incentives - Wirtschaftszeitung
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SEITE 12 | FREITAG, 15. JULI 2011 INCENTIVES WIRTSCHAFTSZEITUNG<br />
NeuePerspektivenbeidenIncentives<br />
DieErlebnisAkademieAGausBadKötztingsuchtesichinderWirtschaftskrisealternativeMärkteunderschlossneueZielgruppen<br />
VON ROBERT TORUNSKY<br />
BAD KÖTZTING. Hochseilgärten in<br />
Deutschland können auf eine kurze<br />
Historie zurückblicken: Ende der<br />
90er-Jahre wurden die ersten Anlagen<br />
in der Bundesrepublik errichtet, obwohl<br />
sie sich in den USA, Frankreich<br />
und England schon längere Zeit großer<br />
Beliebtheit erfreuten. Nach US-<br />
Vorbild dienten die ersten Hochseilgärten<br />
zunächst sozialen Lernprozessen<br />
bei Schulen und Jugendgruppen,<br />
doch auch Firmen entdeckten sehr<br />
bald die Vorzüge für die Verbesserung<br />
des Teambuildings und der Mitarbeiter-Kommunikation<br />
für sich. Diesem<br />
TrendentzogsichkaumeinUnternehmen<br />
und Hochseilgärten schwangen<br />
sich in kurzer Zeit zu einem sehr begehrtenIncentiveauf.<br />
Die Erlebnis Akademie Bad Kötzting<br />
wurde 2001 als kleine Aktiengesellschaft<br />
mit drei Aktionären und<br />
einem festangestellten Mitarbeiter gegründet.<br />
Zum zehnjährigen Firmenjubiläum<br />
2011 verfügt die AG mittlerweile<br />
über 50 Festangestellte sowie<br />
100 freie Mitarbeiter und zählt damit<br />
zu den führenden Anbietern von Outdoor-Programmen,<br />
Teambuilding und<br />
Erlebnispädagogik in Ostbayern. Die<br />
erste Anlage war der Hochseilpark in<br />
der Gemeinde Lam, geografisch zwischen<br />
Bad Kötzting, Furth im Wald<br />
und Bayerisch Eisenstein gelegen: In<br />
zehnbiszwölfMeternHöhewarten36<br />
Stationen – unterteilt in drei Schwierigkeitsgrade–aufdieWagemutigen.<br />
KontinuierlicheExpansion<br />
Der Hochseilpark in Lam entpuppte<br />
sich schnell als erfolgreich, dennoch<br />
warendieVerantwortlichenzwarvom<br />
Endergebnis, aber nicht von dem Entstehungsprozess<br />
der von einer Fremdfirma<br />
konstruierten Anlage, vollends<br />
überzeugt. Bernd Bayerköhler, Vorstandsmitglied<br />
der Erlebnis Akademie<br />
AG und seit 2002 im Unternehmen:<br />
„Wir haben uns damals entschieden,<br />
künftige Projekte anders anzugehen<br />
und bereits die zweite Anlage in<br />
NÜRNBERG. Betriebsausflug war gestern.<br />
Die Radtour mit Kollegen oder<br />
der gemeinsame Bustrip in den Tierpark,<br />
allein mit dem Ziel, Mitarbeiter<br />
und Chef auch außerhalb des Arbeitsalltages<br />
kennenzulernen, sind nicht<br />
mehr zeitgemäß. Heute sollen Unternehmensveranstaltung<br />
über das reine<br />
Spaß- und Geselligkeitsziel hinausgehen.<br />
Das investierte Geld soll zielgerichtet<br />
und nachhaltig wirken. Viele<br />
Firmen legen die Umsetzung solcher<br />
Maßnahmendahermittlerweileindie<br />
Hände spezialisierter Eventagenturen,<br />
die abhängig von den Wünschen und<br />
Zielen des Kunden, Veranstaltungen<br />
maßgeschneidert planen. Plan:Orange<br />
aus Roßtal bei Nürnberg ist eine solcheConsulting-undEventagentur.DabeisetzendieFrankenaufSportveranstaltungen<br />
