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1. Geeigneter wissenschaftstheoretischer Ansatz1 Geeigneter wissenschaftstheoretischer AnsatzAls Grundlage für die Bearbeitung des Forschungsprojekts wurde zunächst ein wissenschaftlicher Ansatzausgewählt, der der Empirie und der Thesenbildung zugrunde gelegt werden konnte. Gewählt wurden dieAnsätze der St. Galler Management-Lehre 4 , die sich selber in den Bereich der so genannten „angewandtenWissenschaft“, in Abgrenzung zur „Grundlagenforschung“, einordnen 5 .Dieses Vorgehen ist sicherlich nicht unumstritten. Erstens wird in der wissenschaftstheoretischen Diskussioni.a. davon ausgegangen, dass zur Wahrung der Wertefreiheit von Forschung im Rahmen eines induktivenSchlusses die Theorie der Empirie folgt und sie nicht bereits zur Voraussetzung haben darf. 6Nach dieserAuffassung gehen Tatsachen, die sorgfältig und unvoreingenommen beobachtet werden können und sollen,der Theorie voraus und sind von ihr unabhängig. 7Zweitens wird von vielen Vertretern derGrundlagenforschung die Berechtigung der angewandten Forschung in Frage gestellt und oftmals als bloßeAnwendung von Theorie bezeichnet. 8 Zu diesen beiden potenziellen Einwänden gegen die Theoriewahl, wiesie dem EFAS-Projekt zugrunde liegt, nimmt das vorliegende Kapitel Stellung.Im Folgenden werden zunächst die Unterschiede zwischen den Grundlagenwissenschaften und denangewandten Wissenschaften herausgestellt und für die Existenzberechtigung der letzteren als eigeneWissenschaft argumentiert. Anschließend wird begründet, warum für die Bearbeitung des EFAS-Projekts einModell aus den angewandten Wissenschaften als geeignet angesehen wird. Im Zuge dessen wird dargelegt,warum es aus einer konstruktivistischen Sichtweise heraus notwendig ist, das gewählte Modell bereits derEmpirie zugrunde zu legen.1.1 Grundlagenwissenschaften und angewandte WissenschaftenDas St. Galler Management-Modell beruft sich auf einen bestimmten Wissenschaftsbegriff – den einerangewandten Wissenschaft – wie er z.B. von H. Ulrich (1984, S. 168ff.) beschrieben wird. H. Ulrichunterscheidet dabei die beiden wissenschaftlichen Bereiche der Grundlagenforschung und der angewandtenForschung.Nach H. Ulrich (1984, S. 169ff.) wird Wissenschaft in der wissenschaftstheoretischen Literatur in der Regel mitGrundlagenforschung gleichgesetzt. Sie dient dem Aufstellen von Hypothesen, d.h. empirisch gehaltvollenWenn-dann-Aussagen. Von einem Modell wird gesprochen, wenn mehrere zusammenhängende Hypothesenzu einem System zusammengefasst werden, von Theorien, wenn Modelle zusammengefasst werden, diebestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen. Der Zweck dieser Forschung ist es, Erklärungs- und Prognosemodelleaufzustellen, mit dem Ziel des Wissensfortschritts. Eine Anwendungsmöglichkeit kann dabei gegeben sein,Wissenschaft kann aber auch quasi als Selbstzweck durchgeführt werden. 9Empirisch gehaltvolle Wenn-Dann-Aussagen über reale, hoch komplexe Systeme können jedoch nur getroffenwerden, wenn diese wie einfache Systeme behandelt werden. Modelle der Grundlagenwissenschaftenenthalten nur relativ wenig Elemente und Beziehungen, während die in der realen Welt bestehenden Einflüssealler restlichen Variablen per Ceteris-paribus-Klausel ausgeblendet werden. In Folge dessen können dieseModelle, so kritisiert H. Ulrich (1984, S. 177f.), genau genommen nicht mehr empirisch überprüft werden.Allerdings können die Modelle der Grundlagenforschung in einer eher pragmatischen Herangehensweisestatistisch getestet und weitgehende