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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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Rezensionenin Form von Arbeitszeitkonten und Vertrauensarbeitszeit.Die mit der Flexibilisierung von Arbeitszeiten verbundeneHoffnung auf mehr Zeitsouveränität und bessereMöglichkeiten der Vereinbarkeit, die, neben derAngst um den eigenen Arbeitsplatz, sicher auch zurAkzeptanz flexibler Arbeitszeitmodelle beigetragen hat,ist inzwischen einer deutlichen Skepsis und Ernüchterunggewichen. Bislang vorliegende Studien fürDeutschland zeigen, dass die Flexibilisierung von Arbeitszeitenin ihren Auswirkungen auf das Familienlebenhöchst ambivalent einzuschätzen ist. Arbeitszeitkontenerweisen sich nicht selten als „Konten ohneVollmacht“ (Jürgens 2002); weitergehende Formen vonArbeitszeitflexibilisierung wie die Vertrauensarbeitszeit,bei der vollständig auf eine betriebliche Zeiterfassungverzichtet wird und Leistung und Anwesenheit überZielvereinbarungen kontrolliert werden, führen eherzu einem „Arbeiten ohne Ende“ (Pickshaus 2000) alszu einer besseren Balance von Arbeit und Leben. Wiesich solche Arbeitszeitmodelle auf die Vereinbarkeitauswirken, hängt nicht zuletzt von der Arbeitszeitkulturder jeweiligen Unternehmen ab (vgl. Böhm/Herrmann/Trinczek2002) und auch hier zeichnen sich ähnlicheTendenzen in Richtung postfordistischer Managementstrategienund Unternehmenskulturen ab, wie sieHochschild beschrieben hat, die eher auf eine Steigerungvon Leistungsnormen als auf eine Begrenzungvon Verfügbarkeit für das Unternehmen abzielen.Die deutsche Übersetzung von Hochschilds „TimeBind“ trifft auf eine Situation, in der postfordistischeVerhältnisse den Druck auf die alltägliche Lebensführungvon Familien eher verschärfen und das Themaeiner besseren Balance von Arbeit und Leben eine neueBrisanz gewonnen hat. Ob der aktuelle Diskurs überWork-Life-Balance mehr ist als ein Etikettenschwindelund entsprechende Angebote in den Betrieben mehrsind als punktuelle Benefits zur Mitarbeiterbindung,bleibt kritisch zu prüfen. Sicher gibt es handfeste ökonomischeGründe dafür, dass Unternehmen in eine bessereBalance von Arbeit und Leben investieren (Erler<strong>2004</strong>) und es ist wichtig zu zeigen, dass sich solche Investitionenauch rechnen.Wenn wir der kulturellen Dominanz der Erwerbsarbeitund der Dominanz des Marktes als Zeitgeber (Rinderspacher2003) etwas entgegensetzen wollen, dannbrauchen wir jedoch einen Blick auf Familie, der dasProblem der Balance von Arbeit und Leben nicht nurvon der Seite der Erwerbsarbeit her denkt und Familienicht nur auf eine Arbeitsmarkt- und Konsumfunktionin der globalen Wirtschaft reduziert und dies auch nochals Familienfreundlichkeit verkauft (Ostner 2002). Dannmüssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, welchenZeitrythmen das Familienleben folgt und welcheQuantität und Qualität an Zeit Kinder und ihre Elternbrauchen. Solche Fragen in aller Schärfe aufgeworfenzu haben, ist das besondere Verdienst von Hochschilds„Keine Zeit“. Ihr Blick in das Innenleben von Familienkonfrontiert uns mit unangenehmen Erkenntnissen.Gerne würden wir Beispiele gelungener Zeitarrangements,einer gelungenen Balance von Arbeit undFamilie lesen, aber das Bild, das Hochschild uns zeigt,steht in schmerzhaftem Widerspruch zu den Hochglanzbroschüren,die uns eine spielend gelingende Balanceversprechen. Ihre Analyse der Strategien der Gefühlsaskese,des Outsourcings von Familie und der Vertagungdes Familienlebens auf einen imaginären Zeitpunkt,an dem wir endlich ‚Zeit haben‘, konfrontiertuns mit der Frage, wie weit sich Familie eigentlichmarktförmig organisieren lässt und wo mögliche Grenzender Vermarktlichung von Familienfunktionen liegen.Sind Familien Organisationen, die effizient gemanagtwerden müssen, mit einer möglichst weitgehendenDelegation familialer Funktionen an professionelleFachkräfte (Priddat 2002) oder ist Familie doch mehr?Was kommt nach der fordistischen Familie (Bertram2002), die in der Tat kein brauchbares Modell für dieZukunft liefern kann, beruht sie doch auf einer asymmetrischengeschlechtlichen Arbeitsteilung, die mit derzunehmenden Erwerbsintegration von Frauen obsoletwird.Die Auseinandersetzung mit solchen Fragen scheintim bundesrepublikanischen Kontext besonders schwierigzu sein. Das strukturelle Defizit an Betreuungsmöglichkeitenin Deutschland hat wie in einigen anderenLändern zu einem starken Rückgang der Geburtenrategeführt und dem Thema der Familienpolitik eine neuedemographisch Brisanz verliehen. Auf dem Hintergrunddieser Rückständigkeit, was die Institutionalisierungvon Kinderbetreuungsmöglichkeiten betrifft,könnte die Frage nach der Zeit, die Kinder und Elternbrauchen, um nicht nur den Alltag „auf die Reihe zukriegen“, sondern einen gemeinsamen Lebenszusammenhangals Familie herzustellen und zu bewahren (Jürgens2003) leicht als Versuch mißverstanden werden,Frauen auf ihre Zuständigkeiten in der Familie zu verweisen– und in Teilen des öffentlichen Diskurses überFamilie schwingt ein solcher Tonfall durchaus mit. Vielleichtgibt es gerade wegen dieser Rückständigkeit aberauch die Chance, aus den Erfahrungen anderer Ländermit höherer Frauenerwerbsquote und einem besserenAngebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu lernen.96

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