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OHANN RATKE UND SEINE FAMILIE - Platkowniza-Sadoles

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193<br />

]<strong>OHANN</strong> <strong>RATKE</strong> <strong>UND</strong> <strong>SEINE</strong> <strong>FAMILIE</strong><br />

Johann Ratke wurde um 1802 geboren, laut Heiratsurkunde in Babskie Budy, und scheint kurz vor<br />

1891 verstorben zu sein. ImJahre 1883 hatte er sein Testament anfertigen lassen. Zusammen mit<br />

seiner Ehefrau Helene geb. Ewald hatte er mindestens 12 Kinder.<br />

Man kann die Eheleute Ratke als eine Art Stammeltern der Kolonie bezeichnen. Ihre Kinder hei­<br />

rateten in viele Kolonistenfamilien ein. Der Sohn J ohann z.B. hatte 9 Kinder, die sich wiederum in<br />

der Kolonie einheirateten. So sind Johann und Helene Ratke auch in meiner Stammtafel zu finden:<br />

sie sind meine Ururururgroßeltern.<br />

Die Ehefrau Helene Ewald wurde im Jahre 1803 in Babskie Budy geboren. ImJahre 1822 heiratete<br />

sie den Johann<br />

geführt.<br />

Ratke, 1848 starb sie 45-jährig. In ihrer Sterbeurkunde sind 12 lebende Kinder auf­<br />

Die Kinder (Nummerierung in römischen Ziffern)<br />

I. Elisabeth, geboren 13. Januar 1825 in Babskie Budy, wohl das älteste Kind der Eheleute.<br />

Zeugen waren der Großvater Martin Ratke, sen; sein Alter wird hier mit 60 Jahren angegeben<br />

sowie David Witzke.<br />

Elisabeth heiratete später einen Heinrich Boß. 1873 war sie noch am Leben, 1891 erscheint<br />

ihr Ehemann Heinrich Boß als ihr Erbe in der Erbauseinandersetzung Johann Ratke,<br />

auf die ich noch ausführlicher eingehen werde.<br />

Die Eheleute<br />

tomir.<br />

Boß sind nach Wolhynien gezogen. Sie lebten im Dorfe Ociete, Kreis Schi­<br />

Bekannt sind mir die Kinder dieser Eheleute:<br />

Ferdinand, als Kleinkind 1848 in <strong>Platkowniza</strong> gestorben<br />

Heinrich Boss<br />

Ludwig Boss<br />

Dorothea Frank geb. Boss, verheiratet mit Karl Frank<br />

Albertine Garben geb. Boss, verh. mit Jakob Garben<br />

II. Marianne Ratke, geboren am 17. Juni 1826 in Babskie Budy, verheiratet mit dem Landwirt<br />

Christian Karau.<br />

Durch die Tochter Eva, die Jakob Ratke heiratete, wurden dieses Ehepaar meine Urururgroßeltern.<br />

(Auf beide und ihre Nachkommen gehe ich ausführlicher in meiner Beschreibung<br />

der Familie Karau ein).<br />

III. Dorothea Ratke, geboren 1829/30 in Babskie Budy, heiratete am 4. Juni 1848 Martin<br />

Jabs, 19 Jahre alt, den Bruder des Johann Jabs, meines Urururgroßvaters großmütterlicherseits.<br />

Sie tritt 1891 als eine der Hauptklägerinnen in der besagten Erbauseinandersetzung<br />

gegen ihren Bruder Heinrich auf.<br />

N. Martin Ratke, geboren am 9. Oktober 1831 in <strong>Platkowniza</strong>. Als Zeugen werden Johann<br />

Hinz, 30 Jahre, und Christian Weiß, 40 Jahre, Kolonisten aus <strong>Platkowniza</strong> genannt. Taufpaten<br />

waren Peter Ratke und Dorothea Witzke. Am 22. Oktober 1854 heiratete Martin die<br />

Katharina Karau, 18 Jahre alt, Tochter des Friedrich Karau und seiner Ehefrau Elisabeth<br />

geb. Ziehlke.<br />

Ratke.<br />

Katharina ist die Schwester des Ehemannes Christian Karau der Marianne<br />

Möglicherweise ist Martin Ratke vor 1883 verstorben, denn Johann Ratke erwähnt ihn<br />

nicht in seinem Testament.<br />

V. Eva Ratke, geboren am 21. Dezember 1833 in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Die Zeugen sind Jakob Jabs, 50 Jahre, Kolonist (mein Ururururgroßvater) sowie Bartholomäus<br />

Neumann, 40 Jahre, Kolonist. Paten sind Jakob Jabs und Eva Ewald.<br />

Eva Ratke war die erste Ehefrau des Landwirts Heinrich Rüdiger und ist jung verstorben.<br />

Tochter: Juliane verh. Beyer<br />

VI. Helene Ratke, geboren am 8. August 1835 in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Die Zeugen sind Peter Ratke, 35 Jahre, der Onkel, Mathäus Buchholz, 60 Jahre, Kolonist<br />

in <strong>Platkowniza</strong>. Paten sind Peter Klettke und Eva Hahn.


194<br />

Helene war mit einem Heinrich Krüger verheiratet. Die Familie lebte ebenfalls in Wolhynien,<br />

in einem Dorfe Staraja, Kreis Schitomir. 1891 ist Helene bereits schon verstorben.<br />

Kinder sind:<br />

]. Ristau geb. Krüger, verh. mit Christian Ristau<br />

Michael Krüger<br />

Heinrich Krüger<br />

Johann Krüger, früh verstorben, seine Witwe Eva heiratete daraufhin einen Heinrich Jabs.<br />

Aus der ersten Ehe hatten sie eine Tochter Juliane.<br />

VII. Katharina Ratke, geboren am 16. Januar 1837 in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Die Zeugen sind Peter Ratke, der Onkel, sowie Johann Witzke, 24 Jahre, Kolonist aus<br />

<strong>Platkowniza</strong>. Taufpaten waren Peter Ratke und Eva Werner.<br />

Am 22. Mai 1857 heiratete Katarina Heinrich Rüdiger, 25 Jahre alt, in erster Ehe war er<br />

mit ihrer Schwester Eva verheiratet gewesen. Heinrich Rüdiger war der Sohn des Landwirtes<br />

Christian Rüdiger und seiner Ehefrau Katharina Wulfram. Diese Katharina Rüdiger<br />

war die Schwester von Klara Ewald (t 1847). Katharina hatte somit den Vetter ihrer Mutter<br />

geheiratet.<br />

Am 27. August 1870 wurde dem Ehepaar eine Tochter Maria geboren. Katharina Rüdiger<br />

geb. Ratke starb am 3.Juli 1906 im Alter von 69 Jahren in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Maria heiratete am 6. November 1887 den Bauern Friedrich Heise (1865 - 1930) aus <strong>Platkowniza</strong>,<br />

Sohn des Peter Heise, der am 19. Mai 1928 in <strong>Platkowniza</strong> im Alter von 90 Jahren<br />

verstarb. Ihn habe ich schon mehrfach erwähnt, u. a. auch in den Erinnerungen des Jakob<br />

Semke über die Zeit an der Wolga. Dieser Peter Heise war der Sohn des Johann Heise<br />

und seiner Ehefrau Anna geb. Witzke. Verheiratet war er mit der Witwe Katharina Weiss<br />

geb. Adam. Er hatte einen großen Hof in <strong>Platkowniza</strong>, in der sog. "schönen Linie".<br />

VIII. Luise Ratke, verheiratet mit einem Jakob Jabs, geboren ca. 1838<br />

IX. Christine Ratke, geboren ca. 1840, war verheiratet mit dem Bauern David Matt, genannt<br />

"Der Reiche". David Matt war Präses des Baukommitees beim Bau der Kirche zu <strong>Platkowniza</strong><br />

1908.<br />

Christine hatte zahlreiche Kinder und starb bei der Geburt des letzten, so um 1880. David<br />

Matt heiratete daraufhin die 16-jährige Christine Knuth (1865-1945). Insgesamt hatte David<br />

Matt 32 Kinder. In viele Familien der Kolonie heirateten seine Kinder ein. Weil es sich<br />

um eine Nebenlinie handelt, erwähne ich nur einige Beispiele:<br />

Gertrud Brandt, geh. Matt, Bäuerin in <strong>Sadoles</strong>, Ehefrau des Gustav Brandt, Bruder der<br />

Pflegemutter meiner Großmutter. Bei ihr und ihrem Ehemann waren zwei Geschwister<br />

meiner Großmutter in Pflege. Sie starb an Krebs in einem Internierungslager nach dem II.<br />

Weltkrieg<br />

Pauline Radtke geh. Matt, geboren 1905, verh. mit Friedrich Radtke, Sohn des Julius<br />

Ratke. Die Tochter Irene Schlenker geb. Radtke lebt in Huntingdon Valley, einem Vorort<br />

von Philadelphia, wo wir schon mehrfach zu Gast sein durften. Ein Foto von ihr und ihrem<br />

Ehemann Manfred Schlenker, gebürtig aus Schwenningen in Schwaben ist auf Seite<br />

393 abgedruckt. Der Sohn Otto lebt in Salt Lake City. Dort lebt auch Pauline Radtke in<br />

einem Altersheim. Diese Radtke' s sind vermutlich Nachkommen meines Vorfahren Peter<br />

Ratke, wie ich bereits schon erwähnte.<br />

Christine und David Matt waren die Urgroßeltern des Reinhold Wolf aus <strong>Platkowniza</strong>,<br />

von dem ich Texte mit in diese Chronik übernommen habe.<br />

X. Johann Ratke, geboren ca. 1841/42 in <strong>Platkowniza</strong>, verh. mit Karotine Jabs.<br />

Er erhielt 1873 von seinem Vater, nachdem sich dieser ins Altenteil begab, einen Anteil am<br />

Grund und Boden in der Größe von 9 polnischen Morgen sowie einen Anteil an der Wiese<br />

"Kowel".<br />

Dieser Johann hatte mit seiner Ehefrau 9 Kinder, die namentlich nicht alle bekannt sind,<br />

darunter waren:<br />

Katharina, die bereits schon erwähnte Frau des Gustav Arndt aus Sojkowek und Mutter<br />

meiner Großtante Johanna Ratke


195<br />

Wilhelmine, verh. mit dem Müller Rudolf Peters in <strong>Platkowniza</strong>. Peters war aus der Ko­<br />

lonie Groß-Paprutsch. Wilhelmine starb 1977 über 90-jährig. Ihr Ehemann war wenige<br />

Jahre vorher gestorben.<br />

Elisabeth Beyer geb. Ratke, Mutter des Dorfschultzen Friedrich Beyer<br />

Juliane Kiesel geb. Ratke, Ehefrau des Schmied Kiesel in Zajeziercze<br />

Marianne, wohnhaft in Wengrow<br />

Nachkommen des Johann d. J. mit dem Familiennamen Ratke leben in Rußland und in<br />

Kanada<br />

Johann Ratke ist kurz vor der Deportation nach Rußland verstorben. Er war der Nachbar<br />

der Witzke's. Man beschreibt ihn als einen sehr korpulenten Mann. Seine Ehefrau starb<br />

etwa um die gleiche Zeit wie der Ehemann. Meine Großtante Johanna Ratke kann sich<br />

noch daran erinnern, daß ihre Mutter viel außer Haus war, um ihre kranke Mutter zu pflegen.<br />

Nach dem Tod der Eheleute wurde das Land aufgeteilt, das Hofgebäude nach der<br />

Rückkehr aus der Deportation abgebaut.<br />

XI. Heinrich Ratke, geboren ca. 1843/44, verh. mit Euphrosine Dittmann.:<br />

Seinen Namen kenne ich nur aus einer Urkunde aus dem Jahre 1891. Da verklagen ihn die<br />

Nachkommen von fünf Schwestern bzw. seine Schwester Dorothea auf Herausgabe ihres<br />

Erbteils. In seinem Testament aus dem Jahre 1883 hatte J ohann Ratke bestimmt, wie sein<br />

stattlicher Hof aufzuteilen sei.<br />

Testament Johann Ratke v. Notar Posbielski:<br />

Notarielle Abmachung<br />

Beginn der Urkunde ich russischer Sprache, Datum unleserlich 1883, Nr. 109<br />

Johann Radke erklärt, daß er Besitzer des landwirtschaftlichen Eigentums mit Wirksamkeit<br />

lt. Eintragung von 1864 niedergeschrieben in Neupolnisch unter der Tabellennummer<br />

3/79 für den in <strong>Platkowniza</strong>, Krs. Wengrow, Gouvernement Siedlce gelegenen Grund ist,<br />

wegen hohen Alters kann er dort nicht entsprechend wirtschaften und teilt diesen Besitz<br />

zwischen den Kindern. Sohn Johann erhält als Anteil des Nachlasses 8 Morgen, 300 Ruten,<br />

einen Teil der Wiese "Kowel" genannt; den Rest aber des Siedlungsgebietes von 32 (?)<br />

Ruten mit Geräten, Bau, Wohnung und dem lebenden Inventar erhält der Sohn Heinrich<br />

Radke. Er erhält aber die Auflage, den übrigen Kindern, und zwar den Töchtern und<br />

Schwestern den Anteil des Nachlasses der Dorotea, Frau des Martin J abs, Helene, Frau des<br />

Heinrich Krüger und Juliane, der Frau des Adam Matt sowie den Schwestern Elisabeth<br />

Boß, Marianne Karau und Eva Krüger 800 Rubel in gleichen Teilen für jeden Kopf zu geben.<br />

Das hat zu erfolgen nach bestimmten Jahren des Lebens und auch nach dem Tode.<br />

Der Sohn Heinrich verpflichtet sich für alle Tage des Lebens zu geben Wohnung in einem<br />

gesonderten Raum, Wäsche und Haare schneiden. Aus einem besonderen Fond ist jährlich<br />

für den Vater zu geben 1 Korez Roggen, 1 Schwein füttern und 4 gefütterte Gänse.<br />

Doch irgendwie hatte der Heinrich vergessen, seinen Schwestern und deren Nachkommen<br />

ihr Erbteil auszuzahlen. So klagten sie vor dem Bezirksgericht in Siedlce, vertreten durch<br />

den Rechtsanwalt Dambrowski aus Wengrow. Persönlich für die zahlreichen Klagenden<br />

waren die Dorothea Jabs geb. Ratke (Kind Nr. 3) sowie Juliane Beyer geb. Rüdiger, die<br />

Tochter der Eva Rüdiger geb. Ratke mit ihren Ehepartnern erschienen. Viele der Mitkläger<br />

waren nicht mehr in der Kolonie ansässig.<br />

Das Gericht verurteilte Heinrich zur Zahlung von je 1/6 von 800 Rubel an:<br />

Dorothea Jabs geb. Ratke<br />

die Erben der Eva Krüger geb. Ratke<br />

Juliane Matt geb. Ratke, die jünste Tochter<br />

die Erben der Elisabeth Boss geb. Ratke<br />

die Erben der Marianne Karau geb. Ratke<br />

Juliane Beyer, als Tochter der Eva Rüdiger geb. Ratke


196<br />

und zur Zahlung der Kosten des Gerichtsverfahrens. Gleichzeitig verfügte das Bezirksgericht<br />

die Pfandung des Betrages in Höhe von 800 Rubel. Geschehen in Siedlce am 15. Februar<br />

1891.<br />

Dieser Heinrich Ratke war der sogenannte "Butter"-Ratke oder dessen Vater, der seinen<br />

