und andere ausreden lassen oder<br />

im Konfliktmanagement: Vorschläge zur Konfliktlösung finden.<br />

Im fächerübergreifenden Unterricht, sei das in der Arbeit in Bereichen oder<br />

der Weltorientierung (Jenaplan) – hier werden etwa 8 Stunden von<br />

verschiedenen Fächern zusammen genommen und die Schüler/innen arbeiten<br />

an einem Thema über einen Zeitraum von 2-3 Wochen - erlernen und üben<br />

die Schüler/innen vernetztes Denken. Um selbstorganisiertes Lernen (im<br />

entdeckenden Lernen in der Lernwerkstatt, bei Planarbeit, mit Materialien und<br />

offenen Lernformen) zu ermöglichen, muss die Selbstkompetenz trainiert<br />

werden. Das ist im Bereich der Selbstwahrnehmung: eigene Stärken,<br />

Begabungen und Schwächen kennen, eigene Gefühle wahrnehmen und<br />

angemessen ausdrücken können oder im Bereich der Haltung: sich selbst<br />

Ziele setzen und zielgerichtet arbeiten, den Umgang mit der Zeit beherrschen<br />

lernen, Verantwortung für eigenes Tun und Nichttun übernehmen, eine<br />

kritische Haltung und unabhängiges Denken entwickeln, ebenso<br />

Durchhaltevermögen. Die Möglichkeit über mehrere Stunden in der Woche an<br />

einem Thema – dieses ist vielleicht sogar selbst gewählt – arbeiten zu können,<br />

fordert die Konzentration heraus und ist von Kontinuität getragen.<br />

45


In unseren Klassen erleben wir, dass manche Integrationskinder viel<br />

ausdauernder und konzentrierter arbeiten können als andere Schüler/innen,<br />

die mit persönlichen Schwierigkeiten belastet sind.<br />

Ich bin stolz auf meine Leistung und möchte sie gerne anderen zeigen!<br />

� Nachdem nun viel gearbeitet wurde, wie wir oben gesehen haben, sind die<br />

Schüler/innen stolz auf ihre Leistungen und möchten diese auch gerne<br />

präsentieren. Die Präsentationen in unterschiedlichen Rahmen tragen zur<br />

Ich-Stärkung bei und ermöglichen Training für das Berufsleben. Es ist wie im<br />

täglichen Leben, man denke an die Vorstellungsgespräche, die Schüler/innen<br />

führen müssen! Präsentationen finden nach einem Projekt oder nach<br />

Beendigung eines Themas statt, entweder in einer Kleingruppe oder vor der<br />

ganzen Klasse oder die Eltern werden zu einem Elternabend eingeladen um<br />

die Leistungen ihrer Kinder zu würdigen. Dabei sind Eltern selbst aufgefordert,<br />

Materialien auszuprobieren an Stationen, die die Kinder vorbereitet haben und<br />

sie sehen, wie ihre Kinder lernen. Auch Konferenzen sind ein Feld, um etwa<br />

Lernwerkstattarbeit den Lehrer/innen zu präsentieren. Beim Eltern –<br />

Schüler/innen- Lehrer/innen – Gespräch der Kommentierten Direkten<br />

Leistungsvorlage (KDL) zeigen die Schüler/innen ihre Leistungen in Form von<br />

Referaten, Mappen, besonders gelungenen Werkstücken oder Arbeiten. Ein<br />

Portfolio ist zusätzlich noch eine Möglichkeit, den individuellen<br />

Leistungserfolg des einzelnen Schülers, der einzelnen Schülerin zu sehen,<br />

ohne den Erfolg an der Leistung der Klasse messen zu müssen. Es erfordert<br />

ebenso die Fähigkeit des Feedbackgebens und Feedbacknehmens, was stets<br />

als ein Geschenk genommen wird und die Fähigkeit der Selbstreflexion, da die<br />

Schüler/innen zu ihren Arbeiten eigene Bögen ausfüllen müssen.<br />

� Individuelle Rückmeldeverfahren haben den Vorteil, dass Schüler/innen durch<br />

eine differenzierte, klare, transparente Offenlegung der Leistungsbeurteilung<br />

profitieren. Der Vorteil, keine Ziffernnoten geben zu müssen, die den Schüler,<br />

die Schülerin ja doch nur abstempeln ist groß. Doch auch wenn zu den<br />

individuellen Rückmeldeverfahren Ziffernnoten gegeben werden müssen,<br />

besteht trotzdem die Chance von der ich oben gesprochen habe. Solche<br />

Rückmeldeverfahren sind das schon erwähnte KDL, die<br />

Bildungsdokumentation, in der alle Kompetenzen aufscheinen, das<br />

Portfolio und der Kindersprechtag, bei dem ebenfalls individuell auf die<br />

Bedürfnisse der Kinder eingegangen wird.<br />

Alle diese beschriebenen Situationen und Beispiele aus unserem Schulleben<br />

gründen sich auf ein inklusives Menschenbild und sind Qualitätskriterien für eine<br />

Reformpädagogische Modellschule.<br />

Lisa Minnerop-Haeler<br />

Leiterin des Schulentwicklungsteams<br />

Susanna Patschka<br />

Schulleiterin<br />

Christine Tarnai-Hammer<br />

Standortkoordinatorin<br />

46


MEHRSTUFEN-INTEGRATIONSKLASSE IN<br />

WIEN 15<br />

Können Sie sich vorstellen: Sie kommen in der Pause in eine Volksschulklasse – es<br />

ist leise, die Kinder sitzen in kleinen Gruppen an ihren Tischen und arbeiten fleißig<br />

weiter, im Nebenraum spielen einige Kinder ruhig miteinander oder lesen?? Ein<br />

Wunder? Nein, ein ganz normaler Vormittag in einer Mehrstufen-Integrationsklasse.<br />

Was das ist, werden Sie fragen? Nun, ich wusste es auch nicht, bis zu dem<br />

Zeitpunkt, wo ich die Einladung bekam: „Kommen Sie uns doch besuchen, wir haben<br />

auch AD(H)S Kinder, arbeiten in Kleingruppen, nicht mit Frontalunterricht, und es<br />

funktioniert wunderbar bei uns.“ Neugierig geworden, sagte ich zu, vor allem da bei<br />

dem Vortrag in NÖ, den ich gemeinsam mit Prof. Hauser vor etwa 120 Lehrer/innen<br />

und interessierten Eltern gehalten hatte, auch berichtet wurde, dass manche auch<br />

sehr gut mit AD(H)S Kindern (und mit modernen Unterrichtsmethoden) zurecht<br />

kämen.<br />

Was sehe ich? Eifrig und selbständig arbeitende Kinder, mal kommt das eine, um zu<br />

zeigen, dass es fertig sei, mal das andere um zu fragen, wo es denn .... fände, die<br />

Lehrerin lobt, zeigt auf einen Fehler „ach ja!“ und rasch ist er ausgebessert. Fehler<br />

werden einzeln bei jedem Kind notiert und sind damit schon die nächsten Lernwörter<br />

– eben individuell pro Schüler/in. Das System des selbständigen Lernens wird mir<br />

von Frau VLn Ingrid Teufel erklärt. Es ist ein „vernetztes Lernen“, die Kinder<br />

erarbeiten selbständig (in Kleingruppen zusammen sitzend) ein bestimmtes Thema<br />

(z.B. Pferd oder Gliederfüßler). Deutsch, Mathematik, Lesen muss täglich dabei<br />

abgedeckt sein, englische Vokabeln können gesucht werden, Kreatives wird<br />

angeregt (z.B. etwas zu dem Thema zeichnen, reimen, ein Lied oder einen Tanz<br />

kreieren...). Im anderen Raum sehe ich den Lehrer mit einem einzelnen Kind arbeiten<br />

47


und eine dritte Lehrerin mit sechs Kindern, die gerade Lesen und Schreiben in der<br />

Kleingruppe lernen. Daneben sitzen zwei Mädeln am Boden und unterhalten sich<br />

leise, ein Bub liest interessiert in einem Buch......<br />

In der Klasse, die aus zwei riesigen zusammenhängenden Räumen besteht, stehen<br />

Tische und Sessel in kleinen Gruppen, zusätzlich sind Bänke zu einem Kreis<br />

zusammengestellt. Bunte Bilder an der Wand, viele Regale voll mit Büchern, Lern-<br />

und Spielmaterial sind nach Themenschwerpunkten geordnet. Ich sehe keinen<br />

Lehrertisch, nur einen „Info-Tisch für Aktuelles“. Computer und (Privat-)Laptops der<br />

Lehrerin dürfen die Kinder benützen. Es existieren klar strukturierte Rückmelde-<br />

und Wochenpläne.<br />

Für 28 Kinder stehen täglich zwei Lehrer/innen (Frau und Mann) und eine dritte für<br />

die Jüngsten (mit halber Lehrverpflichtung) sowie eine Beratungslehrerin für ca. 2<br />

Std./Woche zur Verfügung.<br />

Aber halt – ich wollte ja noch über meine Erlebnisse berichten: Nachdem die Kinder<br />

mit ihrer Arbeit so weit fertig waren, kamen alle zum Sitzkreis. Jedes Kind berichtete,<br />

was es am Vormittag gearbeitet hatte, aber auch, ob es mit sich zufrieden war. Wenn<br />

eines gar zu streng mit sich war, lobte oder tröstete die Lehrerin. Dann meinte ein<br />

Bub, der sehr eifrig gearbeitet hatte: „Ich war heute gar nicht mit mir zufrieden“<br />

„Warum denn nicht?“ „Weil ich vergessen habe, etwas zu essen.“ Rasch durfte sich<br />

der Schüler sein Jausenbrot holen, während die anderen weiter zu Wort kamen.<br />

Nicht nur die Kinder, auch die Lehrer gaben Rückmeldung, und auch ich wurde von<br />

den Kindern aufgefordert, etwas zu sagen. Was mir ganz besonders auffiel, war die<br />

liebevolle Art, wie Kinder miteinander umgingen, es war keine Konkurrenz, sondern<br />

jeder hatte seinen Teil (wenn auch unterschiedlich gut oder unterschiedlich viel)<br />

gemacht und sie hörten einander auch zu, was jeder zu berichten hatte.<br />

Kinder zeigten mir voll Stolz ihre Arbeitsmappen und ich lernte, dass eine Tarantel<br />

gar 25 Jahre alt werden kann! Dann verschwanden vier Knaben auf den Gang, weil<br />

sie noch rasch ein Quiz für die Klasse vorbereiten wollten – nicht ohne vorher zu<br />

fragen, ob sie das dürften.<br />

Nach der Turnstunde, die wieder alle gemeinsam hatten, wurde eine kleine Gruppe<br />

von dem jungen Engländer unterrichtet, während andere „Spielstunde“ hatten.<br />

„Außerhalb des Stundenplans“, wie mir versichert wurde, blieben Lehrer/innen und<br />

Schüler/innen noch da, „damit das soziale Lernen, Geschicklichkeit, Spaß und Spiel<br />

nicht zu kurz kämen.“ Danach wurden einige Kinder abgeholt, dabei fragten sie:<br />

„Was dürfen wir noch zu Hause machen?“<br />

48


„Unglaublich“, werden Sie sagen, „das sind ausgesuchte Kinder von höchst<br />

motivierten Eltern.“ Nein, es ist eine Integrationsklasse mit vier diagnostizierten<br />

Integrations-Kindern (Down-Syndrom, Autismus, zystische Fibrose, ADHS) und<br />

anderen Kindern, die aber nicht als Integrationskinder geführt werden: eines mit<br />

Epilepsie, ein anderes mit einer starken Sehbehinderung, ein weiteres Kind mit<br />

autistischen Zügen, ADS .... vier Kinder haben Deutsch nicht als Muttersprache... Es<br />

sind eben fröhliche, nachdenkliche, zarte, starke, konzentrierte, unkonzentrierte,<br />

temperamentvolle oder bedächtige ... Kinder, jedes anders.<br />

Das, was zählt, ist das EINZELNE KIND, nicht eine Diagnose oder sein Verhalten,<br />

das KIND, DAS NACH SEINEN INDIVIDUELLEN FÄHIGKEITEN GEFÖRDERT<br />

WIRD. Dabei muss nicht jeder das Gleiche leisten, ja nicht einmal das Niveau der<br />

Klasse ist ein Kriterium, sondern das, was das einzelne Kind an Qualität und<br />

Quantität leisten kann. Von der Vor-Schülerin bis zum Viertklassler, ganz<br />

unterschiedliche Kinder arbeiten zusammen, und es ist möglich, von drei bis zu fünf<br />

Jahren in dieser Schulform zu bleiben – wie es den individuellen Bedürfnissen der<br />

Kinder entspricht. Leben und Lernen sind miteinander verknüpft. „Die<br />

Atmosphäre einer Klasse bestimmen die Lehrer/innen, sie sind Vorbild, Moderator,<br />

und die Kinder lernen von ihnen und sie lernen voneinander, sie lernen aus Büchern,<br />

Spielen, Lernmaterialen....“, sagt Frau Teufel zu mir. „Die Kinder waren früher auch<br />

ganz anders, da hat sicher viel der klar strukturierte Rückmelde-Wochenplan<br />

beigetragen und vor allem unser Mit-einander, die Lehrer/innen-Schüler/innen-<br />

