Jahresbericht 2006 Menschen helfen weltweit - AWO international
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tiert, und anschließend gab es mehr Boote als Fischer.“ Der Leiter des LHC berichtet ebenfalls<br />
von der Konkurrenz der Hilfsorganisationen untereinander: Nach Mettupalayam seien<br />
im Lauf der Zeit andere Organisationen gekommen und hätten, da viel Geld zur Verfügung<br />
stand, noch mehr Häuser gebaut, die die Bevölkerung inzwischen nicht mehr benötigte.<br />
„Dies verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich die Zeit für eine genaue Analyse zu nehmen und<br />
zu wissen, was wirklich benötigt wird“, so Blaze Kannan.<br />
<strong>AWO</strong> International und das LHC arbeiten daran, Humanitäre Hilfe nachhaltig zu gestalten.<br />
Einkommen schaffende Maßnahmen sind nur ein Weg, die Lebensbedingungen der Dorfbewohner<br />
langfristig zu verbessern. „Wir stellen sicher, dass all unsere Projekte langfristig<br />
sich selbst erhalten und in eigener Verantwortung arbeiten. Als Beispiel kann ich hier<br />
die Reismühle nennen, die wir erbaut haben, damit sie langfristig einen Großteil eines<br />
Projektes fi nanzieren kann.“ Der Bau wird voraussichtlich im September 2007 abgeschlossen<br />
sein. 40 Prozent der Betriebskosten des integrierten Schul- und Gesundheitszentrums<br />
sollen dann durch die Mühle erwirtschaftet werden. Außerdem wird sie den Reisbauern der<br />
Region eine sichere Abnahmestelle ihrer Ernte bieten. „Gleichzeitig kooperieren wir mit der<br />
lokalen Regierung und sorgen dafür, dass unsere Projekte zu einer staatlichen Förderung<br />
übergehen. Daran arbeiten wir intensiv seit über 15 Jahren.“<br />
Solidarität nachhaltig gestalten<br />
Sheela ist stolz auf ihren kleinen Laden. Seit dem Tsunami kann ihr Mann nicht mehr zum<br />
Fischen hinaus fahren, sein rechter Arm ist seitdem gelähmt. Nun versorgt die freundliche<br />
Frau mit dem typischen roten Punkt zwischen den Brauen die siebenköpfi ge Familie. Dank<br />
eines Kleinkredits bietet sie auf zehn Quadratmetern alles an, was die Bewohner der Dörfer<br />
zum Leben brauchen. So wie Sheela haben sich inzwischen 25 Frauen und Männer in<br />
unternehmerischem Handeln schulen lassen und sich selbstständig gemacht: Eine Mixed-<br />
Pickles-Produktion, eine Bäckerei, eine Fernsehkabelverleger-Gruppe und ein Fischhandel<br />
sind entstanden.<br />
Viele <strong>Menschen</strong> in Deutschland haben an Aktion Deutschland Hilft, ein Bündnis von Hilfsorganisationen,<br />
in dem <strong>AWO</strong> International Mitglied ist, gespendet. Sie haben damit unter<br />
anderem das Wiederaufbauprogramm in Mettupalayam ermöglicht und Bewohner wie<br />
Sheela dabei unterstützt, ihre Familie ernähren zu können. Aber <strong>international</strong>e Solidarität<br />
entsteht nur, wenn das, was durch Hilfe geschaffen wird, von Dauer ist. Deshalb achtet <strong>AWO</strong><br />
International zusammen mit dem LHC darauf, das Programm auf ein stabiles und dauerhaftes<br />
Fundament zu stellen.<br />
Internationale Solidarität lebt von persönlichen Erfahrungen und Verbindungen. Deshalb<br />
haben die Teilnehmerinnen des Praktikantenprogramms der <strong>AWO</strong> International die Möglichkeit,<br />
das Wiederaufbauprogramm zu besuchen und dort in einer Schule mitzuarbeiten.<br />