Unterhalt als Butterhändler aufbesserte. Von ihm ist in der Chronik schon die Rede gewesen.<br />

XII. Juliane Ratke, das jüngste Kind, geboren vielleicht 1844 in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Verheiratet war sie mit einem Adam Matt in <strong>Platkowniza</strong>. Im Testament des Vaters wird<br />

sie noch erwähnt, nicht aber in den Prozeßakten. Vermutlich ist sie vor 1891 kinderlos<br />

verstorben. Weiteres ist mir über diese Tochter nicht bekannt.<br />

Johann Ratke d. Ä. war ein wohlhabender Mann, wie wir an der Größe seines Hofes sehen. Es waren<br />

gut 20 Hektar, die er besaß. Er scheint nach dem Tod seiner Ehefrau Helene nicht wieder geheiratet<br />

zu haben und hat ein hohes Alter von über 80 Jahren erreicht. Gestorben ist er wohl in<br />

<strong>Platkowniza</strong> zwischen 1883 und 1891.<br />

DIE <strong>FAMILIE</strong> ARNDT<br />

Einige Informationen zur Geschichte der Familie Arndt, früher Arendt geschrieben. Sie kam in einer<br />

zweiten Einwanderungswelle, die etwa um 1840 einsetzte, in die Kolonie. Zu der Zeit wurde<br />

die Gegend nördlich der Straße Sadowne - Rasne urbar gemacht. Diese Region gehörte zu den<br />

Ortschaften Ociete und Sojkowek. Verwandtschaftliche Beziehungen unterhielt die Familie Arndt<br />

zur Familie Erichson. Sie scheinen aus der gleichen Gegend zugewandert zu sein.<br />

Der Stammvater der Arendts in der Kolonie scheint ein Friedrich Arndt gewesen zu sein, der um<br />

1813 geboren wurde und mit einer Karoline Wolf verheiratet war. Vorhanden ist eine Sterbeurkunde<br />

Anna Ahrendt geb. Guldenstern, vielleicht eine Schwägerin oder Tante des Friedrich. Sie<br />

war am 20. März 1845 im Hause ihres Schwiegersohnes Wilhelm Erichson in Ociete im Alter von<br />

44 Jahren verstorben. Gebürtig war sie aus dem Kreis Pultusk.<br />

Gustav Arndt 1876 - 1945<br />

Landwirt und Kirchenvors teher


197<br />

Gustav Arndt, der als Kirchenvorsteher in <strong>Sadoles</strong> zu den Honoratioren des Ortes gehörte, wurde<br />

am 3. Juni 1876 in Sojkowek geboren. Er verheiratete sich mit Katharina Ratke aus <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Tochter dess Bauern Johann Ratke und seiner Ehefrau Karoline geb. Jabs, geboren am 12. April<br />

1884 auf dem Hof ihres Vaters. Sie war die Enkelin von Johann dem Älteren, einem der Stammvater<br />

der Ratke's. Sie starb im März 1973.<br />

Dem Ehepaar wurden fünf Kinder geschenkt:<br />

Der Sohn Heinrich, (1905 - 1971) verstorben in Wilster, verheiratet mit Emilie Krebs (1911 ­<br />

1995) aus Morczyczyn, 2 Kinder, die Tochter Alina starb 1989. Der Sohn heißt Artur Arndt.<br />

Der Tod von Heinrich Arndt war besonders tragisch und wurde durch Zeitungen, Rundfunk und<br />

das Fernsehen in ganz Norddeutschland bekannt: Heinrich Arndt hatte den Hang, etwas über den<br />

Durst zu trinken, kam alkoholisiert nach Hause und fiel die Treppe hinunter, erlitt dabei schwerste<br />

innere Verletzungen und konnte durch eine Notoperation gerettet werden. Doch als er auf der Intensivstation<br />

aus der Narkose erwachte, so begriff er nicht, was mit ihm geschehen war und wo er<br />

sich befindet. Er riß sich die Schläuche aus dem Leib, schleppte sich aus dem Krankenhaus und<br />

machte sich auf den Weg nach Haus. Nach etwa einem Kilometer fiel er tot um. Die Krankenschwester,<br />

die an seinem Bett wachen sollte, hatte sich unerlaubt entfernt und die Passanten, die<br />

ihn trafen - nicht wenige - kannten ihn und waren der Meinung, er wäre nur betrunken. Als sich<br />

später bekannt wurde, wie es sich tatsächlich verhalten hatte, wurden doch sehr viele Menschen<br />

sehr nachdenklich.<br />

Die Witwe Emilie habe ich persönlich kennengelernt, eine sehr religiöse alte Dame, die ständig<br />

kränkelte, aber ihren Haushalt noch selbst führte. In den ersten Novembertagen 1995 kam sie fast<br />

so tragisch wie ihr Ehemann kurz nach ihrem 84. Geburtstag durch einen Sturz auf der Terrasse<br />

ums Leben. Ob ein Herzschlag, der Sturz oder die große Kälte (man fand sie erst am Morgen) zu<br />

ihrem Tode geführt hatte, ist nicht bekannt. •<br />

Die Tochter Johanna verheiratet mit Robert Ratke, 1906 - 1993. Auf sie bin ich schon ausführlicher<br />

eingegangen ab Seite 187.<br />

Wilhelm Arndt<br />

in polnischer Uniform


199<br />

Nach der Kirchenbucheintragung Sadowne 1831/24 verstarb Anna Wulfram geb. Swengel am 18.<br />

Februar 1831 in <strong>Platkowniza</strong> im Alter von 88 Jahren. Sie ist die Tochter des Matthäus Swengel und<br />

seiner Ehefrau Katarina. Als Zeugen treten auf der Schwiegersohn Jakob Ewald, 73 Jahre alt, sowie<br />

der Nachbar Michael Werner. Laut Urkunde hinterläßt die Verstorbene zwei Töchter in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Von der Familie Ewald gab es bis 1939 einige Nachkommen, die alle von diesem Jakob Ewald abstammen,<br />

so auch der Nachbar der Ratke's in <strong>Sadoles</strong>, Hermann Ewald.<br />

Ein wenig<br />

<strong>Sadoles</strong>.<br />

ausführlicher bin ich auf ihn eingegangen in der Einwohnerbeschreibung des Dorfes<br />

DIE <strong>FAMILIE</strong> KARAU<br />

Mit zu meinen Vorfahren zählt die Familie Karau. In alten Urkunden wird der Name auch Karoh<br />

geschrieben und weist dadurch noch deutlicher auf die Ortschaft Karow hin. Allerdings, auf welche<br />

Ortschaft Karow, das ist eine zweite Sache. Ein Dorf Karow liegt im Landkreis Genthin, Bezirk<br />

Magdeburg, ein Gutsdorf Karow gibt es im Landkreis Lübz im Bezirk Schwerin. Beide Ortschaften<br />

liegen somit im Mecklenburg. Man kann davon ausgehen, daß hier irgendwo auch einmal<br />

der älteste Vorfahre Karau gesessen hat. Es wird aber schon sehr lange zurückliegen. Der Name<br />

Karau ist nicht selten, und ist mir hier auch in Westdeutschland schon mehrfach begegnet.<br />

Die beiden ältesten Karau sind der Christian Karau und seine Ehefrau Christine geb. Kopp. Christian<br />

ist im Jahre 1813 bereits schon tot, seine Ehefrau starb am 20. Juni 1813 in Babskie Budy. Ob<br />

der Christian hier ebenfalls gelebt hat, das ist mir nicht bekannt.<br />

Die Sterbeurkunde 1813/86 des Kirchenbuches von Wiskitki lautet;<br />

Bary, den 21. Juni 1813 um 11 Uhr mittags.<br />

Vor dem Pfarrer und Standesbeamten der Gemeinde Wiskitki, Kreis Sochaczew, Dep. Warschau erscheint Friedrich<br />

Koro (Korau), der Sohn der Verstorbenen, 21 J ahTe und Andreas Nering, Landwirt, 25 Jahre. Sie erklären,<br />

daß am gestrigen Tag um 4 Uhr nachmittags in ihrem Haus verstarb<br />

Christina Kop (Kopp) Witwe Karowa (Karau)<br />

56 Jahre alt, geboren in Thorn.<br />

Die Eheleute Karau hatten den Sohn Friedrich, der 1792 im Kreis Gostynin geboren wurde. Christine<br />

Karau wurde in Thorn an der Weichsel geboren, ihr Sohn schon weiter östlich im Weichselgebiet.<br />

Die Karau's sind somit zweifelsfrei Weichselkolonisten.<br />

Friedrich Karau wurde Kolonist in <strong>Platkowniza</strong>, heiratete noch in Babskie Budy eine Elisabeth<br />

Zielke (geboren um 1800) und hatte zahlreiche Kinder. Seine Sterbeurkunde aus dem Jahre 1850<br />

liegt mir vor:<br />

Kirchenbucheintragung 1850/54<br />

Geschehen im Dorf <strong>Sadoles</strong>, Gemeinde Kolodiaz am 6. November neuen Stils 1850 um 9 Uhr m01;gens.<br />

Es erscheinen Martin Zielke, der Schwager des unten genannten Verstorbenen, 3 2 Jahre und Martin Bryer, der<br />

Nachbar des Verstorbenen, 30 Jahre, beide Landwirte in <strong>Platkowniza</strong>, hiesige Gemeinde wohnhaft. Sie teilten mit,<br />

daß am 4. November neuen Stils des laufenden Jahres um 11 Uhr abends in <strong>Platkowniza</strong> verstarb<br />

Priedrich Karau, Landwirt in <strong>Platkowniza</strong>, 58Jahre alt<br />

Sohn des Christian und der Christine geb. Kopp, verstorbene Eheleute Korau, geboren in S aq,y, Gemeinde S ZlViniary,<br />

Kreis Gosrynin, Gouvernement Warschau.<br />

Er hinterläßt neben der verwitweten Ehefrau Elisabeth geb. Zielke (hier ylke) die 10 Kinder, davon 4 verheiratet:<br />

Eva verh. Schultz in <strong>Sadoles</strong>, Christian, Marie (Marianne), Elisabeth verh. Werner in <strong>Platkowniza</strong>, Kor/, Anna,<br />

Kotarina, Koroline, Gott/ieb, Eufrosine<br />

Nach Feststellung des Todes von Friedrich Korau wurde der Akt den Anwesenden vor;gelesenund geschlossen.<br />

gei: Tetzner, Pastor in Wengrow<br />

Elisabeth Zielke entstammte einer Kolonistenfamilie aus Babskie Budy, von denen Mitglieder mit<br />

nach <strong>Platkowniza</strong> gingen.


200<br />

Ein Bruder der Elisabeth Zielke war Marttn Zielke, der als Zeuge in der Sterbeurkunde des Friedrich<br />

Karau auftritt. Er lebte von 1817 bis 1874 und war Landwirt in <strong>Platkowniza</strong>. Verheiratet war<br />

er mit Elisabeth Redun (1817 - 1878). Das Ehepaar hatte einen Sohn Samuel Zielke (1847 - 1917),<br />

der seit 1870 mit einer Christtne Ritz (1848 - 1928) verheiratet war. Christtne Ritz war die Tochter<br />

von Peter Ritz (1823 - 1910) und Eva Lottes (1826 - 1887). Das Ehepaar Samuel und Christtne<br />

Zielke hatte einen Sohn Robert Christtan Zielke, geboren am 11. Dezember 1883 in Platkowruza.<br />

Die Eltem ließen ihren Sohn das Gymnasium in Mariampol besuchen, ab 1904 studierte er in Dorpot<br />

Theologie und wurde Pastor in Bessarabien. Gestorben ist Zielke am 12. Dezember 1930 in<br />

Rostow am Don als der dortige Propst.<br />

Weiter ist anzumerken, daß diese Christtne Ritz die Schwester der zweiten Ehefrau meines Ururgroßvater<br />

Jakob Jabs mit Namen Eleonore war und Schwester des Heinrich Ritz, der mit der<br />

Schwester Wilhelmine meiner Urgroßmutter Christtne Ratke geb. Erichson verheiratet war.<br />

Nach der Sterbeurkunde hinterließ Friedrich Karau 10 Kinder (Nummerierung mit römischen Ziffern)<br />

r. Eva, verheiratete Schultz in <strong>Sadoles</strong>, über sie ist mir weiter nichts bekannt.<br />

Ir.<br />

Christian, geboren 1822 in Babskie Budy, verheiratet mit Marianne Ratke, Tochter des<br />

Johann Ratke und seiner Ehefrau Helene geb. Ewald. Marianne ist am 17. Juni 1826 ebenfalls<br />

in Babskie Budy geboren.<br />

Am 19. Dezember 1844 gebar Marianne Karau eine Tochter Eva in <strong>Platkowniza</strong>. Durch<br />

deren Heirat am 10. November 1861 mit Jakob Ratke wurde Eva meine Ururgroßmutter.<br />

Diese Eva Karau ist wohl vor 1880 verstorben.<br />

Die Eheleute Karau hatten noch einige Töchter, die später in keiner Urkunde mehr erscheinen,<br />

auch nicht in dem Testament Johann Ratke. Hier werdea nur die Erben der Eva<br />

Ratke geb. Karau genannt. Es ist deshalb davon auszugehen, daß diese Kinder früh und<br />

ohne Erben verstorben sind.<br />

Marianne Karau starb jung, wann ist mir nicht bekannt. Jedenfalls heiratete Christtan<br />

Karau in zweiter Ehe am 2. Februar 1856 eine Karotine Wise (t 1915), die Tochter des<br />

Christtan Wise und seiner Ehefrau Eva geb. Manke. Vermutlich ist Marianne Karau kurz<br />

vorher verstorben. Ehemänner mit kleinen Kindem pflegten meist nach nur kurzer Trauerzeit<br />

wieder zu heiraten.<br />

Christtan Karau starb mit 35 Jahren am 4. September 1857 in <strong>Platkowniza</strong>. Nach seinem<br />

Tod gebar ihm seine Witwe Karotine einen Sohn am 12. April 1858. Der Sohn wurde nach<br />

seinem Vater Christtan genannt. Er war somjt der Halbbruder meiner Ururgroßmutter.<br />

Dieser Christtan Karau jun. war Bauer in <strong>Platkowniza</strong>. Wenn mein Großvater in <strong>Platkowniza</strong><br />

zur Kirche war, so lud ihn sein Onkel Christtan häufig ein, bei ihm zu Mittag zu essen.<br />

In erster Ehe war Christtan Karau mit Juliane Ewald verheiratet, geboren am 19. Januar<br />

1861 in <strong>Platkowniza</strong> als Tochter des Heinrich Ewald und seiner Ehefrau Anna geb. Müller.<br />

Im Artikel über die Familie Ewald habe ich sie bereits erwähnt.<br />

Aus dieser Ehe gingen zahlreiche Kinder hervor:<br />

(a) Jakob Karau,<br />

geboren 16. Oktober 1883 in <strong>Platkowniza</strong>, gestorben 3. August 1938 in Kumo, Lehrer und<br />

Sejmabgeordneter.<br />

Aus dem evangelischen Volks-Kalender für das Jahr 1939<br />

EIN SOHN PLATKOWNICAS, JAKOB KARAu t<br />

Zum Ableben des ehemaligen Sejmabgeordneten<br />

Am 3. August 1938 verstarb in Kutno der ehemalige deutsche Sejmabgeordnete Jak 0 b Kar a u. Die<br />

ganze Kutnower evangelische Gemeinde und auch viele Andersgläubige standen am Sarge des Verewigten, um<br />

dem Organisten an der evangelischen Kirche und Lehrer an einer Kutnower Doifschule die letile Ehre Zu er­<br />

weisen. Die Trauelgemeinde umfaßte aber einen viel größeren Kreis als den, der am Sarge versammelt war.<br />

