10.07.2015 Aufrufe

IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kerstin PetersenBewältigung der Schwierigkeitenund Widersprüche der Geschlechtszuschreibungenfür die einzelne Personliegt. Die Herausforderung aneine geschlechterreflektierende Pädagogikliegt in der Begleitung derKinder und Jugendlichen bei diesemProzess. Wenn die Herstellung derGeschlechtsidentität als zentrale Bewältigungsanforderunggesehenwird, die als ständiger Zwang zurSelbstinszenierung bzw. Selbststilisierungwirksam wird, so stellt diesePerspektive neue Anforderungenan eine feministische Mädchenarbeit(vgl. Voigt-Kehlenbeck 2001).Es kann davon ausgegangen werden,dass jeder Mensch unabwendbarseine Geschlechtsidentität eigenständigherstellen muss, dabeibleibt der Einzelne lebenslangenVeränderungen unterworfen (vgl.Maihofer 1995). Bei dem Bewältigungsprozessder jeweiligen Herstellungdes „doing gender“ sollteeine begleitende Sozialpädagogikeine Haltung der begleitenden Offenheiteinnehmen (vgl. Voigt-Kehlenbeck 2001). Dies bedeutet:Es ist notwendig, sich von der Vorstellungzu verabschieden, dassMenschen eine stabile Geschlechtsidentitäterreichen und lebenslanghaben. Vielmehr ist davon auszugehen,dass Individuen mit lebenslangenvariablen und diversen Selbstentwürfenjonglieren (vgl. Bilden/Keupp 1989). Für die pädagogischePraxis könnte daraus folgen, dassdie pädagogische Begleitung derAdressatInnen nicht mehr auf dieStabilisierung von Geschlechtsidentitätausgerichtet sein kann. Stattdessenmuss berücksichtigt und anerkanntwerden, dass die Identität vonMenschen wandlungsfähig ist, undWidersprüche der Geschlechterzuschreibungimmer neu bewältigt,variiert und ausgehandelt werdenmüssen. Dies hat aber auch zur Folge,dass die zu bewältigenden Konfliktejeder einzelnen Person ggf.auch zu unterschiedlichen Zeitenunterschiedliche Unterstützungsleistungenerfordern (vgl. Voigt-Kehlenbeck2001). „Das doing gender(Hervorhebung im Original) lässtdeutlich werden, dass grundsätzlichvon einer konflikthaft und widersprüchlichangelegten Geschlechterordnungauszugehen ist, die für beideGeschlechter eine Bewältigungsstrukturdarstellt. Methodisch erforderteine geschlechterreflektierendeHaltung nicht nur eine sorgfältigeAnalyse der jeweils divergierendenProblemfelder der verschiedenenMädchen- beziehungsweise Jungenlebenswelten.“(Voigt-Kehlenbeck2001, S. 251f.)Diese veränderte Sichtweise aufGeschlechtsidentität hat auch spezifischeAuswirkungen auf die pädagogischeProfessionalität. Da nichtmehr davon gesprochen werdenkann, „das brauchen Mädchen“oder „das brauchen Jungen“, mussder Blick stärker auf die Unterschiedebei der Herstellung der Geschlechtsidentitätin den Geschlechtergruppenselbst gerichtet werden,also z.B. auf Unterschiede im Herstellungsprozesszwischen privilegiertenund nicht-privilegiertenMädchen oder Jungen. Für das pädagogischeFachpersonal ist dieSelbstreflexion eine sehr wichtigeVoraussetzung, um eine adäquatepädagogische Haltung einnehmenzu können, die dem „Klientel“ vorallem einen (pädagogischen) Raumanbietet, in dem dieses die Herstellungvon Geschlechtsidentität ausprobierenkann, damit eine Gleichzeitigkeitvon Veränderung, Wandelund Problemlösung stattfindenkann. Für Pädagoginnen bedeutetdies, dass eine pädagogische Begleitungimmer zwischen den Erfordernissenpädagogischer Unterstützungsleistungenund der Bereitstellungvon pädagogischen Freiräumenschwanken wird. „Diese Kunst, dieKonflikte und Probleme der Kinderund Jugendlichen im Umgangmit der Zuschreibung qua Geschlechtzu erkennen – und ihnenzugleich Raum für eigene Lösungsversuchezu gewähren – ist meinesErachtens die eigentliche Professionalisierungsherausforderungeinergeschlechterreflektierenden Pädagogik“.(Voigt-Kehlenbeck 2001,S. 252)Am Beispiel von lesbischen Mädchenwird ein zentraler Aspekt dermöglichen Auswirkungen der Dekonstruktionvon Geschlecht aufdie feministische Mädchenarbeit inZusammenhang mit der „QueerTheory“ deutlich. Diese 2 bietet einetheoretische Grundlage, die es gestattet,Geschlecht und Sexualitätvon einer dekonstruktiven Sichtweiseher zu analysieren. Bisherwurde die Kategorie Sexualität inder Mädchenarbeit, verstanden alsheterosexuelle Norm, zumeist nichtweiter kritisch hinterfragt. Sexualitätwar auf das System der Zweigeschlechtlichkeitgestützt und dabeimit vielen für selbstverständlich gehalteneNormen und Werten verbunden.Durch die „Queer Theory“wird der Effekt des Natürlichen der(Hetero-) Sexualität in Frage gestellt.Dabei ist Queer keineswegs als neuesexuelle Identität im vertrauten Sinnezu verstehen, also als Folge vonHeterosexualität, sondern wird jenseitsvon Identitätsstrukturen, d. h.ohne Ein- und Ausschlüsse oderNormierungen, als verbindendesElement gesehen (vgl. Howald2001). In diesem Sinne gilt es, dasMädchenbild in der Mädchenarbeitzu dekonstruieren, um vorhandeneimplizite Normen (wie etwa Heterosexualität)aufdecken zu können.„Den Begriff Mädchen (Hervorhebungim Original) zu dekonstruierenbedeutet, die Existenz der KategorieGeschlecht zwar als gesell-48

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!