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3. Organisation und organisationaler Wandeldie unternehmerische Wirklichkeitsordnung, sondern auch auf ihre personale Wirklichkeitsordnung, d.h. ihrSelbst-Verständnis, zurück, das ebenfalls dadurch rekursiv verfertigt und reproduziert wird. 56Damit wirddeutlich, dass Mitglieder ihr Verhalten in Unternehmen nicht nur danach auswählen, was sie für dasUnternehmen für angemessen halten, sondern auch im Hinblick auf die Realisierung ihrer persönlichenLebensprojekte für sinnvoll erachten.Bislang wurde der Zusammenhang zwischen Prozessen der Wirklichkeitskonstruktion und sozialen Strukturenaus einer bewusstseinstheoretischen Perspektive, d.h. aus Sicht eines einzelnen Akteurs interpretiert. ImFolgenden wird die systemische Perspektive geschildert, die das Unternehmen als soziales System und dieVielzahl der Akteure, die dort agieren, im Blickfeld hat. 57Die Konstitution sozialer Systeme basiert nach Luhmann (1984) auf Erwartungen, die sich bis auf weiteresbewährt haben und die wechselseitig unterstellt und aufeinander abgestimmt werden. Damit wird es möglich,Verhalten auch über größere räumliche und zeitliche Distanzen hinweg zu koordinieren und auf eingewünschtes Ergebnis hin auszurichten. 58Erwartungen schränken die Spielräume für das Eintreten bestimmter Ereignisse ein. Sie bezeichnen dasVerhalten, das von einem bestimmten Akteur erwünscht ist und das sich dieser von anderen Akteurenwünscht. Eine soziale Struktur bildet sich dann, wenn ein Akteur zurecht bestimmte Erwartungen an diejenigenErwartungen haben kann, die Andere an ihn selber stellen, und wenn umgekehrt diese Personen auch dieErwartungen an sie selber erwarten können. Diese Emergenz von solchen „Erwartungserwartungen“ 59 ist es,mit denen Ereignisse koordiniert und Verhaltensweisen strukturell gekoppelt werden. Strukturen schränkenzwar einerseits die Möglichkeiten für Anschlussverhalten ein, ermöglichen aber auf der anderen Seite einenTempogewinn und dass Ergebnisse erzielt werden können, die ohne diese Struktur bzw. Koordination nichtzu erreichen gewesen wären. 60Werden Verhaltenserwartungen regelmäßig angewandt und verfestigen sich diese rekursiv, wird von Regelngesprochen. Diese können als implizite vertragliche Vereinbarungen, auf eine bestimmte Art und Weise zuhandeln, interpretiert werden. 61Diese Regeln sind ein Teil der Wirklichkeitsordnung des Unternehmens undwerden ebenfalls wie die oben beschriebenen Deutungsmuster in kommunikativen Prozessen innerhalb dessozialen Systems verfestigt. 62Die Ordnungsmomente sind, wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, die Strukturen einesUnternehmens, die die Möglichkeiten der unternehmerischen Handlungen einschränken und damit aufbestimmte Ergebnisse hin ausrichten. Dazu gehören materielle, d.h. physisch greifbare Strukturen, wie z.B.eine bestimmte Ausstattung mit Maschinen und Informationssystemen oder die Infrastruktur einesUnternehmens. Immaterielle Strukturen weisen demgegenüber keine physische Verkörperung auf und bildendie „Wirklichkeitsordnung“ eines Unternehmens. Sie umfassen, wie oben geschildert, zum einen dieDeutungsmuster, d.h. die Differenzschemen (Unterscheidungskriterien), die Mitglieder bei ihrenBeobachtungsprozessen regelmäßig anwenden und die dadurch rekursiv erzeugt werden. Zum anderengehören Regeln, d.h. generalisierte Verhaltenserwartungen, dazu, die dadurch rekursiv verfertigt werden, dassbestimmte Erwartungen an ein Verhalten regelmäßig gestellt werden. 633.2 Routinisierung und Wandel unternehmerischen HandelnsOrdnungsmomente koordinieren und formen das unternehmerische Handeln und sorgen damit für einegewisse Routinisierung der Handlungen. Diese Routinisierung ist jedoch nicht zwangsläufig zielführend,56Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 224.57Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 208.58Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 202.59Luhmann (1984), S. 413.60Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 202-204.61Vgl. Cyert/March (1995), S. 226f.62Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 209.63Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 123 und 199ff.18 Pforzheimer Forschungsberichte Nr. 7