In Platkowniifl, Kreis Wengrow, am 16. Oktober 1883 geboren, wirkte der Verewigte nach Absolvierung des<br />

Warschauer Lehrerseminares im Jahre 1902 als Lehrer in Groß-Neudoif und Wloc/awek. Hier in Wloc/a-


201<br />

wek bekleidete er gleichzeitig das Amt des Gemeindekantors, Kirchenvorstehers und eines Stadtverordneten.<br />

Seine treue Pflichterfüllung und sein liebenswürdiges Wesen erwarben ihm bald das Vertrauen seiner Volks­<br />

und Glaubensgenossen auch in der weiteren Umgebung. Die Deutschen des Wahlbezirkes Wloc/awek - Lipno<br />

- Nieszawa wählten ihn deshalb einstimmig ;;,:}VeimalZu ihrem Sprecher in derpolnischen Volksvertretung.<br />

Zu seiner Beerdigung, der eine Trauerfeier in der schöngeschmückten Kirche hervorging, wo der Sarg aufgebahrt<br />

war, hatten sich mit den Angehörigen seine Schüler aller Nationalitäten, Vertreter des Deutschtums in Polen<br />

und eine riesengroße Trauergemeinde eingifunden, die in der Kirche allein nicht Platzftnden konnte. Seine<br />

sterbliche Hülle wurde von den Pastoren Ludwig Stegmann, Rückert, Wittenberg und Tungto zur letZfen Ru­<br />

hestätte geleitet. Ein Vertreter seiner Lehramtskameraden rief dem Verblichenen Abschiedsworte ins Grab<br />

nach und schilderte ihn als gewissenhaften Pädagogen, den nicht nur seine Schüler, sondern auch seine Kollegen<br />

liebten und verehrten. Zum Schluß hielt der ehemalige Kantor Utta eine längere Ansprache, in der er das<br />

Wirken des Verblichenm zum Wohl des ganzen Volkes in seiner Eigenschaft als Lehrer, Kantor, Kirchenvor­<br />

steher, Mitglied der Synode der Evang.-Augsburgischen Kirche, besonders aber als deutscher Sejmabgeordneter<br />

schilderte. Im Jahre 1922, als Jakob Karau von der deutschen Bevölkerung der Kreise Wloc/owek, Lipno und<br />

Nieszawa Zu ihrem Abgeordneten gewählt wurde, hatte er in LldZ eine Rede gehalten und etwa folgendes aus­<br />

giführt: "Ich habe mich bisjetZf stets bemüht, dem Glauben, dem Volkstum und den Sittm unserer Väter<br />

treu Zu sein und meine Volksgmossen Zu dieser Treue anzuhalten. Dies soll auch ferner mein Bestreben und<br />

mein Lebenszjel bleiben. "<br />

Dieses hat Jakob Karau auch in den schwersten Lebensstunden und unter allen Verhältnissen restlos eingehal­<br />

ten. Selbst dann, als ihn wegen seiner Treue so mancher harte Schlag und schweres Herzeleid getroffin hat, ließ<br />

er sich nicht entmutigen. Er blieb seinem Volke treu sowohl in guten als auch in schweren Tagen und setZfe<br />

sich für seine Belange immer hilfsbereit ein. Wir kijnnen sein Andenken nicht besser ehren, als daß wir an sei­<br />

ner Gruft geloben, daß auch wir seinem Beispiel folgen und dem Glauben und den Sitten unserer Väter, was<br />

auch immer kommen mag, stets die Treue bewahren.<br />

Jakob Karau, der Stolz der Familie und der Kolonie hatte ein schweres Leben hinter sich, als er<br />

starb. Für sein Eintreten für die deutsche Minderheit, er war neben dem oben erwähnten Senator<br />

Utta einer der wenigen deutschen Vertreter im polnischen Parlament, wurde er mehrfach<br />

strafversetzt, konnte aber auf gerichtlichem Wege stets sein Recht erstreiten. Seine Nachkommen<br />

leben im Westen. Vor kurzem las ich, daß der noch letzte lebende Nachkomme, ein Sohn<br />

Adalbert, im Sommer 1995 in Berlin im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Von Beruf war er<br />

Rechtsanwalt. Ein Enkel von Jakob Karau war Senatsdirektor in Berlin. Sein Leben endete<br />

Ende der 80er Jahre durch einen Sprung von einer der Autobahnbrücken im Sauerland. Er war<br />

depressiv. Seine Ehefrau, eine Pastorin, wollte nicht zu ihm nach Berlin ziehen.<br />

(b) Wilhelm Karau, geboren am 16. August 1886 in <strong>Platkowniza</strong>, gestorben 1944 in Klein Küdde<br />

bei Neustettin/ Pommern, wohin er 1919 gezogen war, nachdem die Unruhen zwischen Polen<br />

und den Bolschewiken ausbrachen. Wilhelm Karau war ebenfalls gelernter Lehrer, betätigte<br />

sich in Pommern allerdings als Bauer.<br />

Verheiratet war er seit 1913 mit Pauline Heise (1893 - 1971) aus <strong>Platkowniza</strong>, der Tochter von<br />

Friedrich Heise und seiner Ehefrau Marie geb. Rüdiger (Enkelin von Johann Ratke d. Ä.). Die<br />

Tochter Erna, geb. 1920 in Neustettin/Pommern, verh. mit Hermann Lachmund aus Niedersachsen,<br />

lebt in Winsen an der Aller.<br />

(c) Karotine Karau, geboren am 19. September 1888 in <strong>Platkowniza</strong>, gestorben am 30. Juli 1945<br />

in Polen, verheiratet mit dem schon mehrfach erwähnten Adolf Kurtz aus <strong>Sadoles</strong>, geboren am<br />

9. September 1883 in <strong>Sadoles</strong>, gestorben am 18. August 1967 in Unterlüß/Niedersachsen.<br />

Der Sohn Adalbert starb als Säugling zusammen mit seinem Großvater Kurtz an den Strapazen<br />

der Verschleppung nach Rußland.<br />

Erna Papke geb. Kurtz berichtet: Meine Mutter wurde in dem Dorf Nischna-Dobrynka untergebracht.<br />

Am Ufer der Wolga spülte sie ihre Wäsche. Auf Grund guter russischer Sprachkenntnisse<br />

durfte sie auf der Post arbeiten. Im Kirchenchor sang sie im Sopran mit.<br />

Im Sommer 1918 kehrte sie mit ihrer Schwiegermutter Julianna Kurtz, geb. Timm, nach <strong>Sadoles</strong><br />

zurück, wo sie ihr Haus ohne Fenster und Türen vorfand.Eine gewagte, geglückte<br />

Flucht aus der Kriegsgefangenschaft in Ostpreußen ermöglichte es 1918 meinem Vater, am<br />

Begräbnis seiner Mutter (der alten Frau Kurtz) teilzunehmen, dann führte ihn die Gendarmerie<br />

ab. Meine Mutter mußte auf seine Rückkehr bis 1919 warten und die sehr schwierigen<br />

Verhältnisse alleine bewältigen.


202<br />

Wilhelm Karau mit Ehefrau Pautine u. Tochter Erna<br />

In der Zeit von 1919 bis 1928 kamen wir zur Welt: Erna, Erhard, Emilie, Alice und Lilli. Unsere<br />

Eltern lehrten uns Pflicht und Verantwortung zu übernehmen.<br />

Die Zeit brachte wieder dunkle Wolken. Im August 1939 verhafteten die Polen nachts unseren<br />

Vater. Tapfer trug nun alleine meine Mutter die Verantwortung für uns. Da kam der Polenfeldzug.<br />

Als unser Vater nach einem Fußmarsch von ca. 700 km aus der Verbannung zurückkehrte,<br />

fand er ein leeres Haus und unseren Hund an, der es bewachte. Die Umsiedlung<br />

hatte stattgefunden.<br />

Auf der Flucht 1945 gerieten meine Angehörigen in ein Panzerfeuer, später wurden sie ins<br />

Gefängnis gebracht.<br />

Eine Frau ohne Schuhe, in Lumpen gehüllt, mit dem Hakenkreuz gekennzeichnet, mußte<br />

Schnee schippen, - es war meine Mutter! Ihr Leben endete mit 56 Jahren am 30.07.1945. Ohne<br />

Sarg, ohne Begräbnis, mit einem "Gestörten Vaterunser" - das Vater nicht zu Ende beten<br />

durfte, wurde sie beerdigt!<br />

Meine Angehörigen konnten 1949 Polen verlassen, - ohne meinen Bruder Erhard. Im Lager<br />

Potulice, Baracke 22, wurde sein Leben mit 27 Jahren am 19. Februar 1949 ausgelöscht. Die<br />

Ruhestätte: ein Massengrab. Warum?!<br />

Erwähnen möchte ich besonders die Tochter Erna der Eheleute Kurtz, verheiratet mit dem<br />

Lehrer i. R. Jakob Papke, von der einige Texte in dieser Chronik verarbeitet sind und von der


203<br />

auch die vorstehenden Zeilen stammen. Sie wurde am 5. April 1919 in <strong>Sadoles</strong> geboren und<br />

ist sehr an ihrer Heimat interessiert.<br />

(d) Johanna Karau, geboren am 21. Juni 1891 ermordet 1945 in der Gegend von Plonsk, verheiratet<br />

mit dem Bauern Samuel Krebs (dem Wetterkundigen) in <strong>Sadoles</strong>. Samuel Krebs (geboren<br />

1871 und verstorben vor 1939 in <strong>Sadoles</strong>), war in erster Ehe mit Hulda Hartmann verheiratet,<br />

einer Halbschwester meiner Ururgroßmutter Wilhelmine Jabs geb. Hartmann.<br />

Die Familie Christian Karau<br />

von lks:<br />

Johanna Krebs geb. Karau (1891-1945)<br />

Karoline Kurtz geb. Karau (1888-1945)<br />

Adolf Kurtz (1883-1967)<br />

Adolf Karau (1903-1997), lebte in Kanada<br />

Robert Karau (t 1949)<br />

Christian Karau (1858-1933)<br />

Karoline Karau geb. Karau, seine 2. Ehefrau<br />

nach dem Tode des Ehemannes nach Kanada ausgewandert<br />

der kleine Junge rechts ist in Rußland gestorben<br />

im Sarg: Gustav Karau (?)<br />

Juliane Karau geb. Ewald starb jung am 8. Juli 1892 in <strong>Platkowniza</strong>. Der Witwer heiratete daraufhin<br />

eine Verwandte, Karoline Karau, geb. Karau, mit der hatte er auch noch vier Kinder, von denen<br />

aber nur zwei erwachsen wurden, diese wanderten nach Kanada aus.<br />

Christian Karau starb am 17. Oktober 1933 in <strong>Platkowniza</strong> im Alter von 75 Jahren. Seine Witwe<br />

Karoline wanderte 1937 nach Kanada zu ihren Kindern aus. Den Hof in <strong>Platkowniza</strong> übernahm<br />

die Enkelin Amalie Krebs, verheiratet mit Jakob Restau. Amalie ist die Tochter des oben erwähnten<br />

Samuel Krebs. Amalie starb bald darauf, der Ehemann wanderte mit den Kindern nach Kanada<br />

aus und ist dort vor einigen Jahren verstorben.<br />

Die Mutter Karoline Karau starb am 29. März 1915 in Kamyszin an der Wolga im Alter von 82<br />

Jahren, kurz nach der strapaziösen Verschleppung aus der Heimat am Bug nach Rußland


IH.<br />

IV.<br />

V.<br />

VI.<br />

VII.<br />

VIII.<br />

IX.<br />

X.<br />

204<br />

Fortsetzung der Kinder der Eheleute Friedrich und Elisabeth Karau:<br />

Marianne Karau, außer dem Namen ist mir nichts bekannt<br />

Elisabeth, verh. mit Johann Werner aus <strong>Platkowniza</strong><br />

Kar! Karau, geb. ca. 1833 in <strong>Platkowniza</strong>, seit dem 28. Oktober 1851 mit der Lehrertochter<br />

Anna Dorothea Daus verheiratet, 20 Jahre alt. Der Vater Christoph Daus war zu damaliger<br />

Zeit Lehrer in <strong>Platkowniza</strong>. Verheiratet war er mit der damals schon verstorbenen<br />

Anna Katharina Betcher. Die Anna Dorothea war in Rumankie Zbrachlinski, Gemeinde<br />

Lubonie, Kreis Kujawien geboren worden. Trauzeugen: Christian Karau, 28 Jahre, und Johann<br />

Werner, 22 Jahre.<br />

Anna Karau, geb. kurz vor dem 27. Juli 1834 in <strong>Platkowniza</strong>. Zeugen waren ein Johann<br />

Jabs, 45 Jahre, und Stanislaw Rolk, 56 Jahre, beide aus <strong>Platkowniza</strong>. Paten waren Johann<br />

Jabs und Elisabeth Werner. Anna war verheiratet mit dem Bauern Samuel Semke (siehe<br />

unter Semke) und starb am 22. Sept. 1866.<br />

Katharina Karau, geboren ca. 1836, verh. mit Martin Ratke, Sohn des Johann Ratke d. Ä.<br />

und der Helene Ewald<br />

Karoline<br />

Gottlieb<br />

Eufrosine<br />

über die drei letzten Kinder ist mir nichts bekannt.<br />

<strong>FAMILIE</strong> DANIEL <strong>RATKE</strong><br />

Diesen jüngeren Bruder des Peter und des Johann Ratke haben wir nicht in unserer Ahnenfolge.<br />

Einzig die mit uns verwandte Familie Gertz zählt ihn zu ihren Vorfahren<br />

Daniel Ratke wurde laut Geburtsurkunde am 18. Januar 1811 in Babskie Budy als Sohn des Martin<br />

Ratke, hier wird sein Alter mit 40 Jahren angegeben, und dessen Ehefrau Otty (Dorothea) geb. Jabs<br />

geboren.<br />

Verheiratet war Daniel mit ElisabethJabs, etwa 1813 wohl auch in Babskie Budy geboren. Ihr Vater<br />

war der Landwirt Paul Jabs. Im Jahre 1846 wird Danie! Ratke als Schulz (Soltys) in P1atkowniza<br />

erwähnt. Möglicherweise lag sein Hof in der gleichen Gegend wie der seiner Brüder, also nördlich<br />

von <strong>Sadoles</strong>. Doch wieviel Land er besessen hat, ist mir nicht bekannt. Wann Daniel und seine<br />

Ehefrau verstorben sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Allerdings sind einige seiner Kinder<br />

in der Kolonie wohnhaft gewesen.<br />

Katharina Ratke. Das älteste mir bekannte Kind ist auch das für unsere Familie interessanteste.<br />

Es ist die Tochter Katharina, die am 17. August 1835 geboren wurde, 1852 einen Jakob Gertz heiratete<br />

und damit die Stammutter der mit uns durch die Familie Erichson sehr eng verwandten Familie<br />

Gertz. Sie starb hochbetagt wohl Anfang 1933 in Skorodniza im Cholmer Land. Auf sie gehe<br />

ich ausführlicher in meiner Beschreibung der Familie Gertz ein.<br />

Eva Ratke, geb. in <strong>Platkowniza</strong> am 22. Februar 1837, Zeugen waren die Kolonisten Jakob Jabs<br />