Gemeinschaft, unsere tollen Kinder, und unsere wunderbare Beratungslehrerin.“<br />

Gemeinschaft, die sich auch auf Eltern ausdehnte.<br />

Ich erinnere mich an Erzählungen meines Vaters (1909-1998) –der Schüler der<br />

Versuchsklasse der Schulreform (Otto Glöckel) war, an Erzählungen des<br />

Kinderpsychiaters Prof. Walter Spiel (1920-<strong>2004</strong>) über seine eigene Schulzeit und<br />

die individualpsychologische Pädagogik seines Vaters Oskar Spiel. Ich erinnere mich<br />

an das, was ich über Alfred Adler, Maria Montessori, über Reformpädagogik, über<br />

Gruppendynamik, Motivation und Lernen ..... weiß, aber noch nie habe ich das alles<br />

so integriert und gleichzeitig mit modernsten Unterrichtsmitteln gesehen, noch nie<br />

habe ich erlebt, dass jemand so gut pädagogisches und psychologisches Wissen<br />

und ethische Grundhaltung miteinander verbindet.....<br />

49


Die Atmosphäre in dieser Klasse war wirklich bemerkenswert! Es wäre ja wunderbar,<br />

wenn es mehr solche Klassen gäbe, Klassen, in denen Kinder neben dem<br />

Gemeinschaftsgefühl und der Liebe zum Lernen und Arbeiten auch ein so positives<br />

Lebensgefühl mit der Schule verbinden können! Es wäre wunderbar, wenn dieser<br />

Schulversuch als Mittelschule (oder als Gymnasium?) weitergeführt werden<br />

könnte...Es wäre wunderbar, wenn es Ressourcen und strukturelle Bedingungen<br />

gäbe, in welchen solche Initiativen auf eine breitere Basis gestellt werden könnten...<br />

Es wäre wunderbar, wenn dieses Konzept in Aus- und Fortbildung weitergegeben<br />

würde, damit viele Lehrer diese Haltung und Methodik übernehmen könnten...<br />

(Weitere Infos: ronning.teufel@utanet.at)<br />

Oder vielleicht gibt es das schon??? Ja? Dann bitte berichten Sie uns doch<br />

auch darüber!<br />

Dr. Renate Grimmlinger<br />

Lernregeln von Hans SCHACHEL ergänzt von Frau VLn. Ingrid Teufel, Wien<br />

Regeln für gehirngerechtes Lernen<br />

... und deren Umsetzung in der integrativen Familienklasse ...<br />

Überblick vor Einzelinformation<br />

Dadurch kann das Hirn nach schon vorhandenen<br />

"Speicherplätzen" suchen bzw. neue anlegen.<br />

Es ist dann auf die "Wahrnehmung" von<br />

Einzelinformationen vorbereitet.<br />

2. Wozu lerne ich das ....?<br />

Wenn mir klar ist, warum ich mich mit einer Sache<br />

beschäftigen soll/ will, bin ich "lernbereiter" und<br />

für diese Sache eher "auf Empfang geschaltet"!<br />

3. Interesse wecken!<br />

Neugierde ist die beste Voraussetzung, um Neues<br />

aufzunehmen und zu behalten.<br />

Persönliches Interesse schafft jene positiven<br />

Gefühle, die eine unverzichtbare Basis für<br />

effizientes Lernen darstellen!<br />

Gemeinsames Brainstorming, die<br />

Erstellung von Mindmaps und die<br />

Arbeit mit meinen Denkkisterl geben<br />

mir wertvolle Hinweise über bereits<br />

vorhandene „Wissensanker“.<br />

Kinder:<br />

Was bringt mir meine Plagerei?(�<br />

z.B. Präsentation der<br />

Arbeitsergebnisse)<br />

Lehrer:<br />

Beachten der<br />

Aufnahmebereitschaft<br />

(Aufmerksamkeit,<br />

Konzentration,�LUS) und<br />

Aufnahmekapazität<br />

(Mnemotechniken, Kerninfos, ..)<br />

Der Lehrer als Animateur?<br />

Die vorhandenen Interessen nutzen<br />

Interesse wecken- aber wie?<br />

Z. B. indem man den Kindern<br />

sinnvolle, angenehme Ziele<br />

(Rückmeldungen, Präsentation,..)<br />

anbietet.<br />

50


4.Wiederholen!<br />

Die moderne Hirnforschung belegt:<br />

Wenn Nervenschaltkreise öfter betätigt werden,<br />

werden sie stabiler.<br />

Stures, mechanisches Auswendiglernen ist hier<br />

allerdings nicht gemeint, vielmehr ist variables<br />

Wiederholen erforderlich.<br />

Zusammenfassen des Wesentlichen‚<br />

und Vergleichen mit dem Überblick sind hier<br />

von besonderer Bedeutung.<br />

5.Mehrere Sinne ansprechen!<br />

Informationen sollten nicht nur über die Wege<br />

"Auge" und "Ohr" ins Gehirn gelangen,<br />

sondern auch über das "Begreifen".<br />

So werden sie mehrfach "vernetzt" und damit<br />

dauerhafter im Gehirn gespeichert.<br />

"Begreifen" heißt immer Selber- Machen.<br />

Selbst etwas tun und es anderen erklären -<br />

dabei findet Lernen statt.<br />

6.Auf die Gefühle achten!<br />

Angst und Stress behindern den Weg der<br />

Information ins Gedächtnis. Für die dauerhafte<br />

Speicherung und den erfolgreichen Abruf von<br />

Informationen aus dem Gedächtnis sind positive<br />

Gefühle notwendig.<br />

Deren Rolle beim Lernen und Denken ist<br />

anatomisch und physiologisch eindeutig<br />

nachweisbar!<br />

7.Rückmelden!<br />

Lernen ist sinnlos, wenn man keine Kontrolle<br />

darüber hat, ob überhaupt das Richtige gelernt<br />

wurde!<br />

Hirnbiologisch ist eine möglichst baldige<br />

Rückmeldung überaus bedeutsam:<br />

In der Phase, in der der Prozess der Speicherung<br />

in den Nervennetzen noch im Gang ist,<br />

sind "Reparaturen" nämlich leichter möglich<br />

als nach erfolgter Fixierung.<br />

Umlernen ist immer schwieriger als Neulernen!<br />

Die "Rückmeldung" kann durch Fremd- oder<br />

Selbstkontrolle erfolgen.<br />

Beim Rückmelden nicht vergessen:<br />

Loben! Verstärken! Bekräftigen!<br />

„Philosophieren“ (z.B. Ähnlichkeiten<br />

und Unterschiede suchen) sind<br />

effiziente und anregende<br />

Wiederholungshelfer.<br />

Bei uns kommen dabei viele meiner<br />

Materialien zum Einsatz, darunter<br />

meine Denkkisterl,<br />

die Philosophier- Kartei,<br />

Ordnungskisterl (Dinge, Wörter<br />

zum Thema ordnen- dabei auch<br />

selber Ordnungskriterien finden)<br />

„Kuckuckseier“ suchen<br />

Mnemotechniken:<br />

Das „Kopfkino“, visualisieren<br />

trainieren, dabei aber auch mehrere<br />

Sinne ansprechen.<br />

Lernlandschaft mit Materialien für<br />

möglichst alle Lerntypen vorbereiten<br />

Angenehme Lern- Atmosphäre:<br />

Umgangston von Lehrenden �<br />

� Mitschülern/innen<br />

Umgebung, Klassenraum<br />

Rückmeldungen immer und<br />

so schnell wie möglich geben.<br />

In offenen Lernphasen ist es leicht<br />

möglich, unmittelbar zu kontrollieren<br />

und unmittelbar Rückmeldungen zu<br />

geben.<br />

Arbeitsmittel mit Möglichkeiten<br />

zur Selbstkontrolle<br />

Rückmelden (� positiv und negativ)=<br />

Verstärken!<br />

Keine Rückmeldung= keine<br />

Verstärkung!<br />

51


8.Pausen einlegen!<br />

Die Hirnchemie braucht Zeit, um in Ruhe am<br />

neuen Stoff arbeiten zu können. Man nennt<br />

diesen Vorgang "Konsolidierung" (Festigung).<br />

Um die Konsolidierung nicht zu stören, ist es<br />

notwendig, die sogenannte<br />

„Ähnlichkeitshemmung"<br />

zu verhindern.<br />

Durch zeitlich zu nahes Präsentieren ähnlicher<br />

Stoffe stellt sich nämlich Verwirrung ein und die<br />

Information kann sich nicht in Ruhe "setzen".<br />

9.In der richtigen Reihenfolge lernen!<br />

Erst ein "roter Faden", der sich logisch durch die<br />

aufeinander folgenden Lernschritte zieht,<br />

bewirkt, dass im Gehirn neue Informationen<br />

wirklich mit dem dazu passenden alten Bereich<br />

vernetzt werden und damit als "sinnvoll"<br />

empfunden werden.<br />

Durch Vorab- Information wird das Verstehen<br />

erleichtert und das Lernen stressfreier!<br />

10.Vernetzen!<br />

Experimente der kognitiven Psychologie zeigen,<br />

dass unser Gedächtnis "vernetzt" arbeitet<br />

(Assoziationen...).<br />

Vernetzen bedeutet u. a.<br />

Lernen in Zusammenhängen,<br />

fächerübergreifendes, projektorientiertes Lernen<br />

Ansprechen mehrerer Sinne<br />

Ich arbeite hart daran, überflüssiges<br />

„Lehrergeschwätz“ (Zitat Petersen)<br />

zu vermeiden.<br />

In „aufbauenden“ Fächern (z. B.<br />

Naturwissenschaften) ist dieser rote<br />

Faden unerlässlich. Aber auch in<br />

anderen Fächern ist das Vernetzen<br />

der neuen Infos sinnvoll,<br />

weil dadurch vorhandenes Wissen<br />

wiederholt wird;<br />

die Kinder wissen vorab, was sie<br />

lernen und wozu, mit welchem Ziel<br />

Lernnetze: fächerübergreifender,<br />

ganzheitlicher Unterricht<br />

handelndes Lernen<br />

nach: Schachl, Hans: Was haben wir im Kopf? Die Grundlagen für gehirngerechtes<br />

Lernen. Linz 1996. S. 8f.:<br />

ergänzt von VLn Ingrid Teufel http://www.dagmarwilde.de/sachunterricht.html<br />

52


WIE AUS EINER VISION WIRKLICHKEIT<br />

WURDE<br />

Schüler/innen mit Sonderpädagogischem Förderbedarf an der Einjährigen<br />

Wirtschaftsfachschule<br />

Unbekanntes kann verunsichern, Angst erzeugen, Ablehnung hervorrufen.<br />

Unbekanntes kann aber auch, wenn es als gesellschaftspolitisches Anliegen<br />

erkannt und als Herausforderung verstanden wird, neugierig machen und<br />

Initialzündung für einen Versuch sein.<br />

So geschehen an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe,<br />

Wien 19, Straßergasse 37-39.<br />

Das Anliegen war, in einer Einjährigen Wirtschaftsfachschule eine<br />

Integrationsklasse einzurichten.<br />

An vielen Schulen wurde angefragt, fast ebensoviele haben abgewunken. Aber eben<br />

nur fast. Eine, nämlich die oben erwähnte Schule in der Straßergasse, nahm diese<br />

Herausforderung an.<br />

Zunächst suchte Herr Landesschulinspektor Gerhard Tuschel (Inspektorat für<br />

Sonderschulen und Integration in Wien) das Gespräch mit der Schulleiterin Hofrätin<br />

Dir. Dr. Wospiel und erläuterte das Anliegen.<br />

Eine Integrationsklasse in der Einjährigen Wirtschaftsfachschule sollte angedacht<br />

und realisiert werden, in welcher Regelschüler/innen gemeinsam mit Schüler/innen<br />

mit Sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden.<br />

Die Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, für die der Besuch dieses<br />

Schultyps gedacht ist –allerdings nur möglich in einer Integrationsklasse- sind solche,<br />

die in der Grund- und Sekundarstufe in Integrationsklassen beschult wurden, dort<br />

den Regelschullehrplan nicht oder nur teilweise erfüllten (also ganz oder teilweise<br />

nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule unterrichtet wurden) und für die<br />

der Schultyp „Einjährige Wirtschaftsfachschule“ sinnvolle Ergänzung und Erweiterung<br />

ihres Bildungsweges darstellt.<br />

Sonderpädagogischer Förderbedarf ist gegeben, was heißt, dass für die<br />

Schüler/innen die in dieser Schulform vermittelten Inhalte ebenfalls gelehrt werden,<br />

allerdings von einer Sonderpädagogin so aufbereitet, dass sie den Fähigkeiten und<br />

Möglichkeiten der Integrationsschüler/innen entsprechen.<br />

Sorgfältige Vorbereitungsarbeiten durch die Leiterin des die Klasse betreuenden<br />

