brennpunkt 3-2012 .indd - Edition dibue
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Galeriebericht<br />
So siehst du aus!<br />
….müssen wir uns sagen lassen, wenn<br />
wir mal wieder voll daneben liegen.<br />
Fürs fotografische Porträt ist der Slogan<br />
ein herbes Urteil. Kaum mal gelingt<br />
gestandenen Fotografen ein ehrliches<br />
Selbstbildnis. Am liebsten verstecken sie<br />
sich hinter ihrer Kamera, wie Doisneau<br />
auf unserem Titel Heft 1/<strong>2012</strong>. Deshalb<br />
liefern sie sich gern einem kompetenten<br />
Kollegen aus. Ein solcher war für den<br />
deutschen Sprachraum von 56 bis 84<br />
des vorigen Jahrhunderts Fritz Kempe,<br />
vorgestellt von Norbert Bunge bei argus<br />
fotokunst. Die 50 schlichten, handwerklich<br />
versierten Fotografenporträts lockten<br />
hauptsächlich ihresgleichen an.<br />
Vor allem die »Gehängten« waren auf<br />
der Vernissage anzutreffen, u.a. Robert<br />
Lebeck, Will McBride und Stefan Moses.<br />
Kempe war mehr Archivar als Künstler,<br />
auch Anreger und Lehrer. Seinen soliden<br />
Porträts fehlt ein wenig Pep, eine<br />
Prise Humor vielleicht.<br />
Ein bedeutendes Lebenswerk haben alle<br />
seine Kollegen aufzuweisen. Das von<br />
Stefan Moses besteht vor allem in seiner<br />
Darstellung der »Deutschen«, einst in<br />
West und dann in Ost nach 89. Begonnen<br />
hat er damit schon in der Nachkriegszeit.<br />
Er arbeitet so systematisch<br />
wie einst August Sander, aber seine<br />
Menschen sind heiter und locker arrangiert,<br />
man kommt aus dem Schmunzeln<br />
nicht heraus. So auch seine bezaubernden<br />
»großen Alten im Wald«, von denen<br />
wir einen, Willy Brandt, auf unserem<br />
letzten Titel hatten. Zur Eröffnung der<br />
»Emigranten« bei Johanna Breede hielt<br />
Christoph Stölzl die Laudatio.<br />
Der Berliner Jim Rakete arbeitet ebenfalls<br />
konzeptuell und hat sich vor allem<br />
dem Film und der Musik verschrieben.<br />
Neben seinen großen Filmporträts »Der<br />
Stand der Dinge« hat er kürzlich mit<br />
»Rockpoeten« entsprechend poetische<br />
Schwarzweißbilder gemacht, auch von<br />
weniger bekannten Musikern. Seine<br />
kraftvolle Fotografie adelt sie alle. In der<br />
hellen neuen Galerie Münzing-Claasen<br />
am Hohenzollernplatz kamen sie gut<br />
zur Geltung.<br />
42 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2012</strong><br />
© Fritz Kempe, »Robert Lebeck«, 1979<br />
Mit Arnold Newman stellte uns c/o<br />
Berlin etwas marktschreierisch den<br />
»kreativsten und erfolgreichsten Porträtfotografen<br />
der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts«<br />
vor. Er hat damit 1938 in einem<br />
Kaufhaus in Philadelphia angefangen<br />
und sich später an die Prominenz herangemacht,<br />
hat Dalí, Warhol und die<br />
Monroe vor die Kamera geholt, nebst<br />
Max Ernst, Ansel Adams, Cecil Beaton<br />
und schließlich Alfried Krupp, dämonisch<br />
in seiner Werkhalle, mit unschuldigem<br />
Blick und gefalteten Händen.<br />
Newman gestaltete vor seiner Großformatkamera<br />
jedes Bildnis sorgfältig im<br />
Umfeld und sagte: »5 % sind Eingebung,<br />
95 % das Verrücken der Möbel«.<br />
Ganz anders der Niederländer Anton<br />
Corbijn bei Camera Work. Er fotografiert<br />
nicht Menschen sondern Namen.<br />
Seine – zugegeben imposanten – harten<br />
schwarzweißen Quadrate im breiten<br />
dunklen Rahmen sind aggressiv. Mick<br />
Jagger und Tom Waits werden zu Monstern,<br />
Damien Hirst zum Untoten mit<br />
schwarzen Augenhöhlen. Der Clou sind<br />
die Preise: 17.900.- Euro für den armen<br />
nackten Iggy Pop am Waldbach. Bei<br />
Gerhard Richters Hinterkopf hat Corbijn<br />
noch dessen aktuellen Marktwert<br />
draufgeschlagen: 23.800.- Euro.<br />
Mir sind die Fotografen lieber, denen<br />
es um den Menschen geht. Um für<br />
ein soziales Anliegen Aufmerksamkeit<br />
zu wecken, sind schon mal drasti-<br />
© Stefan Moses, »Thomas und Katja Mann«,<br />
Weimar, 1949<br />
© Jim Rakete, »Moritz Bleibtreu«<br />
sche Mittel angebracht. Die Fotografie<br />
hat trotz aller Manipulierbarkeit eine<br />
Überzeugungskraft, die sich direkt überträgt.<br />
Das bewies schon Diane Arbus,<br />
die uns der Gropiusbau bis 23. September<br />
präsentiert. Allerdings: Vieles,<br />
was vor 50 Jahren Provokation war, ist<br />
heute jugendfrei. Arbus ging es auch<br />
nicht um den Schock, sondern um die<br />
Verwundbarkeit des Individuums, vor<br />
allem des von der Gesellschaft ausgegrenzten.<br />
Das mag auch für Larry Clark<br />
die Motivation gewesen sein, als er um