(mein Vorfahr), 43 Jahre, und Michael Pril, 28 Jahre. Taufpaten: David und Eva Jabs<br />

Dorothea Ratke, geboren am 12. September 1839 in <strong>Platkowniza</strong>. Zeugen: die Kolonisten Johann<br />

Witzke, 28 Jahre, und Johann Breyde, 24 Jahre. Taufpaten: Helene Ratke, die Tante des Kindes<br />

und Johann Witzke<br />

Johann Ratke, geboren am 16. Juni 1841 in <strong>Platkowniza</strong>, seit dem 20. September 1868 verheiratet<br />

mit Emilie Rötel aus Morczyczyn. Ihr ältester Sohn war Martin, geh. 13. November 1869 in <strong>Platkowniza</strong>,<br />

der sog. "schmucke Ratke", Nachbar der Familie Ratke in Ociete. Zugleich war er Dorfschulze<br />

in Ociete für einige Jahre. Verheiratet war er seit dem 27. Januar 1888 mit der Witwe Karoline<br />

Müller, geb. am 14. Oktober 1863 in Sojkowek, Tochter des Heinrich Müller und seiner<br />

Ehefrau Rosine Tews. Martin kam in der Verbannung in Rußland zur Zeit des 1. Weltkrieges ums<br />

Leben, seine Witwe statb urp.l'930 in Ociete. Meine Großmutter saß an ihrem Sterbebett. Das


205<br />

Ehepaar hatte vier Kinder. - Der Leser beachte auch bitte die Angaben zur Familie Martin Ratke<br />

im Artikel über Ociete.<br />

Die Kinder der Eheleute Martin und Karoline Ratke:<br />

Emilie, verh. mit einem Patzer<br />

Michael, in die USA ausgewandert<br />

Friedrich, geb. 1893, zuerst Nachbar in Ociete, später baute er sich einen Hof in Obrockie. Verheiratet<br />

mit Hulda Nehring, die 1939 im Alter von 42 Jahren gestorben ist. Die Tochter Natalie<br />

verh. mit Rudolf Hinz aus <strong>Platkowniza</strong> hat mir freundlicherweise diese Information zur Verfügung<br />

gestellt. Sie lebte jetzt in der Nähe von Bremen. Friedrich heiratete übrigens später seine Schwägerin<br />

Amanda, die Witwe des nachfolgenden Julius Ratke. Allerdings wurde die Ehe geschieden. Beide<br />

sind erst vor einigen Jahren hochbetagt verstorben.<br />

Julius, der, wie ich schon schrieb, mit 33 Jahren starb, weil er zuviel Kartoffelpiroggen gegessen<br />

hatte Er war mit Amanda Ziesmann verheiratet.<br />

Ein weiterer Sohn des Ehepaares Johann und Emilie Ratke war der am 6. November 1876 in <strong>Platkowniza</strong><br />

geborene Wilhelm Ratke. In erster Ehe war er seit dem 8. November 1896 mit einer Pauline<br />

Jabs verheiratet. Ein Sohn aus dieser Ehe war Siegmund (*14.10.1904), verheiratet mit Rosamunde<br />

Ortlieb aus <strong>Sadoles</strong>. Nach dem Tod der ersten Frau heiratete Wilhelm am 2. Februar 1919<br />

die Witwe Hulda Kiesel geb. Heise. Das Ehepaar wurde gemeinsam mit meinen Großeltern in der<br />

I


206<br />

demjahre 1848 wird er als schon verstorben bezeichnet. Eva Jabs geb. Neumann lebte damals aber<br />

noch.<br />

Verheiratet war JohannJabs mit Christina(e) Restau aus Babskie Budy, Tochter des Johann Restau<br />

und der Rosalie Klamer.<br />

Die Geburtsurkunde lautet:<br />

Wiskitki 1816/179<br />

Balry, 17.10. 1816 um 12 Uhr mittags.<br />

Vor dem Pfarrer, der auch das Amt eines Zivil beamten wahrnimmt in der Gemeinde Wiskitki, Krs. Sochaszew,<br />

Dep. Warschau, erscheint Johann Restau, der Vater, 30 Jahre, Kolonist in Balry und zeigt ein Kind weiblichen<br />

Geschlechts, geboren am gestrigen Tage (dem 16.10.1816) um 11 Uhr morgens, gezeugt von ihm und seiner Ehe­<br />

frau Rosalie geb. Klamer, 24 Jahre alt. Es war sein Wunsch, dem Kind den Namen Christina Zu geben.<br />

Oben angiführte Erklärung und das Vorzeigen des Kindes eifolgte in Gegenwart des Christian Ortlieb, Zinsbauer,<br />

40 Jahre und Johann Zielke, Meister der Kunst der Tuchmacher, 24 Jahre alt, beide in Balry wohnhaft.<br />

Der Zeuge Christian Ortlieb lebte später in der Kolonie <strong>Sadoles</strong>. Er war mit einer Christine Wemer<br />

verheiratet. In einer Urkunde aus dem Jahre 1850 wird er als verstorben bezeichnet. Geboren wurde<br />

er ca. 1784. Die Altersangaben in den Urkunden aus Babskie Budy sind meist sehr wiedersprechend.<br />

Johann Restau's Alter wird 1834 mit 60 Jahren angegeben, 1823 mit 40 Jahren, 1825 wiederum<br />

mit 40 Jahren.<br />

Wann das Ehepaar Johann Jabs und Christine Restau geheiratet haben, das ist mir nicht bekannt.<br />

Das Ehepaar soll sieben Söhne und eine Tochter gehabt haben, bekannt sind mir:<br />

1. Marianne, geb. 1. Februar 1840 in <strong>Platkowniza</strong>, Zeugen: Christian Wemer, 23 Jahre, Andreas<br />

Detzlau, 38 Jahre, beide Kolonisten in <strong>Platkowniza</strong><br />

H. Jakob, geb. 22. Mai 1842 in <strong>Platkowniza</strong>, mein Ururgroßvater, verstorben 1915/16 in<br />

Rußland<br />

IH. Michael, geb. 20. Februar 1847 in <strong>Platkowniza</strong>, Zeugen: Michael Jabs, 27 Jahre, Landwirt<br />

in Ociete, Jakob Restau, 32 Jahre, Gastwirt in <strong>Platkowniza</strong><br />

N. Heinrich, geb. 15. November 1848 in <strong>Platkowniza</strong>, Zeugen: Heinrich Dobslaff, 28 Jahre<br />

alt, Peter Ratke, 47 Jahre alt (mein Vorfahr), beide Landwirte in <strong>Platkowniza</strong>. Taufpaten<br />

waren der Heinrich Dobslaff und Eva Ristau aus <strong>Sadoles</strong>.<br />

Dieser Heinrich Jabs war der Stammvater der Familie Jabs in Sojkowek, die dort eine<br />

Schmiede und eine Landwirtschaft betrieben. Er hatte am 4. November 1871 Susanne<br />

Theise, Tochter des Friedrich Theise und seiner Ehefrau Christine geb. Rienas geheiratet.<br />

Von seinem Schwiegervater erhielt er Land in Zajeziercze, wo er sich einen Hof errichtete.<br />

Mit seiner Ehefrau hatte er insgesamt 8 Kinder. Der Schmied Friedrich Jabs in <strong>Sadoles</strong> gehörte<br />

dazu, der Schmied Jakob Jabs in Sojkowek, Susanne verh. Benschkowski (sie erbte<br />

den Hof), eine Euphrosine verh. mit einem Hintz in Lonschka. Weitere IZinder waren Samuel,<br />

Adolf, Karl und Edmund.<br />

Das Sterbebild des Heinrich Jabs ist bis in unsere Zeit überkommen und zeigt seine gesamte<br />

Familie wie auch seinen Bruder Friedrich mit Ehefrau. Heinrich Jabs ist in den 20er<br />

Jahren dieses Jahrhunderts verstorben.<br />

Jakob Jabs und seine Ehefrau Berta geb. FeWau hatten zahlreiche Kinder. Mir persönlich<br />

bekannt ist Robert J abs, geboren in Sojkowek am 23. März 1923, der heute in den USA<br />

lebt. Ein Mann, der noch viel von seiner Heimat erzäWt, durch eine inzwischen schwache<br />

Gesundheit am Reisen gehindert ist. Bekannt ist mir ferner einer der älteren Söhne: Jakob<br />

Jabs, der mit Lydia Dittmann verheiratet war, der Verkäuferin in <strong>Sadoles</strong> sowie die Schwester<br />

Johanna verheiratete Lüders, der wir auf den Familientreffen begegnen.<br />

V. Adam Jabs, geb. 24. November 1852 in <strong>Platkowniza</strong>, Zeugen: David Wemer, 23 Jahre,<br />

Heinrich Dobslaff, 42 Jahre, beide Landwirte in <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Dieser Adam war ursprünglich in <strong>Sadoles</strong> ansässig, doch verzog er Ende des letzten Jahrhunderts<br />

nach Lonschka. In erster Ehe war er mit einer Karoline Adam, geb. 17. Oktober<br />

1852 in <strong>Sadoles</strong>, verheiratet; Tochter des Heinrich Adam und seiner Ehefrau Karoline geb.<br />

Schulz. Nach deren Tod heiratete er ein weiteres Mal. Gestorben ist er im April 1927 in<br />

Lonschka.


207<br />

Zu seinen Nachkommen zählt u. a. Frau Hulda Freier geb. Kronenberger, die Nachbarin<br />

der Ratke's in Bischfeld. Hulda Freier, 1914 in Lonschka geboren, lebt jetzt in Bergen/Niedersachsen.<br />

Verheiratet war sie mit Eduard Freier, der im 2. Weltkrieg fiel.<br />

Eine weitere Enkelin von Adam J abs ist Ella J abs geb. Ristau, die Ehefrau von Robert<br />

Jabs, Enkel des Heinrich Jabs aus Sojkowek aus der Ehe mit Bertha Fehlau, die aus dem<br />

Memelland gebürtig war.<br />

VI. Friedrich Jabs, wann geboren ist mir nicht bekannt. Er starb um 1935 und hatte ein kleines<br />

Haus im Wald in Sojkowek. Er soll Waldaufseher gewesen sein. Friedrich Jabs war<br />

verheiratet, der Namen seiner Frau ist mir nicht bekannt. Ebenso ist mir auch nicht bekannt,<br />

ob er Kinder hatte.<br />

Ob sich auf ihn die folgende Anekdote bezieht, das will ich nicht behaupten. Meine<br />

Großmutter erzählte sie mir und meinte, daß dieser Mann ein enger Verwandter ihrer Familie<br />

Jabs gewesen sei, sie kannte sich nur nicht in den Familienverhältnissen aus.<br />

Jedenfalls erzählte mir meine Großmutter, daß in dem Wald in Sojkowek ein armer Mann<br />

gelebt haben soll, der davon lebte, daß er sich alles aus dem Wald holte. Der Wald gehörte<br />

dem Grafen Zamoyski, so daß man schon von Diebstahl sprechen konnte. Irgendwann<br />

hatte mal jemand aufgebracht, wenn dieser Mensch stirbt, dann müßte auf der Beerdigung<br />

gesungen werden: "Nun ruhen alle Wälder." Er starb, die Leute verließen den Friedhof<br />

und irgendeiner stellte fest, daß nun doch nicht dieses Lied gesungen wurde. Alle lachten<br />

sehr herzlich nach dieser Beerdigung. (FriedrichJabs war der Großonkel meiner Großmutter.)<br />

DIE <strong>FAMILIE</strong> JAKOB JABS<br />

Mein Ururgroßvater Jakob Jabs, geb. in <strong>Platkowniza</strong> am 22. Mai 1842 ist zweimal verheiratet gewesen.<br />

Aus beiden Ehen sind zahlreiche Kinder vorhanden, die ich namentlich zum größten Teil<br />

nicht kenne.<br />

Wann er seine erste Ehefrau Wilhelmine Hartmann heiratete, ist mir nicht bekannt, ebensowenig,<br />

wann genau sie geboren wurde. Sie war eine Tochter des Bauern Ludwig Hartmann (1817 - 1901)<br />

aus <strong>Platkowniza</strong> und seiner ersten Ehefrau Euphrosine Wiese (1819 - 1852). Sie wird wohl etwa im<br />

gleichen Alter wie ihr Ehemann gewesen sein, denn im Februar 1873 wird ihr Alter mit 30 Jahren<br />

angegeben.<br />

Johann Jabs: Am 9. Februar 1873 wurde dem Ehepaar J abs ein Sohn J ohann geboren, mein<br />

Urgroßvater. Nach der Geburtsurkunde Nr. 14/1873 war der Vater Jakob Jabs Landwirt in<br />

Sojkowek.<br />

Der Pate Michael Hartmann ist vermutlich ein Verwandter der Mutter Wilhelmine Jabs geb.<br />

Hartmann. Nach der mir vorliegenden Geburtsurkunde wurde er am 29. August 1833 in <strong>Platkowniza</strong><br />

als Sohn des Landwirtes Friedrich Hartmann und seiner Ehefrau Katharina geb. Ra­<br />

don geboren. Er ist somit der Vetter der Mutter. Den Paten Peter Heise habe ich bereits schon<br />

erwähnt. Er starb 1928 neunzigjährig. Sein Hof lag in <strong>Platkowniza</strong> an der Grenze zu Sojkowek.<br />

Die Patin Elisabeth Tauber gehört zur Familie Tauber, die später nach Lonschka weiterzog.<br />

Die Familie lebte angeblich in der Nähe der Familie Kiesel in Zaiezierze. Frau Ruth Mainka,<br />

die Familienforscherin, von der ich die meisten Urkunden habe, ist eine Nachkommin dieser<br />

Familie.<br />

Zur Zeit der Geburt lebte die Familie Jabs in Sojkowek. Wo, das ist mir natürlich wieder nicht<br />

bekannt. Ich bin hier auf Mutmaßungen angewiesen. Mir ist bekannt, daß Ludwig Hartmann<br />

einen großen Hof in <strong>Platkowniza</strong> besessen hat und daß ein Hartmann-Hof an der Grenze Sojkowek-<strong>Platkowniza</strong><br />

lag. Dieser Hof wurde nach der Jahrhundertwende aufgelöst und verkauft.<br />

Reinhold Heise erwähnt dies in seinen Lebenserinnerungen. Die Höfe Jabs und Bembenek<br />

standen auf diesem Grund. Also mutmaße ich, daß Jakob Jabs Land von seinem Schwiegerva­<br />

ter Ludwig Hartmann erhalten hatte, als Mitgift seiner Tochter. Das Anwesen soll klein gewesen<br />

sein, so daß sich die Familie Jabs kaum ernähren konnte. Es ist überliefert, daß Jakob Jabs<br />

auch als Schulmeister und Tischler tätig gewesen sein soll, um sich etwas hinzuzuverdienen.