Sonderpädagogischen Zentrums, Dir. Heidi Rakowitz liefen an.<br />

In einer Integrationsklasse werden die Schüler/innen mit Sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf durch Sonderpädagogen/Sonderpädagoginnen betreut. Um die<br />

durchgehende Betreuung der Schüler/innen zu gewährleisten wurden zwei<br />

Kolleginnen (nicht jeweils mit ganzer Lehrverpflichtung) eingesetzt.<br />

Es wurde die Stundentafel für die Integrationsschüler/innen reduziert.<br />

53


Eine der Kolleginnen verfügt nicht nur über die<br />

Ausbildung als Sonderpädagogin, sondern ist<br />

auch Lehrerin für Werkerziehung,<br />

Hauswirtschaft und Ernährung. Dies hat sich<br />

hinsichtlich der Schwerpunkte der Einjährigen<br />

Wirtschaftsfachschule als besonders sinnvoll<br />

erwiesen. Schüler/innen, die zur Weiterführung<br />

in der Einjährigen Wirtschaftsfachschule in<br />

Frage kamen, wurden von der SPZ-Leiterin<br />

und den Sonderpädagoginnen besucht,<br />

Gespräche mit den Erziehungsberechtigten<br />

und den abgebenden Schulen wurden geführt.<br />

Auch das Lehrer/innenteam der Schule in der<br />

Straßergasse bereitete sich, gemeinsam mit<br />

den künftigen Sonderpädagoginnen sorgfältig<br />

auf die kommende Integrationsklasse vor.<br />

Einmal mehr wurde die Tatsache untermauert,<br />

dass das Um und Auf zum Gelingen von<br />

Integration ausreichende und sorgfältige Vorbereitung ist und die Bereitschaft eines<br />

Teams GEMEINSAMEN Unterricht, der miteinander geplant wird, durchzuführen. Die<br />

Leiterin der Regelschule und des Sonderpädagogischen Zentrums sowie die<br />

Lehrer/innen haben gemeinsam die Voraussetzungen für einen bestmöglichen Start<br />

geschaffen.<br />

Der Erfolg gab ihnen Recht.<br />

Mag. Judith Pannos,<br />

Integrationsberatungsstelle des Stadtschulrates für Wien<br />

Im Folgenden ein Bericht der Sonderpädagogin Frau Brigitte Purtscher über das<br />

abgelaufene Jahr und über die ersten Wochen in der heuer neu eröffneten<br />

Integrationsklasse der Einjährigen Wirtschaftsfachschule.<br />

INTEGRATION AN DER BERUFSBILDENDEN<br />

MITTLEREN SCHULE<br />

in der Einjährigen Wirtschaftsfachschule<br />

Seit dem Schuljahr 2002/03 gibt es an der BMS (Berufsbildende mittlere Schule) in<br />

der Straßergasse, 1190 Wien, eine Integrationsklasse im Schulversuch. Diese<br />

Einjährige Wirtschaftsfachschule bietet für Integrationskinder eine Alternative zum<br />

Polytechnischen Lehrgang, der von deren Eltern oft aus den verschiedensten<br />

Gründen abgelehnt wird.<br />

Ich bin seit 1988 in der Integration tätig und erlebte immer wieder die Ratlosigkeit<br />

vieler Eltern, wenn sich das 8. Schuljahr dem Ende zuneigte. Durch die Initiative<br />

einer betroffenen Mutter, die bei Hr. LSI Tuschel Gehör für ihr Anliegen gefunden<br />

hatte, wurde endlich eine Klasse an der HBLA Wien 19 für den Schulversuch<br />

gefunden. Ich wurde gebeten, in dieser Klasse zu unterrichten und bei der<br />

Teambildung mitzuwirken. Es kam also zu den ersten Gesprächen mit den neuen<br />

54


Kolleg/innen. Keine Seite wusste was sie von der anderen Seite zu erwarten hatte<br />

und die Neugierde war dementsprechend groß. Mein Vorteil bestand darin, dass ich<br />

schon mehrmals miterleben durfte, wenn ein neuer Integrationsstandort eröffnet<br />

wurde. Somit wusste ich über die größte Angst der neuen Teamlehrer Bescheid: Wie<br />

gestaltet sich der Unterricht mit zwei Lehrer/innen gleichzeitig? Meine Verharmlosung<br />

und Begeisterung wurden wohl zur Kenntnis genommen, doch die vorhandene<br />

Skepsis ließ sich nicht so einfach wegreden. Das war mir auch klar und deshalb blieb<br />

auch hier nur die positive Ermunterung meinerseits: „Erleben!“ Sogar für die meisten<br />

Schüler/innen dieser Klasse, war die Situation, die eine Integrationsklasse mit sich<br />

bringt, absolut neu. Nämlich die Tatsache, dass sich neben dem/der Fachlehrer/in<br />

zusätzlich eine zweite Lehrerin zur Betreuung der Integrationskinder im Raum<br />

befindet. Einzelne Schüler/innen teilten anfangs diese Doppelbesetzung in<br />

Zuständigkeitsbereiche ein, merkten jedoch sehr rasch, dass es seitens der<br />

Lehrer/innen diese Abgrenzung nicht gab und nahmen dankbar diese doppelte<br />

„Hilfestellung“ und „Fürsorge“ an. Die Schüler/innen wurden durch die<br />

Doppelbesetzung mehr gefordert und profitierten davon, was sich im Lernerfolg<br />

zeigte. Auch bei den Lehrer/innen erwies sich die geteilte Arbeit als Vorteil und die<br />

anfänglichen Ängste wurden gänzlich ausgeräumt. Die positiven Erfahrungen der<br />

Teamarbeit waren am Ende des Schuljahres für alle Beteiligten deutlich zu spüren.<br />

Außerdem freute mich besonders, dass zwei Integrationsschüler/innen in einigen<br />

Gegenständen aus dem SPF entlassen und in den EWF -Lehrplan übernommen<br />

werden konnten. Durch die praktischen und berufsnahen Gegenstände wurden die<br />

Schüler optimal auf die Arbeitswelt vorbereitet. Wir konnten auch sehr bald<br />

feststellen, dass sich im Hinblick auf das soziale Verhalten der Schüler ein enormer<br />

Erfolg abzeichnete. (Das soziale Miteinander ist in der Integrationsklasse im<br />

Vergleich mit den anderen Klassen dieser Schule auffallend gut. Auch unterstützt<br />

durch den schulautonomen Pflichtgegenstand „Soziales Lernen“ mit einer<br />

Wochenstunde.) In der ersten Schulwoche wurde der Unterricht hauptsächlich vom<br />

Klassenvorstand und einer Sonderschullehrerin gestaltet, damit so rasch wie möglich<br />

ein gegenseitiges Kennenlernen stattfinden konnte. Zu meiner Verwunderung<br />

besuchten nur drei Schüler bisher eine Integrationsklasse und dementsprechend<br />

groß war auch das Interesse an dieser Schulform. Es bedarf vieler „Improvisationen“<br />

während und außerhalb der Unterrichtsstunden, das nötige Basiswissen rund um<br />

Integration zu vermitteln.<br />

Zusätzlich gab es auch für die Lehrer/innen des Hauses die Möglichkeit, innerhalb<br />

der Konferenzen ihr Wissen über Integrationsklassen zu erweitern. Die<br />

Informationsneugierde der Kollegen überraschte mich positiv und ich verspürte nicht<br />

ein einziges Mal ein Gefühl der Ablehnung. Die große Akzeptanz dieses neuen<br />

Schulversuches beflügelte und motivierte zusätzlich.<br />

Zusammenfassend steht für mich fest, dass dieser Schulversuch eine<br />

gelungene Fortsetzung der bisher bestehenden Integrationsmöglichkeiten<br />

darstellt.<br />

55


AUTISMUS: ERFAHRUNGEN WEITEN SICH<br />

Ein Bericht vom Europäischen Autismuskongress in Lissabon<br />

14.,15.,16. November 2003<br />

Mein Name ist Irmi Güttner und ich unterrichte mit meinem Kollegen Philipp Wuscher<br />

im Wiener Projekt zur Integration autistischer Kinder im Regelschulwesen in einer<br />

vierten Volksschulklasse.<br />

Auf der Suche im Internet, was es diesbezüglich Neues gibt, entdeckte ich im Jänner<br />

2003 , dass es im November 2003 in Lissabon den Europäischen Autismuskongress<br />

geben wird. Ich bewarb mich unter der Rubrik „a better way of life“ mit dem Film, der<br />

in unserer Klasse gedreht wurde.<br />

In diesem Film zeigen wir ganz unspektakulär den Unterricht in einer 2. Klasse<br />

Volksschule, wie unser autistischer Schüler mitmacht, mitlernt und integriert ist. Für<br />

Menschen, denen Autismus nichts sagt, ist der Film ein ganz normaler Schulfilm,<br />

doch wir und jeder, der sich mit Integration auskennt, weiß, dass strukturierte,<br />

gutorganisierte und geplante Arbeit dahintersteckt.<br />

Wir arbeiten nach dem Didaktischen Fundamentum von Prof. Georg Feuser aus<br />

Bremen und nur dadurch, dass wir uns mit seinen Theorien identifizieren und sie, so<br />

gut wie möglich, umzusetzen versuchen, kann sich Erfolg einstellen.<br />

Am Kongress in Lissabon waren 1400 Teilnehmer/innen aus verschiedenen Ländern<br />

der Welt und geladene Vortragende aus 10 Staaten Europas anzutreffen.<br />

Die erste Präsentation von Ross Blackburn, Liuba Toader, Gilles Trehin , Luisa<br />

Andre` und Ana Martins war für die Zuhörer mit intensiven Gefühlen verbunden. Ihr<br />

tiefer persönlicher Einblick, ihre innere Betrachtung von ASD (autism spectrum<br />

disorders) zeigten den Unterschied zwischen Unterstützung bekommen oder nicht,<br />

zwischen Aufwachsen mit Optimismus oder Überleben in Verzweiflung. Leider<br />

unterstützen viele Regionen in Europa die Betroffenen nicht. Die Personen mit ASD<br />

erinnerten daran, sowohl ihr Können als auch ihre Behinderungen zu sehen und sie<br />

zeigten, dass sie sowohl für die Gesellschaft als auch für den Wissensstand<br />

Positives beizutragen haben.<br />

Helmut Remschmidt, Universität Marburg, erklärte den wissenschaftlichen<br />

Standpunkt einer Diagnose „Autismus“. Es ist etwas ganz Anderes als in der<br />

Psychiatrie bekannte „Psychosen“, eine Trennung, die in manchen Ländern nicht klar<br />

ist.<br />

Mich interessierte der Vortrag von Simon Baron – Cohen, von der Universität<br />

Cambridge, der fragte „Ist Autismus ein Extrem des männlichen Gehirns?“ Er erklärte<br />

das Gehirn mit Tendenzen zu „Empathy“ und „Systemising“ und deren Trend zum<br />

weiblichen bzw. männlichen Geschlecht. Neue Studien stellen einen Zusammenhang<br />

mit pränatalen Testosteronen im Grad der Ausprägung der ASD her.<br />

Uta Frith ,University College London, stellte die Frage „Wie helfen kognitive Theorien<br />

Autismus zu verstehen?“. So teilt auch sie die allgemeine Ansicht über Autismus zum<br />

Lernen, aber nicht über die Defizite der Menschen mit ASD, sondern durch ihre<br />

intellektuellen Stärken. Ihr Mangel an „intuitivem Hineindenken“ kann durch ihre<br />

eigenen Kompetenzen ausgeglichen werden. Sonst hörte ich Berichte über<br />

Erziehung, von Betroffenen und Eltern, da mich am meisten interessiert, welche<br />

Chancen meine Schüler im späteren Leben haben werden.<br />

Am zweiten Tag durfte ich meinen Film vorstellen. Der Raum war voll mit ca. 70<br />

Personen und ich erklärte zunächst die Theorie von Prof. Georg Feuser und<br />

anschließend zeigte ich den Film unter Hinweis auf ein paar Schlüsselszenen.<br />

56


Im Anschluss wurden Fragen gestellt über die Größe unseres Projekts, über die Aus<br />

– und Fortbildung der Lehrer, über die Chancen der Kinder im weiteren Schulleben,<br />

usw. Betroffen machten mich Eltern eines italienischen Buben, die mich baten, ihnen<br />

meine Adresse für die Lehrerin ihres Sohnes zu geben, da sie ihn weit unterschätzen<br />

würde.<br />

In einer großen Halle wurden aus ganz Europa Posterpräsentationen, Lehrmittel und<br />

Selbsthilfegruppen vorgestellt. Ich konnte zwar nicht alles sehen, aber kein Projekt<br />

hat unserem entsprochen.<br />

Glenys Jones von der Universität in Birmingham stellte ein Projekt vor, nach dem es<br />

möglich wäre, Kinder mit ASD in Regelschulen zu integrieren. Sie erklärte wie die<br />

Lehrer, die anderen Kinder, der Lehrplan und die Schulausstattung zu sein hätten um<br />

dies zu ermöglichen. Es war eine theoretische Abhandlung, nicht deren Umsetzung.<br />

Ich sah auch einen italienischen Film, der einen ähnlichen Titel wie unser Film trug<br />

„Integration in der Schule“, doch zeigte es Unterricht von Kindern mit und ohne ASD<br />

im klinischen Umfeld, gezeigt von Psychiatern, die einen ganz anderen Zugang<br />

haben als Lehrer.<br />

In den meisten Präsentationen gab es drei „Forderungen“<br />

- Personen mit ASD zu verstehen, besonders ihre „innere Sicht“ wertzuschätzen<br />

