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Mitwirkung und Obliegenheit im Bauvertragsrecht1

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<strong>Mitwirkung</strong> <strong>und</strong> <strong>Obliegenheit</strong> <strong>im</strong> Bauvertragsrecht 1<br />

Richter am BGH Prof. Stefan Leupertz, Karlsruhe<br />

I. Einleitung – Bauen als dynamischer Prozess<br />

Die Verwirklichung komplexer Bauleistungen erfolgt in einem dynamischen Prozess.<br />

Er beginnt mit der Entwicklung des Bauvorhabens <strong>und</strong> der Planung der hierfür<br />

erforderlichen Bauleistungen. Sein Ende ist erreicht, wenn das Bauwerk (mangelfrei)<br />

erstellt ist. Zwischen diesen beiden Eckpunkten liegt die Realität, die Vorstellung <strong>und</strong><br />

Ergebnis voneinander trennt. Sie zwingt die Vertragsparteien dazu, auf rechtlicher<br />

Ebene zusammenzuführen, was in tatsächlicher Hinsicht auseinanderstrebt. Denn<br />

kaum ein Bauwerk steht am Ende so da, wie es geplant wurde. Mag die Bauplanung<br />

noch so sorgfältig <strong>und</strong> vorausschauend erstellt worden sein; ihre Umsetzung ist <strong>im</strong><br />

Zeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Verabredungen der Beteiligten doch ungewiss.<br />

Die Beschaffenheit des Baugr<strong>und</strong>es, Witterungsverhältnisse, die Umsetzbarkeit<br />

komplizierter bautechnischer Verfahren, die Verfügbarkeit vorgesehener<br />

Transportwege, die Herbeiführung der erforderlichen Genehmigungen <strong>und</strong> die<br />

Entwicklung der Baukosten sind – um nur einige wichtige zu nennen - Faktoren, die<br />

sich in ihren Einzelheiten nicht vollständig verlässlich vorausplanen lassen. Hinzu<br />

kommen nicht selten nachträgliche Änderungswünsche des Bauherrn, die der<br />

Architekt ohne weiteres <strong>und</strong> der Unternehmer jedenfalls gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B<br />

beachten müssen.<br />

Die in alledem zu Tage tretenden Unwägbarkeiten des Baugeschehens gehören in<br />

der Baubranche zum Tagesgeschäft. Ihre zweckentsprechende Bewältigung<br />

erfordert über die vertragliche Vereinbarung <strong>und</strong> Erfüllung wechselseitiger<br />

Vertragspflichten hinaus eine kooperative Zusammenarbeit der Vertragspartner.<br />

Nach welchen Regeln diese Zusammenarbeit zu erfolgen hat, ist in vielen Punkten<br />

unklar. Rechtlicher Ansatzpunkt für die Festlegung solcher Regeln ist eine dem<br />

Bauvertrag <strong>im</strong>manente Verpflichtung zur <strong>Mitwirkung</strong>, die in den gesetzlichen<br />

Vorschriften des Werkvertragsrechts allerdings nur unvollkommen Anklang findet.<br />

Allein § 642 BGB verhält sich über die Folgen einer unterbliebenen <strong>Mitwirkung</strong> des<br />

Bestellers, gibt aber weder Auskunft über Art <strong>und</strong> Umfang der als erforderlich<br />

vorausgesetzten <strong>Mitwirkung</strong>shandlungen, noch über ihre rechtliche Qualität. Anlass<br />

genug, die rechtlichen Anforderungen an die Zusammenarbeit der<br />

Bauvertragsparteien <strong>und</strong> die Rechtsfolgen ihres Scheiterns näher zu beleuchten.<br />

II. Kooperation <strong>und</strong> <strong>Mitwirkung</strong><br />

Der mit Bauleistungen befasste Werkunternehmer unterliegt einer weit reichenden<br />

Erfolgsverpflichtung. Er muss den funktional definierten Werkerfolg 2<br />

eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der vertraglichen Vorgaben <strong>und</strong><br />

Verwendungserwartungen des Bestellers verwirklichen (§§ 631 Abs. 1, 633 Abs. 1, 2<br />

BGB). Um den sich hieraus ergebenden, hohen Anforderungen gerecht werden zu<br />

können, ist er allerdings in fast allen Stadien der Bauausführung auf die Kooperation<br />

des Bestellers angewiesen, die sich zudem nicht in der <strong>Mitwirkung</strong> an einer<br />

geordneten Vertragsabwicklung erschöpft, sondern bereits be<strong>im</strong> Vertragsschluss <strong>und</strong><br />

sogar bei der Vertragsanbahnung (§ 311 Abs. 2 BGB) ansetzt. 3 Der Besteller muss<br />

1 Der Beitrag ist als Aufsatz erschienen in Baurecht 2010, 1999<br />

2 Vgl. hierzu: PWW/Leupertz, BGB-Kom., 5. Aufl., § 633, Rn. 13 ff.<br />

3 Gr<strong>und</strong>sätzlich zur Kooperationsverpflichtung: BGH, Urteil vom 23.05.1996 – VII ZR 245/94, BauR<br />

1996, 542; Urteil vom 28.10.1999 – VII ZR 393/98, BauR 2000, 409


dem Unternehmer umsetzbare Vorgaben für die Bauausführung machen, er muss<br />

ihm die hierfür nötigen Informationen liefern, ggfls. Entscheidungen treffen <strong>und</strong> er<br />

muss die in seine Einflusssphäre fallenden tatsächlichen <strong>und</strong> rechtlichen<br />

Voraussetzungen für die Herstellung des Bauwerks schaffen. Welche<br />

<strong>Mitwirkung</strong>shandlungen hierfür konkret erforderlich sind, hängt von den Umständen<br />

des Einzelfalles ab, die wieder rum oft durch typische Unwägbarkeiten des<br />

Baugeschehens geprägt sind. Darin, nämlich in der kooperativen Bewältigung dieser<br />

Unwägbarkeiten, liegt die eigentliche Herausforderungen für die Vertragsparteien.<br />

Dementsprechend muss auch der Unternehmer über die Abarbeitung seiner<br />

Leistungspflichten hinaus an der gedeihlichen Verwirklichung des Bauvorhabens<br />

mitwirken. Sichtbar wird dies vor allem in seiner Verpflichtung, die Leistungsvorgaben<br />

des Bestellers zu prüfen <strong>und</strong> auf eventuelle Bedenken gegen die geplante<br />

Bauausführung hinzuweisen. 4<br />

III. Die <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers<br />

1. Rechtliche Einordnung - Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Der Begriff „<strong>Mitwirkung</strong>“ ist für sich genommen ohne rechtlichen Aussagewert. Er<br />

beschreibt lediglich einen tatsächlichen Vorgang, dessen rechtliche Einordnung von<br />

der Art der <strong>Mitwirkung</strong>shandlung abhängt, um die es geht. Rechtliche Konsequenzen<br />

hat ihr Unterbleiben nur dann, wenn eine Rechtspflicht für ihre Vornahme besteht.<br />

Eine solche Rechtspflicht kann vertragliche Leistungs- oder Nebenpflicht des<br />