208<br />

Seine Ehefrau Wilhelmine ist bald nach der Geburt von Johann gestorben. Jedenfalls heiratete<br />

Jakob Jabs zweieinhalb Monate nach der Geburt ein zweites Mal, am 27.04.1873, Eleonore<br />

Ritz aus <strong>Platkowniza</strong>. Die Tochter des Peter Ritz (1823 - 1910) und seiner Ehefrau Eva geb.<br />

Loties (1826 - 1887). Wilhelmine wird also möglicherweise im Kindbett gestorben sein, und<br />

eine Mutter für die kleinen Kinder wurde gebraucht. Eleonore Ritz brachte wieder Land in die<br />

Ehe, so daß Jakob Jabs wohlhabender wurde. Seinen Hof hat Jakob Jabs bis zur Verschleppung<br />

bewirtschaftet und wird ihn vielleicht auch weitervererbt haben. In der Verbannung soll<br />

er mit seinem Sohn Johann im gleichen Ort gewesen sein. Beide sind dort verstorben. Also<br />

zwischen 1915 und 1918 der Jakob, Johann starb im März 1916. Meine Großmutter meinte<br />

sich erinnern zu können, daß beide fast um die gleiche Zeit verstorben sind.<br />

An weiteren Kindern des Jakob Jabs sind mir bekannt geworden:<br />

Amalie Schmidtke, Ehefrau des Tischlers Christian Schmidtke in <strong>Platkowniza</strong>, wohnhaft in<br />

der Nähe der Kirche. Frau Schmidtke ist jung verstorben<br />

Rosalie Ratz in <strong>Platkowniza</strong>, verstorben in den 20er Jahren. Ihren stark verwitterten Grabstein<br />

haben wir bei einem unserer Besuche gefunden.<br />

Euphrosine Jeske, verstorben im Januar 1902 in <strong>Platkowniza</strong> nach der Geburt eines Kindes.<br />

Das Kind war tot oder starb unmittelbar nach der Geburt, jedenfalls wurden Mutter und Kind<br />

gemeinsam in einem Sarg bestattet. Sie war verheiratet mit Jakob Jeske (1865-1935). Aus dieser<br />

Ehe gingen zahlreiche Kinder hervor, die zumeist sehr jung verstarben. Einzig die Tochter Ottilie<br />

überlebte, geboren am 12. Nov. 1898 in Kutusoiha, Gemeinde Heimtal in Wolhynien. Der<br />

Der Vater war Maurer und reiste durch die gesamte Gegend. 1903 heiratete er Elisabeth Pede<br />

aus Ociete und wanderte mit ihr nach Amerika aus. Die Tochter blieb bei den Großeltern Jabs<br />

Qakob und Eleonore). Nach Angaben der Ottilie arbeitete Jakob Jabs als Tischler und Sargmaeher.<br />

Ottilie wurde von ihren Großeltern als Kuhhirte vermietet, wie es damals üblich war.<br />

Am 3. April 1914 wanderte sie nach Amerika aus. Weil sie noch so jung war, mochte sie allein<br />

nicht reisen und bat ihre Kusine, Juliane Jabs (Schwester meiner Großmutter), sie zu begleiten.<br />

Ihnen angeschlossen hatten sich noch Gustav Sollert und Edmund TimID. Sie fuhren mit dem<br />

Dampfer "Main" von Bremen nach Philadelphia.<br />

In Amerika arbeitete sie in einem Muschelrestaurant und als Dienstmädchen bei einer jüdischen<br />

Familie. 1919 heiratete sie den in <strong>Platkowniza</strong> geborenen Julius Ortlieb (1895-1977). Sie<br />

lebten erst im Staate New Jersey, in Williamstown. Später zogen sie zum Sohn Richard Ortlieb<br />

nach Kaliforruen, wo die beiden verstorben sind. Ottilie im Jahre 1989.<br />

Julius Ortlieb, der Ehemann war in <strong>Platkowniza</strong> am 3. November 1895 als Sohn des Gottlieb<br />

Ortlieb (1870-1965) und seiner Ehefrau Elisabeth Ritz (1875-1935) geboren worden. Die<br />

Eheleute stammen aus der Kolonie <strong>Platkowniza</strong>-<strong>Sadoles</strong>, sind aber auch für eine geraume Zeit<br />

in Wolhynien ansässig gewesen. Beide sind mit den Familien Ritz und Ortlieb unserer Kolonie<br />

verwandt, denn vor der Auswanderung lebten sie in Ociete. Ortlieb war 1907 ausgewandert<br />

und holte im Jahr darauf seine Frau mit den Kindern nach. Die Familie lebte in Philadelphia.<br />

Ottilie Ortlieb<br />

geb.Jeske<br />

mit ihrer Kusine<br />

Juliane David<br />

geb. Jabs (sitzend)<br />

und deren Tochter<br />

Edith David


209<br />

KarlJabs, der Lehrer gewesen sein soll wie sein Vater. Ein Sohn ist nach Lodz gezogen, zwei<br />

nach Amerika ausgewandert.<br />

Johanna, verheiratet mit Leopold Erismann, einem Landwirt in <strong>Sadoles</strong>. In dieser Familie war<br />

meine Großmutter Natalie als Mädchen als Aufpasserin für die Tochter Emma angestellt.<br />

Emma wurde 1908 geboren. Es war für meine Großmutter, die noch nicht einmal sechs Jahre<br />

alt war, eine harte Zeit. Sie war selbst noch ein schwaches Kind, als sie den Säugling beaufsichtigen<br />

mußte. Meine Großmutter meinte immer, damals hätte sie sich einen Wirbelsäulenschaden<br />

zugezogen. Die Erismann's waren zu Natalie nicht sehr freundlich, besonders Ludwig<br />

Erismann nicht. Er wurde für meine Großmutter der Inbegriff des Bösen. Ludwig Erismann<br />

kam in der Deportation in Rußland ums Leben. Seine Ehefrau überlebte ihn um viele Jahre<br />

und starb in den 70er Jahren dieses Jahrhunderts nahezu neunzigjährig in Velten bei Berlin bei<br />

ihrem Schwiegersohn Reinhold Heise.<br />

Kinder der Johanna: Emma Erismann (1908 - 1947), verheiratet mir Reinhold Heise (1898­<br />

1990), Landwirt in <strong>Platkowniza</strong>. Seine Lebensgeschichte ist in dieser Chronik aufgezeichnet.<br />

Otto Erismann, der in den dreißiger Jahren nach Kanada ausgewandert und dort vor einigen<br />

Jahren verstorben ist. Er war mit Hulda Heise verheiratet.<br />

DIE EHELEUTE] <strong>OHANN</strong> <strong>UND</strong> PAULINE ]ABS<br />

Johann Jabs ist in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater war nicht wohlhabend und so<br />

wurde Johann Jabs Tischler und Sargmacher, wohl wie sein Vater. Er wird als kleiner Mann geschildert,<br />

mit einem sehr freundlichen Wesen. Bis zu seiner Vermählung lebte er beim Vater.<br />

Am 23. Mai 1895 heiratete er die uneheliche Tochter der Marianne Hude geb. Semke mit Namen<br />

Pauline. Die Trauung fand am 23. Mai 1895 in der Kirche zu <strong>Sadoles</strong> statt. Die Braut war damals<br />

16 Jahre und eine Woche alt.<br />

Die Eintragung lautet wie folgt:<br />

Geschehen in <strong>Sadoles</strong> am 23. Mai 1895 und acht Uhr abends. Wir geben kund, daß in Gegenwart der Zeugen<br />

Michael Wolf 46 Jahre alt, und Michael Patzer, 38 Jahre alt, beide Landwirte, wohnhaft in <strong>Sadoles</strong>, am heutigen<br />

Tage die Ehe geschlossen wurde ZfVischen dem ledigen Johann Jabs, 22 Jahre alt, evangelisch, wohnhaft bei dem Va­<br />

ter in Sojkowek, dortselbst geboren, Sohn des lebenden Jakob Jabs und dessen verstorbener Ehefrau Wilhelmine geb.<br />

Hartmann und Pauline Semke, ledig, 16 Jahre alt, evangelisch, wohnhaft bei der Mutter in <strong>Sadoles</strong>, geboren in<br />

<strong>Platkowniza</strong>, Tochter der Marianne geb. Semke. Der Eheschließung ging ein dreimaliges Aufgebot in der hiesigen<br />

Pfarrkirche am Sonntag, dem 5. Mai dieses Jahres und an den folgenden Sonntagen sowie die mündliche Genehmi­<br />

gung der Mutter der Neuvermählten - die bei dieser Eheschließung zugegen war - voraus. Die Neuvermählten erklä­<br />

ren, daß sie keinen Ehevertraggeschlossen haben. Dieser Akt wurde den Neuvermählten und den Zeugen vorgelesen<br />

sowie von uns und von dem Neuvermählten unterschrieben.<br />

gei: Johann Jabs gei: Pfarrer Mikulski<br />

Einige Informationen zu den Trauzeugen:<br />

Michael Wolf wurde am 07. Dezember 1848 in Sojkowek geboren und war dort Landwirt. Verheiratet<br />

war er mit Karoline Witzke, geb. 17. Dezember 1868 in <strong>Platkowniza</strong>. Deren Sohn wiederum<br />

hieß Samuel Wolf (1893 - 1932), verheiratet mit Gertrud Schulz. Hiervon der Sohn ist Reinhold<br />

Wolf (1924-1994), von dem zahlreiche Texte dieser Chronik stammen.<br />

Michael Patzer, Landwirt in <strong>Sadoles</strong>, geboren am 02. Oktober 1857 in <strong>Sadoles</strong> als Sohn des Landwirtes<br />

Johann Patzer und seiner Ehefrau Anna Kopp. Die Patzer wohnten in <strong>Sadoles</strong> in der Nachbarschaft<br />

der Ratke's. Als dem Ehepaar Michael Patzer und Rosine geb. Witzke (*27.06.1862) eine<br />

Tochter Alwine geboren wurde, so war Taufpatin die Mutter der Pauline Semke. Diese Alwine<br />

(1901 - 1987) heiratete später Heinrich Rienas (1891 - 1951). Das Ehepaar hatte einen Bauernhof<br />

in <strong>Sadoles</strong>. Heinrich Rienas ist ein Semke-Nachkomme. Michael Patzer starb am 15. März 1928 im<br />

Alter von 70 Jahren, seine Ehefrau Rosine kam auf der Deportation am 13. März 1915 ums Leben,<br />

im Alter von 52 Jahren. - Die Tochter Wanda von Alwine und Heinrich Rienas lebt in Plön/Holstein,<br />

ist eine verheiratete Zabel, und mit ihnen gemeinsam sind wir in der Kolonie gewesen.<br />

Das Ehepaar Jabs hatte kein eigenes Haus. Sie wohnten zu Miete. Mir ist bekannt, daß sie bei der<br />

Familie Wiesinger in derem alten Haus zur Miete wohnten. Die eine Hälfte des Hauses wurde von<br />

den alten Wiesingers bewohnt, die andere Hälfte von den Jabs. Hier wurden wohl auch die Kinder


Emilie<br />

Natalie<br />

Friedrich Wilhe1m<br />

210<br />

der Eheleute geboren. Einige Kinder sollen früh verstorben sein, überlebt haben die nachfolgenden<br />

I-Gnder:<br />

Juliane<br />

* 11.10.1897 <strong>Sadoles</strong>,<br />

t 03.12.1987 Williamstown, USA<br />

* 23.02.1901 <strong>Sadoles</strong>,<br />

t 05.07.1955 Pritznow/DDR<br />

* 10.11.1902 <strong>Sadoles</strong>,<br />

t 08.08.1990 Heide<br />

* 06.01.1906 <strong>Sadoles</strong><br />

t 16.11.1994 Schwärzen/Schwarzwald<br />

2 Kinder, ein Junge und ein Mädchen sollen in Rußland verstorben sein.<br />

Nach der Erzählung meiner Großmutter hatte das EhepaarJabs insgesamt sieben Kinder.<br />

Finanziell war die Familie Jabs sehr schlecht gestellt. Land hatten sie nicht, konnten sich höchstens<br />

etwas Gartenland pachten, ansonsten lebte man von dem Geld, das sich der Vater als Tischler und<br />

Sargmacher verdiente. So wurden die !(inder schon sehr früh in Stellung gegeben. Sie mußten bei<br />

anderen Familien arbeiten, wurden dafür beköstigt, und die Eltern bekamen möglicherweise dafür<br />

einige Rubel. Oft war die Arbeit für die Kinder so hart, so daß die Eltern J abs dann die Kinder<br />

wieder zurückholten. Die älteste Tochter Juliane wurde sogar zur Schule geschickt, obgleich teures<br />

Schulgeld dafür gezahlt werden mußte und sich viele Kolonisten dieses Geld sparen wollten. Allerdings<br />

blieb Juliane nur einen Tag in der Schule. Weil kein Geld für Lederschuhwerk vorhanden<br />

war, hatte der Vater ihr Holzschuhe geschnitzt. Darüber machten sich die Schulkameraden lustig,<br />

und so weigerte sich das Mädchen, die Schule wieder zu betreten .•<br />

Die Mutter Pauline wurde eines Tages sehr schwer krank. Sie hatte sich im Frühjahr, während der<br />

Arbeit auf dem Lande, eine schwere Erkältung zugezogen. Bald stellte sich heraus, daß sie an Diabetis,<br />

der Zuckerkrankheit, erkrankt war. Bei dieser Krankheit gab es damals keine Rettung. Meine<br />

Großmutter erinnerte sich daran, wie ihre Mutter immer viel trinken mußte. Sie war gierig nach Es­<br />

Slg.<br />

Als die Mutter merkte, daß ihr Leben dem Ende zuging, gab sie die !(inder Emilie und Natalie in<br />

Pflege zu Familien in <strong>Sadoles</strong>. Emilie kam zu den Eheleuten Gustav und Gertrud Brandt geb.<br />

Matt, die ich bereits schon erwähnt habe. Das Ehepaar hatte keine eigenen !(inder. Natalie kam zu<br />

Peter und Wilhelmine Hartmann geb. Brandt, die ebenfalls keine !(inder hatten. Wilhelmine Hartmann<br />

war die Schwester von Gustav Brandt. Bald nachdem die Kinder weggegeben waren, starb<br />

Pauline Jabs geb. Sernke. Es weiß niemand, wann es genau war. Es wird vermutet, daß es 1909/10<br />

war.<br />

Nach dem Tode der Ehefrau stand Johann Jabs mit den Kindern Juliane und dem kleinen Fritz allein<br />

da. So suchte er sich eine neue Ehefrau und fand sie in der Witwe Krempin. Ihre Tochter war<br />

im gleichen Alter wie Johanna Ratke geb. Arndt, also ca. 1906 geboren. Wann die Eheschließung<br />

erfolgte, das weiß ich nicht.<br />

Pauline Jabs verw. Krempin geb. Kopp stammte aus Sojkowek. Der kleine Hof lag auf der rechten<br />

Seite der Chaussee Sadowne - Rasne, in Höhe von Ociete. Ihre Eltern waren August-Heinrich<br />

Kopp und Euphrosine geb. Sernke. Diese Euphrosine war die Schwester von Marianne Sernke, der<br />

Mutter der verstorbenen Frau Jabs. Somit war die zweite Ehefrau die Kusine der ersten.<br />

Die Witwe Krempin, wie sie bis an ihr Lebensende genannt wurde, obgleich sie nach dem Tode<br />

des Johann Jabs sogar noch ein weiteres mal heiratete, besaß ein kleines Anwesen, das sich wohl in<br />

Zajezierze befunden hat. Es soll sich in der Nähe des Hofes der Familie Benschkowski befunden<br />

haben. Dort in der Gegend, auf der Kreuzung Richtung Friedhof Sojkowek, befand sich ein weiterer<br />

Hof Krempin. Es war das ursprüngliche Forsthaus mit Gasthaus der Zamoyski-Verwaltung.<br />