- die Notwendigkeit ihre Stärken anzuerkennen<br />

- Systeme zu unterstützen, die auf diesen zwei Prinzipien beruhen.<br />

-<br />

Sehr stolz auf unser Projekt und auch auf meinen eigenen Mut, bin ich am Sonntag<br />

Abend nach Wien zurückgekehrt.<br />

Irmi Güttner<br />

Volksschullehrerin in einer Integrationsklasse in Wien und tätig in der Lehrer/innen<br />

Aus- und Fortbildung<br />

57


INTEGRATION VON KINDERN MIT<br />

AUTISTISCHER WAHRNEHMUNG<br />

Ein Bericht von der Austauschplattform für Erziehungsberechtigte,<br />

Lehrer/innen, Direktor/innen und Experten/Expertinnen in Zusammenarbeit mit<br />

dem SSR für Wien, der Österreichischen Autistenhilfe und dem<br />

Neurologischen Krankenhaus „Am Rosenhügel“<br />

An der Austauschplattform am 31.März <strong>2004</strong> nahmen ca. 130 Personen aus den<br />

unterschiedlichsten Bereichen teil. Erziehungsberechtigte von Kindern mit<br />

autistischer Wahrnehmung, Schulaufsichtsbeamte, SPZ-Leiter/innen, Direktor/innen,<br />

Lehrer/innen, Erzieher/innen, Repräsentant/innen der Autistenhilfe, der<br />

Clearingstellen sowie interessierte Personen, die von der Veranstaltung gehört<br />

hatten.<br />

Die einleitenden Kurzstatements umfassten thematisch ein breites Spektrum. Nach<br />

einführenden Worten der Präsidentin des Stadtschulrats, Dr. Susanne Brandsteidl,<br />

die die derzeitige Situation im Wiener Pflichtschulbereich umriss, wurde der<br />

grundlegende „grenzenlose“ Zugang zur Integration von Herrn Landesschulinspektor<br />

Gerhard Tuschel ausgeführt, mit Bezug auf die integrative Beschulung von Kindern<br />

mit autistischer Wahrnehmung.<br />

Die Österreichische Autistenhilfe präsentierte ihren Verein, deren Präsident Dr.<br />

Matthias Pieler skizzierte die Struktur und Aufgabenbereiche und führte einen<br />

Filmausschnitt aus der „Zeit im Bild 3“ vor, der die Integration eines autistischen<br />

Kindes in eine Wiener Volksschule zum Inhalt hatte,<br />

Frau Mag. Claudia Matzenauer erklärte das Angebot der Autistenhilfe genauer und<br />

stellte das Unterstützungsangebot durch Praktikant/innen vor.<br />

Herr Univ. Prof. Ernst Berger erläuterte den Werdegang des Projekts sowie die<br />

Beteiligung des Neurologischen Krankenhauses, stellte eine Evaluierungsstudie zur<br />

Integration von Kindern mit autistischer Wahrnehmung in der Volksschule vor und<br />

bezog sich auch auf die Lehrer/innenausbildung in diesem Bereich, die anfangs von<br />

Herrn Univ. Prof. Georg Feuser geleitet wurde und die nun von Rainer Grubich und<br />

Irmi Güttner weitergeführt wird.<br />

Fr. Mag. Karin Lackner, die Vertreterin von faktor i, einer Beratungsstelle für junge<br />

Menschen mit „handicap“ bezüglich nachschulischer Möglichkeiten, erläuterte die<br />

Struktur und Angebote ihrer Stelle und lud Erziehungsberechtigte und Jugendliche<br />

ein, diese Angebote auch wahrzunehmen, wobei bisher noch keine Jugendlichen mit<br />

autistischer Wahrnehmung beraten wurden. Faktor i stellt sich dieser Aufgabe gerne.<br />

Die letzten beiden Statements bezogen sich vorwiegend auf organisatorische<br />

Bereiche bei der Integration autistischer Kinder und Jugendlicher im Grund- und<br />

Sekundarstufenbereich. Frau Brigitte Mörwald und Frau Mag. Judith Pannos von der<br />

Integrationsberatungsstelle des Stadtschulrats für Wien legten die aktuellen<br />

Klassenzahlen vor und erläuteten ihren Aufgabenbereich sowie den aktuellen Stand<br />

bei der Einrichtung von Integrationsklassen im Rahmen des Projektes.<br />

Im Schuljahr <strong>2004</strong>/05 wird es erstmals Integrationsklassen mit Jugendlichen im<br />

Rahmen Polytechnischer Schulen geben. Dann umfasst dieses Projekt den<br />

gesamten Pflichtschulbereich.<br />

Im Anschluss an die Kurzstatements gab es für die Teilnehmer/innen der<br />

Veranstaltung Gelegenheit zu Wortmeldungen und Anfragen. Dies wurde auch gut<br />

58


genutzt, wobei sich viele Kommentare zum einen auf den Erfolg des Projekts<br />

bezogen, zum anderen aber auch die Sorge zum Inhalt hatten, ob in Zeiten<br />

immer knapper werdender Ressourcen solch ein aufwändiges Projekt weiterhin<br />

auf diesem qualitätsvollen Niveau weitergeführt werden kann.<br />

Nach Beendigung des offiziellen Teils der Veranstaltung wurde die Möglichkeit zu<br />

informellen Gesprächen bei einem kleinen Buffet ausgiebig genützt.<br />

Geprägt wurde dieses Plattformtreffen von einer sehr positiven Stimmung, da das<br />

Projekt als vorwiegend sehr gut gelungen gesehen wird, bei allen Kritikpunkten und<br />

Sorgen die durchaus auch angebracht sind.<br />

Die Plattformveranstaltung als Möglichkeit zur Information und direkten<br />

Kommunikation aller Beteiligten kann als sehr effizient und erfolgreich bezeichnet<br />

werden und unterstreicht einmal mehr, wie wertvoll Vernetzung aller an einem<br />

bestimmten Projekt Beteiligter sein kann.<br />

Besonderer Dank soll an dieser Stelle Frau Brigitte Mörwald ausgesprochen werden,<br />

die den Hauptteil der Planung und Organisation des Abends übernommen hat und<br />

die trotz technischer Pannen die Veranstaltung souverän moderierte.<br />

Mag. Judith Pannos<br />

Integrationsberatungsstelle des Stadtschulrats für Wien<br />

59


STUDIENREISE DER HOCHSCHULE FÜR<br />

HEILPÄDAGOGIK ZÜRICH<br />

Vom 1. bis 5. März <strong>2004</strong> waren wir, 2 Lehrerinnen und 3 Lehrer, die berufsbegleitend<br />

das 3-jährige Studium für Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen an der<br />

Hochschule für Heilpädagogik (HfH, www.hfh.ch ) in Zürich absolvieren, als Gäste<br />

des 18. Inspektionsbezirkes zu Besuch in Wien.<br />

Drei von uns arbeiten als Lehrpersonen für integrative Schüler/innenförderung oder<br />

als Klassenlehrer an Regelschulen im Kanton St. Gallen, einer als Lehrer in einem<br />

Schulheim im Kanton Aargau und einer (ein Vorarlberger) als Ergänzungslehrer im<br />

Fürstentum Liechtenstein. An der HfH Zürich belegen wir den Studiengang<br />

„Pädagogik bei Schulschwierigkeiten“.<br />

Unsere Studienreise hatte das Ziel, die Situation der Integration im größten<br />

Ballungsraum Österreichs kennen zu lernen - und kann so auch als<br />

unbestrittener Höhepunkt in unserem Abschlussjahr bezeichnet werden.<br />

Wir waren überrascht, wie unkompliziert unsere „selbst organisierte“ Woche (wir<br />

mussten nur Flug und Hotel organisieren) zustande gekommen und abgelaufen ist.<br />

Bezirksschulinspektor Richard Felsleitner hatte im Herbst auf eine einfache Anfrage<br />

an den Stadtschulrat hin sofort seine Bereitschaft mitgeteilt, uns Einblicke in „seine“<br />

Schulen zu gewähren, und speziell für uns ein entsprechendes Programm<br />

zusammengestellt. Er und seine Mitarbeiter/innen begleiteten uns durch die Woche,<br />

und wir haben während dieser Tage eine Fülle an Eindrücken und Kenntnissen<br />

gesammelt.<br />

Am Montag starteten wir mit einer Gesprächsrunde im Stadtschulrat mit der<br />

Referentin für Sonderpädagogik Susanne Ertl, Brigitte Mörwald und Mag. Judith<br />

Pannos von der Integrationsberatungsstelle sowie Bezirksschulinspektor Felsleitner.<br />

Wir erhielten eine ausführliche Information über die gesetzlichen Grundlagen für die<br />

Integration in Österreich und deren Umsetzung in Wien.<br />

Hier mag ein Vergleich zur Situation in der Schweiz angebracht sein: Jeder Kanton<br />

entscheidet für sich, und innerhalb der meisten Kantone auch die einzelnen<br />

Gemeinden über die integrative oder separative Schulform. Gemeinden, welche die<br />

integrative Schulform wählen, orientieren sich an kantonalen Richtlinien für die<br />

Förderung der Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen. Mit<br />

Schulschwierigkeiten sind Probleme im Lern-, Leistungs- und Verhaltensbereich<br />

gemeint. Ein/e schulische/r Heilpädagoge/-pädagogin unterstützt die Lehrperson und<br />

das Kind, für welches individuelle Lernziele formuliert werden. Verschiedene<br />

Arbeitsformen (Einzelförderung, Kleingruppenförderung, Teamteaching) kommen<br />

zum Einsatz. Der Pensenpool für integrative Förderung ermöglicht in der Regel<br />

höchstens vier Wochenstunden für Schulische Heilpädagogik in einer Klasse. Kinder<br />

mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung werden nur in seltenen Fällen<br />

in eine Regelklasse integriert, wenn sich engagierte Eltern, Behörden und<br />

Lehrpersonen zusammenfinden (die Finanzen für den Mehraufwand werden von der<br />

Invalidenversicherung nur an Sonderschulen gewährt).<br />

60


Unser Besichtigungsprogramm begann am Dienstag mit einem Besuch an der „Hans<br />

Radl Schule“ im 18. Bezirk bei den Sonderschuldirektorinnen Brigitte Novacek und<br />

Ilse Lauteren sowie Psychagogin Lore Talos. Die Sonderschule für schwerhörige<br />

Kinder im 22. Bezirk stand am Mittwoch auf dem Programm, wo wir von<br />

Sonderschuldirektorin Brigitte Aigner und Psychagogin Inge Schlederer empfangen<br />

wurden<br />

Einen Einblick in die Heilstättenschule am AKH verschafften uns die Herren Pichler<br />

und Weiß. Den Abschluss bildete ein Besuch des SPZ für Integrative Betreuung in<br />

der Hoefftgasse im 11. Bezirk mit Sonderschuldirektorin Eva Kunz und ein Abstecher<br />

zur Sondererziehungsschule nach Biedermannsdorf zu einem Gespräch mit Prof.<br />

Herbert Stadler und Kollegin Hilde Grundmann.<br />

Überall wurden wir sehr nett aufgenommen und die Gastgeber/innen nahmen sich<br />

viel Zeit für Informationen und die Beantwortung unserer Fragen. Im Vergleich zu<br />

unseren Arbeitsorten sind wir in sehr große Schulen geführt worden, hatten aber<br />

dennoch den Eindruck, dass viel Personennähe und Sinn für die Zusammenarbeit<br />

dominieren. Aus unserer Sicht kann Österreich eigentlich stolz sein auf seine<br />

61


fortschrittlichen Integrations-Gesetze und die sorgfältig aufgebauten Strukturen. Es<br />

macht uns aber auch betroffen, dass sich nun die aktuellen Sparmaßnahmen<br />

deutlich auf die Angebote der schulischen Betreuung von Kindern mit besonderen<br />

Bedürfnissen auszuwirken scheinen. Umso mehr hat uns das Engagement und<br />

Durchhaltevermögen aller beeindruckt. Es ist nicht selbstverständlich, dass die<br />

Frustration unter solchen Bedingungen nicht Überhand nimmt, und wir hatten das<br />

Gefühl, dass sich alle trotz dieser erschwerten Rahmenbedingungen unbeirrt für das<br />

Wohl der Kinder einsetzen.<br />

Wien ist auch für schulische Belange immer eine Reise wert! Und an dieser<br />

Stelle bedanken wir uns noch einmal ganz herzlich bei allen, die uns diese Einblicke<br />

in das integrative Schulsystem in Wien ermöglicht haben! Gerne denken wir an diese<br />

Tage zurück.<br />

Wir wünschen allen weiterhin viel Erfolg und Freude bei ihrer Arbeit!<br />

Cornelia Egger, Primarschule Rotmonten, CH 9008 St. Gallen<br />

Bruno Enz, Schulheim St. Johann, CH 5313 Klingnau<br />

Daniel Kühnis, Primarschule, CH 9462 Montlingen<br />

Wolfgang Mittempergher, Oberschule, FL 9490 Vaduz<br />

Barbara Schmid, Primarschule Sonnenberg, CH 9621 Oberhelfenschwil<br />

Kontaktadresse:<br />

Wolfgang Mittempergher<br />

Lonserstraße 2-12<br />

6832 Sulz/Vorarlberg<br />

wolfgang.mittempergher@vol.at<br />

62


ÄNDERUNGEN IN DER<br />

LEHRER/INNENFORTBILDUNG IN<br />

STREBERSDORF<br />

Ausgehend vom AStG 1999 (Akademien-Studiengesetz) und der damit verbundenen<br />

