UMWELTDeutschlandVorbild NaturThink global, act local: Der Slogan derGlobalisierung passt gut zur aktuellenDebatte um den Klimaschutz. Zwar istder Klimawandel ein weltumspannendesPhänomen, aber <strong>eine</strong>s mit regionalenUrsachen. <strong>Welt</strong>politische Debatten undinternationale Strategietreffen haben nurSinn, wenn Menschen vor Ort die Zieleumsetzen. Oder mit gutem Beispielvorangehen, wie in der BenchmarkFactory in Tuttlingen.32 share 2008
Auf <strong>eine</strong>r Klimakonferenz in Potsdambezeichnete Bundeskanzlerin AngelaMerkel kürzlich den Klimawandel als <strong>eine</strong>der zentralen Zukunftsfragen der Menschheit.Sie reihte sich damit in <strong>eine</strong> Liste prominenter<strong>Für</strong>sprecher <strong>eine</strong>r nachhaltigenUmwelt- und Klimapolitik ein, die vonFriedensnobelpreisträger Al Gore überLeonardo DiCaprio bis hin zu HerbertGrönemeyer reicht. Allerdings kommt es inerster Linie darauf an, den Worten auchTaten folgen zu lassen. Mitunter ist dasschon geschehen, wie etwa in Tuttlingen. Inder dort ansässigen Benchmark Factoryverfolgt die B. <strong>Braun</strong>-Sparte Aesculap einökologisch-ökonomisches Gesamtkonzept:Seit der Gründung der Factory im Jahr2000 versucht Aesculap hier Maßstäbe alsumwelt<strong>freundliche</strong>s und erfolgreichesUnternehmen zu setzen und misst sichdabei mit den Besten. „Benchmark“ heißtschließlich Vergleichsgröße, so BerndSchöndienst, Segmentleiter für Produktionstechnikim Werk: „Wir haben unsein Jahr vor der Gründung im Wettbewerbumgeschaut und die Ansätze verglichen.Dann haben wir die besten Lösungengenommen und mit unseren Vorstellungenverknüpft, um den optimalen Nutzen zuerzielen.“ Entstanden ist ein hochmodernesWerk, in dem jährlich 70 000 Hüftprothesen,30 000 Knieprothesen und 200 000Wirbelsäulenimplantate hergestellt werden.Es setzt neue Maßstäbe für die ganzeBranche.Natürliche Kreisläufe. Der besondereFokus der Produktion liegt auf <strong>eine</strong>r nachhaltigenund umweltschonenden Vorgehensweise.„Und die rechnet sich auch“,so Produktionsleiter Dr. Joachim Schulz,„zudem entspricht der ökologische Ansatzunseren Grundüberzeugungen und ist inden Unternehmensleitsätzen fest verankert.“Die Maßnahmen reichen vonmodernster Gebäudetechnik bis hin zur einfachenZisterne, die schon die alten Römerkannten. Das ökologische Grundprinziphaben sich die Tuttlinger von der Naturabgeschaut, die alles über Kreisläufe regelt.Dieser grundlegende Mechanismus findetsich in der Benchmark Factory zum Beispielin der Lüftungsanlage wieder: Tagtäglichmüssen in dem Werk mit <strong>eine</strong>r 13 000 Quadratmetergroßen Halle riesige Luftmassenbewegt und erwärmt werden. Ein energieintensiverProzess bei <strong>eine</strong>r Raumhöhe vondurchschnittlich acht Metern. In derBenchmark Factory hat man dennoch <strong>eine</strong>nWeg gefunden, die Belüftung effizient undenergieschonend zugleich zu betreiben –durch Energieaustausch.Das Prinzip ist simpel: Die verbrauchte,aber warme Abluft aus den Bearbeitungszentren,also den Maschinen zur Implantatherstellung,wird abgesaugt und genutzt,um die frische Zuluft zu erwärmen. DieEnergie aus dem Produktionsprozess verpufftsomit nicht einfach, sondern wirdüber Wärmetauscher an die Raumluftabgegeben. Das lohnt sich auch finanziell:„Die Einsparungen für die Heizkosten liegenbei 40 Prozent“, erklärt BerndSchöndienst. Der ökologischeNutzen dieser Art der Wärmerückgewinnungdürfte allerdingsnoch höher sein.Nicht nur im Belüftungssystem,auch bei derEmulsionsanlage hat man sichin Tuttlingen das Prinzip des natürlichenKreislaufes zu eigen gemacht. Die Emulsionwird gebraucht, um in den Maschinen beiDreh-, Fräs- und Bohrvorgängen ausreichendKühlung und Schmierung zugewährleisten. Das Gemisch aus Wasserund ölhaltigem Konzentrat wird normalerweisejeder Maschine einzeln zugeführtund nach dem Gebrauch aufwändigentsorgt. Nicht so in Tuttlingen: Dort funktioniertdie Anlage als geschlossenesSystem, in dem die verbrauchte Lösungwieder verwendet werden kann, so BerndSchöndienst: „In diesem Kreislauf bewegensich permanent 30000 Liter Emulsionsflüssigkeit.Die Emulsion wird für alle Bearbeitungszentrenzentral gereinigt unddann wieder dem Produktionsprozess zugeführt.“Die Reinigung erfolgt über so genannteVakuumrotationsfilter; nur einkl<strong>eine</strong>r Teil geht beim Bohren und Fräsendurch Verstäubung verloren und mussnachgefüllt werden. Doch das ist nur einBruchteil dessen, was sonst beim Wechselder gesamten Emulsionsflüssigkeit anfallenwürde.Abwasserreinigung. Beim nächsten Arbeitsschrittzeigt sich ein weiterer ökologischerAnsatz des Implantat- und Prothesenherstellers:Nachdem die Produkteentsprechend gebohrt und gefräst sind,müssen sie gereinigt werden. Das geschiehtin der Galvanikanlage, wo im Strombadölige Überreste entfernt und Oberflächenveredelt werden. Das bei der Galvanisierunganfallende Abwasser müsste nach dem Gebrauchaufwändig entsorgt werden. In derBenchmark Factory wird stattdessen einGroßteil aufbereitet: „Das Abwasser unsererGalvanik wird über zwei aufeinanderfolgendeVakuumverdampfer gereinigt“, erklärtBernd Schöndienst, „dadurch muss nurnoch ein Bruchteil der Menge als Schlamm„Nur noch ein Bruchteildes Abwassers mussentsorgt werden.“Bernd Schöndienst,Segmentleiter für Produktionstechnikentsorgt werden.“ Aus drei KubikmeterGalvanikabwasser werden während derAufbereitung etwa 0,3 KubikmeterSchlamm herausgefiltert. Das dabei zurückgewonneneWasser ist so sauber, dass esüber die normale Abwasserleitung entsorgtoder in <strong>eine</strong>r weiteren Stufe für die Anlagewieder genutzt werden kann.Nachhaltiges Wirtschaften wird großgeschriebenim Tuttlinger Werk. Das gehtaber auch ohne hochmoderne Gebäudetechnik,Vakuumfilter und Verdampfer –einfach mit <strong>eine</strong>r Zisterne. Das simplePrinzip der Regenwassernutzung, wie manes aus jedem Vorgarten kennt, wird in derBenchmark Factory ebenfalls genutzt, undzwar zur Bewässerung der Außenanlagen.Der Behälter dafür fasst 31000 Liter. Über<strong>eine</strong>n einfachen Gartenschlauch werden siean die Natur zurückgegeben. Die dürfte sichfreuen, und mit ihr vielleicht auch FrauMerkel.share 200833