Dieses Anwesen kaufte sich eine Familie Krempin aus Warschau, die wohl weitläufig verwandt war<br />

mit der Witwe.<br />

Die Witwe Krempin hatte zwei !(inder, Johann Jabs brachte zwei mit. Es war sehr beengt in dem<br />

kleinen Häuschen. Als sich dann noch herausstellte, daß die Witwe Krempin schwanger war von<br />

ihrem verstorbenen Ehemann, da entschloß man sich, auch den kleinen Fritz wegzugeben. Er kam<br />

zu den Eheleuten Brandt, wo seine Schwester Emilie schon lebte.<br />


211<br />

Noch vor dem Krieg lebte die Familie Jabs in Ociete. Man hatte sich dort ein Haus angemietet,<br />

weil möglicherweise das Haus in Zaiezierze zu klein geworden war. J ohann J abs lebte dort davon,<br />

daß er im Wald arbeitete und im Auftrage Bäume fällte, die er dann mit seinem Pferd abtransportierte.<br />

Jakob Semke erinnert sich, daß dem Johann Jabs sein Vater Edmund Semke hin und wieder<br />

sein Pferd borgte, wenn ein Pferd allein es nicht schaffen konnte. Edmund Semke war der Vetter<br />

von Pauline J abs geb. Semke, der ersten Frau des J ohann J abs wie auch der Vetter der zweiten<br />

Ehefrau Pauline J abs geb. Kopp.<br />

JohannJabs wurde, wie auch die anderen Männer in der Kolonie, Anfang Januar 1915 nach Rußland<br />

deportiert. Dort erkrankte er schwer und starb am 26. März 1916 in Jagodney Goljance im<br />

Bezirk Saratow. Es heißt, er soll dort lungenkrank geworden sein, vermutlich ist er einer der dort<br />

grassierenden Seuchen zum Opfer gefallen.<br />

Nach der Rückkehr aus der Verbannung sind im Jahre 1918 Peter Hartrnann und Gustav Brandt,<br />

die Pflegeväter einiger der Kinder des Johann Jabs, zum Kirchenbuchführer, dem Lehrer Wade gegangen<br />

und haben die Sterbeurkunde ordnungsgemäß eintragen lassen. Die Eintragung erfolgte<br />

unter Ociete, wozu Obrockie gehörte.<br />

Die Witwe Krempin heiratete ein weiteres Mal. Ihr Ehemann war nun ein Michael Hinz (t 1933)<br />

aus Ociete, Bruder des dortigen Bauern Heinrich Hinz, der hinter den Ratke-Anwesen seinen Hof<br />

hatte. Sie soll wieder in dem Haus in Zajezierze gelebt haben. Ihr dortiger Nachbar, Zenon Krem­<br />

pin, kann sich noch an sie erinnern. Gestorben sein soll sie im 2. Weltkrieg im Kreis Plöhnen<br />

(plonsk). Mein Großmutter erzählte mir, daß sie ihre Stiefmutter nur einmal getroffen hätte, als bei<br />

der Familie Hinz in Ociete gedroschen wurde und sich Pauline Hinz dort ebenfalls mithalf. Sie erzählte<br />

meiner Großmutter damals vom Ende des Ehemannes in einer zugigen Bretterhütte in einem<br />

Wald.<br />

Von Johann Jabs und seiner Ehefrau sind keine Fotos oder Originalöokumente überkommen, nur<br />

eine Kiste (besser: Truhe), die der Vater seiner Tochter Juliane 1914 gefertigt hatte und mit der sie<br />

nach Amerika auswanderte. Diese Truhe hat uns von Edith David, der Tochter, bei unserem Be­<br />

such im Jahre 1992 gegeben und steht jetzt in meinem Büro. Sie ist handwerklich einwandfrei gearbeitet,<br />

mit Schloß und Scharnieren versehen sowie dunkelbraun gestrichen. Sie ist ohne Zierde,<br />

hat aber einen leicht gerundeten Deckel. Ein besonderes Erinnerungsstück an diesen Mann, der in<br />

seinen 43 Lebensjahren nur Müh, Not und Arbeit kannte.<br />

JULIANEJABS<br />

Geboren vielleicht als ältestes Kind der Eheleute am 11. Oktober 1897 in <strong>Sadoles</strong>. Sie hatte nach<br />

Auskunft ihrer Tochter Edith ein sehr hartes und trauriges Leben. Zur Schule ging sie nur einen<br />

Tag, weil sich die Schulkameraden über ihre hölzernen Schuhe lustig machten, die ihr der Vater gefertigt<br />

hatte. Sie weigerte sich, jemals wieder die Schule zu betreten. Dies war damals möglich. Die<br />

allgemeine Schulpflicht wurde erst nach dem 1. Weltkrieg in Polen eingeführt. Mädchen wurden<br />

meist gar nicht zur Schule geschickt, um das Schulgeld zu sparen. Die Mutter brachte dem Kind<br />

das Lesen selbst bei. Das war wichtig, damit Bibel und Gesangbuch studiert werden konnten. Das<br />

Schreiben war von untergeordneter Bedeutung, höchstens die Männer mußten es beherrschen, um<br />

vor den Behörden bestehen zu können.<br />

Mit acht Jahren schickte man die kleine Juliane zur Arbeit auf fremde Bauernhöfe. Juliane selbst<br />

nannte es "dienen". Sie arbeitete auf den Feldern, melkte und beaufsichtigte die Kühe, fütterte die<br />

Schweine und das Geflügel. Viele der Bauern, für die sie arbeiten mußte, waren zu ihr sehr gemein.<br />

Zu Essen bekam sie nicht genügend, so daß sie mit den Schweinen und den Kühen aus dem gleichen<br />

Trog aß. Das war ihrer Meinung nach auch der Grund, warum sie so kräftig und so alt geworden<br />

sei. Eines Tages, als sie auf die Kühe aufpassen mußte, kletterte sie auf einen Baum, um<br />

alles besser überblicken zu können. Dabei fiel sie herunter und brach sich den Arm.<br />

Den Tod der Mutter erlebte Juliane bewußt mit. Meine Großmutter erinnerte sich noch an die Beerdigung.<br />

Sie lebte schon geraume Zeit bei den Hartmanns, als man sie schön anzog und ihr sagte,<br />

man wolle zur Beerdigung. Die kleine Natalie hatte schon jede Beziehung zu ihrer Mutter verloren.<br />

Ihr war überhaupt nicht bewußt, an wessen Sarg sie stand. Sie erinnert sich aber daran, daß ein<br />

Mädchen, die Juliane, am Sarg stand und bitterlich weinte.<br />

Juliane scheint schon als Kind sehr fürsorglich und fleißig gewesen zu sein. Sie war vielleicht 10<br />

Jahre alt, so erzählte mir meine Großmutter, da half sie viel der alten Frau Wiesinger, die mit im<br />

Haus lebte und gelähmt war. Für diese Frau Wiesinger hatte das Mädchen Gurkenkerne auf ein


212<br />

Brett gelegt, um sie zu trocknen und als Saat zu nutzen. Dieses Brett fand die kleine Natalie, und es<br />

machte ihr Spaß, die Kerne Stück für Stück auf den Boden fallen zu lassen. Dies sah Juliane und<br />

schrie die kleine Natalie an, die mit dem Rücken zu ihr stand: "Talsche!" Natalie zuckte zusammen,<br />

warf das Brett fort und rannte davon. Erinnern konnte sich meine Großmutter an das Lachen der<br />

alten Frau Wiesinger, die sich mit im Raum befunden hatte. Die Szene wird für Unbeteiligte sicher<br />

amüsant gewirkt haben.<br />

J uliane J abs<br />

als junges Mädchen<br />

in Amerika<br />

Im Jahre 1914 ist Juliane in die USA ausgewandert. Ihre Kusine Ottilie Jeske, von der ich schon<br />

erzählt habe, lebte allein in der Kolonie bei den Großeltern. Sie wollte gern zu ihrem Vater, der in<br />

den USA lebte. Jeske schickte seiner Tochter Geld, damit sie zu ihm kommen könnte. Doch die<br />

noch nicht einmal 16-jährige wagte sich nicht allein auf die lange und wagnisreiche Reise. Sie fragte<br />

ihre ein Jahr ältere Kusine Juliane Jabs, ob sie sie nicht begleiten wolle. Geld hatte Juliane nicht für<br />

die Überfahrt. Ihre Stiefmutter, die Witwe Krempin, borgte ihr das Geld und so begaben sich die<br />

beiden Mädchen auf die weite Reise. Für Juliane endete die Reise für einige Zeit in Deutschland.<br />

Der Wagen, in dem sie reisten, verunglückte, Juliane verletzte sich so schwer, daß sie für einige<br />

Zeit im Krankenhaus bleiben mußte. Für sie der erste Krankenhausaufenthalt und ein besonderes<br />

Erlebnis. Es war für Juliane etwas Ungewöhnliches, daß sich Menschen um sie kümmerten, sie behandelten,<br />

das Essen brachten.<br />

Am 3. April 1914 schifften sich die beiden Mädchen in Bremen auf dem Dampfer "Main" ein. Mit<br />

bei ihnen waren zwei weitere Einwohner aus Ociete: Gustav Soller, Ehemann der Rosemunde geb.<br />

Hude, der Halbschwester von Juliane's Mutter, sowie Edmund Timm. Nach einer Überfahrt von<br />

etwa einem Monat kamen sie in Philadelphia an.<br />

Nach der Ankunft in Philadelphia zog Ottilie Jeske zu ihrem Vater Jakob und seiner zweiten Frau,<br />

einer Pede aus Ociete. Damit stand die 16-jährige Juliane allein in einem fremden Land mit einer<br />

fremden Sprache da. Eine Schule hatte sie bekanntlich nur an einem Tag besucht. Also brachte sie<br />

sich Englisch selbst bei, ebenso auch das Schreiben. Dieses brachte mit sich, daß sie in Deutsch<br />

nicht schreiben und nicht lesen konnte. Selbst das Sprechen fiel ihr schwer. Tragisch war, daß sie<br />

die Post aus Deutschland nie richtig lesen und verstehen konnte. In ihrem letzten Lebensjahr las sie<br />

nach Mitteilung ihrer Tochter Edith immer wieder die Post, die sie aus Deutschland erhalten hatte,<br />

und versuchte herauszubekommen, war ihr mitgeteilt wurde.<br />

Juliane arbeitete als Dienstmädchen in Haushalten. Sie kümmerte sich um die Kinder, reinigte und<br />

kochte. Durch die Arbeit in amerikanischen Haushalten lernte sie schnell Englisch zu verstehen, zu<br />

sprechen und zu lesen.


213<br />

Sehr früh heiratete sie den Wolhyniendeutschen Otto David. Er war am 17. Juni 1892 in Novograd-Volinsk,<br />

Parafie Heimtal geboren worden. Seine Vorfahren haben möglicherweise vorher<br />

auch in der Kolonie <strong>Platkowniza</strong>-<strong>Sadoles</strong> gelebt. Die Eltern hießen Heinrich David und Müller.<br />

Vor dem 1. Weltkrieg kam er allein in die USA. Er hatte dort keinerlei Angehörige. Sein erster Job<br />

war der eines Barkeepers, was ihn für den Rest seines Lebens zum Alkoholiker machte. Bald darauf<br />

brach der Weltkrieg aus, und er wurde zur Marine eingezogen. Seine Kameraden machten ihm das<br />

Leben im Dienst schwer, weil er Deutscher war. Nach dem Krieg wurde Otto David Maschinist.<br />

Doch waren seine Beschäftigungsverhältnisse immer nur von kurzer Dauer, aufgrund seines<br />

schrecklichen Temperaments. Während der Wirtschaftskrise war er ohne Beschäftigung. Seine Frau<br />

arbeitete in einer Spinnerei. Der Ehemann bekam er im 2. Weltkrieg wieder eine Beschäftigung bei<br />

der Marine als Maschinist. Die Ehefrau züchtete in dieser Zeit Hähnchen, betrieb eine kleine<br />

Landwirtschaft. Sie verkaufte Geflügel, Eier, Gemüse und Früchte. So hatte die Familie Nahrungsmittel<br />

und Geld zum Leben.<br />

Am 16. Oktober 1919 wurde dem Ehepaar eine Tochter Edith geboren. Sie besuchte die High<br />

School (Gymnasium), danach arbeitete sie im Büro. Allerdings erkrankte sie schwer an Rheuma<br />

und konnte ihren Beruf nicht mehr ausüben. Um die Zeit begann Julie David, wie sich Juliane in<br />

den USA nannte, gebrauchte Dinge anzukaufen und zu verkaufen. Bald spezialisierte sie sich auf<br />

Antiquitäten. Edith fand Interesse an dieser Beschäftigung und beteiligte sich voll am Geschäft ihrer<br />

Mutter. Allerdings kaufte Edith derart viel Ware auf, daß das Haus bald so voll war, daß man<br />

sich kaum noch bewegen konnte. Ihre Mutter war sehr böse über sie. Doch so hatten die beiden<br />

Frauen genügend Handelsware. Von dem Vater braucht man nicht zu erzählen. Er lebte wohl,<br />

doch seine Alkoholabhängigkeit war für die Familie eine schwere Belastung. Er starb am 7. Juni<br />

1967 im Alter von fast 75 Jahren.<br />

Die Familie hatte ein eigenes Anwesen in der Ortschaft Williamsto\Vn im Staate New Jersey. Die<br />

Tochter lebt hier noch heute. Die beiden Frauen zogen mit ihren Antiquitäten auf Flohmärkte, zu<br />

Auktionen und zu Antikmessen. Sie hatten einen kleinen Leferwagen, mit dem sie durch die Gegend<br />

fuhren. Gleichzeitig bauten sie sich ein neues Haus. Die Gegend, wo das Haus steht, ist sehr<br />

abgelegen. Häufig wurden die beiden überfallen und ausgeraubt. Ein Neffe, der sie einmal besuchte,<br />

erzählt, daß die alte Tante Julie mit einem Revolver umgebunden im Haus herumlief. Die<br />

Frau hatte ein hartes Leben, von der Geburt an bis zu ihrem Tod mit 90 Jahren. Bis ins hohe Alter<br />

arbeitete sie im Antiquitätengeschäft mit. Sie polierte die Möbel, sie half beim Verladen, sie half<br />

beim Verkauf. Noch am Tag vor ihrem Tod arbeitete sie. Abends wurde sie krank, mußte ins<br />

Krankenhaus und verstarb am nächsten Morgen, dem 3. Dezember 1987 in Williamstown an einer<br />

Herzattacke.<br />

Ihre Tochter Edith, die nie heiratete, lebt jetzt allein. Das Antiquitätengeschäft macht ihr allein<br />

große Schwierigkeiten. Sie erhält keine Rente und braucht das Geld, um sich zu ernähren und um<br />

ihr Haus erhalten zu können. Häufig ist sie krank. Ihr einziger Kontakt ist eine Freundin, die etwa<br />

eine Meile von ihr entfernt wohnt, und die sich um sie kümmert, wenn es notwendig ist. Mein Vater<br />

und ich haben sie schon zweimal besucht, als wir bei den Semke's in Bridgeton/New Jersey zu<br />

Besuch waren. Das Haus ist bis zur Decke vollgefüllt mit Müll, der wohl kaum noch zu verkaufen<br />

sein wird. Es ist ein erschreckender Anblick. Doch die Frau hat ihren eigenen Willen.<br />

EMILIEJABS<br />

Geboren am 23. Febuar 1901 ist Emilie die zweite Tochter des Johann und der Pauline .labs. Meine<br />

Großmutter meint, daß dazwischen noch ein Junge gewesen wäre, der jung verstarb.<br />

Von Emilie, die relativ früh verstarb, wird auch berichtet, daß sie ein sehr hartes und schweres Leben<br />

hatte. Die Eltern hatten sie zuerst zu einem Bauern Karl Krüger in <strong>Sadoles</strong> in Stellung gegeben.<br />

Krüger verzog bald nach <strong>Platkowniza</strong>. Seine erste Frau starb jung an einem Blinddarmdurchbruch,<br />

nach der zweiten Verheiratung starb er selbst. Emilie kam dann zum Ehepaar Gustav und<br />

Gertrud Brandt geb. Matt in <strong>Sadoles</strong>. Sie wurde dort als Pflegekind aufgenommen.<br />

Emilie blieb bei den Brandt's viele Jahre. Sie war immer kränklich. Es heißt, sie war Asthmatikerin.<br />

So heiratete Emilie nicht. In der Familie war auch ihr Bruder Friedrich Wilhelm. Im Alter wurde<br />

Frau Brandt "wunderlich". Es kam zu Selbstmordversuchen. Schließlich behauptete sie, ihr Ehemann<br />

hätte ein Verhältnis mit seiner Pflegetochter. Letztendlich blieb der Emilie nichts anderes übrig,<br />

als in die Scheune zu ziehen. So waren es allerdings nicht haltbare Zustände, und meine Großmutter<br />

nahm ihre Schwester zu sich.


