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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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Rezensionenzung. Die Folge davon ist, dass die von HochschildBefragten das Zuhause mehr und mehr wie einen Arbeitsplatzerleben, während sie sich am Arbeitsplatzwie zu Hause fühlen, nicht zuletzt dank einer Unternehmenskultur,die Elemente des Familienlebens aufgegriffenund in die betriebliche Arbeitswelt integriert hat.Diese emotionale Umpolung zwischen der Arbeitund dem Zuhause sieht Hochschild als wesentliche Ursachefür die geringe Inanspruchnahme des Work-Life-Balance Programms von Amerco, vor allem der Elemente,die dazu beitragen sollten, mehr Zeit für dasFamilienleben zu schaffen. Die emotionale Anziehungskraftder Erwerbsarbeit gilt für beide Geschlechter unddas Muster einer zunehmenden Familienflucht findetsich auch bei Frauen, verbunden mit ambivalenten Orientierungenund einem schlechten Gewissen gegenüberden Kindern. Die langen Arbeitszeiten führen zueinem Zeitkrieg zwischen den Geschlechtern, der aufdem Rücken der verletzlichsten Mitglieder dieses Systems,den Kindern und anderen pflegebedürftigen Personen,ausgetragen wird.An dieser Stelle Hochschild misszuverstehen, wärebedauerlich. Sicher, sie fragt nach den Kosten diesesZeitarrangements für das Familienleben und vor allemfür die Kinder. Aber nichts liegt ihr ferner, als dieseKosten auf das Konto der Erwerbsbeteiligung vonFrauen zu verbuchen. Sie zeigt, warum für Männer wiefür Frauen die Erwerbsarbeit so attraktiv ist, sie analysiert,wie im Zuge einer neuen Unternehmenskulturund der damit verbundenen Anerkennung der Arbeitsplatznoch mehr an Anziehungskraft gewinnt – unddas Zuhause an Attraktivität verliert. Sie beschreibt eindringlichdie Folgen dieses Wertewandels für die Familieund fragt, wieviel Elternzeit Kinder brauchen undwieviel Betreuung durch Institutionen. Diese Fragerichtet sich jedoch an beide Geschlechter gleichermaßen.Sie ignoriert keineswegs die kulturellen und institutionellenRahmenbedingungen dieser Werteverschiebung,zeichnet aber akribisch nach, wie Individuen sichangesichts dieser Parameter orientieren und welche Entscheidungensie treffen.Arlie Hochschild macht aber auch deutlich, dass esbei der Zeitfalle um mehr geht als um individuelles Zeitmanagementoder um individuelle biographische Entscheidungen.Sie skizziert mögliche Ziele und Akteureeiner neuen Zeitbewegung und betont die Notwendigkeiteiner gesellschaftlichen Regulierung von Arbeitszeit.Nur auf diese Weise kann es zu einer Balance zwischender Erwerbsarbeit und dem Zuhause, zwischender Arbeitszeit und der Zeit für Familienleben und derSorge für Andere.Die emotionale Umpolung zwischen dem Zuhause undder Arbeit wird durch neue Leitbilder von Kindheitflankiert. Hochschilds Streifzug durch die amerikanischeRatgeberliteratur hinterlässt ein Gefühl der Beklemmung.Im Mittelpunkt dieser Ratgeberliteratur mitTiteln wie „So lernt Ihr Kind, allein zu Haue zu sein“,„Ich komme allein zurecht“ steht das autonome, dasselbstständige Kind, das sich selbst betreut und vondem erwartet wird, dass es sich an den Arbeitszeitrhythmusder erwerbstätigen Eltern anpasst und, gleichsamals kindliche Entsprechung des Zero-Drag-Angestellten,keine Reibungsverluste durch querliegende kindlicheBedürfnisse und Zeitansprüche produziert. Im Fokusder Aufmerksamkeit dieser Ratgeber steht mehrdie Seelenruhe der Erwachsenen als die Gefühlslageder Kinder; den Eltern sollen Schuldgefühle und Unsicherheitgenommen werden und den Kindern wirdRücksicht auf die Gefühle ihrer Eltern nahegelegt. EinRatgeber empfiehlt den Kindern, morgens keinen Streitmit den Eltern anzufangen, weil das „deine Mutter unddeinen Vater sonst noch einen guten Teil des Tagesbeunruhigt“. (Hochschild 2002, S. 246). Auch Lehrersind in dieser Perspektive Erwachsene, auf deren ArbeitsbelastungenKinder Rücksicht nehmen sollen. DerRatgeber empfiehlt:„Geh nicht zu früh zur Schule, nurweil du nicht gerne alleine zu Hause bleibst. Die Lehrersind mit Unterrichtsvorbereitungen beschäftigt, undes wird auch nicht von ihnen erwartet, dass sie sich vordem offiziellen Unterrichtsbeginn um die Schüler kümmern“(ebd.). Für Hochschild ist diese kulturelle Konstruktionvon Kindheit Teil einer Strategie der Gefühlsaskese,des emotionalen Downsizing angesichts der zunehmendenAnforderungen der Arbeitswelt.Hochschilds Thesen sind auch in den USA nichtunumstritten. Während Autoren wie etwa Reich (2002)oder schon Schor (1992) zu ähnlichen Einschätzungenhinsichtlich der Auswirkungen langer Arbeitszeitenauf das Familienleben kommen, sehen andere Autorendas Problem weniger dramatisch und kommen zuoptimistischeren Aussagen. Das vielleicht prominentesteBeispiel ist Galinsky, die in ihrer Studie„Ask the Children.What America’s Children really think about WorkungParents“ ein repräsentatives Sample von Kindernmit Hilfe eines standardisierten Fragebogens über ihreWünsche und Bedürfnisse befragt hat (Galinsky 1999).Sie stellt u.a. fest, dass gemeinsame Zeit mit Eltern nichtoben auf der Wunschliste der Kinder steht. Nur 10%der befragten Kinder wollen mehr Zeit mit ihren Mütternund 15,5% mit ihren Vätern als ersten Wunsch.Diese Statistiken sind mehrfach in den Medien in denUSA zitiert worden. Lange (2003) hat auf mögliche94

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