Änderungen in den Studienplänen der Volkschul- / Hauptschul- und Sonderschul-<br />

Ausbildung war es für die Akademie nötig, sich intensiv mit<br />

Fortbildungsmöglichkeiten der Absolventen zu beschäftigen. Bedarfserhebungen bei<br />

Absolventen, bzw. Anfragen von Lehrerinnen und Lehrern, zeigten großen Bedarf<br />

nach Angeboten zum Erwerb weiterer Lehrämter für Pflichtschulen (VL-SL; SL-VL;<br />

RK-VL; Sprachheil, SSO,…), denen unsere Akademie Rechnung zu tragen versucht.<br />

Ausschlaggebend war aber auch die Erkenntnis der Lernenden und Lehrenden, dass<br />

in der immer „bunteren“ Schullandschaft gerade auch mit Blickrichtung auf<br />

Integration der Erwerb eines weiteren Lehramtes die persönliche Kompetenz im<br />

Unterricht stark verbessert und damit die Anforderungen an den Lehrenden im<br />

Unterrichtsalltag selbst besser bewältigt werden können.<br />

Auch verbessern sich durch diese Einstellung die Anstellungsmöglichkeiten unser<br />

Absolventinnen und Absolventen, was ein weiterer Grund ist, sie auch von Seiten der<br />

Akademieleitung zu ermuntern, berufsbegleitend ein weiteres Lehramt zu erwerben.<br />

Eine Initialzündung war für viele Studierende dabei auch der Vortrag von Koll.<br />

Mörwald im Rahmen der Modulwoche 2002 zum Thema Integration, bei dem sehr<br />

genau Anforderungen an Lehrerinnen und Lehrer im Schulalltag aufgezeigt wurden.<br />

Zur Zeit gibt es daher an unserer Akademie für Absolventinnen und Absolventen der<br />

VS- und HS Ausbildung die Möglichkeit das Sonderschullehramt zu erwerben. Sehr<br />

gut hat sich dabei die unterschiedliche Altersstruktur und damit auch<br />

Unterrichtserfahrung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Ausbildungsgruppe<br />

bewährt. Neben Studierenden, die erst vor kurzem ihr VL-Lehramt erworben haben,<br />

nehmen auch schon lange im Berufsleben stehende Lehrerinnen und Lehrer teil. Wie<br />

in all diesen Lehrgängen wird versucht, die Inhalte der einzelnen Fächer sehr<br />

prozessorientiert zu gestalten, sodass Wünsche der Studierenden so weit wie<br />

möglich auch in die Seminare einbezogen werden können.<br />

Im umgekehrten Fall existiert auch eine Gruppe Sonderschullehrerinnen und –lehrer,<br />

die den Erwerb des VL-Lehramts anstreben. Nach eingehenden Beratungen und<br />

Planungen wird in dieser Ausbildungsgruppe versucht, den Gedanken der Integration<br />

auch bei den Vortragenden Rechnung zu tragen. So werden die methodischdidaktischen<br />

Fächer im Team durch einen VL- und einen SL-Didaktiker gestaltet, um<br />

auch hier den Bedürfnissen der Studierenden möglichst umfassend Rechnung zu<br />

tragen. Auch bei diesem Lehrgang wird auf einen prozessorientierten Verlauf großen<br />

Wert gelegt.<br />

Konsequent war daher auch das Angebot an Religionslehrerinnen und -lehrer das<br />

Volkschullehrerdiplom nachzuholen. Besonders hinzuweisen ist, dass an dieser<br />

Ausbildung neben römisch-katholischen sehr wohl auch evangelische<br />

Religionslehrerinnen und –lehrer teilnehmen können (Akademienverbund).<br />

Gerade die SL-Ausbildung musste mit dem AStG 1999 sehr stark verändert werden,<br />

so schließen die Absolventen zur Zeit mit dem Lehramt für die allgemeinen<br />

Sonderschulen & Integration ab, das Lehramt für die Sonderschule für<br />

schwerstbehinderte Kinder ist nicht mehr in der Grundausbildung vorhanden. Da sich<br />

unsere Akademie in der Sonderschullehrer-Ausbildung der umfassenden Betreuung<br />

63


von Kindern mit speziellen Bedürfnissen verpflichtet fühlt, gibt es auch in der<br />

Grundausbildung Möglichkeiten Teile der schulpraktischen Ausbildung in<br />

Sonderschulen für schwerstbehinderte Kinder zu absolvieren, aber auch in der<br />

Humanwissenschaft ist das Fach Geistigbehindertenpädagogik verpflichtend.<br />

Vielleicht ist dadurch das Bedürfnis der Studierenden nach einer umfassenden<br />

weiteren Ausbildung im Schwerstbehindertenbereich zu erklären. Bei der Planung<br />

des postgraduellen Lehrgangs für Geistigbehindertenpädagogik war es für das<br />

Sonderschul-Team der Akademie von Anfang an klar, dass es eine große Anzahl an<br />

Inhalten geben wird, die mittels Gastvorträgen und Lehraufträgen (Kooperation mit<br />

dem PI d. Erzdiözese. Wien) abgedeckt werden müssen. Um eine möglichst<br />

authentische Ausbildung zu ermöglichen, werden Inhalte wie BASALE FÖRDERUNG<br />

und INTEGRATION, aber auch BERUFSVORBEREITUNG an speziell in diesem<br />

Bereich tätige Organisationen / Einrichtungen vergeben (Verein Wiener<br />

Sozialdienste, Integrationsberatungsstelle, AMS,….). Durch einen modularen Aufbau<br />

können einzelne Blöcke der Ausbildung belegt werden, die Anzahl pro Semester<br />

kann die Studierende / der Studierende selber bestimmen und somit auch die Dauer<br />

der berufsbegleitenden Ausbildung. Andererseits ergeben sich damit auch<br />

Synergieeffekte, da nicht jedes Modul jährlich angeboten werden muss.<br />

Im Zuge des AStG 1999 wurden auch die einzelnen Akademielehrgänge neu<br />

gestaltet. Wegen ständig wachsender Anforderungen an den Beruf des<br />

Sprachheillehrers/der Sprachheillehrerin und auch wegen der Angleichung sowohl an<br />

ausländische (speziell deutsche) Ausbildungssysteme und ähnliche Berufsbilder<br />

(Logopädin), wurde dieser AL auf Empfehlung der Professorentagung 1999<br />

aufgestockt, in der Pädagogischen Akademie Wien Strebersdorf von 33 auf 40 SWS<br />

Auf Grund gesetzlicher Änderungen dürfen Akademielehrgänge nur postgraduell<br />

belegt werden, daher muss auch der AL Sprachheilpädagogik den neuen<br />

Anforderungen angepasst werden. In Planung ist eine ähnliche Modularisierung wie<br />

im AL Geistigbehindertenpädagogik. Der AL Sprachheilpädagogik wird<br />

voraussichtlich zu Beginn des Studienjahres 04/05 der Studienkommission zur<br />

Approbation vorgelegt und wird wahrscheinlich im darauf folgenden<br />

Sommersemester starten. Akademielehrgänge nach dem alten Schema laufen aus.<br />

Insgesamt ist der Akademie in der Lehrerfortbildung im Rahmen des<br />

Akademieverbundes die Zusammenarbeit mit dem PI der Erzdiözese. Wien, der<br />

Religionspädagogischen Akademien und allen weiteren angeschlossenen<br />

Organisationen (www.phedw.at) sehr wichtig. Nur durch diese Kooperation kann in<br />

der Lehrerinnen- & Lehrerfortbildung auf die Anforderungen der Berufswelt<br />

zukünftiger und bereits im Berufsleben stehender Kolleginnen und Kollegen adäquat<br />

eingegangen werden.<br />

Prog. Mag. Irene Holzhacker<br />

unterrichtet an der Pädagogischen. Akademie Strebersdorf im Bereich<br />

Sprachheilkunde, Schulpraktische Studien<br />

SL Mag. Thomas Schrei<br />

Sonderschullehrer SPZ Herchenhahngasse, unterrichtet an der Pädagogischen<br />

Akademie Strebersdorf im Bereich Didaktik Sachunterricht<br />

64


EIN STUNDENBILD<br />

65


Feinziele:<br />

Unterrichtsgegenstand:<br />

Lebenskunde<br />

mögliche Destinationen und Feriendomizile im Winter kennen lernen<br />

(Alpinsporturlaub in Österreich, Schweiz und Italien, Flugreisen in andere<br />

europäische Länder oder Städte, Fernreisen)<br />

darüber Bescheid wissen, wie man die diversen Ferienziele erreichen kann (Auto,<br />

Reisebus, Bahn, Flugzeug)<br />

Mathematik<br />

Bahn und Buspläne lesen lernen<br />

Berechnung von Reisezeiten (Unterschiedliche Reisezeiten bei den Verkehrsmitteln,<br />

Zeitersparnis erkennen)<br />

Preistabellen lesen lernen<br />

bei Flügen ins Ausland bestimmte Saisonen (Datumsangaben des Abfluges) den<br />

zugehörigen Preisen zuordnen lernen<br />

Preis- und Leistungsverhältnisse vergleichen und einschätzen lernen<br />

die Gesamtkosten des Urlaubes für eine Familie ausrechnen können<br />

die zusätzlichen Kosten (Ausflüge, Einkäufe etc) des Urlaubes abschätzen und<br />

überschlagsmäßig errechnen können<br />

Deutsch<br />

Reiseangebote inhaltlich erfassen lernen, „Lockangebote“ und deren Gefahren oder<br />

Risiken erkennen können (sinnerfassendes Lesen)<br />

durch die Ausarbeitung eines eigenen Werbeplakates die richtigen, ansprechenden<br />

und passenden Schlagworte finden (Wortschatzerweiterung, Rechtschreibtraining,<br />

Fremdwörtererkennung, Wörterübernahme anderer Sprachen in den deutschen<br />

Sprachgebrauch kennen lernen)<br />

durch die Präsentation des Plakates und Erklärung des Angebotes die sprachlichen<br />

Fähigkeiten verbessern<br />

Politische Bildung<br />

geografische Lagen erkennen<br />

Entfernungen einschätzen lernen<br />

Hauptstädte und Sehenswürdigkeiten eines fremden oder des eigenen Landes<br />

kennen lernen<br />

Regierungsformen der verschiedenen Länder kennen lernen<br />

Epochen und wichtige Jahreszahlen zuordnen können, eventuelle geschichtliche<br />

Hintergründe und bekannte Herrscher oder Personen kennen lernen<br />

Schriftbilder anderer Länder kennen lernen (Inschriften von Denkmälern etc.)<br />

Erweiterung der Allgemeinbildung<br />

Human kreatives Seminar<br />

Verschiedenste Techniken zur Gestaltung eines Werbeplakates kennen lernen<br />

(Zeichnen, Malen, Ausschneiden, etc)<br />

wichtige Dinge eines Angebotes durch farbliche oder sonstige kreative Möglichkeiten<br />

in den Vordergrund stellen können<br />

Das harmonische Zusammenspiel von Bildern, verschiedenen Farben und Schriften<br />

erlernen<br />

66


Soziales Lernen<br />

Anpassung an die Gruppe<br />

lernen, eigene Meinungen zu äußern<br />

lernen, andere Meinungen der Gruppenmitglieder zu akzeptieren<br />

Diskussionsregeln erlernen und anwenden können<br />

Interessen der anderen Gruppenmitglieder berücksichtigen<br />

Wünsche und Meinungen der Gruppenmitglieder durch eventuelle Kompromisse auf<br />

einen Nenner bringen<br />

durch die abschließende Präsentation des Plakates lernen, auch vor einer Gruppe<br />

sprechen zu können<br />

Körpersprache kennen lernen und mögliche negative Aspekte und Gesten der<br />

Körpersprache ausschließen, jedoch positive anwenden können.<br />

Integrationsaspekte:<br />

Schüler, die keinen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, sollen lernen,<br />

Schwächen und Fähigkeiten der Integrationskinder zu erkennen und darauf<br />

Rücksicht zu nehmen.<br />

Integrationskinder können ihre Fähig- und Fertigkeiten bei diversen Arbeitsaufträgen<br />

festigen und so auch zu Erfolgserlebnissen innerhalb der Gruppe kommen.<br />

Typische Arbeiten der Integrationskinder bei diesem Projekt: Ausschneiden und<br />

Anordnen von Bildern, Ausmalarbeiten, Zeichnungen erstellen, Überschriften in<br />

