PERSPEKTIVEDeutschland · PeruEine peruanische Managerin und eindeutscher Produktionsarbeiter: ZweiErfahrungsberichte aus dem Alltagmit Beruf und Kind.Der täglicheemotionale SpagatLorena Kieffer ist Managing Director derperuanischen Tochtergesellschaft vonB. <strong>Braun</strong>. Seit zehn Jahren arbeitet sie indieser verantwortungsvollen Position undnoch einige Jahre länger ist sie Managerin.Als vor vier Jahren ihr Sohn Sebastian zur<strong>Welt</strong> kam, verschwendete Lorena Kiefferk<strong>eine</strong>n Gedanken daran, den Beruf aufzugeben.Obwohl es nicht ganz einfachwar, die Geschicke des Unternehmens mits<strong>eine</strong>n 320 Mitarbeitern weiter souveränzu lenken: Sie musste während derSchwangerschaft und auch nach der Geburtviel liegen. Kurzerhand richtete sichdie energische Frau ein Büro zu Hause ein.Laptop, Handy und Telefon wurden zumwichtigsten Werkzeug. Besonders stolz istdie Managerin, dass sie und ihr Team trotzihrer monatelangen Abwesenheit dieneuen Qualitätsstandards nach DIN ISO9001: 2000 erfolgreich eingeführt haben.Als ihr Sohn drei Monate alt wurde, warLorena Kieffer wieder an ihrem Arbeitsplatzin der Firma präsent. Obwohl es ihrnicht leichtfiel, den Kl<strong>eine</strong>n zu Hausezurückzulassen: „Wo immer es geht,kümmere ich mich persönlich um ihn“,schildert sie. „Mein Mann ist zum Glück<strong>eine</strong> große Hilfe und ein sehr engagierterVater.“ Aber auch er steht im Berufslebenund so gibt es noch die liebevolle Kinderfrau,die Sebastian seit s<strong>eine</strong>m fünftenLebensmonat betreut. Falls beide Eltern26 share 2008
abends später kommen, weil so viel Arbeitbewältigt werden muss oder <strong>eine</strong> wichtigeBesprechung ansteht, springt auch dieGroßmutter ein.Rückhalt im Team. Lorena Kieffer ist mitLeib und Seele Mutter. In der Regel schafftsie es, den Tag so zu organisieren und zustrukturieren, dass für beides genügendRaum bleibt – Job und Kind. „Man lernt,Prioritäten sehr entschieden zu setzen undsehr ökonomisch mit s<strong>eine</strong>r Zeit umzugehen“,sagt sie. Zwischen Wohnhaus„Zum Glück habe ich in derFirma viel Rückhalt und <strong>eine</strong>nhervorragenden Mitarbeiterstab.“Lorena Kieffer, Managing Directorund Büro liegen zum Glück nur zehnMinuten Fahrzeit, und so isst dieManagerin normalerweise mittags gemeinsammit der Familie. „<strong>Für</strong> kl<strong>eine</strong>Kinder ist es enorm wichtig, dass ihreEltern für sie da sind, besonders in so entscheidendenEtappen wie dem Kindergarten-oder Schuleintritt. Mutter undVater sorgen mit ihrer Präsenz für dienotwendige emotionale Stabilität.“Etwas einfacher wird es, so hofft sie,wenn der Sohn älter und selbstständigerist. Dann wird es auch noch seltenersolche Tage geben, an denen sie die Arbeitgern einmal hintenanstellen würde: Wiebei jenem Regionalmeeting, das sie inLima als Hauptgastgeberin leitete. DieTagesordnung sah auch für den letzten Tagein volles Programm und ein Abschiedsdinnervor – am gleichen Tag feierte Sebastians<strong>eine</strong>n zweiten Geburtstag. „Nachdem Meeting fuhr ich schnell nach Hause,um m<strong>eine</strong>m Sohn ein Ständchen zusingen, und nach <strong>eine</strong>r halben Stundemusste ich wieder weg, um die Gäste zumDinner abzuholen“, erinnert sie sich. „Daswar wirklich hart.“ Aber zum Glück sindsolche Momente selten. Normalerweisesind die verschiedenen Rollen – als erfolgreicheManagerin, Frau und Mutter – fürLorena Kieffer die Kraftquellen, aus denensie wechselseitig ihre Energie schöpft.