Erfolgsfaktoren für betriebliches Energie- und Stoffstrommanagementsondern sie erfolgt deshalb, weil sie sich als störungsfrei erwiesen hat. 64Routinen umfassen typischeKommunikations- und Verhaltensmuster bzw. routinisierte Aufmerksamkeitssteuerung (Gewohnheiten derWahrnehmung und Interpretation) und Gewohnheiten des Verhaltens. Sie haben den Vorteil, dass sie dieEffizienz der Handlungen erhöhen und einen Zeitgewinn ermöglichen, denn es kann auf praktischesBewusstsein zurückgegriffen werden. 65 Routinen sind daher geeignet, Akteure im Unternehmen psychologischzu entlasten. 66Allerdings haben Routinen auch ihre Nachteile: Sie bilden blinde Flecke, denn bestimmteHandlungsweisen, die u.U. nicht (mehr) zielführend sind, werden nicht mehr reflektiert und in Frage gestellt. 67Im Rahmen unternehmerischen Wandels verkörpern sie einen Trägheitsmoment, der eine Erneuerunggefährden kann. 68Es werden nach Nelson und Winter (1982, S. 16ff.) drei Klassen von Routinen unterschieden:• Routinen des Kurzfristverhaltens, d.h. der operating characteristics,• Routinen des Investitionsverhaltens sowie• Routinen bei der Modifikation der operating characteristics.Ein Wandel des Unternehmens wird dann erforderlich, wenn Störungen auftreten. Diese können zum einenzwischen den Momenten der Wirklichkeitsordnung auftreten, wenn also bestimmte Erwartungen (Regeln)nicht erfüllt werden oder wenn Deutungsmuster nicht miteinander kompatibel sind. Allerdings müssenDeutungsmuster lediglich zueinander passen, sie müssen grundsätzlich nicht identisch sein. Zum anderenkann es auch zwischen den Erwartungen an bestimmte Handlungen und den gesammelten ErfahrungenDivergenzen geben. 69Störungen manifestieren sich in nicht passendem Anschlussverhalten und durch auftretende „Irritationsereignisse“,die die Wirklichkeitsordnung des Unternehmens in Frage stellen. Diese Störungen bzw.Widersprüche stellen die Fortsetzung des Alltagsgeschehens in Frage und verzögern damit die Handlungsfähigkeitdes Unternehmens. 70Wenn sich ein Unternehmen mit Störungen konfrontiert sieht, ist es zur „Äquilibration“ gezwungen, d.h.wieder eine Kongruenz zwischen seiner Wirklichkeitsordnung und dem Alltagsgeschehen herzustellen. Auchdie Äquilibration ist ein kollektiver Prozess der Wirklichkeitskonstruktion, der auf zwei Arten erfolgen kann:durch Assimilation und durch Akkomodation. 71Durch Assimilation wird eine Störung der eigenen Wirklichkeitsordnung einverleibt. Sie wird als „in Ordnung“interpretiert und damit vernachlässigt bzw. verleugnet. 72Demgegenüber bedeutet Akkomodation, dass dieWirklichkeitsordnung des Unternehmens reflektiert und schließlich ihre Re-Konstruktion und Re-Vision erfolgt.Dies setzt voraus, dass die bereits bestehende Wirklichkeitsordnung „enttäuschungsbereit“ ist, d.h. einerWeiterentwicklung nicht bereits im Grundsatz entgegensteht. 73 Eine solche „systemische Irritationstoleranz“ 74ist die unabdingbare Voraussetzung für Wandel und die Fähigkeit, Störungen und Widersprüche überhauptals Informationen weiter zu verarbeiten. Für die einzelnen Unternehmensmitglieder bedeutet das, dass sieStörungen und Widersprüche nicht verdrängen, für die Organisation, dass diese thematisiert werden. Hierfür64Vgl. hierzu Watzlawick (1981), S. 14f.65In Anlehnung an den Bewusstseinsbegriff von Giddens (1997).66Vgl. hierzu Berger/Luckmann (1980), S. 56f.67Siehe hierzu auch Starbuck (1983).68Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 153 und 209ff.69Vgl. Rüegg-Stürm (2001), S. 10 und 270f.70Vgl. Rüegg-Stürm (2001), S. 254ff.71Vgl. Rüegg-Stürm (2001), S. 261. Die Sprachregelung Äquilibration, Assimilation und Akkomodation beruht auf Piaget(1981).72Vgl. hierzu von Glasersfeld (1987), S. 193.73Vgl. hierzu Wimmer (2000), S. 284f.74Vgl. hierzu Rüegg-Stürm (1998).• IAF • 19