Bestellers sein, wenn sich aus dem gegebenenfalls auszulegenden Vertrag ein<br />

entsprechender rechtsgeschäftlicher Wille der Vertragsparteien ergibt. 5 Aber auch<br />

das Unterbleiben von <strong>Mitwirkung</strong>shandlungen, auf deren Erbringung der<br />

Unternehmer keinen durchsetzbaren vertraglichen Anspruch hat, kann für den<br />

Besteller zu Rechtsnachteilen führen. Dann geht es um die Verletzung von so<br />

genannten <strong>Obliegenheit</strong>en, deren Rechtsfolgen sich signifikant von denen<br />

unterscheiden, die der Besteller wegen einer Verletzung vertraglicher Leistungs- oder<br />

Nebenpflichten zu tragen hat. Schon deshalb bedarf es einer präzisen Abgrenzung,<br />

die <strong>im</strong> Folgenden versucht werden soll.<br />

2. <strong>Mitwirkung</strong> als Vertragspflicht<br />

a) Voraussetzungen<br />

Den Besteller einer Bauleistung treffen zwei vertragliche Haupt(leistungs)pflichten: Er<br />

muss das Gewerk bezahlen (§§ 631 Abs. 1, 632 BGB) <strong>und</strong> er muss es abnehmen (§<br />

640 BGB). Darüber hinaus entstehen bereits mit der Anbahnung des Vertrages nicht<br />

leistungsbezogene Schutz- <strong>und</strong> Obhutspflichten, auf deren Erfüllung der<br />

Unternehmer nach allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen einen durchsetzbaren Anspruch hat (§§<br />

241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB). Ob <strong>und</strong> wenn ja, worin diese Pflichten konkret<br />

bestehen, hängt von der Ausgestaltung des jeweiligen Vertrages ab, wie sich aus §<br />

241 Abs. 2 BGB ergibt („…kann nach seinem Inhalt…“).<br />

Damit ist für die Beantwortung der hier interessierenden Fragen wenig gewonnen.<br />

Denn die <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers bei der Durchführung des Bauvorhabens gehört<br />

zweifellos nicht zu seinen vertraglichen Hauptpflichten; sie besteht in aller Regel<br />

auch nicht in der Erfüllung von allgemeinen, dem gesetzlichen Gebot der<br />

Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des Vertragspartners entspringenden Schutz-<br />

<strong>und</strong> Obhutspflichten <strong>im</strong> Sinne des § 241 Abs. 2 BGB. Der Besteller liefert<br />

4 Vgl. §§ 4 Abs. 3, 13 Abs. 3 VOB/B; zur Geltung der Prüfungs- <strong>und</strong> Hinweispflicht für den BGB-<br />

Bauvertrag: BGH, Urteil vom 8. November 2007 – VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110, 120<br />

5 Eingehend dazu: Kniffka, Jahrbuch Baurecht 2001, 1, 6 ff.<br />

2


eispielsweise Baupläne oder Baugenehmigungen nicht, um die Rechtsgüter des<br />

Unternehmers vor Schaden zu bewahren. Er wirkt solcherart mit, weil sonst die<br />

zweckentsprechende Verwirklichung des Bauvorhabens gefährdet oder vereitelt<br />

würde. Seine <strong>Mitwirkung</strong>shandlung dient also letztlich eigenen Interessen. Sie ist<br />

keine vertragliche, dem Unternehmer gegenüber bestehende Verbindlichkeit,<br />

sondern eine auf Verhaltenserwartungen eigener Art beruhende „Pflicht des<br />

Bestellers gegen sich selbst“. 6<br />

Daraus folgt: Es gibt keine, einen durchsetzbaren Anspruch begründende „originäre“<br />

Vertragspflicht des Bestellers zur <strong>Mitwirkung</strong>. Sie entsteht vielmehr nur durch<br />

entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen der Vertragsparteien, die<br />

ausdrücklich oder konkludent getroffen werden können. 7 Solche vertraglichen<br />

Abreden sind nicht selten. Sie finden sich beispielsweise in Vereinbarungen über die<br />

(termingerechte) Lieferung von Bauplänen oder Baugenehmigungen, die Vornahme<br />

von Auswahlentscheidungen (Bemusterungen) oder über Maßnahmen für die<br />

absehbar erforderliche Koordinierung unterschiedlicher Gewerke. In diesem<br />

Zusammenhang spielt die Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag uU eine<br />

entscheidende Rolle. Dann nämlich ist der Besteller beispielsweise gemäß § 2 Abs.<br />

5, Abs. 6 VOB/B verpflichtet, über eine Mehrvergütung für zusätzliche oder<br />

geänderte Leistungen zu verhandeln, worin nichts anderes zu sehen ist als eine<br />

<strong>Mitwirkung</strong> <strong>im</strong> hier interessierenden Sinne. Besonderes Augenmerk verdient § 3 Abs.<br />

1 VOB/B, wonach der Besteller dem Unternehmer „die für die Ausführung der<br />

Bauleistung nötigen Unterlagen unentgeltlich <strong>und</strong> rechtzeitig zu übergeben“ hat.<br />

Daraus hat der BGH – mit Recht - eine vertraglich vereinbarte Verpflichtung<br />

abgeleitet, die für die Bauausführung erforderlichen Baupläne beizubringen. 8 Ob eine<br />

solche, als vertragliche Verbindlichkeit ausgestaltete Verpflichtung ohne weiteres<br />

auch <strong>im</strong> Rahmen eines BGB-Bauvertrages besteht, erscheint fraglich. Die Suche<br />

nach der Antwort ist exemplarisch. Sie bietet schon deshalb Anlass für eine<br />

genauere Betrachtung, weil der BGH in weiteren Entscheidungen mehrfach ohne<br />

nähere Begründung ausgeführt hat, der Besteller „schulde“ dem Unternehmer<br />

zuverlässige Pläne oder er „habe“ diese zu stellen. 9<br />

Zu diesem Ergebnis kann – vorbehaltlich entsprechender Vereinbarungen - nach<br />

obigen Gr<strong>und</strong>sätzen nur eine Vertragsauslegung in der Weise führen, dass der<br />

rechtsgeschäftliche Wille der Parteien eines Vertrages über vom Besteller zu<br />

planende Bauleistungen auch unausgesprochen dessen Verpflichtung umfasst, die<br />

erforderlichen Pläne beizustellen, die Planlieferpflicht einem solchen Bauvertrag also<br />

gewissermaßen inhärent ist. Ob ein solches Verständnis möglich ist, hat der BGH<br />

zuletzt offen gelassen. 10 Die St<strong>im</strong>men in der Rechtsprechung der Instanzgerichte<br />

<strong>und</strong> in der Literatur sind geteilt. 11 Sie gehen fehl, soweit sie die Planlieferung (für die<br />

6<br />

So treffend allgemein für den Begriff der <strong>Obliegenheit</strong>en: PWW/Medicus, BGB-Kom., 5. Aufl., § 254,<br />

Rdn. 8<br />

7<br />

BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722, 724 - Vorunternehmer; Urteil vom<br />