„Neue Väter“. Auch Mario Hildebrand aus<strong>Melsungen</strong> stellt sich der Herausforderung,Beruf und Kind unter <strong>eine</strong>n Hut zubekommen. Im Februar wurde der Sterilisiererin der Einweg-Medizinprodukteherstellungbei B. <strong>Braun</strong> zum ersten MalVater. Seit sein kl<strong>eine</strong>r Sohn Finn sechsMonate alt ist, kümmert sich Papa regelmäßigum ihn: Der Schichtarbeiter nimmtFamilienteilzeit. Hildebrand gehört zujenen „neuen“Vätern, die sichnicht bloß fürsFamilieneinkommenzuständig fühlen,sondern die ihreKinder auch aktivim Alltag begleiten.„Im ersten Lebensjahr passiert so viel, beinahejeden Tag lernt Finn etwas Neues.Das finde ich ungeheuer spannend“,schildert der stolze Vater. Schon seitJahren war es sein Traum, ebenfalls Elternzeitzu nehmen, wenn das gewünschteKind kommt. „Aberich habe nie ernstlichgeglaubt, dasrealisieren zu können“,sagt er. Dennvon s<strong>eine</strong>m Einkommenlebt dieFamilie, s<strong>eine</strong> Fraustudiert noch und arbeitet nebenbeistundenweise als Verkäuferin. Ihr Lohnwürde nicht für das Notwendigste reichen.Dann kamen die neuen Gesetze zumElterngeld – und vor allem das Familienteilzeit-Modellbei B. <strong>Braun</strong>. Das heißt fürMario Hildebrand: Acht Monate lang arbeiteter nur drei statt sechs Tage imSchichtdienst und bekommt dafür 65 Prozents<strong>eine</strong>s Vollzeitgehaltes. Zwei Dritteldes verbleibenden Defizits füllt dasstaatliche Elterngeld.Während er arbeitet, bleibt s<strong>eine</strong> Frau zuHause. An den freien Tagen übernimmt erden Kl<strong>eine</strong>n, s<strong>eine</strong> Frau hat wieder etwasmehr Zeit für ihr Studium, den Haushalt„Wir können uns die Arbeitsaufgabenflexibel einteilen,und so läuft alles reibungslos.“Mario Hildebrand, Sterilisiererund ein wenig persönlichen Freiraum. „Siefreut sich sehr über die Unterstützung“,sagt Hildebrand. „Und sie hatte auch k<strong>eine</strong>Angst, mir den Kl<strong>eine</strong>n zu überlassen – ichhabe mich ja von Anfang an mit um ihngekümmert, wenn ich zu Hause war, undhatte also auch schon Übung im Wickelnund Baden.“Nie ganz draußen. Trotzdem war es <strong>eine</strong>große Umstellung: Das Leben mit Kindfolgt <strong>eine</strong>m ganz anderen Rhythmus. „Abermittlerweile genieße ich die Zeit sehr. Ichhabe <strong>eine</strong> viel intensivere Beziehung zum<strong>eine</strong>m Kl<strong>eine</strong>n gewonnen.“ Und er hatgelernt, Prioritäten neu zu setzen, wenigerWichtiges auch mal auf später zu verschieben.Die Kollegen aus der Abteilungund deren Leiter tragen Hildebrands Entscheidung,<strong>eine</strong> Zeitlang zugunsten desKindes weniger zu arbeiten, vorbehaltlosmit: „Alle haben mir gratuliert, da kamkein einziger dummer Kommentar. ZumGlück lässt sich unsere Arbeit recht gutumorganisieren, denn normalerweise sindwir zu zweit in den Schichten. Wenn ichzu Hause bin, übernimmt mein Kollege dieunmittelbaren Aufgaben für die Produktion.An m<strong>eine</strong>n Arbeitstagen kümmernwir uns dann um die Projekte, die nicht anfeste Zeiten gebunden sind. Wir könnenuns die Arbeitsaufgaben flexibel einteilen,und so läuft alles reibungslos.“Der Vorteil liegt auf der Hand: MarioHildebrand ist nie wirklich draußen ausdem Job, bleibt in der gleichen Abteilungund fachlich immer auf dem neuestenStand. So braucht er sich auch um s<strong>eine</strong>nVollzeit-Wiedereinstieg nächstes Frühjahrk<strong>eine</strong> Sorgen zu machen. Der kl<strong>eine</strong> Finnbesucht dann – dank der Unterstützungvon B. <strong>Braun</strong> – vormittags <strong>eine</strong> Kindereinrichtungin <strong>Melsungen</strong>.share 200827