214<br />

Es war um die Zeit, als meine Großmutter sehr schwer an einer Lungenentzündung mit Lungenriß<br />

erkrankte; da war Emilie für die Familie sehr nützlich. Es muß im Winter 1934/35 gewesen sein.<br />

Um diese Zeit erschien die Frau Wiesinger mit einem Witwer Buse aus Paprotsch. Ihm war die<br />

Ehefrau gestorben, und nun suchte er nach einer neuen Partnerin. In Paprotsch hatte er keinen Erfolg<br />

gehabt, warum, das stellte sich erst später heraus. Frau Wiesinger kannte nur eine ledige Frau,<br />

und das war Emilie Jabs. Emilie war bereit, mit Eduard Buse nach Groß-Paprotsch zu ziehen,<br />

doch wollte sie ihre kranke Schwester nicht im Stich lassen. Meine Großmutter fühlte sich aber<br />

schon besser und wollte ihrer Schwester nicht im Wege stehen. Eduard Buse war kein armer Mann.<br />

So fuhr Emilie mit. Doch schon auf der Fahrt nach Paprotsch erfuhr Emilie, daß die Ehefrau Buse<br />

an der Lungenschwindsucht gestorben sei, und daß sie ein oder einige Kinder angesteckt hatte. So<br />

kam auf Emilie eine schwere Belastung zu. Wie sie später gestand, wäre sie am Liebsten gleich<br />

wieder umgekehrt. Sie heiratete aber Eduard Buse und wurde Mutter von zwei Söhnen, Berthold<br />

und Helmut.<br />

Nun einige Anmerkungen zur Familie Buse: Der Stammvater war ein Müllermeister Martin Buhse<br />

in Krumbeck-/Mecklenburg-Strelitz, geboren um 1735. Verheiratet war er mit der Witwe Dorothea<br />

Weßel geb. Blaurode (um 1730 - 1775). Der Sohn Ludwig, ursprünglich Tagelöhner, wanderte<br />

nach Groß-Paprotsch aus, war verheiratet mit einer Drügert. Er starb am 17. August 1846 in Groß­<br />

Paprutsch. Sein Sohn war Johann David, der in erster Ehe mit einer Schulz, in zweiter Ehe mit einer<br />

Gundlach verheiratet war. Er starb dort am 2. Januar 1894 im Alter von 74 Jahren. Aus der ersten<br />

Ehe stammte I~rl Rudolf (*1847), verheiratet mit einer Marianne Schweitzer, die einer aus der<br />

Pfalz zugewanderten Familie entstammte. Ein Sohn aus dieser Ehe war Eduard Buse, mein angeheirateter<br />

Großonkel, der am 31. März 1893 in Groß-Paprutsch geboren wurde.<br />

In Paprotsch gab es mehrere Brüder und Verwandte des Eduard: Bernhard, der Müller, Otto,<br />

Adolf. Es gab wohl zwischen den Verwandten des öfteren Streitigkeiten. :Qie Folge war, daß die<br />

Mühle des Bernhard hin und wieder brannte. Der Polizei waren die Vorgänge nicht unbekannt geblieben.<br />

Sie schleusten einen Mittelsmann als Knecht bei einem Tatverdächtigen ein. Er gab an,<br />

nicht Deutsch zu können. Wenn man ihn auf deutsch ansprach, dann reagierte er nicht, so daß die<br />

Übeltäter zu der Überzeugung kamen, er würde kein deutsch verstehen. So hatten sie keine Hemmungen,<br />

einen neuen Brandanschlag zu planen. Der Knecht (polizist) hörte alles mit. Als nun der<br />

Abend gekommen war, daß die Mühle mal wieder brennen sollte, war dieser Knecht wieder bei einem<br />

Gespräch dabei. Er tat so, als wenn er in der Ecke auf der Ofenbank schlafen würde. Als er<br />

genug gehört hatte, tat er so, als wäre er aufgewacht, fragte, ob er noch etwas tun solle und bat<br />

darum, schlafengehen zu dürfen. Diese Bitte wurde ihm gewährt, doch statt schlafen zu gehen,<br />

rannte er schnell zur Polizeieinheit, die schon bereit stand, um sie zu informieren. So war die Polizei<br />

in der Lage, die Schuldigen auf frischer Tat zu ertappen und den erneuten Brand der Mühle zu<br />

verhindern.<br />

Anmerken will ich, daß der Familie Buse mehrere Geistliche entstammten. Die zweite Ehefrau des<br />

reichen Bauern Buse war die Tochter des Pastors in Lodz, so daß dann gleiche mehrere Söhne in<br />

die Fußstapfen des Großvaters traten und Pastoren wurden.<br />

Die Schwiegereltern des Eduard Buse hatten einen stattlichen Hof in Groß Paprotsch. Doch nach<br />

der Rückkehr aus der Verbannung war der Hof zerstört und so verkauften sie das Land, um sich<br />

etwas Besseres anzuschaffen. Doch sie fanden nichts passendes, und ehe sie zu einer Entscheidung<br />

kamen, war das Geld durch die Inflation wertlos geworden. Der Schwiegersohn Eduard Buse gab<br />

ihnen etwas Land ab, auf dem sie sich ein Haus errichten konnten.<br />

Aus der Ehe mit Pauline Buse, der ersten Frau, entstammten drei Söhne, die überlebt haben und<br />

die mein Vater kennengelernt hat: Der älteste Sohn Erwin ist im 2. Weltkrieg gefallen. Der Sohn<br />

Adolf (1924-1943) ist gefallen. Der Sohn Richard lebt noch.<br />

Aus der zweiten Ehe mit Emilie Jabs gingen vier Kinder hervor. Im September oder Oktober 1937<br />

wurden Zwillinge geboren, doch starben die beiden Mädchen nach zwei Tagen. Am 23. März 1939<br />

wurde Berthold in Groß Paprutsch geboren.<br />

Die Familie mußte 1939 Groß Paprutsch verlassen. Sie wurde in Soldan Krs. Neidenburg/Ostpreußen<br />

angesiedelt. Meine Großmutter hatte sie dort einmal besucht und fand, daß Emilie ihre<br />

Zwangsarbeiter nicht korrekt behandelte und ermahnte sie deshalb.<br />

Hier in Soldan wurde dann am 17. Nov. 1941 der Sohn Helmut Rudolf geboren. Eduard Buse<br />

wurde zur Zeit des Zusammenbruchs zu Arbeiten in der Kreisstadt herangezogen und kam nie


215<br />

wieder. Emilie konnte mit den Kindern fliehen, doch sie wurde mehrfach vergewaltigt. Kränklich<br />

war sie ohnehin Zeit ihres Lebens gewesen, doch durch die schweren Demütigungen hatte sich ihr<br />

Gesundheitszustand weiter verschlechtert, sie mußte mehrere schwere Operationen über sich ergehen<br />

lassen. Schließlich starb sie am 5. Juli 1955 in Pritznow, in der damaligen DDR. Die Kinder<br />

kamen zu Pflegeeltern. Berthold lebt heute wie auch sein Onkel Richard Buse in Eibenstock im<br />

Erzgebirge. Helmut lebt mit seiner Frau Rita und den Kindern Annette und Thomas im Schwarzwald.<br />

Die Informationen hatte mir freundlicherweise die Tochter Annette samt den Bildern zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

NATALlE <strong>RATKE</strong> GEB. lABS<br />

Meine Großmutter wurde am 10. November 1902 in <strong>Sadoles</strong>, auf dem Wiesinger-Hof geboren. Mit<br />

etwa 8 Jahren kam sie zum Ehepaar Peter und Wilhelmine Hartmann in Pflege, 1919 wurde sie mit<br />

dem Landwirt Adolf Ratke in Ociete verheiratet und gebar ihm insgesamt 14 Kinder. Die Hartmanns<br />

nahmen nach ihr noch die Anna Jeske als Pflegetochter an. Am 8. August 1990 verstarb sie<br />

im Krankenhaus in Heide an Herzversagen. - Ausführlicher gehe ich auf die Lebensgeschichte<br />

meiner Großmutter am Ende der Chronik ein.<br />

FRIEDRICH WILHELM lABS<br />

Der jüngste Sohn der Eheleute Johann und Pauline Jabs, geboren in <strong>Sadoles</strong>. Seine Geburtsurkunde<br />

liegt mir vor.<br />

Eintragung 2/1906 Nrchenbuch S adoles<br />

Verhandelt in <strong>Sadoles</strong> am vierundZ}Jlan:dgsten Dezember (sechsten Januar) eintausendneunhundertfünf (sechs) um<br />

vier Uhr nachmittags. Es erschien Johann Jabs, vierunddreißig Jahre alt, Tischler, wohnhaft in <strong>Sadoles</strong>, und zeigte<br />

uns in Gegenwart der Zeugen: des dortselbst wohnhaften Landwirtes Priedrich Krüger, Z}JleiundvierzjgJahre alt,<br />

und des Samuel Hintz; achtunddreißig Jahre alt, ein Nnd männlichen Geschletihts und teilte mit, daß dieses in Sa­<br />

doles am gestrigen Tage um drei Uhr früh von seiner Ehefrau Pauline geborener Semke, siebenundZ}Jlan:dgJahre<br />

alt, geboren worden ist. Dem Nnde wurden bei der heute vollzogenen heiligen Taufe die Vornamen Priedrich Wil­<br />

helm beigelegt und seine Taufpaten waren der erste Zeuge und Euphrosine Hintz. Diese Urkunde wurde den Er­<br />

schietJenen und den Zeugen vorgelesen und von ihnen und mir unterschrieben.<br />

gez. Johann Jabs, Priedrich Krüger, Samuel Hintz; Pastor T. Mikulski<br />

Anmerkung zu den zwei Geburtstagen: Damals gehörte Polen zum russischen Reich, die Eintragung<br />

erfolgte in Russisch, und Rußland hatte damals noch nicht den Gregorianischen Kalender<br />

eingeführt, wohl war er aber im alten Königreich Polen in Gebrauch. Also trug man beide Daten<br />

ein. Allerdings hatte Onkel Fritz sogar drei Geburtstage, denn bei der Anmeldung im Schwarzwald<br />

war in der Kartei ein Fehler unterlaufen, statt 5. hatte man den 15. Januar als Geburtstag eingetragen.<br />

Dieser Fehler war nicht auszumerzen. So feierte der Onkel im Alter zweimal Geburtstag, einmal<br />

am 5. mit der Familie und am 15. kamen Pastor und Bürgermeister zum offiziellen Gratulieren.<br />

Der Pate Friedrich Krüger hatte einen Hof in der Nähe des späteren Wohnsitzes meiner Familie in<br />

<strong>Sadoles</strong>. Seine Frau soll Hebamme und Kräuterfrau gewesen sein. Er selbst veranstaltete Bibelabende<br />

in seinem Haus und war der stellvertretende Kantor.<br />

Der Name Friedrich Wilhelm war für meine Großmutter, als sie noch ein Kind war, etwas ungewöhnliches.<br />

Sie kannte nur Einzelnamen. Wenn sie jemand fragte, wie ihr kleines Brüderchen<br />

heißt, so pflegte sie zu sagen: Friedrich Wilhelm J ohann J abs. Ein Vorname war ihr zu kurz, also<br />

faßte sie alle Männernamen zusammen, die sie kannte.<br />

Friedrich Wilhelm, genannt "Fritz", mußte nach der erneuten Verheiratung seines Vaters ebenfalls<br />

in die Pflege. Ihn nahmen die Eheleute Brandt mit auf, bei denen sich schon seine Schwester Emilie<br />

befand.<br />

Das Verhältnis zu den Pflegeeltern war nicht gut. Häufig kam es zum Streit, vor allem mit dem<br />

Pflegevater Gustav Brandt. Bekannt ist mir, daß Fritz häufig die Familie Brandt verließ. Erna Papke<br />

erzählte mir, daß Fritz eines Tages bei ihrem Onkel Julius Kurtz, einem Bauer, ankam, und<br />

abends keinerlei Anstalten machte, nach Hause zu gehen. Auf die vorsichtige Nachfrage des Julius,<br />

was los sei, gestand Fritz, daß er nicht wieder zu den Brandts zurück wolle. Julius hatte einige<br />

Töchter, und so fragte Fritz nach, ob er nicht der Schwiegersohn werden und dableiben könne. So<br />

eine kurzfristige Entscheidung wollte der freundliche Julius Kurtz nicht fallen. Fritz erschien ihm


216<br />

ohnehin zu jung. Er erklärte sich aber bereit, mit ihm zu den Brandts zu gehen und notfalls auch<br />

dort zu übernachten.<br />

Schließlich lebte Fritz einige Zeit bei der Familie Adolf Ratke in Ociete, bevor er als Melker in die<br />

Danziger Gegend ging. Dort ging es ihm finanziell gut. Er heiratete. Nach dem Krieg war er Bauer<br />

in Schwärzen im Schwarzwald. Als er 80 Jahre alt war, lernte ich ihn persönlich kennen. Ein sehr<br />

agiler, weißhaariger Mann, der bald danach zu kränkeln begann, aber sich nicht unterkriegen<br />

mochte. Als meine Großmutter im Sterben lag, da ging es ihm auch sehr schlecht, mußte im Krankenhaus<br />

liegen, jeder rechnete mit seinem Ende. Irgendwann wurde ihm das Sterben zu langweilig<br />

und er baute für einen seiner Söhne/Enkel ein Haus. Am Buß- und Bettag des Jahres 1994 fiel er<br />

in seinem Haus tot um, 88 Jahre alt.<br />

Seine Ehefrau: Erna, geb. in Straßburg/Westpreußen am 22.12.1916<br />

Kinder: Manfred *12.10.1939, verheiratet mit einer Brasilianerin indianischer Abkunft namens<br />