27.11.2008 – VII ZR 206/06, BauR 2009, 515, 520, Tz. 35 - Glasfassade<br />

8<br />

BGH, Urteil vom 22.03.1984 – VII ZR 50/82, NJW 1984, 1676, 1677; ebenso insgesamt für die<br />

<strong>Mitwirkung</strong>sgebote in §§ 3,4 VOB/B: Beck´scher VOB-Komm./Hofmann, vor § 3 Rdn. 33 m.w.N.; von<br />

Craushaar, BauR 1987, 14<br />

9<br />

BGH, Urteil vom 27.06.1985 – VII ZR 23/84, BauR 1985, 561, 562; Urteil vom 23.10.1986 – VII ZR<br />

267/85, BauR 1987, 86; Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722, 724<br />

10<br />

BGH, Urteil vom 27.11.2008 – VII ZR 206/06, BauR 2009, 515, 520, Tz. 35<br />

11<br />

Gegen eine Planlieferpflicht: OLG Karlsruhe, BauR 2004, 363; OLG Celle, IBR 2004, 26; OLG<br />

Stuttgart, BauR 2003, 1062; 1064; OLG Düsseldorf, BauR 1998, 582; OLG Köln, BauR 1997, 505;<br />

OLG Bamberg, BauR 1991, 791; Glöckner BauR 2005, 251, 269; Klein/Moufang, Jahrbuch Baurecht<br />

3


Beistellung der erforderlichen Genehmigungen gilt nichts anderes) ohne<br />

ausreichenden Anknüpfungspunkt <strong>im</strong> Vertrag allein mit dem Argument zur<br />

vertraglichen Leistungspflicht erheben, andernfalls könne das Bauwerk nicht<br />

vertragsgerecht erstellt werden 12 , könnten der Unternehmer bzw. der<br />

bauüberwachende Architekt nicht vertragsgerecht leisten. 13 Es kommt für die<br />

Einordnung der <strong>Mitwirkung</strong>shandlung als Vertragspflicht eben nicht darauf an, ob der<br />

Unternehmer die Baupläne für die Ausführung der ihm übertragenen Bauleistungen<br />

benötigt. Die zweckentsprechende Realisierung des Bauvorhabens liegt <strong>im</strong> Interesse<br />

des Bestellers. Gerade darin zeigt sich, dass er eine „gegen sich selbst gerichtete<br />

Pflicht“ verletzt, wenn er die hierfür erforderlichen <strong>Mitwirkung</strong>shandlungen nicht<br />

vorn<strong>im</strong>mt. Demgegenüber ist das Interesse des Unternehmers an der Erbringung der<br />

Vertragsleistung ist in erster Linie darauf gerichtet, die hierfür vereinbarte Vergütung<br />

zu erhalten. Dass er keinen weitergehenden Anspruch darauf hat, seine<br />

Leistungsverpflichtung erfüllen zu dürfen, folgt aus dem Gesetz, wonach der<br />

Besteller den Vertrag gegen monetären Ausgleich jederzeit frei kündigen kann (§ 649<br />

BGB). Scheitert der Unternehmer an der fehlenden <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers, hält<br />

das Gesetz Regelungen bereit, die der Beeinträchtigung seines aus Ausführung der<br />

Bauleistung gerichteten Interesses angemessen Rechnung tragen. Der Besteller<br />

gerät unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 293ff. BGB in Annahmeverzug <strong>und</strong><br />

der Unternehmer kann nach Maßgabe des § 642 BGB eine Entschädigung verlangen<br />

oder sich gemäß § 643 BGB vom Vertrag lösen. Seine Leistung wird mit den sich aus<br />

§§ 275, 326 Abs. 2 BGB ergebenden Folgen unmöglich, wenn die Durchführung des<br />

Vertrages wegen der fehlenden <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers endgültig gescheitert ist.<br />

Er steht also nicht schlechter da, als er stünde, wenn der Besteller den Vertrag nach<br />

§ 649 BGB gekündigt hätte.<br />

b) Rechtsfolgen<br />

Besteht eine vertragliche Verpflichtung zur <strong>Mitwirkung</strong>, hat der Unternehmer einen<br />

einklagbaren Anspruch auf ihre Vornahme. Er kann gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs.<br />

2, 311 Abs. 2 BGB Schadensersatz verlangen, wenn die gebotene<br />

<strong>Mitwirkung</strong>shandlung aus Gründen unterbleibt, die der Besteller zu vertreten hat.<br />

Darüber hinaus (§ 325 BGB) darf er gemäß § 323 Abs. 1 BGB vom Vertrage<br />

zurücktreten. Er behält seinen Anspruch auf die vertragliche Vergütung abzüglich<br />

ersparter Aufwendungen <strong>und</strong> anderweitigen Erwerb, wenn die Erbringung der<br />

Vertragsleistung infolge der fehlenden <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers unmöglich wird (§§<br />

275, 326 Abs. 2 BGB).<br />

3. <strong>Mitwirkung</strong> als <strong>Obliegenheit</strong><br />

a) Allgemeine Voraussetzungen<br />

<strong>Obliegenheit</strong>en sind gesetzlich nicht definiert. Sie werden gemeinhin als<br />

Verhaltenserwartungen eigener Art aufgefasst, 14 welche dem Inhaber einer<br />

Rechtsposition all diejenigen zumutbaren Verhaltsweisen abverlangen, die er zur<br />

Wahrung seiner Rechtsposition vernünftigerweise einhalten würde. 15 Es handelt sich<br />

also um ein Rechtsgebot, das der Rechtsinhaber <strong>im</strong> eigenen Interesse zu erfüllen<br />

2006, 165, 176; Dafür: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12 Aufl., Rdn. 1989; Kleine-Möller/Merl/Merl,<br />

Handbuch des privaten Baurechts, 3. Aufl., Rdn. 1010; Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 5.<br />

Aufl., Rdn. 680; Soergel, BauR 2005, 239, 246; Kirberger, BauR 2006, 239, 242<br />

12<br />

Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12 Aufl., Rdn. 1989 mwN<br />

13<br />

Kirberger, BauR 2006, 239, 242 mwN<br />

14<br />

Vgl.: PWW/Schmidt-Kessel, BGB-Kom. 5. Aufl., § 241, Rdn. 28<br />

15<br />

für den Schadensersatzgläubiger: Staudinger/Schiemann, BGB-Kom. (2005), § 254, Rdn. 31<br />

4


hat. 16 Verletzt er dieses Gebot, so führt dies typischerweise zum einem –<br />

vollständigen oder teilweisen – Rechts- bzw. Einwendungsverlust. Gesetzliche<br />

Vorschriften in diesem Sinne finden sich bspw. in den §§ 254, 293 ff., 651d Abs. 2<br />

BGB, § 377 HGB, §§ 28, 81 VVG.<br />

Die Entstehung von <strong>Obliegenheit</strong>en ist nicht an das Bestehen vertraglicher<br />

Beziehungen geknüpft. Sie spielen durch § 254 Abs. 1 BGB gerade <strong>im</strong> Bereich der<br />

Deliktshaftung eine erhebliche Rolle. Denn das dort vorausgesetzte (Mit-)<br />

Verschulden des Geschädigten kann auch ein „Verschulden gegen sich selbst“ durch<br />

