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GeBe-Unfallmerkblatt - Gefahrgutridder.info

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✃GEBE-UNFALLMERKBLATT 3Los Alfaques: Eine Tragödiemit Konsequenzen(Dipl.-Ing. Klaus Ridder, Königswinter) Der Gefahrgutunfallam 11. Juli 1978 auf dem spanischen Campingplatz Los Alfaques,100 Kilometer südlich von Tarragona, hat dieeuropäische „Gefahrgutwelt“ verändert. Kaum jemand hattesich bis dahin um das sensible Gebiet „Transport gefährlicherGüter“ gekümmert. Doch mit Los Alfaques wurden diePolitiker wachgerüttelt, eine Gefahrgutfahrerschulung fürTankwagenfahrer eingeführt und es geschah noch vielesmehr.Unfallablauf: Zwischen Straße und Meer liegt auf einerBreite von etwa 200 Metern der Campingplatz Los Alfaques.Ein mit Propylen (UN 1077) beladenes Tankfahrzeug passiertdiese Stelle. Der Tank versagt gerade zu dem Zeitpunkt,als sich das Tankfahrzeug in Höhe des Campingplatzesbefindet. Propylen, das schwerer als Luft ist, wird freigesetztund dehnt sich aus – auch in Richtung Campingplatz.Eine Zündquelle ist vorhanden, wo auch immer: Vielleichtein brennender Grill auf dem Campingplatz? Eskommt zu einer verheerenden Explosion. Teile des Tankfahrzeugswerden etwa 300 Meter weit weg geschleudert. InRichtung Campingplatz breitet sich eine Feuerwalze aus.Die Campingplatz-Bewohner versuchen zu fliehen, schwimmenteilweise hinaus aufs Meer, werden aber von den Flammeneingeholt. Das Unglück fordert über 200 Menschenleben,über 400 Menschen erleiden teilweise schwersteBrandverletzungen.Unfallursache: Recherchen ergaben, dass der Fahrzeugführerin einer Raffinerie südlich von Tarragona die Ladungaufgenommen hatte. Ein füllungsfreier Raum war nicht eingehaltenworden, das Tankfahrzeug war außerdem tech-Eine parallel zur Straße verlaufende Autobahn warmautpflichtig. Wahrscheinlich war Francisco Ibernón(50, seit 25 Jahren Lkw-Fahrer) auf die Straße amCampingplatz ausgewichen, um Geld zu sparen.nisch überladen. Dader füllungsfreieRaum fehlte, konntesich das flüssigeGas nicht ausdehnen.Der Tankwurde durch Erwärmungauseinandergedrückt.Weil erauch noch auseinem sprödbruchempfindlichenStahlhergestellt wordenwar, versagte derTank schlagartig.Dass das direkt amCampingplatz geschah,war Zufall.Doch eigentlich sollteder Fahrzeugführerdie parallel zur Straße verlaufende Autobahn benutzen.Diese war mautpflichtig. Offensichtlich wollte der Fahrzeugführerdas Geld aber sparen.Verurteilt wurden die für die Verladung Verantwortlichen inder Raffinerie (Verlader), weil sie mit dafür verantwortlichgemacht wurden, das Fahrzeug unzulässig beladen zuhaben. Der Fahrzeugführer kam bei dem Unfall um.Konsequenzen: Nach Los Alfaques wurde das Thema„Transport gefährlicher Güter“ erstmals auf politischer Ebenediskutiert. Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium,Heinz Runau, kümmerte sich persönlich um den Fall. Weil eszwischen ihm und dem damaligen Referatsleiter Dr. FritzGömmel offensichtlich Meinungsverschiedenheiten überdas künftige Vorgehen gab, wurde Dr. Gömmel kurzerhand„geschasst“.Die Gefährliche Ladung schrieb hierzu in der Ausgabe12/1978 „Eklat im Referat A 13 – Wie wir erfahren haben,soll der Leiter des Referats A 13 (Transport gefährlicherGüter) beim Bundesminister für Verkehr in Bonn, Herr MinisterialratDr. jur. F. Gömmel, mit einem anderen Aufgabengebietbetraut worden sein. Diese Tatsache dürfte in nationalenund internationalen Fachkreisen Aufsehen erregen. Dr.Gömmel ist seit vielen Jahren ein anerkannter Experte aufdem Gebiet des Transports gefährlicher Güter und hat inmaßgebenden Gremien die Interessen der BundesrepublikDeutschland vertreten. Man vermutet, dass kleinere, politisierteQuerelen ausschlaggebend waren.“ Aber so ist dasnun mal in der Politik: Köpfe müssen rollen. Eine andereVerherende Folgen: 35.000 Liter Flüssiggas hatte der Tankwagen geladen, der am 11.Juli 1978, 14.35 Uhr, in der spanischen Provinz Tarragona explodierte.dpaUnsere Reihe „<strong>GeBe</strong>-<strong>Unfallmerkblatt</strong>“ erinnert an Ereignisse, die dieGefahrgut-Gesetzgebung beeinflusst haben, und zeigt, welche Konsequenzensie hatten. Der Autor Klaus Ridder war seit 1973 im Gefahrgutreferatdes BMV tätig und hat die Entwicklung in den letzten 30 Jahrenaktiv begleitet und sein Expertenwissen mit zahlreichen Veröffentlichungenin Fachzeitschriften und Büchern weitergegeben.Der Gefahrgut-BEAUFTRAGTE 16. Jahrgang, Heft 3, März 2005 9


