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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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RezensionenArlie Russell Hochschild: Keine Zeit. Wenn dieFirma zum Zuhause wird und zu Hause nurArbeit wartet. Opladen, Leske + Budrich 2002,305 Seiten, 18,00 €, ISBN: 381003620XKeine Zeit – Ein Blick in die Innenwelt amerikanischerFamilien und eine mögliche Zeitreise indie Zukunft deutschen Familienlebens„Während meiner erstenRecherchewochefür dieses Buch gab eseinen Moment, in demes mir schien, dass derGegenstand meiner Untersuchungwomöglichgar nicht existierte“(Hochschild 2002, S.XXV)Mit diesem Rückblickauf den eigenen ForschungsprozessbeginntHochschilds Einleitungzu ihrer Studie „KeineZeit“ („The TimeBind“). Geplant hatte Hochschild eine Fallstudie überdie Umsetzung des Work-Life-Balance Programmes beiAmerco, einem amerikanischen Unternehmen, das indem Ruf stand, Vorreiter einer familienfreundlichenPersonalpolitik zu sein. Untersucht werden sollte dieUmsetzung dieses Programms, seine Akzeptanz bei denBeschäftigten und die Folgen für das Familienleben.Dieses ‚Best Practice –Beispiel‘ hatte einen einzigenSchönheitsfehler – obwohl die Eltern über Zeitnot klagten,nutzten sie die Möglichkeiten dieses Programmskaum.„Nur drei Prozent aller Beschäftigten mit Kindernvon 13 Jahren und jünger arbeiteten Teilzeit. Ein Prozentmachte Job Sharing. Ein Prozent nutzte die Möglichkeitdes flexiblen Arbeitsplatzes. Ein Drittel der berufstätigenEltern machte Gebrauch von flexiblen Arbeitszeiten,aber viele arrangierten nur einen unverändertenNeun- oder Zehnstundentag um ihre übrigenAlltagstermine herum. Ein paar junge Väter hatten sichinformell beurlauben lassen, aber im ganzen Unternehmengab es nur einen Mann, der ganz offiziell im Elternurlaubwar. Ich stand vor einem Rätsel“ (Hochschild2002, S. XXVI).Wie Arlie Russel Hochschild dieses Rätsel löst undwelche Einblicke sie nicht nur in das Familienleben undden Arbeitsalltag der Beschäftigten, sondern auch indie Unternehmenskultur von Amerco gewinnt, das alleinmacht dieses Buch zu einer Fundgrube nicht nurfür die Familiensoziologie. Dass dieses Buch aber weitmehr als eine sorgfältige Fallstudie über die letztlichgescheiterte Umsetzung eines Work-Life-Balance Programmsist, ist dem wissenschaftlichen Spürsinn, derBeobachtungsgabe und der soziologischen Phantasievon Hochschild zu verdanken. Dank ihrer Fähigkeit,neue Fragen aufzuwerfen und an Einzelfällen gesellschaftlicheTrends wie im Brennglas sichtbar zu machen,ist dieses Buch, das in den USA längst zu einemBestseller geworden ist, zu einer Studie über die kulturelleDominanz der Erwerbsarbeit und die Folgen fürdas Familienleben geworden.In eindrucksvollen und spannend geschriebenenPortraits beschreibt Hochschild das Alltagsleben derBeschäftigten am Arbeitsplatz und zu Hause und sienimmt dabei alle Ebenen der betrieblichen Hierarchiein den Blick, von den untersten Rängen in der Fertigungbis in die Chefetagen. Sie beschränkt sich nichtdarauf, die Beschäftigten am Arbeitsplatz zu befragen,sie folgt ihnen auf dem Nachhauseweg, begleitet siebeim Abholen der Kinder, nimmt am Abendessen teilund beobachtet die abendlichen Familienrituale. Sie untersuchtaber auch die mikropolitischen Aushandlungsprozesseim Betrieb, die Bedeutung von Familienfotosauf den Schreibtischen von Managern und weiblichenAngestellten, sie nimmt an firmeninternen Meetingsund Workshops teil und wertet Firmenstatistiken aus.Und sie verknüpft ihre Beobachtungen zu Hauseund am Arbeitsplatz in einer Weise, die ein neues Lichtauf beide Lebensbereiche wirft. Sie stellt fest, dass fürdie Befragten der Arbeitsplatz zu einem Ort der Anerkennungund der Wertschätzung geworden ist, zu einemOrt vielfältiger sozialer Beziehungen, freundschaftlicherVerbundenheit, emotionaler Unterstützungund Momenten der Entspannung, die es zu Hauseimmer weniger gibt. Im Gegenzug wird die Zeit zuHause immer knapper und stressiger. Verkürzt aufwenige Stunden „Quality Time“am Abend und am Wochenendegerät das Familienleben zunehmend unterein tayloristisches Zeitregime. Familiale Tätigkeiten werdenverdichtet und rationalisiert und in immer kürzereZeiteinheiten gepackt, Familienleben findet auf Knopfdruckund in einem engen Zeitkorsett statt. Obgleichdiese zweite oder gar dritte Schicht, wenn die Folgendieses Zeitdrucks wieder aufgefangen werden müssen,von den Eltern ein Höchstmaß an Anstrengung abverlangt,bleibt sie in gewisser Weise unsichtbar, es gibtkeine Anerkennung dafür, keine Anstecknadeln wie beiAmerco, keine Rituale der Anerkennung und Wertschät-<strong>Info</strong> 21.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>27</strong>/<strong>2004</strong>93

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