Außerachtlassung der bei der Wahrnehmung eigener Angelegenheiten gebotenen<br />

Sorgfalt <strong>und</strong> Vorsicht sein. Beispielsweise trifft den durch einen Zusammenstoß mit<br />

einem Pkw geschädigten Fußgänger gemäß § 254 Abs. 1 BGB ein durch die<br />

Verletzung einer <strong>Obliegenheit</strong> begründetes Mitverschulden an der Entstehung des<br />

Schadens, wenn er einen nahe gelegenen Fußgängerüberweg nicht benutzt hat. 17<br />

Es lässt sich deshalb sagen: Maßstab für die Entstehung <strong>und</strong> den Inhalt der<br />

<strong>Obliegenheit</strong> ist die Rechtsfolge, deren Vermeidung sie dient.<br />

Das gilt <strong>im</strong> Ausgangspunkt auch für die nicht nach obigen Gr<strong>und</strong>sätzen als<br />

Vertragspflicht ausgestaltete <strong>Mitwirkung</strong> des Gläubigers an der Erbringung der<br />

geschuldeten Vertragsleistung. Der Schuldner kann eine solche <strong>Mitwirkung</strong> nicht<br />

erzwingen. Er hat insbesondere keinen selbständigen einklagbaren Anspruch auf<br />

ihre Erbringung, sondern ist auf die Geltendmachung der Rechtsfolgen verwiesen,<br />

die das Gesetz an ihr Ausbleiben knüpft.<br />

b) Bauvertragliche <strong>Mitwirkung</strong>sobliegenheiten<br />

Für den Bereich des Bauvertragsrechts ergeben sich solche Rechtsfolgen zunächst<br />

aus §§ 642, 643 BGB. Danach kann der Unternehmer unter den dort weiter<br />

genannten Voraussetzungen eine Entschädigung verlangen <strong>und</strong>/oder den Vertrag<br />

kündigen, wenn der Besteller eine für die Herstellung des geschuldeten Werkes<br />

erforderliche Handlung unterlässt. Der Hintergr<strong>und</strong> für diese Regelungen ist<br />

offenk<strong>und</strong>ig: Sie sollen das auf den Erhalt der vereinbarten Vergütung gerichtete<br />

monetäre Interesse des Unternehmers an der Fertigstellung der Vertragsleistung<br />

sichern <strong>und</strong> ihm einen angemessenen Ausgleich dafür gewähren, dass er das<br />

geschuldete Werk nur wegen der fehlenden <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers nicht<br />

herstellen kann. Dessen <strong>Mitwirkung</strong> ist eine <strong>Obliegenheit</strong>, weil er durch ihr<br />

Unterlassen zugleich gegen seine eigenen, auf die vertragsgerechte Herstellung des<br />

Bauwerks gerichteten Interessen verstößt <strong>und</strong> damit eine „Pflicht gegen sich selbst“<br />

verletzt. Darin, nämlich in diesem Pflichtverstoß, liegt die innere Rechtfertigung für<br />

die durch §§ 642, 643 BGB angeordneten Rechtsfolgen. Der Besteller muss eine<br />

Verschlechterung seiner Rechtsposition hinnehmen, die hier allerdings nicht in einem<br />

Rechts- oder Einwendungsverlust, sondern in gesetzlich angeordneten<br />

(Entschädigungs-) Ansprüchen <strong>und</strong> (Kündigungs-) Rechten des Unternehmers<br />

besteht. Nur am Rande: Dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch gemäß §<br />

642 Abs. 1 BGB um einen Anspruch eigener Art handelt, der weder Vergütungs-,<br />

noch Schadensersatzanspruch ist, 18 liegt in Erwägung all dessen auf der Hand.<br />

16 PWW/Medicus, BGB-Kom., 5. Aufl., § 254, Rdn. 8<br />

17 BGH, Urteil vom 21.12.1976 - VI ZR 21/75, VersR 1977, 337<br />

18 Ebenso: BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722, 726; OLG Köln, NJW-RR<br />

2004, 818; aA: Roskosny/Boldt, BauR 2006, 1804 mwN; Boldt, BauR 2006, 185, 193 –<br />

Vergütungscharakter; MüKo/Busche; BGB-Kom., 5. Aufl., § 642, Rdn .16 - Schadensersatz<br />

5


c) Einzelne <strong>Mitwirkung</strong>sobliegenheiten<br />

Gläubigerobliegenheiten <strong>im</strong> Sinne des § 642 Abs. 1 BGB sind Handlungen oder ein<br />

Unterlassen des Bestellers, von deren Erbringung bzw. Ausbleiben die<br />

vertragsgerechte Fertigstellung der Werkleistungen abhängt. 19 Welche das sind, ist<br />

eine Frage des Einzelfalles <strong>und</strong> lässt sich abschließend nicht aufzählen. Typische<br />

bauvertragliche <strong>Mitwirkung</strong>sobliegenheiten des Bestellers sind:<br />

� Rechtszeitige Lieferung tauglicher Pläne<br />

� Beibringung der erforderlichen Genehmigungen<br />

� Bereitstellung eines baureifen Gr<strong>und</strong>stückes<br />

� Bereitstellung tauglicher Vorunternehmerleistungen<br />

(BGH, Urt. v. 21.10.1999 – VII ZR 185/98)<br />

� Kooperative Bearbeitung <strong>und</strong> Bescheidung von Nachträgen<br />

� Auswahlentscheidungen (Bemusterungen)<br />

� Abruf der geschuldeten Leistung<br />

� Koordinierung unterschiedlicher Gewerke<br />

IV. <strong>Mitwirkung</strong> <strong>und</strong> Mitverschulden<br />

1. Ausgangslage<br />

Durch das bereits mehrfach zitierte Glasfassadenurteil des BGH 20 ist eine alte<br />

Diskussion neu entbrannt: In welchem Umfang muss sich der Besteller <strong>im</strong> Verhältnis<br />

zum Unternehmer/Architekten schuldhafte Fehler anderer für die Verwirklichung des<br />

Bauvorhabens eingeschalteter Unternehmer/Architekten/Sonderfachleute zurechnen<br />

lassen? Diese, seinerzeit insbesondere mit Blick auf fehlerhafte<br />

Vorunternehmerleistungen geführte Diskussion 21 war bisher stark beeinflusst von der<br />

Beantwortung der Frage, ob der Besteller die Dritten überlassene <strong>Mitwirkung</strong><br />

„schulde“, der Unternehmer hierauf also einen vertraglichen Anspruch habe. 22 Damit<br />

wäre in Anwendung der unter 2.) dargestellten Gr<strong>und</strong>sätze vorgegeben, dass nur<br />

vertraglich vereinbarte <strong>Mitwirkung</strong>sverpflichtungen des Bestellers, für deren Erfüllung<br />

er sich eines Gehilfen bedient hatte, gemäß §§ 254 Abs. 1, 278 BGB zur<br />

Begründung seiner quotalen Mitverantwortung für Baumängel herangezogen werden<br />

könnten. Fehlt eine solche vertragliche Vereinbarung, so hätte der Unternehmer für<br />

den von ihm verursachten Baumangel in vollem Umfang einzustehen <strong>und</strong> er müsste<br />

sich wegen eines eventuellen Mitverursachungsbeitrages eines Gehilfen des<br />

Bestellers <strong>im</strong> Wege des Gesamtschuldnerausgleichs (§ 426 BGB) an diesen halten.<br />