So lernen die jungen <strong>Menschen</strong> das Programm und die <strong>Menschen</strong>, denen es zugute kommt,<br />
kennen. Sie werden diese Erfahrung mit nach Hause nehmen, ihren Freunden und Verwandten<br />
davon erzählen und in ihren <strong>AWO</strong>-Gliederungen davon berichten.<br />
„Solidarität ist das Zusammengehörigkeitsgefühl,<br />
das praktisch werden kann und soll.“<br />
Alfred Vierkandt<br />
Weltoffen: Das Praktikantenprogramm<br />
Das Land der Vielfalt kennen lernen und Arbeitserfahrungen sammeln – beides ermöglichte<br />
<strong>AWO</strong> International 15 sozial engagierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Jahr <strong>2006</strong>.<br />
Die Teilnehmer unseres Praktikantenprogramms arbeiteten während eines mehrwöchigen Aufenthalts<br />
im südlichen Bundessstaat Tamil Nadu bei unserer langjährigen indischen Partnerorganisation<br />
„Life Help Centre“. Neben einem ersten Einblick in die <strong>international</strong>e Zusammenarbeit nahmen<br />
die Praktikanten Erfahrungen mit einer anderen Kultur wieder mit nach Hause. Durch den<br />
<strong>international</strong>en Austausch wollen wir einen Beitrag dazu leisten, die Verbreitung der Grundwerte<br />
der Arbeiterwohlfahrt über Grenzen hinweg zu fördern.<br />
Erfahrungsbericht<br />
Am Montag steigen Annika und ich in den Bus Richtung Marina Beach. Wir reden nicht besonders<br />
viel, da wir in die Slums fahren wollen. Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen,<br />
und hoffen, dass unser Besuch nicht als Attraktionsbesichtigung verstanden wird. Es gilt,<br />
einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt und den Kontrasten Indiens in dieser kurzen Zeit zu<br />
entdecken.<br />
Auf unserem Weg durch das Viertel ändern sich Form und Grundmaterial der Hütten. Viele von<br />
ihnen sind nur aus Holz und Palmblättern zusammengezimmert und sehr klein. Ein Mädchen<br />
geht auf der gegenüberliegenden Straßenseite neben uns her und winkt uns zu. Als wir „Hallo!“<br />
rufen, beginnt sie zu hüpfen und fragt lächelnd: „Which country?“ – „Germany“, sage ich und<br />
das Mädchen nickt. „Where is your house?“ frage ich sie und sie zeigt in die Richtung, in die wir<br />
gehen. Sie macht deutlich, dass sie auf dem Weg nach Hause ist. Wir beschließen, sie ein Stück<br />
zu begleiten. Das Mädchen ist schon weitergelaufen. Es verschwindet hinter einer Hütte, doch<br />
taucht wenige Sekunden später wieder auf. Sie trägt behutsam etwas Kleines auf dem Arm und<br />
geht uns, jetzt sehr langsam, wieder entgegen. Als sie nah genug ist, erkenne ich, dass es sich<br />
um einen winzigen Welpen handelt. Stolz hebt sie ihn hoch und nickt eifrig, als Annika fragt,<br />
ob dies ihr Hund sei. Der kleine Hund, um dessen Hals ein Stück Seil gebunden ist, gähnt.<br />
Wir gehen weiter, und jetzt erst fällt mir auf, dass sich die Hütten wieder verändert haben.<br />
Noch ehe ich richtig begreife, dass diese kleinen Berge von Planen, Stöcken, Seilen und Steinbrocken,<br />
Häuser sind, bleibt das Mädchen vor einem solchen Berg, der kaum größer ist als sie<br />
selbst, stehen und sagt: „My house.“ Ich versuche, mir mein Erstaunen darüber, dass in diesem<br />
Gebilde eine ganze Familie bei jedem Wetter lebt, nicht anmerken zu lassen. Das Mädchen<br />
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