brennpunkt 3-2012 .indd - Edition dibue
brennpunkt 3-2012 .indd - Edition dibue
brennpunkt 3-2012 .indd - Edition dibue
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Helmut Newton, »Self Portrait with Wife and Models«, Vogue Studio, Paris 1981,<br />
© Helmut Newton Estate<br />
nischen Aufnahmen gezählt werden<br />
sollten: weibliche halbnackte Modelle<br />
mit orthopädischen Stützprothesen, die<br />
kurz nach J.G. Ballards Roman »Crash«<br />
entstanden, oder mit Hermès-Ledersatteln,<br />
die besonders kontrovers diskutiert<br />
wurden, sowie die sogenannten<br />
Dummies: 1978 begann Newton für<br />
Modeaufträge der französischen Vogue<br />
mit Schaufensterpuppen zu arbeiten, die<br />
er etwa spät abends mit Drähten an der<br />
Seine-Brücke Pont Alexandre III befestigen<br />
ließ. Diesen wurden von Stylisten<br />
die neuesten Kollektionen angezogen<br />
und so lebendig zurecht gemacht, dass<br />
man den Unterschied zwischen Lebewesen<br />
und Puppe erst auf den zweiten<br />
Blick feststellen konnte. Auch in<br />
seiner zweiten Publikation »Sleepless<br />
Nights« tauchen Schaufensterpuppen<br />
auf, meist in amouröser Kombination mit<br />
einem Menschen. Durch die Interaktion<br />
der beiden Protagonisten baute Newton<br />
eine für die Modephotographie seiner<br />
Zeit einzigartige inhaltliche Spannung<br />
auf. Mode scheint für ihn häufig nur ein<br />
Vorwand gewesen zu sein, etwas anderes,<br />
eigenes zu realisieren.<br />
Spätestens seine dritte Publikation<br />
»Big Nudes« sicherte dem inzwischen<br />
Anfang 60-jährigen Helmut Newton<br />
einen festen Platz auf dem photographischen<br />
Olymp: Das Buch wird seit 1981<br />
bis heute verlegt, inzwischen hunderttausendfach<br />
gedruckt, in mehreren Verlagen<br />
und Sprachen. Karl Lagerfeld, mit<br />
dem und für den Newton seinerzeit viel<br />
photographierte, steuerte für die deutsche<br />
Ausgabe ein Vorwort bei.<br />
Newton erklärt die Entstehung der »Big<br />
Nudes« in seiner Autobiographie: Er sei<br />
durch die großformatigen RAF-Fahndungsplakate<br />
der deutschen Polizei<br />
auf die Idee gekommen, auch ganzfigurige<br />
Aktaufnahmen mit der Mittelformatkamera<br />
im Studio zu machen, die<br />
er dann später lebensgroß abzog. Die<br />
monumentalen Bilder wurden bald<br />
nach ihrem Entstehen in verschiedenen<br />
Museen gezeigt; Newton stieß mit<br />
den hier veröffentlichten »Big Nudes«<br />
sowie den später ebenfalls lebensgroß<br />
bis 18. November <strong>2012</strong><br />
Helmut Newton Stiftung<br />
Museum für Fotografie<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – So 10 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 22 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2012</strong><br />
Galerien<br />
abgezogenen Bildern der »Naked and<br />
Dressed«-Serie in eine neue Dimension<br />
des photographischen Menschenbildes<br />
vor. Letztgenannte Sequenz realisierte<br />
er zunächst pleinair im Frühjahr<br />
1981 für die italienische Vogue, einige<br />
Monate später im Studio für deren französische<br />
Ausgabe. Das Diptychon »Sie<br />
kommen«, das in diese Reihe gehört,<br />
hängt als Dauerpräsentation seit der<br />
Eröffnung der Helmut Newton Stiftung<br />
in deren oberer Lobby– gegenüber den<br />
»Big Nudes«.<br />
Die aktuelle Ausstellung in Berlin, die<br />
für das Museum of Fine Arts in Houston<br />
erdacht wurde und zuvor bereits<br />
dort zu sehen war, ist diesen ersten<br />
drei legendären Publikationen gewidmet<br />
– die in den Büchern publizierten<br />
Motive verwandeln sich hier in<br />
Ausstellungsprints. Zu seinen Lebzeiten<br />
wurden die frühen, teilweise ikonischen<br />
Bilder an der Schwelle von der<br />
Mode- zur Aktphotographie nie zusammen<br />
gezeigt. Mit dieser Präsentation<br />
folgt die Helmut Newton Stiftung der<br />
Ausstellungsidee, Newtons Werk unter<br />
unterschiedlichen Aspekten und mit<br />
Blick auf verschiedene Genres auch aus<br />
den eigenen Publikationen heraus zu<br />
beleuchten. Das geschah bereits zuvor<br />
in der Gruppenausstellung »Wanted<br />
(Newton, Gibson, Clark)« mit der Fokussierung<br />
auf das von Newton zwischen<br />
1987 und 1995 herausgegebene eigene<br />
Magazin »Helmut Newton’s Illustrated«<br />
oder später mit »Helmut Newton<br />
SUMO«, als anlässlich der Neuauflage<br />
des legendären Bildbandes, zehn<br />
Jahre nach seinem ersten Erscheinen,<br />
die Berliner Ausstellungssäle mit allen<br />
394 Bildmotiven jener bahnbrechenden<br />
Publikation gefüllt wurden. Inzwischen<br />
interessieren sich immer mehr Sammler<br />
auch für historische Photobücher; Newtons<br />
frühe Bildbände gehören selbstverständlich<br />
in diesen Kanon.<br />
Matthias Harder<br />
9