– nach Wunsch auch<br />
mit fachmännischer Unterstützung<br />
von Profisportlern und an originalen<br />
Olympia-Stützpunkten. „Bestimmte<br />
Sportarten eignen sich ganz hervorragend,<br />
um klar definierte unternehmerische<br />
Ziele umzusetzen“, sagt Geschäftsführerin<br />
Jutta Mützer. Gerade<br />
Biathlon – nicht zuletzt wegen des Erfolgs<br />
derdeutschenAthleteneiner der<br />
Topseller bei Plan:Orange – birgt vielfältige<br />
Möglichkeiten. Hier können<br />
die unterschiedlichen Charaktere<br />
einer Abteilung oder Firma im Team<br />
auf ein Ziel hinarbeiten, wobei jeder<br />
seine individuellen Stärken einbringen<br />
kann. „Der junge Heißsporn darf<br />
vom Start weg Vollgas geben, ältere<br />
Kollegen sollen ihre Erfahrung tak-<br />
2010lockteder44MeterhoheBaumturminNeuschönau375 000Besucheran. Foto:ErlebnisAkademie<br />
Schönberg selbst entworfen und gebaut.“<br />
In den mitten im Bayerischen<br />
Wald am Gipfel des Kadernbergs errichteten<br />
Naturhochseilpark flossen<br />
bereits viele neue Ideen ein. So entstanden<br />
in einer Höhe von drei bis 25<br />
Metern sieben einzeln zugängliche<br />
Parcours mit insgesamt 80 Stationen.<br />
In den Folgejahren erweiterte sich das<br />
Angebot der Erlebnis Akademie um<br />
das „Abenteuer Silberberg“ in Bodenmais,<br />
den Naturhochseilpark Waldmünchen,<br />
das Kletter- und Outdoorzentrum<br />
Mitterfels und Pfingsten<br />
2011 mit dem Kletterpark Straubing.<br />
Neben den zusätzlichen Standorten<br />
wurden auch zahlreiche Events und<br />
Incentives angeboten, die individuell<br />
auf die Wünsche der Kunden zuge-<br />
tisch klug zum Ende des Rennens einbringenoderbeimSchießeneineruhige<br />
Hand beweisen“, erklärt Mützer.<br />
Die Events sind jedoch mehr als nur<br />
reine Sportveranstaltungen. Mützer<br />
und ihre vier festen und zehn freien<br />
Mitarbeiter lassen eine Leitlinie, in<br />
diesem Fall einen orangenen Faden,<br />
durch ihre Events laufen. Erfahrene<br />
Sportler erklären „ihre“ Sportart im<br />
Vorfeld, das Training, die eigentlichen<br />
Herausforderungenund zeigen dieParallelen<br />
zum Geschäftsfeld der Kunden.„IndemProfiserklären,wiesiedie<br />
Schwierigkeiten des Sports meistern,<br />
präsentieren sie den Teilnehmern<br />
gleichzeitig auch Lösungen für die beruflichenHürden“,soMützer.Dasmache<br />
den Event zu einer „runden“ Sache,dieinErinnerungbleibe.<br />
So ist etwa das Bob-Event am Königsee<br />
mehr als nur eine knappe Minute<br />
mit 120 Stundenkilometer durch<br />
den1200MeterlangenEiskanalrasen.<br />
Am Abend vor der Abfahrt stellen<br />
SportgrößenwieChristophLangendie<br />
Facetten des Bobsports vor, durchlaufen<br />
mit den Schnupper-Sportlern den<br />
Eiskanal, erklären jede Kurve, begutachten<br />
die Anschubbahn. „Dadurch<br />
bekommen die Teilnehmer die nötige<br />
Ehrfurcht und erleben die Fahrt ganz<br />
anders“,weißMützer.AmEndewartet<br />
dann eine Siegerehrung samt Medaillen.<br />
Das Drum-Herum soll dem Ziel der<br />
Firmenmaßnahme ebenso dienlich<br />
sein wie die Veranstaltung selbst.<br />
AuchdarumkümmertsichPlan:Oran-<br />
schnittenwurden.Zuderkontinuierlichen<br />