Schönschrift gestalten. Für andere Arbeitsaufträge, wie etwa mathematische<br />

Rechenoperationen, Texte verfassen etc. die Hilfe der anderen Gruppenmitglieder<br />

beanspruchen.<br />

STUNDENBILD<br />

über 2 Unterrichtseinheiten<br />

Zeit Verlaufsskizze Arbeitsmittel<br />

ca.<br />

5 – 7 min<br />

Einleitung:<br />

Gruppenbildung mittels Auslosung<br />

(Auch die Integrationskinder werden mittels Auslosung<br />

einer bestimmten Gruppe zugewiesen. Gruppengröße:<br />

ca. 4-5 KK)<br />

Anordnung der Schülertische in Dreier-Gruppen<br />

-- abhängig von der Schüler und<br />

Gruppenzahl<br />

Hauptteil:<br />

Jede Gruppe erhält ein Blatt mit dem Arbeitsauftrag<br />

Zettelchen mit<br />

verschiedenen<br />

Symbolen –<br />

gleiches Symbol<br />

= gleiche<br />

Gruppe<br />

67


(siehe Beilage 1)<br />

Diverse Reisekataloge mit den verschiedensten<br />

Destinationen stehen zur Auswahl<br />

schriftlich<br />

formulierter<br />

Arbeitsauftrag<br />

Reiseprospekte<br />

Kataloge<br />

Zeit Verlaufsskizze Arbeitsmittel<br />

10 –<br />

12 min<br />

Zur Auswahl stehen:<br />

Wintersporturlaub in Österreich, der Schweiz oder<br />

Italien<br />

Flugreisen innerhalb Europas<br />

Fernreisen<br />

Die Gruppe entscheidet sich gemeinsam für ein<br />

bestimmtes Feriendomizil und erhält das zugehörige<br />

Reiseprospekt. Die Auswahl wird durch Diskussion<br />

getroffen.<br />

Jede Gruppe erhält neben dem Prospekt: Scheren,<br />

Klebstoff, einen großen Bogen Packpapier, dicke<br />

Faserstifte. Eigene Arbeitsmittel (Buntstifte, Faserstifte,<br />

Malkästen etc.) können auch verwendet werden.<br />

Beginn der Plakatgestaltung und der Ausführung der<br />

anderen Arbeitsaufträge<br />

Abschluss:<br />

Nach Fertigstellung der Plakate und der anderen<br />

Arbeitsaufträge wird die gewohnte Sitzordnung wieder<br />

hergestellt.<br />

Nach einer Arbeitspause werden die Plakate von einem<br />

oder zwei Gruppenmitgliedern der Klasse präsentiert.<br />

Anschließend werden die Plakate an einem gut<br />

sichtbaren Platz in der Klasse angebracht.<br />

Eventuell kann nach Abschluss der Arbeiten und der<br />

Präsentation noch ein kleines Buffet mit Getränken und<br />

Knabbereien angeboten werden, um das<br />

Gemeinschaftsgefühl der Klasse zu steigern.<br />

Scheren,<br />

Klebstoff<br />

Packpapier<br />

Faserstifte<br />

Buntstifte<br />

Malkasten<br />

etc.<br />

68


zum Thema<br />

1) Sucht euch ein Urlaubsziel eurer Wahl aus!<br />

2) Gestaltet ein Werbeplakat für euer Feriendomizil (Bilder<br />

ausschneiden, Überschrift gestalten, Werbetext erfinden, Zeichnungen anfertigen,<br />

Sehenswürdigkeiten der Gegend anpreisen, Preise anschreiben etc.)<br />

3) Berechnet den Preis für einen einwöchigen Urlaub für<br />

2 Erwachsene mit 2 Kindern ( 4 und 13 Jahre)<br />

Präsentiert auch dieses Angebot auf dem Plakat<br />

4) Wählt einen Gruppensprecher aus, der euer Plakat der Klasse vorstellt<br />

Gutes Gelingen!<br />

Sabine Konrad<br />

Karin Derhami<br />

69


INDIVIDUELL, INTENSIV, INTEGRATIV<br />

Eine Schule für a l l e Kinder<br />

Erlebnisbericht von einem Vormittag in der Integrationsklasse 2b der Offenen<br />

Volksschule Zeltgasse in Wien<br />

„Wann kommen wir in die Zeitung?“ Ja, zugegeben, mein nicht gerade zierlicher<br />

Fotoapparat macht viele Schüler/innen neugierig. Doch nichts kann den 8-jährigen<br />

Schüler Paul* aufhalten, seine Wissbegierde ist einfach zu groß.<br />

„Wenn Paul etwas Neues, Fremdes interessiert, kann er sich hingebungsvoll damit<br />

auseinandersetzen“, berichtet mir Isabella Schönbacher, eine der zwei<br />

Klassenlehrerinnen. Paul, einer der vier Integrationsschüler, ist hyperaktiv. Er wird<br />

nach dem Volksschullehrplan unterrichtet, der von Frau Schönbacher, ausgebildete<br />

Volks- und Sonderschullehrerin, individuell auf ihn abgestimmt wird. Sein Arbeitsplatz<br />

ist im hinteren Teil der Klasse, leicht abgetrennt durch eine Korkwand. Hier hängt<br />

auch Pauls Arbeitsplan, den er in dieser Woche erfüllen muss. Erfahrungen mit der<br />

Sitzordnung haben gezeigt, dass sich Paul im hinteren Teil der Klasse bewegen<br />

kann, ohne dass die anderen Kinder irritiert und von der Arbeit abgelenkt werden.<br />

Denn es ist wichtig, dass Paul sich bewegt, damit er sich danach wieder<br />

konzentrieren kann. Immer wieder steht Paul auf, flitzt herum und stattet mir einen<br />

Besuch ab: Wann ich die Klasse denn endlich fotografiere?<br />

Gelebte Integration<br />

Seit 2001 gibt es an der Offenen Volksschule Zeltgasse im achten Wiener<br />

Gemeindebezirk eine Integrationsklasse, die zweite kam im darauffolgenden<br />

Schuljahr dazu. „Die Klassen wurden eingeführt, weil bei den Geschwistern von<br />

Schülern sonderpädagogischen Förderbedarf (SPF) gegeben war“, erklärt Direktor<br />

Peter Siebert im Gespräch. Vier Integrationsschüler und 16 bis 18 andere Kinder<br />

braucht es, um von gesetzlicher Seite her eine Integrationsklasse eröffnen zu<br />

können. Alle Eltern, deren Kinder spezielle Förderung benötigen, haben das Recht,<br />

dass ihr Nachwuchs in einer Integrationsklasse – und nicht in einer Sonderschule -<br />

unterrichtet wird. Dies ist seit 1993 im Schulgesetz verankert. Seit dem Schuljahr<br />

1997/98 sind Kinder mit SPF auch berechtigt, die allgemeine Schulpflicht in einer<br />

Hauptschule bzw. Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule fortzusetzen.<br />

In vielen Gesprächen, an denen Eltern, Pädagogen, Psychologen und der jeweils<br />

zuständige Bezirksschulrat beteiligt sind, wird die beste Schulform für ein Kind mit<br />

SPF ermittelt. „Bei einer solchen Entscheidung geht es nicht nur um den Aspekt der<br />

Integration. Es kann auch sein, dass ein Kind die bestmöglichen Förderungen in<br />

einer Sonderschule erhält“, so Direktor Siebert.<br />

Jeder nach seinem Rhythmus<br />

Sophie* und Florian*, zweieiige Zwillinge, haben Lernschwierigkeiten, Florian<br />

aufgrund seiner Hörschwäche. „Auch wenn Florian sehr oft sein Hörgerät vergisst,<br />

bekommt er doch sehr viel im Unterricht mit, er arbeitet gerne. Sophie verzweifelt<br />

manchmal, wenn sie Fehler macht und nicht so schnell weiterkommt wie die<br />

anderen“, so die Klassenlehrerinnen, die die beiden nach dem Sonderschullehrplan<br />

unterrichten. Nach Bedarf kann der Lehrplan, nach dem die Kinder unterrichtet<br />

werden, angepasst werden, also vom Sonder- zum Volksschullehrplan oder<br />

umgekehrt.<br />

70


Wie kann man sich den Unterricht mit zwei Lehrplänen vorstellen? Beispiel<br />

Deutschstunde: Die Klassenlehrerin Wingrid Weidinger-Pirgic– für die Schüler kurz<br />

Winnie – erarbeitet mit den Kindern Wörter mit ie, die von der Tafel abgeschrieben, in<br />

ein Briefkuvert verpackt und ins Heft eingeklebt werden. Die zweite Klassenlehrerin<br />

sitzt bei Sophie, hilft ihr und motiviert sie, wenn etwas mal nicht so klappt. Der<br />

Wochenplan wird von den zwei Klassenlehrerinnen gemeinsam erstellt, Frau<br />

Schönbacher überlegt sich dann Modifikationen für die Integrationsschüler. „Sie<br />

freuen sich, wenn sie weniger Aufgabe bekommen als die anderen, wobei sie dann<br />

auch oft das Pensum der anderen machen“, erzählt sie mir von ihren Schützlingen. In<br />

den Freiarbeitsstunden – vier pro Woche – erfüllen die Kinder selbständig, aber<br />

natürlich mit Unterstützung der Klassenlehrerinnen, Aufgaben in Schreiben, Rechnen<br />

und Sachunterricht. Für die Kinder, die schnell fertig sind, bleibt viel, für alle anderen<br />

immer noch genug Zeit zum Lesen ihres Lieblingsbuches, zum Malen etc. Einzig und<br />

allein kritisch wird es in der Stunde „Textiles Werken“: Das Nähen mit der Nadel ist<br />

für alle ein Geduldsspiel, da können die Emotionen schon einmal hochgehen. Pauls<br />

Lesezeichen, das mit bunten Fäden verziert werden soll, entgeht nur knapp einem<br />

Schicksal im Mülleimer. Doch in einer stillen Minute söhnt er sich mit seinem<br />

Werkstück aus und näht in den nächsten zwei Freiarbeitsstunden, während die<br />

anderen schreiben oder rechnen, vor sich hin. Die Sonderschullehrerin ist froh, dass<br />

er doch noch Gefallen daran gefunden hat. Sie weiß, dass Paul „alles zu seiner Zeit“<br />

macht.<br />

Das vierte Integrationskind, Philipp*, ist krank, sodass ich ihn an diesem Vormittag<br />

nicht kennen lernen kann. Die Klassenlehrerinnen beschreiben ihn mir als ruhigen<br />

Schüler, als Einzelgänger. Philipp, der eine Wahrnehmungsstörung hat, ist erst seit<br />

diesem Schuljahr in der Integrationsklasse der Offenen Volksschule und wiederholt<br />

gerade die zweite Klasse. Auch er wird wie Paul nach dem Volksschullehrplan<br />

unterrichtet und liebt es zu lesen und rechnen, während das Schreiben nicht seine<br />

Lieblingsbeschäftigung ist.<br />

Stimmung in der Klasse<br />

In der Pause, nach ein paar scheuen Minuten, in denen wir uns gegenseitig<br />

„beschnuppern“, werfen sich bald ein paar aufgeweckte Schüler in gewagte<br />

Fotoposen. Florian ist voll mit dabei, zeigt mir seinen Bären, der natürlich auch mit<br />

aufs Foto darf sowie auch Pauls hoher Turm, den er unter Beobachtung seiner<br />

Klassenkameraden mit einiger Fingerfertigkeit aus Bauklötzen und kleinen Büchern<br />

errichtet hat. Ich gewinne den Eindruck, dass die Integrationskinder wirklich integriert<br />

sind. Ich frage nach: „Wie war das in der ersten Klasse, als sich die Kinder kennen<br />

gelernt haben?“ Die Klassenlehrerinnen: „In der ersten Klasse haben die Kinder von<br />

Sophies und Florians Lernschwächen noch gar nichts mitbekommen. Sophie ist sehr<br />

beliebt bei ihren Mitschülern in der Nachmittagsbetreuung. Dass Paul sehr lebendig<br />

ist, haben sie natürlich schnell gemerkt, doch das war auch kein größeres Problem.<br />

Die Klasse ist wirklich sehr sozial.“<br />

Nach der fünften Stunde, der Turnstunde, machen sich die Kids erschöpft und<br />

zufrieden auf den Heimweg. Um ein schönes Erlebnis, viele neue Eindrücke und eine<br />

Zeichnung („Fantasiekopf“) reicher, verabschiede ich mich mit der Überzeugung:<br />

Integrationsklassen braucht das Land!<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

Mag. Doris Urbanek<br />

(erscheint in FRATZ & CO 2/<strong>2004</strong>)<br />

71


1, 2 ODER 3 - WIR WAREN DABEI!<br />

„Wir wollen bei 1, 2 oder 3 teilnehmen“, teilten die Schüler und Schülerinnen der<br />

Integrationsklasse 4.B aus der Ortnergasse ihren beiden Lehrerinnen mit. Lukas<br />

bewarb sich im Namen der Klasse bei “Confetti-TV“ (ORF) und wir hatten wirklich<br />

Glück! Aus mehr als hundert Bewerbungen wurden wir ausgewählt!!!<br />

Bei einem Casting wurden die drei Kandidaten Lukas, Sophie und Stefanie<br />

auserkoren. Aber uns allen war sofort klar, dass nicht nur unsere drei Kandidaten zur<br />

