10.07.2015 Aufrufe

IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Rezensionenen oder ethnische Minderheiten zu fördern. Die Politikrichtet sich gegen Diskriminierungen und es herrschtein „politisch korrekter“ Ton. Gleichzeitig werden Hierarchienund Machtverhältnisse verschleiert und es gibtkeine Öffnung für neue Denk- und Handlungsweisen.Dies wirkt häufig zermürbend auf die Mitglieder vonMinderheiten, die die – zum Beispiel – scheinbar frauenfreundlicheOrganisation oft wegen versteckter Diskriminierungwieder verlassen. „In allen untersuchten Unternehmenkonnte der Unternehmensleiter mit einemBeispiel aufwarten, wie er plötzlich auf unerklärlicheWeise eine Senkrechtstarterin verlor, die er für großartighielt und in die er viel investiert hatte. (S. 23)“.Besonders stark begründen die Unternehmen denAufbau diversifizierter MitarbeiterInnen mit dem Ziel,dadurch den Bedürfnissen eines ebenso vielfältigenKundenkreises näher zu kommen und neue Marktsegmentezu erschließen. Diese Begründung fällt in denvon der Forschung Access and Legitimacy genanntenDiversity-Ansatz. Auch wenn es zu begrüßen ist, dassMinderheiten dadurch Positionen und Arbeitsplätze bekommen,ist es fraglich, ob beispielsweise Frauen alsKundinnen weibliche Geschäftspartnerinnen vorziehen.Außerdem werden die MitarbeiterInnen leicht daraufreduziert, für „ihre“ Gruppe zuständig zu sein.Dies lädt zu Stereotypisierungen und damit dem Gegenteilvon Vielfalt als Lernprozess ein. Einer solchen Wertschätzungvon MitarbeiterInnen kann wieder dieGrundlage entzogen werden, wenn der Kundenkreis,den sie repräsentieren, für das Unternehmen nicht mehrinteressant ist – sei es auf Grund von Markverschiebungenoder Kaufkraftverlust. In diesem Zusammenhangbemerken die Herausgeberinnen, dass keines deruntersuchten Unternehmen soziale Herkunft oderKlasse als Wert für sein Diversity-Management nannte.Geschlecht, Alter, ethnische Herkunft, Religion: Aufden ersten Blick erscheinen die unendlich ergänzbarenKategorien von Diversity starr und und unhandlich.Doch in der Praxis setzt jedes Unternehmen Prioritäten:Vor allem Geschlecht und ethnische Herkunft –in Deutschland meist in dieser Reihenfolge, in den USAhäufig in der umgekehrten. Es hängt auch stark vonden Beschäftigten ab, welche Gruppe sich „Anerkennungverschafft“. So haben in der Deutschen Bank 150schwule und lesbische MitarbeiterInnen eine Rainbow-Group gegründet und durchgesetzt, dass Lebenspartnerschaftendie gleichen Vergünstigungen bekommenwie Ehepaare. Dafür bekam die Deutsche Bank 2002dann auch prompt den Preis des Bundesverbandes derschwulen Manager. In den meisten anderen deutschenUnternehmen dagegen ist sexuelle Orientierung nochein Tabu.Der Sammelband thematisiert auch die Frage der Konkurrenzvon Vielfalts-Kategorien. Wenn Geschlecht nurein Merkmal unter vielen ist, dann verliert es seinenzentralen Stellenwert im Vergleich zu anderen Konzeptenwie Gleichstellung und Gender-Mainstreaming. Andererseitsist es aus frauenpolitischer Sicht positiv zu bewerten,dass eine Person mehreren Identitätsgruppenangehören kann. Dadurch werden MitarbeiterInnennicht mehr auf duale Gegensätze reduziert, wie aufihr Frau- oder Mann-Sein. Teilzeitmodelle zum Beispielgelten dann nicht mehr als Vergünstigung – unddamit oft Hindernis – für Mütter, oder aufgeklärter,für Mütter und Väter, sondern eröffnen Möglichkeitenfür alle Angehörige des Unternehmens, also fürdie gesamte Organisation. Hinzu kommt, dass Frauen,MigrantInnen oder Alte im Diversity-Managementkeine Benachteiligten sind, sondern hochgeschätzte Potentiale.Sie sind nicht die zu Fördernden, sondern bringendurch Vielfalt einen neuen Wert. Allein diese Wertschätzungwürde etwas Grundlegendes verändern. Dasbelegt der Aufsatz von Eszter Belinszki, in der sie äußerstaufschlussreiche Untersuchungen in deutschenUnternehmen vorstellt. Ihr deprimierendes Fazit lautet:„In der Wahrnehmung überwiegt die Defizit-Perspektive,indem die mangelnde Eignung, fehlende Ausbildungund geringe Motivation als wichtige Barrierenfür die berufliche Karriere von Frauen, nicht-deutschstämmigenMitarbeiterInnen und Behinderten in denMittelpunkt gestellt wird“ (S. 234).Die Mehrdimensionalität von Diversity-Managementkann sich aber nur dann positiv entfalten, wenn wirklichOffenheit und Lernbereitschaft besteht. Unternehmenin Deutschland sind weit von einer Wertschätzungvon Vielfalt entfernt, wie auch die nicht erfüllteBehindertenquote zeigt. Chronisch fehlende Ausbildungsplätzebelegen, dass daran nicht einmal mittelfristigeGewinnerwartungen (als welche man Auszubildendeauch betrachten kann) etwas ändern. Daher ist denHerausgeberinnen darin zuzustimmen, dass DiversityManagement kein Ersatz für eine gesellschaftliche Gleichstellungspolitiksein kann, die auch Personen einbezieht,deren Arbeits-, oder Konsumkraft gar nicht für Unternehmenverwertbar sind. Dennoch: Im Gegensatz zuden meisten im Augenblick diskutierten Reformen istDiversity-Management ein integratives Konzept und politisch,praktisch als auch intellektuell bereichernd.Karin Gabbert, Berlin,Email: KarinGabbert@gmx.net<strong>Info</strong> 21.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>27</strong>/<strong>2004</strong>99

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!