brennpunkt 3-2012 .indd - Edition dibue
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Galeriebericht<br />
sports, Stress und Erschöpfung neben<br />
Glück und Triumph. Schmitt hat schon<br />
6 Mal den World Press Award gewonnen<br />
und ist seit 1977 beim Stern. Um so<br />
mehr verwundert, was er 2002 in einem<br />
Planet-Interview gesagt hat: »Das Fotografieren,<br />
ja, das finde ich ganz nett, es<br />
ist für mich ein Vehikel, um mir die Welt<br />
anzugucken. Ich würde das eigentlich<br />
viel lieber ohne Kamera machen und<br />
den Leuten nur zugucken.« Können wir<br />
ihm das glauben?<br />
Fast versteckt hängt im Deutschen Technikmuseum<br />
eine Reportage von Roland<br />
Köhler, der das so bestimmt nicht sagen<br />
würde. Er ist seit 2002 sehr engagiert in<br />
der Uckermark unterwegs, der »Toskana<br />
des Nordens«, auf der Spur der Zugezogenen,<br />
die dort eine neue Heimat<br />
fanden. Das ausdrucksvolle Schwarzweiß<br />
harmoniert wunderbar mit den<br />
Texten der Neusiedler, die frisch und frei<br />
von ihren Erfahrungen berichten. Man<br />
wird erinnert an das Lebenswerk von<br />
Fotografen wie Roger Melis und Gerhard<br />
Weber, deren Schaffen über die<br />
reine Dokumentation weit hinausgeht.<br />
Gerhard Weber hat im letzten Sommer<br />
Furore gemacht mit einer Freiluftausstellung<br />
in Grimma. Bis April war er im<br />
Photoplatz des Hotel Bogotá zu sehen<br />
mit Beispielen aus seiner Serie »Privatleben«.<br />
Mit den »100 Bildern des Jahres<br />
2011« der GfF wandern derzeit 5 Werke<br />
von ihm durch ganz Deutschland. Im<br />
Photoplatz, ihm zur Seite, Göran Gnaudschun<br />
mit sehr einfühlsamen Porträts<br />
in Farbe, und die schrillen mexikanischen<br />
Konterfeis »Chimuelos« von<br />
Laura Silleras.<br />
Eine Überraschung war Beta Siebel in<br />
Gino Puddus Galerie-Café Aroma.<br />
Zuerst denkt man über die verwischten<br />
Farben mit dem Titel »Flüchtige<br />
Begegnung«: Alles unscharf, soll wohl<br />
Kunst sein. Aber bei näherer Betrachtung<br />
schwindet das Vorurteil. Mit den<br />
»Short Stories« aus und in der Berliner<br />
S-bahn gelingt es der Fotografin, unser<br />
aller Eindrücke, wenn wir im Getriebe<br />
der Stadt unterwegs sind, auf wunderbare<br />
Weise festzuhalten, genau so flüchtig,<br />
wie wir sie wahrnehmen, aber nicht<br />
von der nächsten Beobachtung sofort<br />
verwischt.<br />
44 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2012</strong><br />
© Beate Siebel, (O.i.F.)<br />
© Benita Suchodrev, »Ilona«, 2011<br />
So können wir eindringen in eine Zwischenwelt,<br />
die uns in der Realität verborgen<br />
bleibt. Die Fotografie macht’s<br />
möglich.<br />
Unsere großen Galerien sind schon<br />
durch ihr Raumangebot festgelegt<br />
auf Retrospektiven und weit gefasste<br />
Themen. Die kleinen privaten können<br />
sich einer Idee, einem mutigen Projekt<br />
widmen und es wird doch ein Ganzes<br />
daraus.<br />
Ein Gespür dafür hat Manfred Carpentier,<br />
der seinen »Raum für Kunst« in der<br />
Meinekestraße im April der »Woman<br />
in Heat« geöffnet hat, der Frau über 40,<br />
von Benita Suchodrev. Die attraktive<br />
Amerikanerin mit russischen Wurzeln<br />
möchte die reife Frau »nicht als Objekt,<br />
sondern als Subjekt auch ihrer Sexualität<br />
zeigen«. Kurze Statements ihrer<br />
»models«, die ihr Outfit und ihr comingout<br />
selbst bestimmen können, sind den<br />
ausdrucksvollen Studioaufnahmen beigegeben.<br />
Jede intensive Porträtsitzung<br />
setzt starkes Vertrauen voraus, vor allem<br />
von Seiten der fotografierten Person. Die<br />
Hemmschwelle, Privates öffentlich zu<br />
machen, ist heute niedrig. Aber ich<br />
frage mich doch, ob den so offenherzigen<br />
Frauen klar war, dass der intime<br />
Moment, mit der Fotografin als einziger<br />
Zeugin, dann Tausenden offenbar wird<br />
durch Presse und Internet, zum Ruhme<br />
der Künstlerin, via www.stern.de und<br />
www.womaninheat.com.<br />
Jetzt wechseln wir die Spezies. Kunstfans<br />
wissen, dass die diesjährige Documenta<br />
in Kassel schon den Spitznamen<br />
Dogumenta hat, weil der Hund die<br />
Szene beherrscht, freilaufend in natura<br />
und zugleich als Bestandteil der Kunst,<br />
Vielleicht ist die Galeristin Johanna<br />
Breede dadurch auf die Hunde des<br />
Michael Ruetz gekommen. Seine<br />
»Family of Dog« ist bei ihr noch bis 11.