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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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Kerstin PetersenGeschlecht zu einem letzten klarenBezugspunkt werden, kann derRückgriff auf rigide polarisierte undtraditionelle Geschlechterbilder zueiner sichernden Zuflucht werden.“(Rose, 2000 S. 245)Rose (2000) stellt eine soziale Widersprüchlichkeitfest: Neben derDurchmischung von Geschlechternormalitätenfinden gleichzeitigProzesse der Wiedereinsetzung traditionellerGeschlechternormalitätenstatt. Gerade weil die Geschlechterkonturenihre Eindeutigkeitverlieren, erhalten Geschlechterbildermit besonders scharfemProfil eine besondere Attraktivität.Entscheidend ist bei alledem, dassjenes, was das „richtige“ Mädchenausmacht, nicht mehr in die Wiegegelegt wird, sondern persönlich entdecktund gebastelt werden muss,ganz im Sinne der „Patchworkidentität“(vgl. Keupp 1988). Allerdingsvermutet z.B. Preuss-Lausitz(1996), dass die Chancen der persönlichenMöglichkeiten von Mädchenbei der Darstellung von Geschlechtgrößer sind als bei Jungen.Dabei sollten aber auch andere sozialeDifferenzierungen berücksichtigtwerden. Zwar hat sich die Chance,die eigene geschlechtliche Identitätzu basteln, für Heranwachsendenaller regionalen, schichtspezifischenund ethnischen Herkünfte inDeutschland erhöht, aber mit unterschiedlicherIntensität und mitunterschiedlichen Konflikten.In einer kritischen Auseinandersetzungmit den Thesen einer zunehmendenPluralisierung von Geschlechtsidentitätenund der Freisetzungvon Frauen aus traditionellenGeschlechterrollen hat Bitzan(2000) den Ansatz des geschlechtshierarchischenVerdeckungszusammenhangsentwickelt. Dieses Theoremist eine offene Denkfigur, diebestimmte Analysen- und Handlungsperspektivennahe legt. Es versucht,das moderne Geschlechterverhältnisin einer Methode zu theoretisieren,in der nicht Ist-Zuständeals statische Gegebenheiten, sondernmoderne Lebenslagen als subjektiveHerausforderungen und (sozial-)politischeAnsprüche beschriebenwerden. Dieser Ansatz thematisiertKompetenzen, Bedingungenund Voraussetzungen für Bearbeitungs-und Bewältigungsmöglichkeiten,ohne sie aus dem Zusammenhangherauszulösen und isoliertzu debattieren (vgl. Bitzan/Daigler2001). In der reflexiven Moderne,mit den viel beschriebenen Pluralisierungs-und Individualisierungsmöglichkeitenund -zwängen, kommenUngleichheiten in anderen Erscheinungsformenvor. Dieses stelltsich in einer eng verstrickten Vermischungvon ChancengleichheitsundMachbarkeitssuggestionen, sowiein tabuisierten Begrenzungserfahrungendar (vgl. Beck 1993).Die aktuelle Bedeutung des Geschlechterverhältnissesist weder inseinen hierarchischen Verstrickungennoch in seinen prägenden Orientierungsfunktionenso offensichtlichund erkennbar, wie z.B. nochin den 1970er Jahren, als sich dieneue Frauenbewegung in der BRDals neue soziale Kraft entwickelnkonnte. Vielmehr ist die neue Frauenbewegungselbst Teil dieser Modernisierung,die Mädchen u. a. dieMöglichkeit eröffnet, neue, andereund mehr Ansprüche zu stellen (vgl.Bitzan/Daigler 2001).In aktuellen Untersuchungenüber Lebenslagen, Einstellungenund Orientierungen von Mädchenund jungen Frauen wird beschrieben,dass sich Optionen erweiterthaben und sich nicht mehr unter dieklassischen weiblichen Lebensentwürfesubsumieren lassen. Für dasLeben junger Frauen ist prägend,dass sie sich mit den Widersprüchenauseinandersetzen, die aus den Ansprüchenan Erwerbs- bzw. Berufstätigkeitund an ein Leben mit Kindernerwachsen, und dass es dafürkeine ausreichenden gesellschaftlichenLösungen gibt (vgl. Oechlse2000). In unserer Gesellschaft sindin den meisten Fällen immer nochFrauen für die Reproduktionstätigkeitzuständig. Dieses bedeutet, dassFrauen für die praktischen und pflegerischenTätigkeiten zuständig unddamit auch verantwortlich für diePlanung eines Lebens sind, in demdiese Aufgaben und Ansprüche einenPlatz haben. Daran neu ist, dassdie Reproduktionstätigkeit als individuellesProblem, als Thema der individuellenWahl und Entscheidungbehandelt, und nicht im Zusammenhangmit ungeeigneten und daherdiskriminierenden Strukturendiskutiert wird (vgl. Diezinger/Rerrich 1998). Darüber hinaus bestehtweiterhin für Mädchen dieNotwendigkeit Gewalterfahrungenzu bewältigen, deren Verbreitungund Bedeutung für den Alltag verschwiegenwird. Außerdem müssensich junge Frauen mit einer absolutkörperorientierten sexuellen Identitätsanforderungauseinandersetzen,die in gleicher Weise in die individuelleBearbeitung und Verdrängunggeschoben wird (vgl. Bitzan/Daigler 2001).„Die heutigen Anforderungen anMädchen (und sie sind nicht gleich,je nach sozialer Herkunft, ethnischerOrientierung, Bildungsstandetc. differierend) lassen sich zusammenfassenals Anspruch, erfahrbareund erlebte Diskrepanzen allein bewältigenzu müssen (Hervorhebung imOriginal) – Diskrepanzen zwischenden Gleichheitsversprechen derModerne, die Mädchen entsprechendselbstverständlich für sich inAnspruch nehmen, und derenNichtrealisierung, die im Gewandeindividuellen Nicht-Gelingens (Hervorhebungim Original) daherkommen.52

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