Expansion wäre es nach Angaben<br />
von Bayerköhler jedoch nicht gekommen,<br />
„wenn wir unsere bisherige<br />
Kundenstruktur von 70 Prozent<br />
Unternehmens-und30ProzentPrivatkunden<br />
aufrechterhalten hätten“.<br />
Denn: Der Boom-Zeit der Kletterparks<br />
und Hochseilgärten folgte durch die<br />
Wirtschaftskrise eine enorme „Auftrags-Delle“<br />
bei Firmenkunden, die in<br />
ZeitenvonleerenAuftragsbüchernbesonders<br />
bei Incentives den Rotstift<br />
ansetzten.<br />
„UmdenenormenRückgangaufzufangen,habenwirdenFokusmehrauf<br />
Organisationen und Privatkunden gelegt“,<br />
so der Diplom-Betriebswirt. Dabei<br />
wurden zahlreiche Kooperationen<br />
ge. „Beim Fechten kann es darum gehen,<br />
sich auf einen konkreten Punkt<br />
zu konzentrieren oder um die Fähigkeit,<br />
sich gegen einen Kontrahenten<br />
durchzusetzen“, zeigt Mützer mögliche<br />
Zielsetzungen und Event-Themen<br />
auf. „In solchen Fällen meiden wir<br />
ganz bewusst klassische Business-Hotels<br />
als Unterkunft, sondern buchen<br />
Burg- oder Klosterhotels, wo Außenreizeminimiertwerdenkönnen.“<br />
NebenzielgerichtetenMaßnahmen<br />
zumTeambuilding undHierarchieab-<br />
mit regionalen Hotels sowie Verbänden<br />
und Vereinen eingegangen. Bei<br />
diesen Vermarktungs-Partnerschaften<br />
führtederWegauchwegvondeneigenen<br />
Anlagen und Teambuilding-Maßnahmen.<br />
Events und Incentives werden<br />
zudem direkt vor Ort angeboten<br />
unddurchgeführt.<br />
Zusätzlich wurde das Know-how<br />
im Bau von Outdoor-Anlagen genutzt,<br />
umbeimKundenselbstaufdessenFirmengelände<br />
Projekte wie Teamparcours,Abenteuer-Spielplätzeodereine<br />
Tagungs-Plattform im Baumwipfel zu<br />
realisieren.InFolgealldieserMaßnahmen<br />
wurde das Verhältnis von Privatzu<br />
Firmenkunden auf 70:30 Prozent<br />
umgekehrt. Gleichzeitig erschloss das<br />
UnternehmenaberauchneueMärkte:<br />
bau und Incentive-Maßnahmen bietet<br />
Plan:Orange seinen Kunden, die aus<br />
demgesamtenBundesgebietkommen,<br />
auch Veranstaltungen an, mit deren<br />
Hilfe ganz konkrete Umsatzziele erreicht<br />
werden können. „Ein Kunde<br />
strebte nach erfolgreichen Geschäftsjahren<br />
mit deutlichem Umsatzplus<br />
eine weitere Ergebnissteigerung um<br />
30 Prozent an“, erzählt Mützer. Ein<br />
Ziel,anderenUmsetzbarkeitvieleerst<br />
einmal zweifeln – doch die Franken<br />
habenauchdafüretwasinihremPort-<br />
Seit 2008 betreibt die Erlebnis Akademie<br />
mit der einhundertprozentigen<br />
Tochter Adrenalinovych Zazitku s.r.o.<br />
aufdemBergLibinnahederStadtPrachatice<br />
den ersten Naturhochseilpark<br />
in Südböhmen, ein Jahr später wurde<br />
eine weitere Naturhochseilanlage in<br />
der Nähe von Slapy, zwischen Pilsen<br />
und Prag gelegen, in Betrieb genommen.<br />
Der Weg zum derzeit „interessantesten<br />
Markt“ nach Tschechien sei<br />
für die AG die „logische Konsequenz“<br />
gewesen.<br />
InOstbayernselbstsiehtBerndBayerköhler<br />
den Markt nach der Eröffnung<br />
des Kletterparks in Straubing<br />
vor wenigen Wochen als gesättigt an.<br />
„Aufgrund der großen Konkurrenz<br />