Korrelationen als ausreichend angesehen werden. Der Wissenschaftler456789Dem Forschungsprojekt wurde das „neue St. Galler Management-Modell“ von Rüegg-Stürm (2002), ergänzt um dessenVorgänger-Modell, das „Konzept integriertes Management“ von Bleicher (1999), zugrunde gelegt. Einen Überblick überdie Entwicklung der Ansätze der St. Galler Management-Lehre findet sich in Spicker (2004).Siehe hierzu Ulrich, H. (1984), 4. Kapitel, S. 168ff.Siehe z.B. Davies (1968), S. 8, oder Anthony (1948), S. 145. Diese Auffassung wurde von den sog. Empiristen undPositivisten zu formalisieren versucht, vgl. hierzu Behrens (1993). Sp. 4763ff., oder Chalmers (2001), S. 7.Vgl. Chalmers (2001), S. 7.Vgl. Ulrich, H. (1984), S. 169f.Vgl. Fülbier (2004), S. 267 und 270.6 Pforzheimer Forschungsberichte Nr. 7

Erfolgsfaktoren für betriebliches Energie- und Stoffstrommanagementkann zwar infolgedessen keine Garantien dafür geben, dass in der Praxis unter bestimmten wohl definiertenUmständen tatsächlich auch das vorhergesagte Ergebnis eintreten wird. Er kann lediglich behaupten, dass dieWahrscheinlichkeit dafür relativ groß ist, freilich unter der Voraussetzung, dass andere, in den Modellenausgeblendete Variablen keinen wesentlichen Einfluss ausüben.Damit sieht H. Ulrich (1984, S. 178) jedoch die Praxisrelevanz der Grundlagenforschung stark eingeschränkt:Prognose- und Gestaltungsmodelle der Grundlagenforschung können seiner Meinung nach für komplexeProblemstellungen nicht mehr zurate gezogen werden. Denn aus Modellen, die von einfachen Systemenausgehen, kann man letztlich keine Empfehlungen für ein vernünftiges Handeln in komplexen Systemen, mitdenen sich die Praxis oftmals konfrontiert sieht, ableiten.Daher hat nach H. Ulrich (1984, S. 174ff.) die Angewandte Forschung eine eigene Existenzberechtigung: Siezielt darauf ab, Gestaltungsmodelle für eine erst zu schaffende Realität aufzustellen. Dabei schließt siehermeneutische Vorstellungen über das Verstehen menschlicher Phänomene mit ein. Eine empirischeÜberprüfbarkeit der Aussagen solcher Modelle ist zwar ebenfalls nicht möglich, da es um eine Realität geht,die erst noch zu schaffen ist. Was hingegen ex post überprüft werden könne, sei die praktischeAnwendbarkeit des Modells. Daran sei schließlich die Güte dieser Modelle zu messen. 10Die erfolgreiche Anwendung von Gestaltungsmodellen zu überprüfen bedeutet jedoch nichts anderes, alsdass folgende empirisch gehaltvolle These aufgestellt und empirisch getestet wird: Wenn das Modell inbestimmten Fällen angewandt wird, dann stellt sich ein bestimmtes (gewünschtes) Ergebnis ein. Wenn dieseÜberprüfung aber möglich ist, ist dann nicht gleichzeitig auch das Kriterium für eine empirischeÜberprüfbarkeit im Sinne der Grundlagenwissenschaften erfüllt?Erfolgreiche Anwendungen weisen darauf hin, dass das Modell bzw. dessen Aussagen wahr sein könnten (imSinne eines Erklärungsmodells), und dass eine erneute Anwendung unter den gleichen Umständen vermutlichebenfalls erfolgreich wäre (im Sinne eines Prognosemodells). Beides kann nach Popper (1989) so langevermutet werden, bis ein einziges Gegenbeispiel gefunden ist. Damit qualifizieren sich jedoch die von H.Ulrich beschriebenen Gestaltungsmodelle der Angewandten Wissenschaften für die Grundlagenwissenschaften.Die Trennung zwischen angewandter Forschung und Grundlagenforschung, wie sie H. Ulrichaufstellt, kann damit jedoch nicht mehr aufrecht erhalten werden, da es sich bei diesen sog.Gestaltungsmodellen implizit um Erklärungs- und Prognosemodelle handelt.Gibt es dann noch eine