Aufzeichnung der Fernsehsendung fahren sollten, sondern natürlich auch ihre Fans,<br />

die sie lauthals unterstützen wollten.<br />

So beschlossen wir, gemeinsam für 2 Tage nach München zu reisen! Damit<br />

begannen allerdings unzählige Schwierigkeiten, die es in langer, mühevoller Arbeit<br />

zu bewältigen galt. „Jedes Kind braucht einen Reisepass!“, war die Anweisung des<br />

Außenministeriums. Da Kinder aus neun verschiedenen Ländern unsere Klasse<br />

besuchen, stellte uns diese Anforderung zuerst vor ein fast unlösbares Problem.<br />

Aber wir gaben nicht auf! Mit Hilfe des Innenministeriums und des<br />

Fremdenpolizeilichen Büros eruierten wir eine Möglichkeit, innerhalb der EU eine<br />

Reise mit Schülern durchzuführen, auch wenn diese keinen eigenen Reisepass<br />

besitzen. Das nächste Problem war die Finanzierung der Bahnfahrt und der<br />

Unterkunft in der Jugendherberge. Aber auch zur Besichtigung Münchens und für<br />

unsere Verpflegung brauchten wir Geld. Großzügige Unterstützung bekamen wir<br />

vom Elternverein unserer Schule, vom Bezirksvorsteher und von der Fa. Leiner. Wir<br />

bedanken uns noch einmal recht herzlich für das Sponsoring!<br />

72


Natürlich wollten wir in München gut erkennbar sein und in stundenlanger Arbeit<br />

fertigten wir für jeden Teilnehmer ein T-Shirt mit unserem Schul-Logo.<br />

Endlich war es am 26.Jänner <strong>2004</strong> soweit. Um 8.00 Uhr fuhren wir vom Wiener<br />

Westbahnhof ab und kamen nach einer viereinhalbstündigen Zugfahrt in München<br />

an. Die drei Kandidaten wurden von einem Taxi am Bahnhof abgeholt und in die<br />

Bavaria-Studios in Unterföhring gebracht, um auf die Sendung vorbereitet zu werden.<br />

Der Fanclub bezog zuerst in der Jugendherberge sein Quartier und dann ging es mit<br />

der S-Bahn und zu Fuß zu den Studios. Alle waren schon sehr aufgeregt! Nur Kinder,<br />

keine Erwachsenen, durften bei der Aufzeichnung im Studio dabei sein. So saßen<br />

die Begleitpersonen vor dem Monitor und konnten auf diese Weise die Aufzeichnung<br />

und diverse Hoppalas verfolgen.<br />

Schlussendlich belegten wir den 3. Platz, den zweiten verpassten wir nur ganz<br />

knapp!<br />

Für die Klassenkassa bekamen wir dafür 100 €! Da Lukas, Sophie und Stefanie so<br />

viel gewusst hatten, durften sie entsprechend der Anzahl ihrer Kugeln Preise<br />

aussuchen. Das waren z.B. ein Radiokassettenrekorder, eine Riesen-<br />

Bastelschachtel, Bücher und viele schöne, unentbehrliche Kleinigkeiten.<br />

Wieder in der Jugendherberge angelangt, feierten wir bei einer Pyjama-Brez`n-Party<br />

mit bayrischen Brez`n und zwei Flaschen Kindersekt unseren Erfolg. Besonders<br />

freute sich auch Rosmarie Poledna, langjährige Direktorin des SPZ 15, über unsere<br />

erfolgreiche Teilnahme. Sie begleitete die Fernsehstars auf dieser Reise und stand<br />

immer allen Teilnehmern mit Rat und Tat zur Seite. Danke!<br />

Nach der Party schliefen alle (vor allem die Lehrerinnen) erschöpft ein.<br />

Am nächsten Tag stand der Besuch des Deutschen Museums am Programm. Es war<br />

sehr beeindruckend und interessant. Besonders die technischen Dinge, mit denen<br />

73


wir tagtäglich konfrontiert werden, konnten die Kinder selbständig erforschen. Nach<br />

einem Essen, natürlich bei McDonalds, fuhren wir mit der S-Bahn wieder zurück in<br />

die Jugendherberge, nahmen unser Gepäck, sausten zum Bahnhof und fuhren,<br />

wieder viereinhalb Stunden lang, mit dem Zug nach Wien. In den Abteilen ging es<br />

dabei lustig zu. Manche veranstalteten eine Disco (der neuerworbene Radio von<br />

Lukas leistete gleich hervorragende Dienste), andere wieder schlummerten, lösten<br />

Rätsel, spielten oder versuchten noch, die restliche Jause rechtzeitig vor der<br />

Rückkehr zu verzehren. Am Wiener Westbahnhof warteten schon Mamas, Papas,<br />

Brüder und Schwestern auf die Abenteurer.<br />

P.S. der beiden Lehrerinnen:<br />

Ein großes Lob an unsere Schulkinder, die so toll waren, dass dieses Abenteuer zu<br />

so einer wunderschönen, interessanten und fröhlichen Reise wurde!<br />

Integrationsklasse 4.B<br />

Regina Stoiber & Michaela Hopfgartner<br />

VS 15, Ortnergasse 4<br />

1150 Wien<br />

74


"ALLES WAS FLÜGEL HAT FLIEGT"<br />

Projekt Erlebnispädagogik<br />

SPZ 10,Quellenstr. 52 - 6./7. Kl.<br />

Nicole, Ahu, Milorad, Kushtrim, Kemal, Mustafa, Sabrina, Mario, Yvonne, Sandra,<br />

Christopher, Michi, Philipp<br />

Ziele:<br />

Sensibilisierung von Wahrnehmung<br />

Erkennen der eigenen Person verbunden mit dem Aufbau<br />

eines Selbstbildes, Selbstwertgefühls, Selbstverantwortlichkeit<br />

Überwinden von Hindernissen, Grenzen erkennen<br />

Entwicklung von Vertrauen, Offenheit, Echtheit<br />

Herausforderungen annehmen<br />

Flexibler Umgang mit Rollen und Normen<br />

Kooperation<br />

Problemlösungsfähigkeit<br />

Glück und Freude spüren<br />

Was bisher geschah: 1.Semester Schuljahr 2003/04<br />

Das Projekt ist mit 5 Wochenstunden anberaumt und wird als gesamte Einheit am<br />

Montag - ein guter Start in die Woche – durchgeführt.<br />

Dieser Vormittag ist folgendermaßen aufgebaut: Einführungs- und Befindlichkeitsrunde,<br />

Warming Up – Hauptteil mit entsprechenden Übungen – Reflexionsrunde.<br />

Da die Klasse heuer anders zusammengesetzt wurde – 4 Schüler/innen kamen in<br />

eine andere Klasse, 3 neue kamen hinzu - gab es in der ersten Woche ein spezielles<br />

Kennenlernprogramm.<br />

75


Anschließend machten wir in der 2. Woche eine Wanderung in Mödling, um das<br />

Miteinander zu festigen. Die Wiese eignete sich herrlich dazu, einige<br />

Kooperationsspiele durchzuführen.<br />

In der 3.Woche kam es zum eigentlichen Einstieg in das Projekt.<br />

Zusammen mit meiner Kollegin Tina aus meiner Ausbildung zum Outdoortrainer<br />

wurde eine "Outdoorwoche-Wien" geplant.<br />

Am vorangegangenen Elternabend wurde das gesamte Projekt vorgestellt. Die Eltern<br />

zeigten sich zum Teil interessiert und befürworteten alle diese Aktion.<br />

Das Outdoorprojekt Wien hatte folgendes zum Thema:<br />

"Wir wollen in der Gruppe wieder neu zusammenfinden - Stärkung der<br />

Klassengemeinschaft"<br />

76


Mit Hilfe verschiedener erlebnispädagogischer Elemente wurde versucht, folgende<br />

Ziele zu erreichen:<br />

� Die Schüler/innen wieder zu einer Gruppe verbinden, vor allem die neuen<br />

� Schüler/innen in die Klasse integrieren<br />

� Finden der eigenen Rolle in der Gruppe<br />

� Eigene Bedürfnisse und Gefühle spüren<br />

� Ausdruck von Gefühlen und Bedürfnisse verbessern<br />

� Neue Freunde finden und bestehende Freundschaften festigen<br />

� Sich als Teil einer Gruppe erleben<br />

� Eigene Grenzen erweitern<br />

� Kooperation in der Gruppe fördern<br />

� Abenteuer, Spaß und Bewegung mit erlebnispädagogischen Aktionen<br />

Methoden:<br />

Kennenlernspiele<br />

Kooperationsspiele<br />

Vertrauenspiele<br />

Spielgeschichte<br />

Fotoralley<br />

Low Elements<br />

Bouldern - Klettern – Ablassen<br />

Die Übungen wurden in der Klasse, in Parks, im Böhmischen Prater, in der<br />

Kletterhalle Bäckerstraße, im Jugendzentrum abgehalten.<br />

77


Judith Mauritz<br />

Klassenlehrerin<br />

Eva Bernglau<br />

Assistenzlehrerin<br />

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LESERBRIEFE<br />

<strong>Integrationsjournal</strong> Dez 03<br />

Bezugnahme auf Bericht S 55 „Vier Jahre Hauptschulintegration“<br />

Als eine Mitinitiatorin der schulischen Integration von Kindern mit autistischer<br />

Wahrnehmung möchte ich gerne meine persönliche Meinung zum ersten<br />

Schulabgänger dieses Projektes sagen. Ich finde es sehr bedauerlich, dass in der<br />

nachschulischen Unterbringung in keiner Weise dem Integrationsaspekt Rechnung<br />

getragen wurde. Eine Einrichtung, die zumindest eine Mehrzahl von Klient/Innen mit<br />

anderen Behinderungen betreut, wäre im Vergleich zur schulischen Integration zwar<br />

das Minimum, immerhin aber doch eine Herausforderung für Renato gewesen. Für<br />

den Leser kann der Eindruck entstehen, dass für Schüler mit Autismus nach der<br />

Schulzeit „nur mehr Spezialeinrichtungen“ mit Schwerpunkt Autismus warten.<br />

Aus meiner Arbeit als Supervisorin weiß ich nicht nur von einer Vielzahl gelungener<br />

Integration in üblichen Behindertenwerkstätten, sondern kenne auch Projekte, die<br />

sich gemeinwesenintegriert am ersten Arbeitsmarkt anbieten.<br />

Ich hoffe, dass weitere Abgänger aus der schulischen Integration davon profitieren<br />

können und sich die Vision von nachschulischer Integration eines Tages<br />

verwirklichen lässt., auch mit Hängematten und Schaukeln in Betrieben.<br />

Trixi Mlczoch<br />

Liebes Redaktionsteam!<br />

Das <strong>Integrationsjournal</strong> des Stadtschulrates für Wien ist immer interessant und ich<br />

lese es gerne. Aber diesmal ist es eine besonders vielfältige und spannende<br />

Ausgabe geworden.<br />

Herzlichen Dank, und alles Gute für die weitere redaktionelle Arbeit wünscht euch<br />

Wolfgang Pfenneberger<br />

Stützlehrer - Wien<br />

79


FACHBÜCHER UND RATGEBER<br />

für Sie gelesen und rezensiert von Dr. Renate Grimmlinger<br />

Armin BORN und Claudia ÖHLER: Lernen mit ADS Kindern<br />

Ein Praxishandbuch für Eltern, Lehrer und Therapeuten, 178 Seiten<br />

Kohlhammer Verlag € 19,80<br />

Das Buch wurde innerhalb eines Jahres schon zum zweiten Mal aufgelegt, was für<br />

die Kompetenz der beiden Autoren – sie sind Psychologen, Pädagogen und<br />

Therapeuten – spricht. Es ist ein Handbuch, Ratgeber, Mutmacher für Eltern, Lehrer<br />

und Lerntherapeuten. Vorausgesetzt wird die Kooperation von Schule und<br />

Elternhaus, also von Erwachsenen, die ADS Kindern Unterstützung geben. Das WIE<br />

der fachlich kompetenten Hilfe wird in dem Buch anhand von praxisnahen Beispielen<br />

gezeigt und sollte in keiner Schulbibliothek und keiner Familie mit einem betroffenen<br />

Kind fehlen!<br />

Elisabeth AUST-CLAUS und Petra-Marina HAMMER:<br />

Die beiden Autorinnen – Kinder-Jugendfachärztin bzw. Psychologin – arbeiten seit<br />

Jahren gemeinsam im eigenen Institut. Sie sind nicht nur erfahrene ADS<br />

DiagnostikerInnen sondern auch TherapeutInnen mit Ausbildungen in systemischer<br />

Familientherapie, Verhaltenstherapie und haben das OptiMind© Konzept entwickelt.<br />

Dr. Dieter Claus ist FA für Neurologie und Psychiatrie und leitet auch<br />

Fortbildungsseminare für Fachleute und Betroffene.<br />

Das ADS Buch<br />

Neue Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer<br />

Oberste Brink Verlag, 316 Seiten, € 19,80<br />

Es richtet sich an alle, die mit ADS zu tun haben: Eltern wie Fachleute. Ursachen und<br />

Symptome werden erklärt sowie das OptiMind-Konzept ausführlich dargestellt.<br />

Einzelne Kapitel richten sich direkt an die Kinder, an Eltern, an LehrerInnen bzw.<br />

