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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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Feministische Mädchenarbeit gestern und heuteKerstin PetersenFeministische Mädchenarbeit gestern und heuteVor gut 30 Jahren begannen Pädagoginnen feministische Mädchenarbeit als ein eigenständiges pädagogisches Prinzip zuentwickeln. Die feministische Mädchenarbeit wird bis heute immer wieder neu von Theoriedebatten der Frauen- undGeschlechterforschung beeinflusst; eine „Beeinflussung“ die sie selbst immer wieder zur kritischen Reflexion ihrer eigenentheoretischen Prämissen und Praxis „zwingt“. Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht die Frage, ob und wie die beidenTheorierichtungen der Konstruktion bzw. De- Konstruktion von Geschlecht in die Praxis feministischer Mädchenarbeitund die Diskurse ihrer Akteurinnen Eingang gefunden haben. Ausblickend wird skizziert, inwieweit der theoretischeAnsatz eines geschlechtshierarchischen Verdeckungszusammenhangs neue Anregungen für die pädagogische Praxis undfür einen anderen Umgang mit der Kategorie „Mädchen“ geben kann.1. Grundlagen und Prämissenin den Anfängen der feministischenMädchenarbeitDie theoretischen Grundlagen feministischerMädchenpolitik- undMädchenarbeit bauen auf der in den1970er Jahren entwickelten feministischenTheorie und Gesellschaftsanalyseauf, die sich nach einemBuchtitel von Ursula Scheu (1977)folgendermaßen zusammenfassenlässt: „Wir werden nicht als Mädchengeboren – wir werden dazu gemacht.“Zwei Erkenntnisse dieser(frühen) feministischen Gesellschaftsanalyseprägten lange Zeit dietheoretische wie praktische Entwicklungder feministischen Mädchenarbeit,die in ihren Anfängenauch als „kleine Schwester der Frauenbewegung“bezeichnet wurde(vgl. Boller/Mirsch 1996). Diesewaren:1. dass die in der BRD vorherrschendeGesellschaftsform alsPatriarchat zu bezeichnen warund ist, und dass zur Aufrechterhaltungdieses Machtsystems offeneund subtile Gewalt angewendetwurde und wird, und2. dass das gesellschaftliche hierarchischeGeschlechterverhältniskomplexe Folgen für das Lebenvon Frauen und Mädchen hat.Die Veränderung bzw. Überwindunggeschlechtshierarchischer, patriarchalerMachtstrukturen in derGesellschaft avancierte daher auchin der Selbstdefinition der feministischenMädchenpolitik zu einemzentralen Ziel. Sie beschränkt sichdabei nicht nur auf die Benennungder Reduzierung, Diskriminierungund Zurichtung des weiblichen Geschlechts,sondern versucht darüberhinaus zu ergründen, wie die bestehendenStrukturen die Abwertungund Funktionalisierung von Frauenund Mädchen und die Herstellungder männlichen Gattung alsüber Frauen verfügende Herrschendeermöglichen (vgl. Heiliger 1993).In den 1980er Jahren beeinflusstendie psychoanalytische Identitätstheorievon Nancy Chodorow und daskognitionstheoretische Konzept derweiblichen Moral von Carol Gilligandie Praxis und Konzeptentwicklungder Mädchenarbeit sehr stark (vgl.Chodorow 1986, Gilligan 1991).Durch sie wurden weitere wichtigeAspekte und Prämissen der feministischenMädchenpolitik, die bereitsin ihren Anfängen formuliert wurden,konkretisiert. Diese sind: dieEntwicklung der eigenständigenund unabhängigen Persönlichkeitvon Mädchen, ihrer Individualität,Ganzheitlichkeit und Selbstbestimmtheit,die Gewährleistung ihrerkörperlichen und seelischen Integritätund ihrer Widerstandskraft,die positive Bewertung vonWeiblichkeit jenseits patriarchalerNormen, sowie die Unterstützungbei der Überwindung und Heilungvon oft schon erfolgten tiefen Verletzungen.Die Umsetzung diesersomit gleichsam als Ziele einer feministischerMädchenpolitik formuliertenPrämissen erfolgen in derPraxis der feministischen Mädchenarbeit:• durch das Aufzeigen und Entlarvendes Mythos von männlicherStärke und Überlegenheit undder Ideologie von der Allgemeingültigkeitpatriarchaler Normen;• im Aufbrechen der Magie derUnterwürfigkeit und der Zerstörungder Idee von auswegloserAbhängigkeit und Angewiesenheitvon Mädchen und Frauenauf das männliche Geschlechtund• durch ein präventives Eingreifenin den Prozess der Aneignungvon weiblichen Rollenbildernund Rollenausgestaltung und Zurichtungsmechanismen(vgl. Heiliger1993).Das für die Anfänge der Frauenforschungformulierte Postulat derParteilichkeit (vgl. Mies 1984) entwickeltesich sehr schnell auch zum<strong>Info</strong> 21.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>27</strong>/<strong>2004</strong>43

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