GIESSEREI-RUNDSCHAU 60 (2013) HEFT 1/2Die einzige Prüfmethode, die diesen Anforderungenentspricht, ist die neuentwickelte schnelle Gantry-basierteComputertomographie (Bild 1). Mit ihr ist es möglich,in extrem kurzer Zeit von ca. 20–100 s, das heißt weitgehendin der Taktzeit des Druckgießens, die komplexeQualität eines Druckgussteils hinsichtlich seiner Porenausprägungzu bewerten. Die Gießereispezialisten sindsomit in der Lage, unmittelbar nach der Qualitätsbewertungeines Bauteils Einfluss auf die Veränderung der technologischenParameter des Gießprozesses in dem gewünschtenSinne zu nehmen.Es sind zwei verschiedene Vorgehensweisen hierzuvorgeschlagen [2]:•In Gießereien mit einem breiten Sortiment an kompliziertenGussteilen ist es wirtschaftlich vorteilhaft,wenn die Prüfung nicht inline (d.h. nicht direkt durchPrüfung im Fertigungsfluss), sondern atline, d. h. nebender Fertigungslinie erfolgt. In festzulegenden Abständenwerden bei dieser Vorgehensweise die Gussteileverschiedener Druckgießzellen gescannt und das Ergebnissofort angezeigt.•In der Massen- oder Großserienfertigung (bei nur einerGussteilart oder wenigen verschiedenen Gussteilarten)kann der schnelle CT unmittelbar in die Linie eingeordnetwerden. Der Vergleich jedes gescannten Teilsmit Qualitätsnormalen, die im Rechner des CT hinterlegtsind, ermöglicht ein automatisches Anzeigen unerwünschterAbweichungen und die Auslösung einesSignals oder das automatische Entfernen des mit unzulässigenFehlern ausgestatteten Gussteils durch einenRoboter.Neben dem retrospektiven Blick auf den Gießprozess erlaubtdiese Vorgehensweise auch das prospektive Schauenauf den künftigen Bearbeitungsprozess. Auf diese Weisewird es möglich, ein Minimum von Teilen mit unzulässigerFehlerausprägung zu fertigen bzw. Teile mit derartigenFehlern vor dem spanenden Bearbeitungsprozessauszusondern.Nach [3] arbeiten alle heutigen medizinischen Computertomographenim Spiralverfahren, bei dem der zu untersuchendeGegenstand mit konstanter Geschwindigkeitentlang seiner Längsachse durch die Strahlenebene bewegtwird, während die Strahlenquellen-Detektoreinheitmit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotiert. Je nach Gerätkönnen mehrere Axialebenen gleichzeitig eingelesenwerden. Dadurch ist das Verfahren schneller und es lassensich Bewegungsartefakte reduzieren.Durch namhafte Ausrüster für Röntgen-Inspektions-Systeme sind in der jüngsten Vergangenheit die Vorteileder medizinischen Computertomographie auch für denindustriellen Einsatz erkannt und systematisch in Prüfgerätefür die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung umgesetztworden. Der besondere Reiz dieser Entwicklung bestehtdarin, dass man die Scangeschwindigkeit gegenüber konventionellenComputertomographen um bis zu mehrereHundert Mal erhöhen und damit die erforderliche Zeitentscheidend verringern kann.Wie Bild 2 zu entnehmen ist, lässt sich der Aufbau einesindustriellen Computertomographen deutlich erkennen:Beim Blick durch die Lupe erkennt man deutlichdie „Gantry“ mit der Röntgenröhre, dem Strahlenfeld unddem Detektor.2. Bedeutung der PorositätDie Porosität in Druckgussteilen ist, entsprechend deneinleitenden Bemerkungen, allgegenwärtig. Alle Nutzerdieser Teile, die hochproduktiv und demzufolge effizientsowie mit hoher Maßgenauigkeit, komplizierter Gestaltund bester Oberflächenqualität gefertigt werden, sind daraufangewiesen, diesen Sachverhalt zu akzeptieren. Siemüssen mit ihm leben!Unabhängig davon sind alle Beteiligten (Konstrukteureund Fertigungsspezialisten beispielsweise im Automobilbau)und die Druckgießer intensiv darum bemüht, die negativeWirkung der Porosität so gering wie möglich zuhalten. Es gibt Sachverhalte, bei denen die Porosität erheblichvon Nachteil sein und zum Verwerfen des damitbehafteten Teils führen kann:•Poren in den Hauptspannungspfaden des Bauteils beistatischer Belastung wirken auf die Verringerung destragenden Querschnitts und damit auf die Zunahmeder Spannungen.