Ärzte und Therapeuten. Checklisten und Arbeitspläne sind beigefügt. Ein praktischer<br />

Ratgeber!<br />

Elisabeth AUST-CLAUS und Petra-Marina HAMMER:<br />

ADS – Eltern als Coach<br />

Ein praktisches workbook für Eltern. Das OptiMind©-Konzept<br />

OptiMind media Verlag, 180 Seiten, € 19,80<br />

Jeder betroffene Elternteil weiß, wie sehr es sich bei ADS „um ganz besondere<br />

Kinder“ handelt und wie groß die täglichen Herausforderungen sind. Nerven der<br />

Eltern liegen blank, endlose Diskussionen um Regeln, Kreativität aber auch<br />

besondere Eigenwilligkeit, gepaart mit Vergesslichkeit oder Aggression.... viele<br />

Mütter sind verzweifelt, wenn dann auch noch die Forderungen des Schulalltags<br />

dazu kommen. Dieses Buch gibt Hinweise, Tipps und konkrete Hilfestellungen zur<br />

besseren Bewältigung des Alltags und der Förderung der Selbständigkeit – es bietet<br />

eine Anleitung zum Alltags- und Hausaufgabenmanagement mit konkreten Tipps aus<br />

dem ADS-OptiMind Elterntraining mit Kopiervorlagen für Punkteplan, Wochenplaner<br />

etc. Das Workbook ist ein wertvoller Ratgeber für Eltern, Lehrer und Erzieher aber<br />

auch als Anregung für Lerntrainer, Therapeuten oder ADS-GruppenleiterInnen gut zu<br />

verwenden.<br />

Für Lesemuffel: Das Buch ist auch als DVD Version erschienen und kostet € 49,80.<br />

80


Elisabeth AUST-CLAUS und Petra-Marina HAMMER:<br />

ADS: TopFit beim Lernen<br />

Bedienungsanleitung für dein Gehirn<br />

OptiMind media Verlag, 162 Seiten, € 19,80<br />

Dieses sehr lebhaft und bunt gestaltete Arbeitsbuch richtet sich direkt an Kinder ab<br />

etwa 10 Jahren und Jugendliche, die sich mit ihrer speziellen Situation und einer für<br />

sie günstigen Form des Lernens auseinandersetzen wollen. Es beinhaltet Tipps zur<br />

Unterstützung beim Lernen, Hausaufgabenmachen, zur besseren Strukturierung des<br />

Schulalltags und für neue Lernstrategien und versucht mit vielen bunten Einschüben<br />

die Motivation beim Lesen aufrecht zu halten. Etwas gewöhnungsbedürftig sind<br />

schmissige Ausdrücke. Als Lese- und Arbeitsbuch regt es zum Ausprobieren an. Von<br />

Jugendlichen kann es allein durchgearbeitet werden oder Trainingsprogramme<br />

unterstützen. Tages- und Wochenplaner sind zum Kopieren beigeheftet, können<br />

auch unter www.optimind-media.de runtergeladen werden.<br />

Dr. Dieter CLAUS, Dr. Elisabeth AUST-CLAUS, Dr. Peter-Marina HAMMER:<br />

A.D.S – Das Erwachsenen-Buch<br />

Neue Konzentrations- und Organisations-Hilfen für Ihr Berufs- und Privatleben<br />

Oberste Brink Verlag, 346 Seiten, € 19,80<br />

Ein Klassiker und Bestseller! Zerstreuter Professor oder liebenswerte Chaotin. Wer<br />

kennt sie nicht oder ist vielleicht selbst eine(r)? Symptome und Ursachen werden<br />

erklärt, konkrete Tipps und Hinweise als „Hilfe zur Selbsthilfe“ gegeben. Ein Kapitel<br />

ist der Paar-Problematik gewidmet. Beigefügt sind Checklisten, Erklärung von<br />

Fachausdrücke und nützliche Adressen.<br />

Ingo Spitczok von Brisinski: Dazugehören –<br />

Wie Kinder ihren Platz in der Klasse finden<br />

Cornelsen Scriptor Verlag, Berlin 2003, 96 Seiten, Euro 9,25<br />

Der Autor, selbst Vater zweier schulpflichtiger Kinder, ist<br />

Chefarzt an den Kliniken für Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie und Psychotherapie<br />

Viersen/Deutschland.<br />

Dieser Ratgeber ist gleichermaßen für Eltern wie für<br />

Lehrer lesenswert: Beschreibt er doch die in jeder<br />

Schulklasse bekannten Vorgänge der Cliquenbildung<br />

und Ausgrenzung: Nicht jedes Kind findet Anschluss,<br />

manche werden zum Außenseiter abgestempelt oder<br />

sogar gemobbt. Wenn ein Kind längere Zeit<br />

ausgegrenzt wird und darunter leidet, ist ein Eingreifen<br />

der Erwachsenen notwendig. Wie und was Eltern tun<br />

können, wie sie gemeinsam mit dem Kind und dem<br />

Lehrer für Abhilfe sorgen können, zeigt dieser Ratgeber<br />

in eindrucksvoller Weise. Dabei wurde auch auf das<br />

„Anderssein“ durch Entwicklungsrückstände, besondere Begabungen,<br />

Angststörungen, Depression, Autismus oder ADHS in einfühlsamer Weise<br />

hingewiesen. Ganz wichtig sind Gespräche mit dem Kind, mit dem Lehrer und die<br />

Suche nach gemeinsamen Lösungen, damit auch Ihr Kind seine Stärken in die<br />

Klassengemeinschaft einbringen und so vom „Out- zum Insider“ werden kann. Das<br />

grafisch sehr ansprechend gestaltete Buch enthält nicht nur wichtige Informationen<br />

sondern auch wertvolle Tipps.<br />

81


Peter Scheer, Marguerite Dunitz-Scheer:<br />

„meine deine unsere - Leben in der Patchworkfamilie“<br />

Falter Verlag, 254 Seiten, € 22,--<br />

Das Idealbild der „normalen Familie“ gibt es – statistisch gesehen – nicht mehr.<br />

Scheidungen, Trennungen, Wiederverheiratungen .... Dieser Tatsache haben sich<br />

die beiden Autoren – beide psychotherapeutisch arbeitende Kinderfachärzte in<br />

Graz, die sowohl im klinischen Alltag als auch aus eigener Erfahrung mit den<br />

Problemen und Chancen des Lebens in einer „Patchworkfamilie“ konfrontiert sind,<br />

humorvoll gestellt.<br />

Es entstand ein Buch, das einerseits Ratgeber ist, vielleicht sogar Fachbuch,<br />

andererseits Kurzgeschichte, Selbstreflexion aus einer ungemein humorvollen<br />

Perspektive. Von Trennung und Verbindung, von „deinen, meinen und den unseren<br />

Kindern“ ist die Rede, vom Alltag in einer Patchworkfamilie. Von Eifersucht, langen<br />

Telefonaten mit der „Ex“, vom einsamen Vatertag, von Männergesprächen, von<br />

Schulstress bis hin zum Geld – nichts wird ausgelassen und aus fachlicher wie<br />

persönlicher Perspektive erzählt.<br />

Quintessenz: Eine positive Lebenseinstellung und Mut, die Herausforderung des<br />

Alltags in der Partnerschaft und mit den Kindern zu leben, mit all den Höhen und<br />

Tiefen, die zum Abenteuer Leben dazu gehören.<br />

Dieses Buch gehört unbedingt gelesen – vorgelesen! Und: hoffentlich erscheint es<br />

bald als Hörbuch auf CD – für Lesemuffel.....<br />

Zwei Broschüren zu diesem Thema, herausgegeben vom BM für soziale Sicherheit<br />

und Generationen, Abtl. V/7, Franz Josefs Kai 51, 1010 Wien können unter Tel.<br />

01/711 00-3330 bzw. jennifer.leitner@bmsg.gv.at bestellt werden:<br />

„Die Patchwork-Familie oder der die das Stief....“ – Ratgeber für Erwachsene und<br />

„ Meine Stieffamilie ganz anders als im Märchen“ – ein Ratgeber für Kinder.<br />

Drei neue Bücher von dem bekannten Psychiater, Psychologen, Philosophen,<br />

Musiker, Wissenschaftler und Fachbuchautor:<br />

Manfred SPITZER: Musik im Kopf<br />

Hören, Musizieren, Verstehen und Erleben im neuronalen Netzwerk, 468 Seiten<br />

Schattauer, Stuttgart, 2002 - € 29,95<br />

Warum Musik? Wie wirkt Musik? Was geschieht im Gehirn, wenn wir Musik machen,<br />

hören oder verstehen? Was ist Begabung? Manfred Spitzer geht dieses komplexe<br />

Thema in bekannt interessanter Weise von verschiedensten Aspekten her an:<br />

historisch, physikalisch, neurophysiologisch, medizinisch, psychologisch und<br />

gruppendynamisch. Dieses Buch regt zum Staunen an und zur Bewunderung der<br />

Vielfältigkeit unserer menschlichen Natur und Kultur. Für Fachleute (Musiker,<br />

Musiktherapeuten, Psychologen, Mediziner) wie auch für jeden aufgeschlossenen<br />

und interessierten Menschen eine spannende Lektüre!<br />

Manfred SPITZER: Geist im Netz<br />

Modelle für Lernen, Denken und Handeln, 385 Seiten, €14,95<br />

Spektrum Akademischer Verlag, Berlin 2000<br />

Wie funktioniert das Gehirn? Wie schaffen es Milliarden von Nervenzellen Denken,<br />

Lernen, Fühlen und Handeln hervorzubringen? Warum spielen Kinder und warum<br />

lernen sie rascher als Erwachsene? Unter welchen Bedingungen lernt man gut? Was<br />

kann schief gehen, wie können sich Konzentrationsstörungen oder psychische<br />

Krankheiten entwickeln? M. Spitzer schildert anschaulich mit vielen praktischer<br />

Beispielen und anhand von Computermodellen die Funktion neuronaler Netzwerke,<br />

das Zusammenspiel der Nervenzellen und deren Auswirkungen. Wieder ein enorm<br />

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spannendes Buch – für Fachleute, Student/innen und Eltern gleichermaßen<br />

geeignet! Mit ausführlicher Literaturliste und Index.<br />

Manfred SPITZER: Schokolade im Gehirn<br />

und weitere Geschichten aus der Nervenheilkunde.<br />

Schattauer Verlag, 95 Seiten, € 21,95<br />

Fantastisch, wie Prof. Spitzer Geschichten erzählt, Geschichten, die auf<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und humorvoll wie spannend zu lesen<br />

sind! Ein absoluter Hochgenuss!<br />

Armin BORN und Claudia OEHLER: Lernen mit ADS-Kindern<br />

Ein Praxisbuch für Eltern, Lehrer und Therapeuten<br />

Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2002, 170 Seiten<br />

Die multiprofessionelle Diagnostik von AD/HS Kindern ist üblich, eine weitere<br />

Betreuung im multimodalen Team notwendig. Dieses Buch deckt die Möglichkeiten<br />

der methodischen pädagogischen Umsetzung und der speziellen Förderung im<br />

Unterricht oder der Leistungsförderung der Kinder ab. Einige separat<br />

gekennzeichnete Kapitel können auch Eltern hilfreich sein, wie z.B, Lerntipps für<br />

Kinder und Lernstrategien. Die wichtigsten Eigenschaften für Erwachsene sind trotz<br />

allem „Geduld üben und Gelassenheit bewahren“.<br />

In den letzten Jahren sind mehr als 50 Bücher zu AD/HS in deutscher Sprache<br />

erschienen, aber nur wenige über spezielle pädagogisch didaktische Methoden.<br />

Dieses Buch gehört dazu.<br />

Manfred Spitzer: Nervensachen.<br />

Perspektiven zu Geist, Gehirn und Gesellschaft<br />

Spitzauer Verlag, 320 Seiten, gebunden, € 30,--<br />

Wieder ein wahnsinnig interessant zu lesendes Fachbuch des bekannten Autors.<br />

Neueste wissenschaftliche Ergebnisse werden als "Geschichten" erzählt, z.T. mit<br />

ausgesprochen humorvollen Passagen. Wer wußte denn schon, dass Skinner Erich<br />

Fromm (ohne dessen Wissen) in einer Sitzung, wo sich dieser sich gegen den<br />

Behaviorismus wandte, unbemerkt einfach konditionierte? Diese und andere<br />

Geschichten und Berichte aus Forschungen finden sich in diesem Buch: humorvoll<br />

und gut verständlich formuliert – so spannend kann Forschung sein!<br />

Vielseitig und von verschiedensten Blickwinkeln wurden die Forschungsergebnisse in<br />

Themenbereichen abgehandelt: Historisches (von Hippokrates bis zur Begegnung<br />

Skinner und Erich Fromm), Neuroplastizität (Lernen, Verdrängen, Sexualität),<br />

Entwicklung (Biologie und soziales Lernen), Emotionen, Schlafen und Träumen,<br />

Forschen, Neurobiologie und Gesellschaft bis hin zur Evolution. Gescheit und witzig<br />

– somit nicht nur für Fachleute (Ärzte Psychologen, Pädagogen) oder Studenten,<br />

sondern durchaus auch für interessierte Laien lesenswert!<br />

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