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Hartmut Neumann<br />
»Mit und neben der<br />
Natur«<br />
Neue Fotoarbeiten<br />
Hartmut Neumanns abstrakte, skulpturale,<br />
utopische und inszenierte Sicht<br />
auf Natur bildet einen vorgegebenen<br />
Bezugsrahmen zu den Arbeiten von Alfred<br />
Ehrhardt, auf die sich der Künstler in dieser<br />
für die Alfred Ehrhardt Stiftung konzipierten<br />
Ausstellung bezieht. Neumann<br />
nimmt den dialogischen Ansatz der<br />
Ausstellungstätigkeit der Stiftung auf,<br />
der in der Gegenüberstellung der historischen<br />
Fotografie und Filmkunst von<br />
Alfred Ehrhardt mit zeitgenössischen<br />
Fotografen und Fotografinnen liegt,<br />
die sich in ihrem Werk grundlegend<br />
mit dem Begriff der »Natur« und den<br />
»Konstruktionen des Natürlichen« auseinandersetzen.<br />
Hartmut Neumann komponiert ausgestopfte<br />
Tiere, pflanzliche Elemente,<br />
natürliche Materialien und künstliche<br />
Erzeugnisse assemblageartig<br />
zu Bildwelten von erschreckender<br />
Künstlichkeit. Er konstruiert Natur, die<br />
sich zwar aus erkennbaren natürlichen<br />
Formen zusammensetzt, die aber dennoch<br />
irritierend fremdartig erscheint. Er<br />
inszeniert absurde Bildwelten zwischen<br />
Abstraktion und Gegenständlichkeit.<br />
Präparierte Finken und Maisen verstecken<br />
sich in aus Bauschaum aufgeworfenen<br />
Eisgrotten, Sittiche brüten vor<br />
einer Wand aus Plastikpflanzen und<br />
Tierfell, Styroporkugeln, Kunststoffringe<br />
und Isoliermaterialien mutieren zu einer<br />
stellaren Konstellation im tiefschwarzen<br />
Kosmos. Einen Schwerpunkt der<br />
Ausstellung bilden Arbeiten, die sich<br />
mit dem Thema des Kosmos befassen.<br />
Sowohl in seinen Fotografien als auch in<br />
der Malerei konstruiert er außerirdische<br />
Welten aus Formen und Gegenständen,<br />
deren kosmologischer Charakter sich<br />
erst durch die Art und Weise erschließt,<br />
wie er sie zueinander in Beziehung setzt.<br />
Nachdem Hartmut Neumann seine<br />
Arrangements fotografiert hat, werden<br />
sie wieder zerstört. Sie überdauern einzig<br />
im Medium der Fotografie.<br />
Hartmut Neumann, Kosmonauten 1, 2011,<br />
92x116 cm, Pigmentdruck auf Barytpapier<br />
© Hartmut Neumann / VG BildKunst, Bonn<br />
Die schier unerschöpfliche Fülle seines<br />
Formenrepertoires ist getragen von der<br />
Idee der »Kunst- und Wunderkammer«,<br />
wo »artificialia« und „naturalia“ wie in<br />
einem Mikrokosmos des Universums eng<br />
verzahnt wurden. Aber auch naturkundliche<br />
Dioramen und Naturdarstellungen<br />
historischer Fachbücher haben die<br />
Formensprache des Künstlers angeregt.<br />
Als Motivquelle diente ihm seine über<br />
Jahrzehnte hinweg zusammen getragene<br />
eigene Sammlung ausgestopfter<br />
Tiere, angereichert durch weitere<br />
Naturversatzstücke, allerlei Objekte<br />
verschiedensten Materials und etliche<br />
Alltagsgegenstände. Neumanns<br />
rätselhafte Bilderfindungen zeichnen<br />
sich durch Opulenz und überbordenden<br />
Detailreichtum aus. Seine theatralischen<br />
Natur-Inszenierungen von selten<br />
gesehenem Wahnwitz hinterlassen<br />
einen intensiven Eindruck. Etwas<br />
unheimlich kommen sie daher, die von<br />
Präparatoren geformten Häute, Federn<br />
und Felle verstorbener Lebewesen. Ihr<br />
stierer Blick, ihre räudige Hülle, die<br />
Unbeweglichkeit ihrer den natürlichen<br />
Bewegungsabläufen angelehnten<br />
verlebendigenden Pose, geeint mit<br />
der Erstarrung des Moments im fotografischen<br />
Bild, lässt uns erschauern. Die<br />
künstlerisch überformten Naturstücke<br />
halten das Tote wie eine Reliquie lebendig<br />
und hauchen ihm ein zweites, künstlich-künstlerisches<br />
Leben ein.<br />
Die von heimischen und exotischen<br />
Tieren bevölkerten utopischen Gärten<br />
beschreiben eine Paradieswelt, in der<br />
es keine Menschen gibt. Der Künstler<br />
wird zum Welten-Neuschöpfer, der alte<br />
Wettstreit des Künstlers mit der Natur<br />
ist hier als mehrschichtiger Prozess präsent.<br />
Aber Hartmut Neumanns unge-<br />
21. Juli bis 7. Oktober <strong>2012</strong><br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr<br />
www.alfred-ehrhardt-stiftung.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2012</strong><br />
Galerien<br />
mein faszinierenden wie beunruhigenden<br />
Bilder sind alles andere als abbildhafte<br />
Naturstücke oder Darstellungen<br />
einer paradiesischen Urnatur. Es sind<br />
Artefakte und Konstruktionen, deren mit<br />
den Mitteln der Malerei, Grafik, Skulptur<br />
und Fotografie erstellte Künstlichkeit<br />
deutlich im Vordergrund steht. Hatte<br />
Stefan Berg 1999 geschrieben, Neumann<br />
sei »maßlos im Anspruch, alles, restlos<br />
alles in Malerei zu verwandeln und dabei<br />
Maßstäblichkeit, Verhältnismäßigkeit<br />
und malerische Konventionen komplett<br />
zu opfern«, so gilt Gleiches in<br />
der Zurückführung der skulpturalen<br />
Objekt-Assemblagen in die zweidimensionale<br />
schwarz-weiße Fläche der<br />
Fotografie. Die Fotografie erlaubt ihm<br />
den Freiraum, sich mit scheinbar verdächtigen<br />
Themen ohne Rücksicht auf<br />
bildnerische Konventionen uneingeschränkt<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Hartmut Neumann, 1954 in Delmenhorst<br />
geboren, studierte an der Hochschule<br />
für Kunst in Bremen bei Prof. Rolf<br />
Thiele. 1983 »Kunstpreis Junger<br />
Westen«, 1985/86 Stipendiat der<br />
Villa Massimo, 1988 Kunstpreis des<br />
Deutschen Künstlerbundes. Zahlreiche<br />
Gruppen-und Einzelausstellungen<br />
(u.v.a. Kunstmuseum Düsseldorf<br />
1991, Kunsthalle Recklinghausen<br />
1992, Ludwig Forum Aachen 1998,<br />
Von der Heydt-Museum Wuppertal<br />
2000, Herzog-Anton-Ulrich-Museum<br />
Braunschweig 2003, Forum Kunst<br />
Rottweil 2009). Seit 1992 Professur für<br />
Malerei an der Hochschule für Bildende<br />
Künste Braunschweig.<br />
In Zusammenarbeit mit Sabine Schmidt<br />
Galerie, Köln.<br />
Vernissage:<br />
Freitag, 20. Juli <strong>2012</strong>, 19 Uhr<br />
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