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IFF-Info Nr. 27, 2004 - IFFOnzeit

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Rezensionentext zu stellen und innerhalb dieses Bezugrahmens neuzu deuten. Sie will die von den Frauen erzählten Geschichten,in denen diese unausweichlich ihre Erfahrungen,bestimmte (Lebens-)Ereignisse und eigene Handlungenwie die Dritter, bereits auf eine (für sie schlüssige)Sinnstruktur hin interpretiert haben, quasi „gegenden Strich bürsten“. Erlemann will gerade die Diskrepanzzwischen erlebter und erzählter Lebensgeschichtesichtbar machen. Ihr geht es im wissenschaftlichenInterpretationsprozess darum, die soziale Konstruiertheitder Deutung der eigenen Lebensgeschichte durchdie Frauen aufzudecken und gleichsam als Gegengewichtzu deren Selbstpräsentation, ausgehend von derlatenten Sinnstruktur der Erzähltexte, eine Rekonstruktionder Lebensverläufe dieser drei Ingenieurinnen vorzunehmen.Ein wahrlich hoher Anspruch, nicht nuran die eigene wissenschaftliche Arbeit, sondern auchan die LeserInnen, die diesen Interpretationsprozessletztlich „mitgehen“ und nachvollziehen (können) sollen.Man kann sich sicherlich trefflich darüber streiten,ob Erlemann in der Darstellung ihrer wissenschaftlichenAnalyse- und Interpretationsschritte manchmalnicht etwas zu akribisch vorgegangen ist und damit zumindestden Lesefluss in diesem Kapitel stellenweisegehörig ins Stocken bringt und ob die Autorin ihre Interpretationsrasteran einigen Stellen nicht etwas zu engmaschiggezogen hat und dabei punktuell vielleicht auchzu Überinterpretationen oder einer übertriebenen Pedanterietendiert. Dies jedoch sollen andere tun. DieRezensentin selbst war beim Lesen beeindruckt vonder Dokumentationsfülle, Transparenz, Nachvollziehbarkeitund Schlüssigkeit der einzelnen Interpretationsschritte.Die Autorin weist sich mit diesem Teil der Arbeitnicht nur als fundierte Kennerin, sondern auch alsüberaus gewissenhafte Anwenderin qualitativer Methodender Sozialforschung aus. Ihrem formulierten wissenschaftlichenAnspruch wird sie dabei allemal gerecht.Leider ist es im Rahmen dieser Rezension nicht möglich,detailliert auf die jeweils sehr ausführlichen Interpretationender drei Lebensverläufe einzugehen; diesesollten die geneigten LeserInnen besser selbst auf sichwirken lassen. Eindrücklich sind in jedem Fall die erstdurch die Interpretationsleistung der Autorin aus derTiefe der Erzähltexte an die Oberfläche geholten unddadurch sichtbar gewordenen Gemeinsamkeiten (odercharakteristischen Mosaiksteine) in den Einstiegs-,Umstiegs- und Ausstiegsverläufen der Frauen in bzw.aus dem Ingenieurberuf. Diese sind z.B. ihre Umdefinitionoder Glättung von „Brüchen“ als Anpassungsfähigkeitenan wechselnde Gegebenheiten des Lebens,die wiederkehrende Entdramatisierung von eigentlich„einschneidenden“ Ereignissen und/oder Erfahrungen,der eher passive Umgang mit Diskriminierungserlebnissen,ihre (eher zögerliche Akzeptanz der) Erkenntnis,dass man als Frau auch oder gerade in „Männerberufen“das Geschlecht nicht ablegen kann und inerster Linie immer als Frau wahrgenommen wird, undletztlich ihre Tendenz, den Einstieg in und den Ausstiegaus dem Ingenieurberuf irgendwie als fremdattribuiertund keineswegs als selbstbestimmt erscheinenzu lassen.Fallvergleich und Diskussion?Kapitel 5, in dem ein Fallvergleich gezogen werden soll,und Kapitel 6, in dem die Ergebnisse diskutiert werden,fallen in der Qualität gegenüber Kapitel 4 deutlichab. Einen Fallvergleich nimmt Erlemann leider nichtvor. Was in Kapitel 5 folgt, ist nur eine nach den Einzelfällensortierte Zusammenfassung der Ergebnisse zuzwei zentralen forschungsleitenden Fragen der Autorin:der nach der Resonanz von biographischer Strukturund Fachstruktur und der nach der Berufsfähigkeitim Kontext der gesamten Lebensplanung der Frauen,wobei die Reflexion der Sonderstellung als Frau in einem„Männerberuf“ eine besondere Beachtung findet.Erlemann bleibt hier weit hinter ihren eigenen Potentialenzurück und schafft es nicht, die Beantwortung dieserFragen von der individuellen Ebene zu lösen unddamit über die rekonstruierten Einzelfälle hinaus aufeine gesellschaftliche Ebene oder Strukturdiskussionzu heben. In Kapitel 6 diskutiert die Autorin die ausden Fallrekonstruktionen gewonnenen Ergebnisse.Nicht schlüssig ist, warum sie diese plötzlich mit Aussagenaus weiteren Interviews ergänzt und z.T. relativunvermittelt mit Untersuchungsergebnissen angrenzenderForschungsfelder in Beziehung setzt. Diese Vorgehensweiseerweckt den Eindruck, die Autorin „traue“ihrer eigenen Analysekraft nicht und müsse ihre Ergebnisseirgendwie „absichern“. Schade drum: Was dieAutorin z.B. unter den Stichworten „Isolation“, „mütterlicheDelegation“, „Ingenieurstudium als Fortschrittsträgerund Emanzipationsgarant“ und „Reibungspunktemit der Fachkultur“ eigentlich anhand dervon ihr in Kapitel 4 geleisteten Arbeit hätte diskutierenkönnen, ist weit mehr als sie hier getan hat.ResümeeEin Verdienst von Erlemann ist es, gründlich mit einemMythos, den auch die Frauen- und Geschlechterforschungreproduziert und der unbeirrt in frauen- undgleichstellungspolitischen Diskursen hochgehalten<strong>Info</strong> 21.Jg. <strong>Nr</strong>.<strong>27</strong>/<strong>2004</strong>101

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