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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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Geschlecht kommunizierenMiteinander reden...Geschlechterklischees im Kommunikationsmodell Schulz von ThunsWer heute ein Kommunikationstraining besucht, stößt beinahe zwangsläufig auf das „Quadrat der Kommunikation“,ein Modell, das Friedemann Schulz von Thun (1985) basierend vor allem auf Watzlawick etal. (1990) entwickelt hat. Die Werke, die als populärwissenschaftliche „Standardwerke“ zum Thema menschlicheKommunikation gelten, haben zahlreiche und hohe Auflagen erreicht. Allein deshalb lohnt ein Blickauf die propagierten Modelle zur besseren Verständigung. Demnach besteht menschliche Kommunikationaus dem „Senden“ und „Empfangen“ von „Nachrichten“ auf zwei Ebenen: der „Sach-“ und „Beziehungsebene“.Schulz von Thun hat die Beziehungsebene um die Aspekte „Selbstoffenbarung“ und „Appell“erweitert, auf denen wir sprechen und hören. Sehen wir uns eins der Beispiele an, mit dem er sein Modellerläutert (vgl. ebd., S. 62f):In der folgenden Illustration legt er das Beispiel unter dieLupe und analysiert es anhand seines „Quadrats der Kommunikation“,um das Entstehen von Missverständnissen zuerklären und sie in der („Meta“)Kommunikation aufzulösen:Augenfällig ist die Klischeehaftigkeit des Beispiels,in der ein Mann – ganz „urig“ – isst, waseine Frau gekocht hat und sich dabei – ganz„sachlich“ – nach den Essensbestandteilen erkundigt,woraufhin die Frau – in einer Art hysterischenÜberreaktion – die Machtfrage in der Beziehungstellt. Während er also sachlich ist, reagiert sie emotional („beziehungsorientiert“). Der Autor hatihm dabei die Senderrolle, also den „aktiven“ Part zugewiesen, während sie „passive“ Empfängerin ist.Dass der Mann dem „Grünen“ gegenüber skeptisch ist – sei es in Form gesunder Nahrung oder womöglichpolitisch gefärbten Inhalten – während sie diese Bestandteile ins Essen gemischt hat, und nun diesesGrüne zwischen den beiden problematisiert wird, fällt in den subtilen komischen Bereich der mit transportiertenVorurteile.Bei Schulz von Thun ebenso wie bei Watzlawick et al. finden sich zahlreiche ärgerliche Beispiele aus dem„Spiel der Geschlechter“ (weitere nörgelnde Ehefrauen etc.), die so eine Tendenz zur Verallgemeinerungerhalten. Doch auch wenn wir diese Art Beispiele verwerfen, bleibt die Frage, ob das Modell an sichtauglich bleibt.Prinzipiell ist es meines Erachtens eine nützliche Vereinfachung mit Werkzeugcharakter, um zwischenBeziehungs- und Sachebene von Kommunikation zu unterscheiden. Doch die Art, wie das Modell kommuniziertwird, ist problematisch. Die „sachliche“ Ebene wird als unverrückbar definiert, während emotionalebeziehungsorientierte Ebenen zur Verhandlung/Disposition ausgeschrieben werden. Es gibt jedochkeine „Sachen“, die aus sich heraus unzweifelhaft existieren, während Emotionen labil und flüchtig sind.Sind nicht emotionale Aspekte ebenso – oder: ebenso wenig – Tatsachen, die Gültigkeit besitzen? Basiertnicht Kommunikation gerade auf der Kompetenz der (intuitiven) Deutungen, auf Erfahrungen? Andersgefragt: reagiert die Frau in dem Beispiel vielleicht ganz stimmig aufgrund der gemeinsamen Beziehungsgeschichteund deutet die Frage des Mannes sehr präzise als Kritik? Welche Arrangements und Aushandlungsprozessefür Miteinander haben zwischen den beiden – entlang von Geschlechterlinien – stattgefundenund wie setzen sich diese beim Essen fort? Zu welchen Formen der Verständigung zwischen Menschenführt überdies die Reduktion des gemeinsamen Nenners auf ein Rudiment „Da ist was Grünes“, währenddas „übrige“ kommunikative Geschehen zur potenziellen Quelle von Missverständnissen erklärt wird? Ander Qualität des Modells sind also Zweifel angebracht, insbesondere wenn Geschlechtervorurteile damitverknüpft werden, wie das nach wie vor verbreitete, Männer neigten zur „sachlichen“, Frauen zur „emotionalen“Kommunikationsweise.<strong>Info</strong> 21.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>27</strong>/<strong>2004</strong>19

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