eigenständige angewandte Wissenschaft? Wenn ja: Welche Art von Modellen liefertsie und welche Ansprüche können noch an sie gestellt werden? In welchen Fällen, wenn überhaupt, hat sienoch eine Existenzberechtigung, welchen Nutzen haben ihre Modelle dann noch für die Praxis?Unseres Erachtens handelt es sich bei den Modellen der St. Galler Management-Lehre nicht um Gestaltungsmodellesondern um Verstehensmodelle. Damit unterscheiden sie sich wesentlich von den Modellen derGrundlagenforschung und weisen gleichzeitig sehr wohl eine Existenzberechtigung auf. Die St. GallerManagement-Modelle geben keine eindeutigen Handlungsanweisungen („Wenn eine bestimmte Situation Avorliegt, führt die Handlung B zum Erfolg C.“). Damit kann ein bestimmtes Ergebnis, z.B. die Lösung einesProblems im Unternehmen, auch nicht eindeutig auf die Anwendung dieser Modelle zurückgeführt werden.Modelle aus beiden Wissenschaftsbereichen – der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung –vereinfachen die Realität (dies impliziert bereits die Definition des Wortes „Modell“), allerdings auf andererBasis: sie wählen andere Realitätsausschnitte und treffen aufgrund dessen unterschiedliche Arten vonAussagen.Modelle aus den Grundlagenwissenschaften wählen relativ enge Realitätsausschnitte. Damit ist die Art derVereinfachungen eine andere: Es werden, wie bereits beschrieben, nur wenige Parameter betrachtet undandere Parameter, die auch einen Einfluss auf das Ergebnis haben, per ceteris paribus-Annahmeausgeblendet. Geht es um Entscheidungen, die nur wenige Dimensionen und einen engen Realitätsausschnittumfassen, wie z.B. Investitionsentscheidungen, dann sind Modelle aus den Grundlagenwissenschaften derBetriebswirtschaftslehre, z.B. Investitionsmodelle, durchaus für die praktische Anwendung geeignet undhaben sich bewährt.10Daran wird vielfach Kritik geübt: Auch die Modelle aus der sog. Grundlagenforschung hätten sich in der Praxis bewährt,ein verhaltenswissenschaftlicher bzw. soziologischer Ansatz in der Betriebswirtschaftslehre sei daher nicht nötig.Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft sei bewusst eine ökonomische, eindimensionale Disziplin. Vgl. Albach (1985),S. 30.• IAF • 7

1. Geeigneter wissenschaftstheoretischer Ansatz1 Geeigneter wissenschaftstheoretischer AnsatzAls Gr<strong>und</strong>lage für die Bearbeitung des Forschungsprojekts wurde zunächst ein wissenschaftlicher Ansatzausgewählt, der der Empirie <strong>und</strong> der Thesenbildung zugr<strong>und</strong>e gelegt werden konnte. Gewählt wurden dieAnsätze der St. Galler Management-Lehre 4 , die sich selber in den Bereich der so genannten „angewandtenWissenschaft“, in Abgrenzung zur „Gr<strong>und</strong>lagenforschung“, einordnen 5 .Dieses Vorgehen ist sicherlich nicht unumstritten. Erstens wird in der wissenschaftstheoretischen Diskussioni.a. davon ausgegangen, dass zur Wahrung der Wertefreiheit von Forschung im Rahmen eines induktivenSchlusses die Theorie der Empirie folgt <strong>und</strong> sie nicht bereits zur Voraussetzung haben darf. 6Nach dieserAuffassung gehen Tatsachen, die sorgfältig <strong>und</strong> unvoreingenommen beobachtet werden können <strong>und</strong> sollen,der Theorie voraus <strong>und</strong> sind von ihr unabhängig. 7Zweitens wird von vielen Vertretern derGr<strong>und</strong>lagenforschung die Berechtigung der angewandten Forschung in Frage gestellt <strong>und</strong> oftmals als bloßeAnwendung von Theorie bezeichnet. 