Berichte und Beiträge aus dem <strong>IFF</strong>ren, in einer zweistündigen Open-Space-Veranstaltung, die es allen Teilnehmendengestattete, sich im Detail und praktisch mit diesen Konzepten und Produkten bekanntzu machen. Der abschließende Teil der Tagung war dem Gender-Mainstreaming imBereich des virtuellen Lehrens und Lernens gewidmet; hier wurden erste Ergebnisseaus dem entsprechenden Begleitprojekt des Förderprogramms vorgestellt.Paradebeispiel für interdisziplinäre ForschungIn seiner Begrüßungsansprache betonte Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann, dieUniversität Bielefeld fühle sich durch den Erfolg des Projekts VINGS darin bestärkt,die Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität hervorzuheben und dieMöglichkeit von Lehren und Lernen im Internet verstärkt zu erproben. Gender Studiesseien geradezu ein Paradebeispiel für interdisziplinäre Forschung, der sich die UniversitätBielefeld in besonderem Ausmaß verschrieben habe – genauso wie der hochschulübergreifendenKooperation, die auch in VINGS gepflegt werde. Bielefeld habeeine lange Tradition in der Frauenforschung, was sich nicht zuletzt in einer Reihe vonFrauenforschungsprofessuren ausdrücke, und nehme die praktische Gleichstellungsarbeitsehr ernst. Beides wäre ohne die jahrzehntelange Arbeit des InterdisziplinärenFrauenforschungs-Zentrums (<strong>IFF</strong>) nur schwer bewegt worden, weshalb es ihn besondersfreue, dass das <strong>IFF</strong> diese Rolle mit der Konsortialführung von VINGS weiterführeund dabei viel sichtbare, aber auch viel unsichtbare Arbeit leiste. Deutschlandbelege im E-Learning keineswegs einen Spitzenplatz; dies liege nicht zuletzt an einerSkepsis gegenüber Vorstellungen einer grundlegenden Revolutionierung des Lehrbetriebsdurch E-learning. Diese zurückhaltende Sicht gehe weiterhin von der grundlegendenBedeutung der face-to-face-Kommunikation im Lernprozess aus. Unumstrittensei aber mittlerweile, dass E-Learning eine wertvolle und zunehmend unentbehrlicheErgänzung des Hochschulbetriebs sei – sowohl für Studierwillige, denen eine physischeAnwesenheit im Hörsaal nicht möglich sei, wie auch bezogen auf das lebenslangeLernen.Einziges Gender bezogenes Projekt im FörderprogrammDie anschließenden Eröffnungsworte von Prof. Dr. Ursula Müller, KonsortialführungVINGS und Geschäftsführende Direktorin des <strong>IFF</strong>, stellten den prozessualenund kontextuellen Charakter von VINGS in den Mittelpunkt. VINGS, das einzigethematisch auf „Gender“ bezogene Projekt im Förderprogramm „Neue Medien inBildung + Fachinformation“ habe in seiner knapp dreijährigen Laufzeit ein Lehrangebotvon mehr als 40 SWS, also im Umfang eines Masterstudiengangs entwickelt, sowie 18SWS für wissenschaftliche Weiterbildung.Hierzu hatte das Projekt auf vielfältige Weise Grundlagen- und Entwicklungsarbeitzu leisten. Als ein innovatives Ergebnis in VINGS nannte sie das von didaktischenErwägungen geleitete funktionale und gestalterische Design der Lern- und Kursumgebungsowie die mediale Umsetzung des Gegenstandsbezugs in den sozial- undkulturwissenschaftlichen Gender Studies. Die Curriculum- und Content-Entwicklungsei im Bereich der virtuellen Lehre in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftenimmer noch Neuland.VINGS qualifiziere aber nicht nur Studierende für die und mit der Online-Lehre,sondern auch Lehrende; es habe ein flexibles Konzept von begleitenden Kompetenzteamsentwickelt, die Lehrende im Prozess der Kursentwicklung und -durchführungqualifizieren. Das versetze Lehrende – auch im Sinne der Nachhaltigkeit – in die Lage,sich eigenständig neue Räume in der virtuellen Lehre zu eröffnen. Zusammengefasstsei VINGS ein Projekt mit einer Vielzahl für die universitäre Lehre konkret nutzbarerErgebnisse, aber auch mit hohem Anregungscharakter, das insbesondere Beiträge lei-58