Abigayn, ein Sohn Manfred<br />

Ingrid *16.05.1942, verheiratet mit Peter Krüger, Tochter Birgit<br />

Erhard *30.12.1954, verheiratet mit Hildegard Juttekfer, Tochter Virena<br />

DIE <strong>FAMILIE</strong> RIMA TZKI<br />

Zum Anschluß an die Familie Jabs eine kurze Anmerkung zu Anna Rimatzki geb. Jeske. Sie war<br />

die Pflegeschwester meiner Großmutter Natalie Ratke geb. Jabs. Blutsverwandt sind sie nicht, aber<br />

trotzdem hänge ich einen kurzen Artikel der Form halber an. Der Ehemann, Sigismund Rimatzki,<br />

aus der Kolonie Marionowo bei Pultusk, entstammt einer deutschen Familie, die ursprünglich<br />

Riemer hieß. Er war Bauer.<br />

Der Kontakt zwischen den beiden Pflegeschwestern war nicht sehr groß. "Made Andsche", wie sie<br />

auf platt genannt wurde, war mit dem in der Anlage abgedruckten Testament des Peter Hartmann<br />

nicht einverstanden, so daß familiäre Bindungen im Prinzip nach dem 2. Weltkrieg nicht gepflegt<br />

wurden. Rimatzki fiel im 2. Weltkrieg. Die Witwe mit ihren Kindern kam nach Holstein. In Itzehoe<br />

ist Anna Rimatzki geb. Jeske im Jahre 1982 im Alter von 72 Jahren verstorben. Das Ehepaar hatte<br />

fünf Kinder: Gustav, Emma, Walter, Eugenie, Mariechen. Gustav lebt in Hohenlokstedt, Emma ist<br />

mit einem Rinas aus Grande Polewne verheiratet. Walter ist an einem Gehimschlag gestorben,<br />

wohl etwa um die gleiche Zeit wie seine Mutter.<br />

Anna Rimatzki war eine sehr elegante Frau, von schlankem Wuchs, die sich in Kleidung und Gehabe<br />

von den meisten anderen Kolonistenfrauen abhob. Die Ehe mit Sigismund Rimatzki war<br />

nicht glücklich. Von Scheidung war sogar schon die Rede. Eine zeitlang lebte sie bei ihrer Pflegemutter<br />

in <strong>Sadoles</strong>. Daraufhin wollte der Mann sie mit Gewalt zurückholen. Mein Vater kann sich<br />

noch erinnern, daß sein Vater einige Nachbarn zu Hilfe gerufen hat, um den tobenden Mann zur<br />

Vernunft zu bringen.<br />

Rimatzki kann man als brutalen und ungehobelten Menschen bezeichnen. In Erinnerung ist geblieben,<br />

daß er allein einige Diebe in die Flucht geschlagen hat, als diese ihn mit seinem Pferdefuhrwerk<br />

im Wald überfielen. Er soll die Angreifer nicht unerheblich verletzt haben. Einem soll er mit<br />

den Fingern den Rachen zerstochen haben. Zuguterletzt wurde das Pferdefuhrwerk der Polen vom<br />

Zug erfaßt, das Pferd getötet und der Wagen zertrümmert. Die Verbrecher hatten ihren Wagen direkt<br />

auf dem Bahnübergang abgestellt, weil sie hier die beste Chance sahen, den mit reichlich Gütern<br />

beladenen Wagen des Deutschen am ehesten berauben zu können.<br />

Zur Familie Rimatzki pflegen auch wir keinen Kontakt. Anna Rimatzki habe ich nur einmal gesehen,<br />

der Sohn Gustav sowie die Tochter Emma verheiratete Rinas haben uns vor Jahren einmal<br />

aufgesucht.<br />

DIE <strong>FAMILIE</strong> HARTMANN<br />

Diese Familie mit dem alten germanischen Namen scheint in der Gostyniner Gegend gelebt zu haben.<br />

Doch schon gleich zu Anfang der Kolonisation waren die Hartmanns dabei. In einer Urkunde<br />

vom 5. April 1831 erscheint sogar der älteste mir bekannte Vorfahr Hartmann, Christian Hartmann,<br />

85 Jahre alt. In der Kolonie scheint er zwei Söhne gehabt zu haben, einen Christian und ei-


nen Friedrich. Der Christian ist mein Vorfahr, mein vierfacher Urgroßvater. Seine Sterbeurkunde<br />

liegt mir vor:<br />

Kirchenbucheintragung 1848/7<br />

217<br />

Geschehen in der Evangelischen Parafie Kolodia:v im Doif <strong>Sadoles</strong>, Gemeinde Kolodia:v Kreis Wengrow, am 24.<br />

Februar 1848, neuen Stils, um 11 Uhr mogens. Es erscheint Georg Pehl, Landwirt, im Doif Srjkowek, hiesige<br />

Gemeinde wohnhaft, 3 7 Jahre, der Schwiegersohn des Verstorbenen und Ludwig Rartmann, Landwirt in Plat­<br />

kowniza, hiesige Gemeinde, Sohn des Verstorbenen. Sie erklären, daß am heutigen Tage um 4 Uhr morgens in<br />

<strong>Platkowniza</strong> verstarb<br />

Christian Hartmann, Landwirt, 57Jahre,<br />

Sohn des Christian und der namensunbekannten Mutter, Eheleute Rartmann, Geburtsort unbekannt.<br />

Er hinterläßt diejeti! venvitwete Ehifrau Dorotea geb. Boi und die envachsenen Kinder (3) Friedrich, Ludwig,<br />

Landwirte und Marianne verheiratete Pehl, alle in der hiesigen Gemeinde wohnhaft.<br />

gez. Tetzner<br />

Der Sohn Friedrich Hartmann erscheint in vielen Urkunden der Familie als Zeuge. Möglicherweise<br />

hatten sich diese beiden Brüder das Anwesen geteilt. Wie ich schon erwähnte, vermute ich, daß die<br />

Hartmann-Höfe im Bereich der schönen Linie gelegen haben. Der Hof des reichen Bauern Jakob<br />

Müller soll ursprünglich ein Hartmann-Hof gewesen sein, das Land auf der gegenüberliegenden<br />

nördlichen Seite war Hartmann-Land, was nach 1900 verkauft wurde; möglicherweise nach dem<br />

Tod des Ludwig Hartmann im Jahre 1901.<br />

Die Witwe Katarina Dorotea Hartmann geborene Boi heiratete im Jahre 1850 erneut. In dieser Urkunde<br />

finden wir viele interessante Informationen:<br />

Kirchenbucheintragung 1850/11<br />

Geschehen im Foif <strong>Sadoles</strong>, Gemeinde Kolodia:v am 2. August neuen Stils um 8 Uhr morgens.<br />

Wir geben bekannt, daß in Gegenwart der Zeugen Reinrich Boß, Sohn des Bräutigams, 28 Jahre, und Friedrich<br />

Hartmann, Sohn der Neuheiratenden, 40 Jahre, beide Landwirte in <strong>Platkowniza</strong>, hiesige Gemeinde, wohnhcift,<br />

daß am 1. August, neuen Stils, !fd. Jahr, um 8 Uhr morgens die religiose Ehe in der Evangelisch Augsburgischen<br />

Kirche in Wengrow geschlossen wurde ZJVischen<br />

Danie1 Boß, Witwer, nach der am 17. März neuen Stils verstorbenen Elisabeth Tober, evangelisch, Tuchma­<br />

cher in Broku, Kreis OstrotZki, Gouvernement Plock wohnhcift, 55 Jahre alt, geboren in Nazew Dui!J, bei der<br />

Stadt Leslau, Kreis Kujawien und<br />

Katarina Dorotea geb. Boi oder Brjen verwitwete Rartmann, Witwe nach dem am 24. Februar neuen Stils<br />

1848 verstorbenen Christian Rartmann, Tagelonnerin in <strong>Platkowniza</strong>, evangelisch, 57 Jahre, Tochter des Johann<br />

Boi oder Brjen und der Katharina Gansel, verstorbene Eheleute Boi oder Brjen, geboren in Anklam / Pommern in<br />

Preußen.<br />

Es fanden drei Abkündigungen statt in der hiesigen Kirche. Die Eheleute erklärten, keine vorehelichen Abmachun­<br />

gen getrqffen Zu haben.<br />

gez. Tetzner, Daniel Boß<br />

Interessant ist, daß meine Ururururgroßmutter in Anklam/Vorpommern geboren wurde. So haben<br />

wir eine Verbindung zum Kernland Deutschlands. - Der Zeuge Heinrich Boß war der Ehemann<br />

der Elisabeth Ratke, Johann und Helene Ratke's Tochter.<br />

Trotz der schlechten Wegverhältnisse, des fast nicht vorhandenen Postwesen, die Bahn war noch<br />

nicht erfunden, wurden die familiären Verbindungen gepflegt. Von Plock bis in die Kolonie war es<br />

eine mehrtägige Reise. Zudem beweist es, daß die Kolonisten überall Verwandte wohnen hatten.<br />

Ferner stammen viele unserer Vorfahren bzw. andere Kolonisten auf der Gegend von Plock. Vermutlich<br />

waren diese alten Wurzeln damals noch bekannt.<br />

Der Sohn des Christian und der Katarina Dorotea Hartmann, Ludwig ist mein mehrfacher Vorfahre.<br />

Er wurde 1817 in einem Ort Dembince oder Dembinki, Kreis Plock geboren. Irgendwann heiratete<br />

er Eufrosine Wiese, Tochter des Johann Wiese und seiner Ehefrau Eva geb. Goldnik. Dem<br />

Ehepaar wurden zahlreiche Kinder geboren, darunter um 1842 eine Wilhelmine, die als Ehefrau<br />

des Jakob Jabs meine Ururgroßmutter wurde.


218<br />

Bis auf diese Tochter Wilhelmine überlebten keine Kinder ihre Mutter. Der Sohn Samuel, 2 Monate<br />

alt, starb am Morgen des 14. Januar 1850 in <strong>Platkowniza</strong>. Die Brüder Friedrich und Ludwig<br />

meldeten dies dem Kirchenbuchführer.<br />

Am 28. Dezember 1850 wurde ein Sohn Peter geboren. Als Zeugen traten auf die Landwirte Johann<br />

Timm, 44 Jahre, und MartinJabs, 23 Jahre. Am 27. Januar 1851 war das Kind bereits schon<br />

tot.<br />

Am 11. Januar 1852 starb dann die Mutter selbst:<br />

Kirchenbuch 1852/4 <strong>Sadoles</strong><br />

Es erscheint Ludwig Rartmann, der Ehemann der unten auJgiführten Verstorbenen Ehifrau, 34 Jahre alt und<br />

Johann Timm, sein Nachbar, 48 Jahre, beide Landwirte in <strong>Platkowniza</strong>, hiesige Gemeinde wohnhaft. Sie teilen<br />

mit, daß am gestrigen Tage um 5 Uhr morgens in <strong>Platkowniza</strong> verstarb<br />

Eunosine geb. Wiese Hartmann, Ehenau,<br />

bei ihrem Ehemann in <strong>Platkowniza</strong> wohnhaft, 32 Jahre alt, Tochter des Johann und der Eva geb. Go/dnik, ver­<br />

storbene Eheleute Wiese, geboren in Popow, Kreis Pultusk, Gouvernement P/ock. Sie hinterläßt den venvitweten<br />

Ehemann Ludwig Rartmann und ein Kind Wi/helmine ....<br />

Am Ende des Jahres schloß Ludwig Hartmann seine zweite Ehe mit einem Fräulein Helene Müller,<br />

30 Jahre alt, geboren in Kempa Stromski bei der Stadt Thorn in Westpreußen:<br />

Es heißt, daß Ludwig Hartmann viermal verheiratet war, so daß ich vermute, daß die Ehe mit dieser<br />

Frau nicht lange dauerte. Vielleicht muß eine weitere Ehefrau, deren Name ich nicht kenne,<br />

eingefügt werden, bevor er dann am 8. Oktober 1871 die 22-jährige Karoline Schulz heiratete. Er<br />

selbst war 54 Jahre alt. Soweit mir bekannt ist, war dies seine letzte Ehefrau.<br />

Gestorben ist Ludwig Hartmann im Januar 1901 in <strong>Platkowniza</strong> im Alter ViOn83 Jahren. Insgesamt<br />

soll er 24 Kinder gehabt haben. Seine Sterbeurkunde fand ich, als die Standes beamtin in Sadowne,<br />

Frau Irena Warda, uns freundlicherweise die Kirchbücher aus <strong>Sadoles</strong> zeigte, die noch vorhanden<br />

waren. Die Sterbeurkunde war die erste Eintragung des Jahres 1901 und ist in altrussisch abgefaßt.<br />

Einige Kinder des Ludwig Hartmann:<br />

die bereits schon erwähnte Wilhelmine, verh. mit Jakob Jabs, verstorben im Alter von 30 Jahren<br />

Peter Hartmann, verstorben 19. Dezember 1928 im Alter von 62 Jahren, der Pflegevater meiner<br />

Großmutter. Ein Sohn möglicherweise aus der Ehe mit Helene Müller.<br />

Christian Hartmann, genannt "Käsch". Der Nachbar der Ratke's in <strong>Sadoles</strong>.<br />

Wilhe1m, geboren am 24. 1. 1873. Bauer in <strong>Platkowniza</strong>. Jung verstorben nach der Rückkehr aus<br />

der russischen Verschleppung. Verheiratet mit Mathilde Restau aus <strong>Sadoles</strong>, Tochter des Samuel<br />

und der Marianne geb. Ratke. Sein Sohn Samuel war polnischer Soldat und ist erst vor einigen Jahren<br />

als alter Mann in den Westen gekommen und ist inzwischen verstorben. Die Informationen<br />

habe ich vom Sohn Bruno, geboren 1919, der vor einigen Jahren verstarb.<br />

Wilhelm Hartmann wird von meiner Großmutter als ein sehr freundlicher, ruhiger und ausgeglichener<br />

Mann geschildert. Sie sah ihn immer als ihren Lieblingsonkel an. Bei den Hartmanns<br />

herrschten zwei grundverschiedene Charaktere vor: Die Choleriker und die Sanguiniker, die aufbrausenden<br />

und die ausgeglichen ruhigen Menschen, so wie mir meine Großmutter immer erzählte.<br />

Peter Hartmann gehörte wieder mehr zu den Cholerikern.<br />

Marianne, die Ehefrau des Kirchendieners Friedrich Jabs, genannt "Läut" -Jabs in <strong>Sadoles</strong>. Die<br />

Tochter war eine verheiratete Ortlieb und war später in Bischfeld die Nachbarin der Ratke's.<br />

Allerdings hatte Ludwig Hartmann auch mindestens ein außereheliches Kind, für damalige Verhältnisse<br />

etwas außergewöhnliches. Erstaunlich ist auch, daß diese Geburt nicht verheimlicht wurde.<br />

Im Kirchenbuch selbst erscheint kein Vermerk über den Vater, aber meine Urgroßmutter Pautine<br />

Semke, Ehefrau des JohannJabs und Mutter meiner Großmutter Natalie Ratke wird als seine<br />

Tochter bezeichnet. Diese Vermutung läßt zu das Testament des Peter Hartmann, der sein Pflegekind<br />

Natalie Ratke geb. Jabs als die Tochter seiner Schwester Pauline Jabs bezeichnet.<br />

Ludwig Hartmann hatte seinen Kindern in <strong>Sadoles</strong> die Höfe gekauft. Er scheint ein wohlhabender<br />

Mann gewesen zu sein.

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