8 Zu diesen beiden potenziellen Einwänden gegen die Theoriewahl, wiesie dem EFAS-Projekt zugr<strong>und</strong>e liegt, nimmt das vorliegende Kapitel Stellung.Im Folgenden werden zunächst die Unterschiede zwischen den Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaften <strong>und</strong> denangewandten Wissenschaften herausgestellt <strong>und</strong> für die Existenzberechtigung der letzteren als eigeneWissenschaft argumentiert. Anschließend wird begründet, warum für die Bearbeitung des EFAS-Projekts einModell aus den angewandten Wissenschaften als geeignet angesehen wird. Im Zuge dessen wird dargelegt,warum es aus einer konstruktivistischen Sichtweise heraus notwendig ist, das gewählte Modell bereits derEmpirie zugr<strong>und</strong>e zu legen.1.1 Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaften <strong>und</strong> angewandte WissenschaftenDas St. Galler Management-Modell beruft sich auf einen bestimmten Wissenschaftsbegriff – den einerangewandten Wissenschaft – wie er z.B. von H. Ulrich (1984, S. 168ff.) beschrieben wird. H. Ulrichunterscheidet dabei die beiden wissenschaftlichen Bereiche der Gr<strong>und</strong>lagenforschung <strong>und</strong> der angewandtenForschung.Nach H. Ulrich (1984, S. 169ff.) wird Wissenschaft in der wissenschaftstheoretischen Literatur in der Regel mitGr<strong>und</strong>lagenforschung gleichgesetzt. Sie dient dem Aufstellen von Hypothesen, d.h. empirisch gehaltvollenWenn-dann-Aussagen. Von einem Modell wird gesprochen, wenn mehrere zusammenhängende Hypothesenzu einem System zusammengefasst werden, von Theorien, wenn Modelle zusammengefasst werden, diebestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen. Der Zweck dieser Forschung ist es, Erklärungs- <strong>und</strong> Prognosemodelleaufzustellen, mit dem Ziel des Wissensfortschritts. Eine Anwendungsmöglichkeit kann dabei gegeben sein,Wissenschaft kann aber auch quasi als Selbstzweck durchgeführt werden. 9Empirisch gehaltvolle Wenn-Dann-Aussagen über reale, hoch komplexe Systeme können jedoch nur getroffenwerden, wenn diese wie einfache Systeme behandelt werden. Modelle der Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftenenthalten nur relativ wenig Elemente <strong>und</strong> Beziehungen, während die in der realen Welt bestehenden Einflüssealler restlichen Variablen per Ceteris-paribus-Klausel ausgeblendet werden. In Folge dessen können dieseModelle, so kritisiert H. Ulrich (1984, S. 177f.), genau genommen nicht mehr empirisch überprüft werden.Allerdings können die Modelle der Gr<strong>und</strong>lagenforschung in einer eher pragmatischen Herangehensweisestatistisch getestet <strong>und</strong> weitgehende Korrelationen als ausreichend angesehen werden. Der Wissenschaftler456789Dem Forschungsprojekt wurde das „neue St. Galler Management-Modell“ von Rüegg-Stürm (2002), ergänzt um dessenVorgänger-Modell, das „Konzept integriertes Management“ von Bleicher (1999), zugr<strong>und</strong>e gelegt. Einen Überblick überdie Entwicklung der Ansätze der St. Galler Management-Lehre findet sich in Spicker (2004).Siehe hierzu Ulrich, H. (1984), 4. Kapitel, S. 168ff.Siehe z.B. Davies (1968), S. 8, oder Anthony (1948), S. 145. Diese Auffassung wurde von den sog. Empiristen <strong>und</strong>Positivisten zu formalisieren versucht, vgl. hierzu Behrens (1993). Sp. 4763ff., oder Chalmers (2001), S. 7.Vgl. Chalmers (2001), S. 7.Vgl. Ulrich, H. (1984), S. 169f.Vgl. Fülbier (2004), S. 267 <strong>und</strong> 270.6 <strong>Pforzheim</strong>er Forschungsberichte Nr. 7

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