würden wir hier nur bei einer absolutenPremium-Lagetätigwerden.“<br />
Neue Zielgruppen erschlossen<br />
Entscheidend für den Unternehmenserfolg<br />
war nach Angaben Bayerköhlersauch,dasssichdieErlebnisAkademie<br />
neuen Zielgruppen öffnete. Dazu<br />
wurde nicht nur im Naturhochseilpark<br />
Schönberg ein Handicap-Parcours<br />
für Behinderte errichtet, sondern<br />
mit der Fertigstellung des Baumwipfelpfades<br />
in Neuschönau im NaturparkBayerischerWald„einMeilenstein<br />
der Unternehmensgeschichte“.<br />
DortentstandmitdemweltweitlängstenBaumwipfelpfad,derden44Meter<br />
hohen Baumturm einschließt, ein Objekt,<br />
das keinen Menschen mehr ausschließe.<br />
Der „Spazierweg in den Bäumen“<br />
ist behindertengerecht konzipiert und<br />
durch seine spezielle Konstruktion<br />
auch für Leute mit Höhenangst kein<br />
Hindernis. Spezielle Events wie ein<br />
Turmlauf oder kulinarische Spaziergängesorgenfür<br />
zusätzlicheFrequenz<br />
– 2010 waren esinsgesamt375000 Besucher.<br />
Die Erlebnis Akademie sieht<br />
ihre zukünftige Ausrichtung in Projektenwiedem<br />
Baumturm,da „sieanderePerspektivenschaffen,dienormalerweisenichterlebbarunddeshalbso<br />
interessant sind“, skizziert Bernd Bayerköhler.<br />
ErstdasFechtduell–danndiekräftigeUmsatzsteigerung<br />
Plan:OrangeausRoßtalbeiNürnbergbietetFirmensportlicheProblemlösungenfürbetriebswirtschaftlicheHerausforderungen<br />
Beim Fechten zählen Werte wie Fairness, Disziplin, Schnelligkeit, Geschicklichkeit,<br />
Eleganz und vorausschauendes Agieren. Fähigkeiten, die auch über den<br />
beruflichenErfolgbestimmenkönnen. Foto:Plan:Orange<br />
folio.VonTop-SkispringernwieDieter<br />
ThomaoderJensWeißflogwerdendie<br />
Teilnehmer langsam an den Sprung<br />
von einer Jugendschanze herangeführt.<br />
„Man steht anfangs vor der<br />
Schanze und denkt, es sei unmöglich<br />
in relativ kurzer Zeit so einen Sprung<br />
zu schaffen. Am Ende ist es in der Regel<br />
aber so, dass sich jeder den Sprung<br />
zutraut“, berichtet Mützer. „So lernen<br />
die Kollegen zusammen ein Ziel zu<br />
verfolgen und zu erreichen, das anfangsnochunerreichbarschien.“<br />
Vor solch größeren Herausforderungen<br />
stand Plan:Orange selbst auch<br />
schon. Daher weiß Mützer wovon sie<br />
spricht.VorallemindenKrisenjahren<br />
2008/09 hatte die gesamte Event- und<br />
Incentive-Branche zu kämpfen.„Diese<br />
beiden Jahre waren für uns eine Katastrophe“,<br />
sagt Mützer. Während der<br />
Wirtschaftskrise waren hier die<br />
Schrauben und Rädchen verortet, an<br />
denendieUnternehmenzuerstzudrehen<br />
begannen, um Kosten einzusparen.<br />
DerUmsatzbrachkräftigein.„Jetzt<br />
zieht die Nachfrage aber wieder spürbar<br />
an“, freut sich die 44-jährige Agentur-Chefin.<br />
Sie wünsche sich aber<br />
auch mehr Weitsicht seitens der Firmen<br />
und gibt zu bedenken: „Wo werdendieUmsätzegemachtundKunden<br />
gebunden? Eben bei solchen Maßnahmen,<br />
die wir anbieten. Firmen kommen<br />
ja nicht nur mit Angestellten,<br />
sondern laden auch Geschäftskunden<br />
ein. So werden dauerhafte Bindungen<br />
geknüpftundTreueaufgebaut.“(tr)