Der Unternehmer hätte dann also nicht nur das Risiko einer Insolvenz des anderen<br />

Gesamtschuldners, sondern auch die allgemeinen Risiken <strong>und</strong> Nachteile eines<br />

Gesamtschuldnerregressprozesses zu tragen, von denen hier nicht weiter die Rede<br />

sein soll.<br />

19 BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722, 726; vgl. auch: BGH, Urteil vom<br />

27.11.2008 – VII ZR 206/06, BauR 2009, 515, 520, Tz. 35f. - Glasfassade<br />

20 BGH, Urteil vom 27.11.2008 – VII ZR 206/06, BauR 2009, 515<br />

21 Vgl. statt vieler: BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722<br />

22 So bspw: BGH, Urteil vom 27.06.1985 – VII ZR 23/84, BauR 1985, 561, 562; Urteil vom 23.10.1986<br />

– VII ZR 267/85, BauR 1987, 86; Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722, 724<br />

6


Mit der Entscheidung vom 27.11.2008 hat der BGH einen anderen Weg aufgezeigt,<br />

der an den Regelungsgehalt des § 254 Abs. 1 BGB anknüpft <strong>und</strong> mit Recht den<br />

Begriff der <strong>Obliegenheit</strong> in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Dieser Weg soll <strong>im</strong><br />

Folgenden nachgezeichnet <strong>und</strong> sodann ein Stück weiter beschritten werden.<br />

2. Die Berücksichtigung des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB<br />

a) Der Anwendungsbereich des § 254 BGB<br />

Der Regelungsgehalt des § 254 BGB ist zweigeteilt. Abs. 1 betrifft die Bemessung<br />

des Schadens, wenn (haftungsbegründend) bei seiner Entstehung ein Verschulden<br />

des Geschädigten mitgewirkt hat, Abs. 2 die Fallkonstellationen, in denen der<br />

Geschädigte (haftungsausfüllend) gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, den<br />

Schaden abzuwenden oder zu mindern.<br />

§ 254 BGB umfasst seinem Wortlaut nach nur Schadensersatzansprüche. Allerdings<br />

ist in Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur anerkannt, dass der ihm innewohnende<br />

Rechtsgedanke der Abwägung beiderseitigen Verursachungsbeiträge zumindest<br />

entsprechende Anwendung findet für werkvertragliche Ansprüche auf<br />

Nacherfüllung 23 <strong>und</strong> Minderung, 24 darüber hinaus für Ausgleichsansprüche unter<br />

gesamtschuldnerisch haftenden Schädigern nach § 426 Abs. 1 BGB. 25 Letzteres ist<br />

nicht selbstverständlich. Denn be<strong>im</strong> Gesamtschuldnerausgleich spielt das<br />

beiderseitige Verschulden, an das § 254 Abs. 1 BGB den Abwägungsvorgang knüpft,<br />

keine Rolle. Die Gesamtschuldner stehen in der Regel weder in vertraglicher<br />

Verbindung, noch bestehen sonst wechselseitige Rechtspflichten in Bezug auf den<br />

ausgleichspflichtigen Schaden. Gerechtfertigt ist eine Abwägung der<br />

Verursachungsbeiträge gleichwohl, <strong>und</strong> zwar unmittelbar aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB,<br />

wonach die Gesamtschuldner <strong>im</strong> Verhältnis zueinander zu gleichen Teilen<br />

verpflichtet sind, „soweit nicht anderes best<strong>im</strong>mt ist“. Der Rechtsgedanke des § 254<br />

Abs. 1 BGB ist eine solche andere Best<strong>im</strong>mung, die sich abseits gesetzlicher oder<br />

vertraglicher Regelungen auch aus der Natur der Sache ergeben kann. 26<br />

b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 254 BGB<br />

Die Anwendung des § 254 BGB setzt eine <strong>Mitwirkung</strong> des Geschädigten bei der<br />

Entstehung des Schadens voraus. Diese <strong>Mitwirkung</strong> kann sich auf die Ursache des<br />

Schadens (Abs. 1) oder auf seine Entstehung <strong>und</strong> seinen Umfang (Abs. 2) beziehen.<br />

Sie muss auf der Verletzung einer Rechtspflicht beruhen, die allerdings nicht<br />

notwendig - durch Vertrag oder Gesetz - dem Schädiger gegenüber bestehen muss.<br />

Auch der Verstoß gegen eine <strong>Obliegenheit</strong> als „Pflicht des Geschädigten gegen sich<br />

selbst“ kann zur Mitverursachungsanrechnung nach § 254 Abs. 1 BGB führen, wenn<br />

er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen <strong>und</strong> verständigen<br />

Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren. 27 Um einen solchen<br />

<strong>Obliegenheit</strong>sverstoß handelt es sich stets in den Fällen des § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 1<br />

BGB, in denen der Geschädigte sich entgegenhalten lassen muss, den Schädiger<br />

nicht vor der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens gewarnt zu haben<br />

(Warnungsobliegenheit); § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB schließlich beruht auf der<br />

Missachtung einer <strong>Obliegenheit</strong> zur Schadensabwendung oder –minderung.<br />

23 BGH, Urteil vom 22.03.1984 – VII ZR 50/82, NJW 1984, 1676, 1677<br />

24 Vgl. statt vieler: Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12 Aufl., Rdn. 2444 ff. mwN<br />

25 St. Rspr.: BGHZ 17, 214, 222; 59, 97, 103<br />

26 St. Rspr.: BGH, Urteil vom 22.10.1992 – IX ZR 244/91, NJW 1993, 585, 587 mwN<br />

27 BGH, Urteil vom 17.10.2000 – VI ZR 313/99, NJW 2001, 149, 150 mwN<br />

7


Der Pflichtverstoß des Geschädigten ist nur dann gemäß § 254 BGB zu<br />

berücksichtigen, wenn er mitursächlich <strong>im</strong> Sinne der Adäquanztheorie für die<br />

Entstehung oder den Umfang des Schadens geworden ist 28 . Darüber hinaus muss<br />

die Vermeidung des ersetzt verlangten Schadens nach allgemein für die<br />

Schadenszurechnung geltenden Gr<strong>und</strong>sätzen unter den Schutzzweck der<br />

Rechtspflicht fallen, gegen die der Geschädigte verstoßen hat. Das gilt auch bei<br />

Verletzung einer <strong>Obliegenheit</strong> iSd § 254 BGB, die folglich gerade zu dem Zweck<br />

bestanden haben muss, den eingetretenen Schaden zu verhindern. 29 Deshalb kann<br />

sich beispielsweise der Arzt nicht mit Erfolg darauf berufen, der Patient sei gemäß §<br />

254 BGB für die Folgen seiner Fehlbehandlung mitverantwortlich, weil er seine<br />

Krankheit selbst verschuldet habe. 30 Und auch der zur Beratung verpflichtete<br />

