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Galerien<br />
HELMUT NEWTON<br />
»WHITE WOMEN /<br />
SLEEPLESS NIGHTS /<br />
BIG NUDES«<br />
Helmut Newton gehört zweifellos zu<br />
den bedeutendsten Photographen des<br />
20. Jahrhunderts, seine unnachahmlichen<br />
Mode- und Aktaufnahmen sowie<br />
die Porträts werden bis heute veröffentlicht.<br />
Seine erste Buchpublikation<br />
unter dem Titel »White Women«<br />
erschien erstaunlicherweise erst 1976,<br />
als Newton bereits 56 Jahre alt war,<br />
dafür jedoch gleich in mehreren Ausgaben<br />
und Sprachen: Es ist ein legendäres<br />
Buch geworden, wurde kurz<br />
nach Erscheinen mit dem »Kodak Fotobuchpreis«<br />
ausgezeichnet und seitdem<br />
immer wieder aufgelegt. Newton<br />
landete mit »White Women« einen<br />
Clou, weil er einer visuellen Erotisierung<br />
der Mode den Weg bereitete, die<br />
1980/1981 in seinen berühmten Serien<br />
»Big Nudes« und »Naked and Dressed«<br />
kulminierte. Den ungewöhnlichen Einfall,<br />
zeitgenössische Mode mit bekleideten<br />
und unbekleideten Modellen in<br />
Form von Diptychen zu präsentieren,<br />
hatte Helmut Newton bereits Mitte der<br />
1970er Jahre vorbereitet. In der europäischen<br />
Kunstgeschichte existierte dafür<br />
ein berühmtes Vorbild aus der Zeit um<br />
1800 – nämlich Goyas querformatige<br />
Gemälde der nackten und bekleideten<br />
Maja, die nebeneinander im Prado<br />
hängen.<br />
Newtons herausfordernder Idee einer<br />
radikalen Nacktheit in der Mode (oder<br />
besser als Randbereich der Mode) folgten<br />
später viele Kollegen, aber auch ein<br />
Regisseur: 1994 zeigte Robert Altman<br />
in der Schlussszene seines Filmes »Prêtà-porter«<br />
Modelle, die bei den Pariser<br />
Modenschauen vollkommen nackt über<br />
den Laufsteg defilierten und das Publikum,<br />
nach einiger Skepsis, begeisterten.<br />
Der Verzicht auf die Mode selbst<br />
und die Konzentration auf den eigentlich<br />
durch die Mode verhüllten (weiblichen)<br />
Körper sind vermutlich eine Übernahme<br />
des damals bereits berühmten<br />
Newton’schen Leitmotivs.<br />
8 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2012</strong><br />
Helmut Newton, »Sie kommen«, from the series Big Nudes, Paris 1981, © Helmut Newton Estate<br />
Dass Damenmode verführen und die<br />
beauftragten Photographen dies unterstützen<br />
sollen, ist hinlänglich bekannt.<br />
Newton ging in seinen Bildern in den<br />
1970er Jahren einen entscheidenden<br />
Schritt weiter – er vereinte subtil Nacktheit<br />
und Mode: Im Ambiente luxuriöser<br />
Hotels rutschte der einen oder anderen<br />
Frau schon einmal lasziv der Träger<br />
des Kleides herunter und ließ eine Brust<br />
zum Vorschein kommen. Oder aber<br />
Newton stellte in einer Nachtaufnahme<br />
in einer Gasse in Paris neben ein Modell<br />
im Yves-Saint-Laurent-Damensmoking<br />
eine zweite nackte Frau. Solche ungewöhnlichen<br />
Bilder haben die Szene<br />
überrascht und provoziert, vor allem<br />
aber haben sie die Modephotographie<br />
revolutioniert. Überdies begleiten und<br />
kommentieren solche Aufnahmen den<br />
Wandel der Rolle der Frau in der westlichen<br />
Gesellschaft jener Zeit.<br />
Neben die Schwarz-Weiß-Bilder aus<br />
dem erweiterten Modekontext stellte<br />
Newton in seiner ersten Publikation<br />
Farbaufnahmen nackter weiblicher<br />
Modelle in Swimmingpools unter süd-<br />
licher Sonne. In einem kurzen Kommentar<br />
im Buch erklärte der Photograph,<br />
dass er nie Kulissen im Studio<br />
aufbauen, sondern vielmehr immer passende<br />
Schauplätze für seine Bilder vor<br />
Ort suchen würde. Und so benutzte er<br />
beispielsweise einen Ankleidespiegel<br />
in der Villa d’Este für ein inszeniertes<br />
Modeporträt, auf dem sich ein Modell<br />
in enger Reiterhose und bloßen Brüsten<br />
bewundert. Newton macht uns Bildbetrachter<br />
so unweigerlich zu Voyeuren.<br />
Ebenso raffiniert und perfekt arrangierte<br />
er die Aufnahmen in Schwarz-Weiß und<br />
Farbe, die 1978 in seinem zweiten Buch<br />
»Sleepless Nights« vereint wurden und<br />
zuvor in so unterschiedlichen Magazinen<br />
wie der amerikanischen oder italienischen<br />
Vogue, dem Playboy oder dem<br />
Spiegel publiziert worden waren. Auch<br />
hier geht es um Frauen, ihre Körper und<br />
Kleider; viele Aufnahmen sind nicht nur<br />
Modebilder, sondern gleichzeitig Porträts,<br />
manche könnten auch Aufnahmen<br />
von Kriminalschauplätzen sein. Hier<br />
tauchen erstmals drei kleinere Bildserien<br />
auf, die später zu Newtons iko-