3. Organisation <strong>und</strong> organisationaler Wandeldie unternehmerische Wirklichkeitsordnung, sondern auch auf ihre personale Wirklichkeitsordnung, d.h. ihrSelbst-Verständnis, zurück, das ebenfalls dadurch rekursiv verfertigt <strong>und</strong> reproduziert wird. 56Damit wirddeutlich, dass Mitglieder ihr Verhalten in Unternehmen nicht nur danach auswählen, was sie für dasUnternehmen für angemessen halten, sondern auch im Hinblick auf die Realisierung ihrer persönlichenLebensprojekte für sinnvoll erachten.Bislang wurde der Zusammenhang zwischen Prozessen der Wirklichkeitskonstruktion <strong>und</strong> sozialen Strukturenaus einer bewusstseinstheoretischen Perspektive, d.h. aus Sicht eines einzelnen Akteurs interpretiert. ImFolgenden wird die systemische Perspektive geschildert, die das Unternehmen als soziales System <strong>und</strong> dieVielzahl der Akteure, die dort agieren, im Blickfeld hat. 57Die Konstitution sozialer Systeme basiert nach Luhmann (1984) auf Erwartungen, die sich bis auf weiteresbewährt haben <strong>und</strong> die wechselseitig unterstellt <strong>und</strong> aufeinander abgestimmt werden. Damit wird es möglich,Verhalten auch über größere räumliche <strong>und</strong> zeitliche Distanzen hinweg zu koordinieren <strong>und</strong> auf eingewünschtes Ergebnis hin auszurichten. 58Erwartungen schränken die Spielräume für das Eintreten bestimmter Ereignisse ein. Sie bezeichnen dasVerhalten, das von einem bestimmten Akteur erwünscht ist <strong>und</strong> das sich dieser von anderen Akteurenwünscht. Eine soziale Struktur bildet sich dann, wenn ein Akteur zurecht bestimmte Erwartungen an diejenigenErwartungen haben kann, die Andere an ihn selber stellen, <strong>und</strong> wenn umgekehrt diese Personen auch dieErwartungen an sie selber erwarten können. Diese Emergenz von solchen „Erwartungserwartungen“ 59 ist es,mit denen Ereignisse koordiniert <strong>und</strong> Verhaltensweisen strukturell gekoppelt werden. Strukturen schränkenzwar einerseits die Möglichkeiten für Anschlussverhalten ein, ermöglichen aber auf der anderen Seite einenTempogewinn <strong>und</strong> dass Ergebnisse erzielt werden können, die ohne diese Struktur bzw. Koordination nichtzu erreichen gewesen wären. 60Werden Verhaltenserwartungen regelmäßig angewandt <strong>und</strong> verfestigen sich diese rekursiv, wird von Regelngesprochen. Diese können als implizite vertragliche Vereinbarungen, auf eine bestimmte Art <strong>und</strong> Weise zuhandeln, interpretiert werden. 61Diese Regeln sind ein Teil der Wirklichkeitsordnung des Unternehmens <strong>und</strong>werden ebenfalls wie die oben beschriebenen Deutungsmuster in kommunikativen Prozessen innerhalb dessozialen Systems verfestigt. 62Die Ordnungsmomente sind, wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, die Strukturen einesUnternehmens, die die Möglichkeiten der unternehmerischen Handlungen einschränken <strong>und</strong> damit aufbestimmte Ergebnisse hin ausrichten. Dazu gehören materielle, d.h. physisch greifbare Strukturen, wie z.B.eine bestimmte Ausstattung mit Maschinen <strong>und</strong> Informationssystemen oder die Infrastruktur einesUnternehmens. Immaterielle Strukturen weisen demgegenüber keine physische Verkörperung auf <strong>und</strong> bildendie „Wirklichkeitsordnung“ eines Unternehmens. Sie umfassen, wie oben geschildert, zum einen dieDeutungsmuster, d.h. die Differenzschemen (Unterscheidungskriterien), die Mitglieder bei ihrenBeobachtungsprozessen regelmäßig anwenden <strong>und</strong> die dadurch rekursiv erzeugt werden. Zum anderengehören Regeln, d.h. generalisierte Verhaltenserwartungen, dazu, die dadurch rekursiv verfertigt werden, dassbestimmte Erwartungen an ein Verhalten regelmäßig gestellt werden. 633.2 Routinisierung <strong>und</strong> Wandel unternehmerischen HandelnsOrdnungsmomente koordinieren <strong>und</strong> formen das unternehmerische Handeln <strong>und</strong> sorgen damit für einegewisse Routinisierung der Handlungen. Diese Routinisierung ist jedoch nicht zwangsläufig zielführend,56Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 224.57Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 208.58Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 202.59Luhmann (1984), S. 413.60Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 202-204.61Vgl. Cyert/March (1995), S. 226f.62Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 209.63Vgl. Rüegg-Stürm (2000), S. 123 <strong>und</strong> 199ff.18 <strong>Pforzheim</strong>er Forschungsberichte Nr. 7

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