Schädiger dringt mit dem Einwand nicht durch, den Beratenen treffe ein nach § 254<br />

Abs. 1 BGB zu berücksichtigendes Mitverschulden an den Folgen der fehlerhaften<br />

Beratung, weil er auf ihre Richtigkeit vertraut habe, obwohl er den Beratungsfehler<br />

hätte erkennen können. 31<br />

Schließlich erfordert § 254 BGB Verschulden, das – wie ausgeführt – als<br />

„Verschulden gegen sich selbst“ bestehen kann. Dann kommt es darauf an, ob der<br />

Geschädigte die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt vorsätzlich<br />

oder fahrlässig (§ 276 BGB) außer Acht gelassen hat.<br />

3. Mitverursachung durch Erfüllungsgehilfen<br />

Ein zentrales Problem des gesamten Bauvertragsrechts ist die Beantwortung der<br />

auch <strong>im</strong> Glasfassadenfall entscheidenden Frage, inwieweit der Besteller <strong>im</strong><br />

Verhältnis zum Unternehmer/Architekt für die Fehler anderer, von ihm mit der<br />

Errichtung des Bauwerks beauftragten Unternehmer/Architekten einzustehen hat. Für<br />

all die Fälle, in denen der Besteller vertraglich zur <strong>Mitwirkung</strong> verpflichtet war <strong>und</strong> ein<br />

schuldhafter Fehler des zur Erfüllung dieser <strong>Mitwirkung</strong>sverpflichtung<br />

eingeschalteten Gehilfen ursächlich zur Entstehung des Schadens (Baumangel)<br />

beigetragen hat, ergibt sich die Lösung aus § 278 BGB. Denn der Schuldner<br />

(Besteller) hat das Verschulden eines Dritten, dessen er sich zur Erfüllung seiner<br />

Verbindlichkeit (<strong>Mitwirkung</strong>) bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes<br />

Verschulden. Liegen also die übrigen Voraussetzungen des § 254 Abs. 1 BGB vor,<br />

muss er sich den Verursachungsbeitrag seines Gehilfen bei der Ermittlung des<br />

erstattungsfähigen Schadens anrechnen lassen. Anders liegen die Dinge, wenn<br />

keine vertragliche Verpflichtung zur <strong>Mitwirkung</strong> besteht, die <strong>Mitwirkung</strong> also bloße<br />

<strong>Obliegenheit</strong> ist. Dann findet § 278 BGB keine unmittelbare Anwendung, weil der<br />

Besteller nicht „Schuldner“ ist <strong>und</strong> es keine „Verbindlichkeit“ gibt, zu deren Erfüllung<br />

er sich eines Dritten hätte bedienen können.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erhellt sich, warum § 254 Abs. 2 S. 2 BGB anordnet, dass §<br />

278 BGB „entsprechende Anwendung“ findet. Die Verweisung vermeidet, dass der<br />

Geschädigte schon deshalb von der Mithaftung frei wird, weil er die Wahrnehmung<br />

einer <strong>Mitwirkung</strong>sobliegenheit iSd § 254 BGB delegiert hat. Sie bezieht sich nach<br />

allgemeiner Meinung nicht nur auf die vorstehend in Abs. 2 S. 1 geregelte<br />

28 BGH, Urteil vom 21. 11. 2006 - VI ZR 115/05, NJW 2007, 506 mwN<br />

29 St. Rspr.; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 14. 03. 2006 - X ZR 46/04, NJW-RR 2006, 965 mwN<br />

30 BGH, Urteil vom 21.09. 1971 - VI ZR 122/70, NJW 1972, 334, 335<br />

31 BGH, Urteil vom 13.01.2004 – XI 355/02, NJW 2004, 1868, 1870<br />

8


Schadensabwendungs- <strong>und</strong> minderungspflicht, sondern auch auf<br />

haftungsbegründende <strong>Obliegenheit</strong>sverstöße <strong>im</strong> Sinne des § 254 Abs. 1 BGB. 32<br />

Allerdings entn<strong>im</strong>mt der BGH der Vorschrift in § 254 Abs. 2 S. 2 BGB in ständiger<br />

Rechtsprechung eine Rechtsgr<strong>und</strong>verweisung. 33 Damit verlangt er für die<br />

Anwendung des § 278 BGB auf die Mitverschuldenszurechnung das Bestehen einer<br />

Sonderverbindung zwischen Schädiger <strong>und</strong> Geschädigtem, die nach dem<br />

Regelungsgehalt des § 278 BGB Gr<strong>und</strong>lage für die Verbindlichkeit ist, zu deren<br />

Erfüllung der Geschädigte einen Gehilfen eingeschaltet hat. Das überrascht<br />

zunächst. Denn dann läuft die Verweisung auf erste Sicht leer: Sie ist entbehrlich,<br />

wenn eine Verbindlichkeit besteht; fehlt eine solche, nützt sie dem Schädiger in der<br />

Regel nichts, weil er sich nicht auf eine durch Vertrag oder Gesetz begründete<br />

Sonderverbindung berufen kann. Letzteres führt insbesondere dazu, dass sich<br />

Kinder das Aufsichtsverschulden ihrer Eltern nicht gemäß § 254 Abs. 1 BGB<br />

anrechnen lassen müssen. Der BGH führt dazu aus: 34<br />

„Richtig ist es zwar, daß nicht notwendig eine vertragliche, sondern auch eine<br />

deliktisch oder in anderer Weise bereits entstandene schuldrechtliche<br />

Verbindung zwischen den Parteien besondere Nebenpflichten, insbesondere<br />

zu gegenseitigem Schutz <strong>und</strong> zu Rücksichtnahme, erzeugen kann. Indessen<br />

deutet schon der Umstand, daß es sich dabei um „besondere” Pflichten<br />

handelt, darauf hin, daß die daraus entspringenden Verhaltensgebote über<br />

dasjenige hinausgehen müssen, was einer zufälligen Berührung von der<br />

Rechtsordnung Unterstehenden ohnehin eigen ist. Diese Pflichten erhalten<br />

aber ihren Sinn <strong>und</strong> ihre Rechtfertigung nur als Haupt- oder<br />

Nebenobligationen aus dem bestehenden Schuldverhältnis. Für sie ist daher<br />

kein Raum, wo die deliktische Haftung des Schädigers nur auf der Verletzung<br />

einer allgemeinen Rechtspflicht beruht <strong>und</strong> mit einer etwa aus anderem<br />

Gr<strong>und</strong>e bestehenden schuldrechtlichen Verbindung keinen Zusammenhang<br />

hat.“<br />

Für bauvertragliche <strong>Mitwirkung</strong>sobliegenheiten gelten diese, den<br />

Anwendungsbereich des § 254 Abs. 1 BGB beschränkenden Erwägungen nicht.<br />

Jene entspringen vielmehr einer schuldrechtlichen Verbindung zwischen Schädiger<br />

