innovativ:nrw - Geologischer Dienst NRW
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Beispiele für ein verwildertes<br />
und ein mäandrierendes Flusssystem<br />
18<br />
Bohren, analysieren, kartieren<br />
Alle geowissenschaftlichen Kartierungen haben ihre Besonderheiten<br />
– thematischer und räumlicher Art. Bisweilen werden im<br />
Zuge der Geländearbeiten ganz neue Erkenntnisse gewonnen,<br />
manchmal ergeben sich Anwendungen, die bis dahin nicht berücksichtigt<br />
wurden oder ein auf den ersten Blick eintöniges<br />
Gebiet liefert überraschend vielfältiges Datenmaterial. Einige<br />
Beispiele aus dem Alltag der geowissenschaftlichen Bearbeitung<br />
unseres Landesgebietes belegen die Bandbreite der bei<br />
den Kartierarbeiten erzielten Ergebnisse und ihre Praxisbezüge.<br />
Sibirisches Klima am Niederrhein<br />
Während des Eiszeitalters, dem Pleistozän, das vor 2,4 Millionen<br />
Jahren begann und vor etwa 10 000 Jahren endete,<br />
herrschten am Niederrhein über lange Zeiträume hinweg ähnliche<br />
klimatische Verhältnisse wie im heutigen Sibirien. Der Erdboden<br />
war dauerhaft gefroren und taute nur in den Sommermonaten<br />
an der Oberfläche auf. Das Wasser des Rheins, der<br />
schon damals dieses Gebiet beherrschte, konnte nur oberflächlich<br />
abfließen, sodass ein mehrere Zehnerkilometer breites,<br />
verwildertes Abflusssystem entstand, das in den kurzen<br />
Sommern große Wassermassen führte. Besonders während<br />
der frühsommerlichen Schneeschmelze entwickelten die eiszeitlichen<br />
Flüsse eine hohe Energie und transportierten gewaltige<br />
Mengen an Gesteinsschutt aus den Mittelgebirgen an den<br />
Niederrhein. So entstanden hier mächtige Sand- und Kiesablagerungen.<br />
Vor rund 240 000 Jahren sanken die Temperaturen<br />
so stark ab, dass sich das skandinavische Inlandeis bis an den<br />
Niederrhein ausdehnen und den Rhein dabei weit nach Westen<br />
abdrängen konnte. Zeugnisse des vermutlich am Niederrhein<br />
noch mehr als 100 m mächtigen Gletschereises sind die<br />
Stauchmoränen der Region. Dies sind Höhenzüge, die aus<br />
Kies-, Sand- und Tonschichten bestehen, die von den vordringenden<br />
Eismassen zusammengeschoben und aufgepresst<br />
wurden.<br />
Während des Eiszeitalters gab es aber auch immer wieder<br />
Phasen kurzfristiger Klimaerwärmung. In diesen Zeiten änderte<br />
sich das Abflussverhalten des Rheins. Er wurde zu einem<br />
mäandrierenden Fluss, in dessen Altarmen sich feinkörnige<br />
Sedimente und Torfe ablagerten. Untersuchungen fossilen<br />
Blütenstaubs in den Torfen erlauben Rückschlüsse auf die damals<br />
vorherrschende Flora und damit auch auf die Jahresdurchschnittstemperaturen.<br />
Im Raum Krefeld – Moers finden derzeit genaue Untersuchungen<br />
beispielsweise zur Verbreitung von Kies- und Sandvorkommen,<br />
zur Entstehung der verschiedenen Gesteine, zum<br />
Abflussverhalten des Rheins, zu den Inlandeisvorstößen und<br />
dem mehrmaligen Klimawandel mit folgenden Fragestellungen<br />
statt:<br />
• Wo liegen noch nutzbare Sand- und Kiesvorkommen?<br />
• Wo findet man feinkörnige Sedimente und Torfe, die das<br />
Grundwasser als Deckschicht vor Verunreinigungen von der<br />
Oberfläche her schützen?<br />
Jahre<br />
v. h.<br />
10 000<br />
110 000<br />
127 000<br />
240 000<br />
330 000<br />
425 000<br />
Klima<br />
warm kalt<br />
Schichtenfolge<br />
Auenterrassen<br />
Niederterrassen<br />
Schichten von Weeze<br />
Jüngere<br />
Mittelterrassen 2 – 4<br />
Eis<br />
Stauchmoränen<br />
Sander<br />
Eis Beckenablagerungen<br />
Holstein-Schichten<br />
Jüngere<br />
Mittelterrasse 1<br />
Römerhof-Schichten<br />
Mittlere<br />
Mittelterrasse<br />
Stratigrafie<br />
Holozän<br />
Weichsel<br />
Eem<br />
Saale<br />
Holstein<br />
Elster<br />
Klima und Schichtenfolge der<br />
letzten 450 000 Jahre am<br />
Niederrhein