Tagung VINGS: Innovation und Implementierungste zu den Bereichen „Gegenstandsbezug und mediale Umsetzung“, „GendersensibleGestaltung“ 1 , „Qualifizierung von Lehrenden und Studierenden für das Lehren undLernen im Netz“, „Qualifizierung von Lehrenden für eigenständige mediale Umsetzung“,„Intensivierung der Lehr-Lern-Situation“ sowie „tool-unterstützte Kooperation“und „Wissensmanagement“.Mit der Entwicklung des umfangreichen Studienprogramms Virtual InternationalGender Studies, der Produktion von Studienmodulen für die computergestützte Lehrein medial bisher noch wenig bearbeiteten Lehrgebieten habe das Projekt VINGSals einziges derzeit bekanntes Projekt im Rahmen des Verbundes seinen Auftrag vollerfüllt und zudem, ebenfalls eine Rarität, mit seinem gesamten, auf zwei Studienjahreangelegten Programm einen sehr erfolgreichen Probelauf durchgeführt. Die Lehrveranstaltungenwürden zudem begleitend intern und extern evaluiert.VINGS sei jedoch damit konfrontiert, dass die Integration virtueller Elemente indie Hochschullehre noch am Anfang stehe. Trotz wegweisender Empfehlungen derHochschulrektorenkonferenz und der Bund-Länder-Kommission 2 würden die Potentialedieser Entwicklungen bisher nur von wenigen Hochschulen erkannt und aufgegriffen.Die Hochschulen seien noch wenig vorbereitet auf virtuelle Lehre, insbesonderewenn sie dann auch noch kooperativ sei.Da zudem der betreuende Projektträger die Regeln, nach denen er berate, teilweiseerst begleitend entwickelt habe und seinerseits mit ständig wechselnden Rahmenbedingungenkonfrontiert gewesen sei 3 – vom kontinuierlichen Wechsel der stets engagiertenAnsprechpartnerInnen für VINGS einmal ganz zu schweigen –, habe VINGSunter dem Motto „Probleme als Herausforderungen begreifen“ zu einem Projekt werdenmüssen, das sich seine Durchführungsbedingungen fortwährend selbst erschaffenhat.Als eine dieser Herausforderungen nannte Prof. Dr. Ursula Müller auch den unerwartetenUmstand, dass eine wesentliche Voraussetzung, nämlich die Bereitstellung einerden Anforderungen des Projekts angemessenen Lernplattform, nicht wie erwartet zuKursbeginn vom dafür zuständigen Partner, der Fernuniversität Hagen, bereitgestelltwerden konnte, weshalb in Bielefeld eine Lernplattform 4 auf eigene Faust installiertwurde, um den Start des Studienprogramms möglich zu machen und den Projektablaufzu sichern.Bezogen auf die Nachhaltigkeit gelte insbesondere die Prozesshaftigkeit der Rahmenbedingungen:Bis heute seien wichtige Rechtsfragen nicht nur auf Projektebene,sondern generell ungeklärt bzw. in der Praxis der virtuellen Lehre schwierig zu lösen.Dies betreffe z.B. die Anerkennung von Zertifikaten, welche in der Theorie gegeben,in der Praxis gewöhnungsbedürftig sei. Deputatsregelungen für Lehrende, die die Mehrbelastungdurch mediale Umsetzung und kooperative Lehre ausgleichen könnten, seienunbefriedigend bzw. mehrheitlich nicht vorhanden. Urheber- und Nutzungsrechteseien – insbesondere für Kooperations-Projekte – eine so vielschichtige und komplexeMaterie, dass im Grunde über die realen Bedingungen nachhaltiger Nutzung heutenoch wenig gesagt werden könne. Vor diesem Hintergrund sei der Erfolg des Projektsumso beachtenswerter.Frauen ausgrenzende Strukturen im E-Learning verhindernDas erste Grundlagenreferat hielt Frau Prof. Dr. Britta Schinzel vom Institut für <strong>Info</strong>rmatikund Gesellschaft der Universität Freiburg zum Thema „Good practice für gendersensitivee-learning Projekte“. Wie Frau Schinzel ausführte, führen Erfahrungenim Bereich des Teleteaching einerseits und die Beschäftigung mit curricularen Fragendes Einschlusses von Frauen in <strong>Info</strong>rmatik und Mathematik andererseits dazu, bei derHerstellung von Gendersensitivität das Feld zu öffnen für die Diversität von Lernsti-1 VINGS hat zwischenzeitlichden 2. Preis füraktive Frauenförderung derUniversität Hannovergewonnen und ist als„Gender Good Practice-Projekt“ des BMBF-Begleitprojekts „GenderMainstreaming“ ausgezeichnetworden (vgl. S.67).2 vgl. Strategiepapier derBund-Länder-Kommissionfür Bildungsplanung undForschungsförderung (BLK)vom 17. Juni 2002 zumbreiten Einsatz von NeuenMedien in der Hochschule.URL: http://www.blkbonn.de/neue_medien_hochschule.htm3 Der Projektträger war zuBeginn bei der GMD -Forschungszentrum<strong>Info</strong>rationstechnik GmnHangesiedelt, im weiterenProjektverlauf zurFraunhofer-Gesellschaft undschließlich zu DeutschenVereinigung für Luft- undRaumfahrt gewechselt.4 Die VINGS-Lernumgebungbasiert auf dem SystemC::Web der BielefelderAMMMa AG(www.ammma.de.), das ander Universität Bielefeld u.a. auch in der Bioinformatikund im Zentrum fürwissenschaftliche Weiterbildungeingesetzt wird,<strong>Info</strong> 21.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>27</strong>/<strong>2004</strong>59