<strong>und</strong> Geschädigten <strong>und</strong> beruhen somit auf einem unmittelbaren Zusammenhang mit<br />

der werkvertraglichen Leistungsverpflichtung des Unternehmers, für deren<br />

Erbringung er auf die <strong>Mitwirkung</strong> des Bestellers angewiesen ist. Dieser, nach der<br />

zitierten Rechtsprechung für die Mitverschuldenszurechnung nach § 254 BGB<br />

erforderliche Bezug zur (werkvertraglichen) Sonderverbindung entfällt nicht dadurch,<br />

dass der Unternehmer diese <strong>Mitwirkung</strong> nicht als Verbindlichkeit erzwingen kann. Im<br />

Gegenteil: Gerade solche Fälle sind es, die für eine „entsprechende Anwendung“ des<br />

§ 278 BGB in Betracht kommen <strong>und</strong> eine Mithaftung des Geschädigten für die<br />

Verletzung einer <strong>Obliegenheit</strong> durch den von ihm zu ihrer Wahrnehmung<br />

eingeschalteten Gehilfen gerechtfertigt erscheinen lassen.<br />

32 Statt aller: BGH, Urteil vom 08.03.1951 - III ZR 65/50, NJW 1951, 477<br />

33 Gr<strong>und</strong>legend: BGH, Urteil vom 08.03.1951 - III ZR 65/50, NJW 1951, 477; BGH, Urteil vom<br />

20.05.1980 - VI ZR 185/78, NJW 1980, 2080; BGH, Urteil vom 06.07.2006 - III ZR 80/05, NJW 2006,<br />

1431, 1432<br />

34 BGH, Urteil vom 20.05.1980 - VI ZR 185/78, NJW 1980, 2080<br />

9


V. Subsumtion<br />

1. Mitverschulden durch fehlerhafte Pläne<br />

Im Glasfassadenurteil 35 hatte sich der BGH mit der verallgemeinerungsfähigen Frage<br />

zu beschäftigen, ob der Besteller sich ein Mitverschulden seines Planers <strong>im</strong><br />

Verhältnis zum bauüberwachenden Architekten anrechnen lassen muss, wenn<br />

sowohl Planungs- als auch Überwachungsfehler zu einem Baumangel geführt haben.<br />

Er hat diese Frage mit Erwägungen bejaht, die <strong>im</strong> Wesentlichen die soeben<br />

dargestellten Kriterien nachzeichnen.<br />

Die Zurverfügungsstellung fehlerfreier Baupläne ist jedenfalls dann eine <strong>Obliegenheit</strong><br />

des Bestellers <strong>im</strong> Sinne des § 254 Abs. 1 BGB, wenn er nach dem Vertrag die<br />

Planungsverantwortung trägt. Sie dient seinem Interesse an einer<br />

zweckentsprechenden Herstellung des Bauwerks. Durch die Lieferung fehlerhafter<br />

Baupläne missachtet er die zur Abwendung von Schäden gebotene Sorgfalt in<br />

eigenen Angelegenheiten <strong>und</strong> er verletzt eine „Pflicht gegen sich selbst“.<br />

Der durch den Planungsfehler mitverursachte Baumangel (Schaden) fällt auch unter<br />

den Schutzzweck der verletzten <strong>Obliegenheit</strong>. Der Unternehmer hat seine<br />

Vertragsleistungen auf der Gr<strong>und</strong>lage der Planvorgaben des Bestellers zu erbringen.<br />

Durch die Übergabe einwandfreier Pläne will der Besteller <strong>im</strong> Interesse einer<br />

zweckentsprechenden Herstellung des Bauwerks sicherstellen, dass der<br />

Unternehmer vertragsgerecht arbeiten kann. Der Schutzzweck der <strong>Obliegenheit</strong><br />

„Planlieferung“ besteht mithin darin, den Unternehmer vor der Herstellung einer<br />

mangelhaften Bauleistung zu bewahren <strong>und</strong> damit in der Vermeidung einer<br />

schädigenden Handlung, um deren Ausgleich es nach der Entstehung des Schadens<br />

<strong>im</strong> Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB geht.<br />

Nichts anderes gilt <strong>im</strong> Verhältnis zwischen Besteller <strong>und</strong> bauüberwachendem<br />

Architekten. Der Schutzzweck der <strong>Obliegenheit</strong> „Planlieferung“ entfällt nicht dadurch,<br />

dass es regelmäßig zur Leistungspflicht des bauüberwachenden Architekt gehört,<br />

seinerseits die ihm zur Verfügung gestellten Pläne auf Fehler zu überprüfen, um zu<br />

vermeiden, dass Planungsfehler sich <strong>im</strong> Bauwerk realisieren. Eine ähnliche,<br />

wenngleich weniger stark ausgeprägte Prüfungspflicht trifft auch den Unternehmer<br />

(vgl. § 4 Abs. 3 VOB/B). Ihre Be- oder Missachtung ändert nichts daran, dass die<br />

Beistellung mangelfreier Pläne darauf gerichtet ist, den Unternehmer/Bauüberwacher<br />

vor der Gefahr einer schädigenden Handlung durch eine mangelhafte Ausführung<br />

der ihnen übertragenen Vertragsleistungen zu bewahren <strong>und</strong> dadurch die<br />

Entstehung von Baumängeln zu vermeiden.<br />

Lässt der Besteller die Baupläne von einem Architekten fertigen, muss er sich<br />

dessen Planungsfehler nach obigen Gr<strong>und</strong>sätzen entsprechend 278 BGB zurechnen<br />

lassen (§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB). Die hieraus <strong>im</strong> Verhältnis zwischen Besteller <strong>und</strong><br />

Unternehmer/bauüberwachendem Architekten resultierenden Haftungsquoten<br />

werden nicht anders ausfallen, als sie <strong>im</strong> Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs<br />

zwischen planendem Architekten <strong>und</strong> Unternehmer bzw. überwachendem<br />

Architekten entstehen würden. Sie sind nach den Umständen des Einzelfalles zu<br />

bemessen, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch der bauüberwachende Architekt,<br />

35 BGH, Urteil vom 27.11.2008 – VII ZR 206/06, BauR 2009, 515<br />

10


der zudem eine herausgehobene Stellung unter den Baubeteiligten einn<strong>im</strong>mt, 36<br />

gegen Vertragspflichten verstoßen hat.<br />

2. Mitverschulden durch fehlerhafte Bauüberwachung<br />

Der durch das Glasfassadenurteil eingeleitete Paradigmenwechsel bietet Anlass zu<br />

überprüfen, ob der Besteller <strong>im</strong> Verhältnis zum Unternehmer gemäß § 254 Abs. 1<br />

BGB auch für Fehler der Bauüberwachung einstehen muss, wenn diese Fehler zu<br />

der Entstehung eines Mangels des Unternehmergewerks beigetragen haben. Das ist<br />

bisher stets verneint worden. Es ist nicht zu erkennen, dass sich hieran etwas ändern<br />

wird.<br />

Allerdings handelt es sich auch bei der Bauüberwachung um eine <strong>Obliegenheit</strong> des<br />

Bestellers <strong>im</strong> Sinne des § 254 Abs. 1. Auch sie dient dem Interesse des Bestellers an<br />

der vertragsgerechten Herstellung des Bauwerks <strong>und</strong> ist solcherart eine<br />