GEBE-UNFALLMERKBLATT 3Folge des Unfalls von Los Alfaques war aber die Einführungder Gefahrgutfahrerschulung. Ein Vorschlag, dass Fahrer,die gefährliche Güter transportieren, wegen ihrer hohen Verantwortungzu schulen sind, lag bereits „in der Schublade“.Aber, wie schon erwähnt, die Politiker hatten eine Notwendigkeit,Gefahrguttransporte restriktiver zu regeln, bishernicht gesehen. Los Alfaques veränderte alles.Schneller Start: Der bei Dr. Fritz Gömmel bereits bereitliegende Entwurf für eine Gefahrgutfahrerschulung wurdebinnen kurzer Zeit als Diskussionsgrundlage eingebrachtund noch 1978 erfolgte eine Änderung der GefahrgutverordnungStraße. Hier wurden im § 12 GGVS die besonderenAnforderungen an die Fahrzeugführer beschrieben. DerNachweis über eine erfolgte Schulung musste bis zum 1.September 1981 erbracht werden. In praktisch zwei Jahrenmussten Schulungsunterlagen erstellt, Schulungsveranstaltergeschult und die entsprechenden Schulungen durchgeführtwerden. Es hat geklappt!Vorreiter Deutschland: Gleichwohl soll zu der Fahrerschulungaus einem Artikel von Gerhard Krause (VdTÜVEssen) zitiert werden: „Nach dem Unglück auf dem spanischenCampingplatz im Juli 1978 wurde diese Forderungmit Nachdruck wiederholt. Der Schock von Los Alfaques,wo nach einer Explosion eines mit Druckgas beladenenFahrzeugtanks mehr als 160 Todesopfer zu beklagenwaren, hat auch in der Bundesrepublik Deutschland Wirkunggezeigt: Zukünftig müssen alle Fahrer von Tankfahrzeugenmit gefährlichen Gütern Spezialkurse besuchen undmit einem Test abschließen.Sicher, damit ist die Bundesrepublik Deutschland wiedereinmal Vorreiter auf diesem Gebiet. Vielleicht wird hier undda von der Benachteiligung der deutschen Spediteuregegenüber ihren ausländischen Konkurrenten gesprochen,von der Schaffung ungleicher Wettbewerbsbedingungenund von Handelshemmnissen.Aber gerade jetzt, da man nicht zuletzt aus der Tagespressehäufiger von schweren Unglücken beim Transportgefährlicher Güter aus dem Ausland erfährt, sollte man frohdarüber sein, dass an die Sicherheit bei uns schon immeretwas strengere Maßstäbe angelegt wurden, als in vielenausländischen Staaten. Und die Bundesrepublik Deutschlandist nun einmal ein besonders hoch industrialisierterStaat mit vielen derartigen Gefahrenquellen und zugleich einsehr dicht bevölkertes Land. Zumindest in der Bevölkerungwird die neue Forderung nach einer besonderen Qualifikationder Tankzugfahrer nicht nur Verständnis finden, sonderndankbar registriert werden.“Gesicherte Erkenntnisse: Auch Dr. Fritz Gömmelbemerkte in seinem Buch „Gefahrguttransporte“ (ecomed1987): „Die Durchführungsbestimmungen enthält die Richtlinieüber Anerkennung und Durchführung von Lehrgängenfür Fahrzeugführer von Tankfahrzeugen vom 8. Juli 1980.Besonders in den USA ist auf das „Training“ des beteiligtenPersonals seit langem großer Wert gelegt worden. DerGewerbetechnische Beirat hatte die Einführung einesbesonderen Führerscheins für Tankwagenfahrer schonJahre vorher empfohlen. Dieser Empfehlung wurde jedochseinerzeit nicht gefolgt, weil man der Auffassung war, dassAuf dem Areal zwischen der Landstraße N 340 und dem Mittelmeer standen Wohnwagenund Zelte für rund 700 Menschen.keine gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, ob Unfälleauf unzureichende Ausbildung und Prüfung der Fahrerzurückgingen.Der Unfall vom 11. Juli 1978 auf dem Campingplatz LosAlfaques in Spanien, wo durch explosionsartiges Verbrennenvon freigewordenem Flüssiggas (Propylen) 215 Urlauberums Leben kamen, gab Veranlassung den Befähigungsnachweiseinzuführen.“Konsequenzen in Spanien: Übrigens reagierten auchdie spanischen Behörden; das spanische Kabinettbeschloss bereits am 30. Juli 1978, Fahrzeuge mit explosionsgefährlichenStoffen zu bestimmten Zeiten von denStraßen des Landes zu verbannen. Auch bemühte mansich, bei der Wirtschaftskommission für Europa (ECEWP.15) sprödbruchempfindliche Stähle (so genannter T1-Stahl, wie bei dem Unfallfahrzeug) zu verbieten, was letztendlichnach jahrelangen Diskussionen durch Änderung desADR auch geschah.Schlussbemerkung: Es war wirklich so, dass vor demUnfall in Los Alfaques kaum jemand vom Transport gefährlicherGüter Notiz nahm. Als ich beispielsweise 1973 in dasReferat A 13 (heute A 33) versetzt werden sollte, wusste derfür Personalangelegenheiten zuständige Unterabteilungsleiternoch nicht mal, was unter dem Begriff „Transport gefährlicherGüter“ zu verstehen war. Los Alfaques hat viel verändertund so weiß heute praktisch jedermann, welche Gefahrenvom Transport gefährlicher Güter ausgehen und dass essich hier also um sehr sensible Transporte handelt!dpa10 Der Gefahrgut-BEAUFTRAGTE 16. Jahrgang, Heft 3, März 2005

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