•Die Kerbwirkung von Poren führt zur Beeinträchtigungder dynamischen Festigkeit von druckgegossenen Bauteilen.Bild 2: Industrielleschnelle Computertomographie-AnlagemitLupe zur Darstellungdes prinzipiellenAufbaus16
HEFT 1/2 GIESSEREI-RUNDSCHAU 60 (2013)•Das Offenlegen von oberflächennahen Poren durch spanendeBearbeitung, wenn der Gussrohteilzustand denfunktionellen Anforderungen an das Fertigteil nichtentspricht. Die offengelegten Poren können dann zurBeeinträchtigung der Funktionsflächen, z.B. durch Unterbrechungender Fläche oder zu Lecks mit dem Ergebnisder Undichtheit gegen Flüssigkeiten (z.B. Öl)oder Gase führen.Mit der Berechnung von hochbeanspruchten, druckgegossenenBauteilen unter Berücksichtigung des Poreneinflusses,haben sich in jüngerer Zeit mehrere Wissenschaftlerbeschäftigt [4–8].Schematisch ist die Lage von Poren in den nachstehendenBildern 3a bis 3c zu erkennen:3. Untersuchungen zur Erfassung derPorosität mit dem Schnellen Computertomographen3.1 PorositätsvorhersageSowohl den Konstrukteur eines hochbeanspruchtenDruckgussteils als auch den Druckgießer interessiert inhohem Maße die Vorhersage der Porosität, da diese wesentlichfür die Qualität der Gussteile und die Bewährungunter den vorgesehenen Nutzungsbedingungen ist.Die Druckgießer verfügen hierzu über ein Instrument:die „Simulation des Gieß- und Erstarrungsvorganges“,mit der man ein erstes Bild der voraussichtlichen Porenausprägungerhält. Am Markt eingeführt sind verschiedeneSoftware-Systeme: zum Beispiel „Magmasoft“ derFirma MAGMA Gießereitechnologie GmbH Aachen und„WINCAST“ der RWP GmbH Roetgen.Die Bilder 4 und 5 zeigen am Beispiel eines Bauteilsfür die Aggregatelagerung die erhaltenen Ergebnisse ausSimulationen mit verschiedener Software. Wie zu erkennenist, sind die Auswertungen in der Darstellung unterschiedlich,beschreiben aber gleiche Zustände.Bild 3a: Pore befindet sich in der Bearbeitungszugabeund wird bei der spanenden Bearbeitung vollständigentfernt.Bild 4:Simulationsergebnis IBild 3b: Pore befindet sich im ÜbergangsbereichFertigteil-Bearbeitungszugabe und wirdbei der spannenden Bearbeitung angeschnitten. Esbesteht die Gefahr der Verbindung zu einem Porennestund damit der Möglichkeit der Undichtheit gegen Medien.Bild 5: Simulationsergebnis IIBild 3c: Pore befindet sich nur im Fertigteilund bleibt von der spanenden Bearbeitung unberührt.Die Simulationssoftware ermöglicht eine Risikovorhersagedes Auftretens von Porositäten, abgeleitet von möglichenUrsachen für das Auftreten, zum Beispiel Volumendefizitebeim Erstarren oder Lufteinschlüsse beim Füllendes Formhohlraumes. Bei der Porositätsvorhersage werdensowohl thermische als auch strömungsmechanischeAspekte berücksichtigt, ausgewertet und dargestellt. Wiesolche Darstellungen aussehen können, zeigen die Bilder6 und 7.Im Vergleich dieser Bilder mit dem in Bild 8 gezeigtenTomogramm der IST-Porenausprägung des Bauteils wirdsichtbar, dass es im Einzelvergleich Differenzen zwischendem Simulationsergebnis und dem realen Bauteil gibt.17