Sorgfaltspflicht des Bestellers in eigenen Angelegenheiten; ihre mangelhafte<br />

Wahrnehmung begründet den Vorwurf eines „Verschuldens des Bestellers gegen<br />

sich selbst“. Dem mag entgegengehalten werden, dass der Besteller in aller Regel<br />

ganz auf eine Bauüberwachung verzichten kann, ohne deshalb die eigenübliche<br />

Sorgfalt außer Acht zu lassen. Der Unternehmer benötigt zwar Planvorgaben für die<br />

Bauausführung, nicht aber deren Überwachung. Indes: Darauf kommt es für die<br />

Einordnung der Bauüberwachung als <strong>Obliegenheit</strong> nicht an. Hat der Besteller sich<br />

entschlossen, die Bauarbeiten zu überwachen, muss er die Überwachung in seinem<br />

eigenen Interesse sorgfältig vornehmen.<br />

Bedeutung erlangt der vorstehend erörterte Gesichtspunkt erst auf der Ebene des<br />

Schutzzwecks der <strong>Obliegenheit</strong>. Denn der Unternehmer ist für die mangelfreie<br />

Ausführung seiner Vertragsleistungen nicht auf die Überwachung durch den Besteller<br />

angewiesen. Er kann <strong>und</strong> muss sie völlig unabhängig hiervon erbringen. Damit fehlt<br />

der für die Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB erforderliche Bezug zwischen<br />

Herstellungsverpflichtung <strong>und</strong> <strong>Obliegenheit</strong>. Anders ausgedrückt: Durch die<br />

Bauüberwachung will der Besteller zwar die Entstehung von Baumängeln vermeiden.<br />

Der Schutzzweck der <strong>Obliegenheit</strong> „fehlerfreie Bauüberwachung“ geht jedoch nicht<br />

dahin, den Unternehmer vor einer schädigenden Handlung durch mangelhafte<br />

Bauausführung zu schützen. Gerade daran knüpft § 254 Abs. 1 BGB jedoch an.<br />

3. Mitverschulden durch fehlerhafte Vorunternehmerleistungen<br />

Mit Spannung wird erwartet, welche Auswirkungen das Glasfassadenurteil auf die<br />

Rechtsprechung des BGH zu den so genannten Vorunternehmerfällen haben wird.<br />

Bisher hatte der BGH eine Mithaftung des Bestellers für Fehler des<br />

Vorunternehmergewerks <strong>im</strong> Verhältnis zum Unternehmer verneint. 37 Ob er diese<br />

Rechtsprechung <strong>im</strong> Ergebnis aufrechterhalten wird, ist offen. Sie wird jedenfalls neu<br />

zu begründen sein.<br />

Die Frage, ob der Besteller sich <strong>im</strong> Verhältnis zum Unternehmer Fehlleistungen eines<br />

Vorunternehmers anrechnen lassen muss, ist schief. Sie richtet den Blick zu früh auf<br />

den Umstand, dass ein Dritter, nämlich der Vorunternehmer, an der Errichtung des<br />

Bauvorhabens beteiligt ist. Tatsächlich kommt es zunächst darauf an, ob der<br />

Besteller <strong>im</strong> Verhältnis zum Unternehmer für die Qualität seiner Vorarbeiten<br />

36 BGH, Urteil vom 27.11.2008 – VII ZR 206/06, BauR 2009, 515, 520, Tz. 38<br />

37 BGH, Urteil vom 27.06.1985 – VII ZR 23/84, BauR 1985, 561<br />

11


einstehen muss, etwa der Generalunternehmer für seine Eigenleistungen, auf denen<br />

der Subunternehmer mit seinem Gewerk aufsetzt.<br />

Dass der Besteller solche Vorarbeiten <strong>im</strong> eigenen Interesse mangelfrei ausführen<br />

will, liegt auf der Hand <strong>und</strong> führt auch ohne weitere Ausführungen zu der bereits für<br />

die Planlieferung <strong>und</strong> die Bauüberwachung gewonnenen Erkenntnis, dass es sich bei<br />

der fehlerfreien Ausführung von Vorarbeiten um eine <strong>Obliegenheit</strong> des Bestellers <strong>im</strong><br />

Sinne des § 254 Abs. 1 BGB handelt. Dass sie <strong>im</strong> Übrigen <strong>Obliegenheit</strong> <strong>im</strong> Sinne des<br />

§ 642 BGB ist, entscheidet der BGH seit dem 21.10.1999 in ständiger<br />

Rechtsprechung. 38<br />

Die Kernfrage für die Mitverschuldenszurechnung bei mangelhafter Ausführung von<br />

Vorarbeiten wird sein, ob der Schutzzweck der <strong>Obliegenheit</strong> betroffen ist. Daran ließe<br />

sich denken, weil der Unternehmer allein wegen eines Mangels der vom Besteller<br />

ausgeführten Vorarbeiten Gefahr laufen kann, selbst mangelhaft zu arbeiten <strong>und</strong> so<br />

den geschuldeten Werkerfolg zu verfehlen. Allerdings dienen einwandfreie<br />

Vorarbeiten nicht in gleicher Weise wie die Zurverfügungstellung tauglicher Baupläne<br />

dazu, den Unternehmer vor der Gefahr einer schädigenden Handlung, nämlich der<br />

Herstellung einer mangelhaften Bauleistung zu bewahren. Nach den Bauplänen<br />

muss er sich richten; er erhält sie, damit er vertragsgerecht bauen kann. Dieses Ziel<br />

verfolgt der Besteller mit der Ausführung von Vorarbeiten nicht. Sie sollen zum<br />

Gelingen des Gesamtbauvorhabens beitragen <strong>und</strong> nicht, jedenfalls nicht<br />

zielgerichtet, schadensrelevante Fehlleistungen des Unternehmers vermeiden. Der<br />

Unternehmer muss die Vorarbeiten schlicht „hinnehmen“. Gerade darin liegt für ihn<br />

allerdings ein erhebliches Risiko. Denn er wird in vielen Fällen darauf angewiesen<br />

sein, sich auf die Qualität der für ihn maßgebenden Vorleistungen Anderer verlassen<br />

zu können. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint es trotz der dargestellten Bedenken<br />

gerechtfertigt, jedenfalls denkbar, den Schutzzweck der <strong>Obliegenheit</strong> „Ausführung<br />

fehlerfreier Vorarbeiten“ auf die Vermeidung von Mängeln an den Werkleistungen<br />

derjenigen Unternehmer zu erstrecken, deren Arbeiten in technischer Hinsicht von<br />

der Beschaffenheit eben jener Vorarbeiten abhängen oder zumindest nachteilig<br />

beeinflusst werden können.<br />

Sollte der BGH diesen Schritt gehen, wird die Mitverursachungszurechnung nicht<br />

daran scheitern, dass der Besteller die Vorarbeiten durch einen (Vor-) Unternehmer<br />

erbringen lässt. Für dessen Verschulden haftet er ebenso „entsprechend“ § 278<br />

BGB, wie für schuldhafte Fehler seines planenden Architekten.<br />

38 BGH, Urteil vom 21.10.1999 – VII ZR 185/98, BauR 2000, 722<br />

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