Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
70also nicht auf den Wortlaut des Dekalogs, sondern der Inhalt des Dekalogsbildet seine Bedeutung. Da der Inhalt wenigstens zum Teil auch ohneOffenbarung des Gesetzes dem Menschen erkennbar ist, ist es auchmöglich, über das natürliche Moralgesetz zu sprechen.Das Moralgesetz besteht aus zwei Teilen — und als Gottes Gesetz auszwei Tafeln —, die ihre eigene Charakteristika haben. Die Hauptzüge desganzen Gesetzes sind nach Calvin Frömmigkeit und Gerechtigkeit (pietaset iustitia), wobei die Frömmigkeit der ersten und die Gerechtigkeit derzweiten Tafel des Gesetzes angehört. 91 Die Hauptmotive der ersten Tafelsind Gottes Verehrung und die Beziehung des Menschen zu Gott. Diezweite Tafel ist ihrerseits durch das Motiv der Nächstenliebe (caritas)gekennzeichnet. 92 Calvin stellt zum Beispiel fest, dass die dritte Bedeutungdes Sabbats als Ruhe für die Diener eigentlich nicht zur ersten Tafelgehört, weil sie die Regel der Liebe (caritatis regula) ausdrückt, 93 und dassdie zweite Tafel die Liebe als Band der Vollkommenheit beinhaltet. 94 Diezwei Tafeln des Gesetzes formen gemeinsam das Moralgesetz, undChristus hat sie im Doppelgebot der Liebe zusammengefasst. 95 Im91 “Verum quia tota vitae formandae ratio pietate et iustitia continetur, eas partesdistingui oportuit, ut populus legis finem teneret, de quo postea iterum dicendum erit.”CmEx 20:12 CO 24, 602. — In diesem Kontext bedeutet ‘iustitia’ menschliche Gerechtigkeit.Olsson 1943 sieht einen Unterschied zwischen der göttlichen und der menschlichenGerechtigkeit (87), denn das Gesetz ist für die menschliche Gerechtigkeit die Norm, aber beiGott ist das Gesetz mit dem Willen Gottes gleich (88).92 Das Substantivum für Gottesliebe bei Calvin ist das spätlateinische dilectio, das eineAbleitung des Verbums diligere, “lieben” ist. S. z.B. CmDtn 6:5, Lev 19:18 CO 24, 721: “Idemest verborum Pauli sensus, quia fides quae illic vocatur fons et origo caritatis, dilectionemDei in se complectitur.”93 “Tertius etiam sabbathi finis notatur a Mose, sed quasi accidentalis, ut sit aliquaservis relaxatio. Quia hoc ad caritatis regulam pertinet, proprie locum non habet in prioretabula:” CmEx. 20:8 CO 24, 57994 “Quanquam caritas (ut est vinculum perfectionis [Col.3,14]) comprehendit summamsecundae tabulae,” CmEx 20:12 CO 24, 60295 “Porro sicuti duabus tabulis continetur, ita eam ad duo capita redigit Moses, utDeum diligamus ex toto corde, et proximum sicut nos ipsos. Etsi autem non uno in locoutrumque coniungit, Christus tamen, ex cuius spiritu loquutus est, ad explicandum eiusconsilium sufficere nobis debet. Rogatus autem quod esset praecipuum legis mandatum:respondit (Matth . 22, 37) primum quidem esse ut diligatur Deus, alterum vero affine deproximo diligendo: perinde ac si diceret, totam iustitiae perfectionem quae in lege traditur,
71Katechismus vom Jahre 1537 hat Calvin die Einteilung des Gesetzes mitden Worten “Dienst an der Majestät” und “der Liebe (charite) amNächsten” ausgedrückt. 96Calvin nimmt zur Kenntnis, dass das Gesetz im Neuen Testament oft nurden Inhalt der zweiten Tafel bedeutet. Er nennt als Ursache, dass derMensch der Einhaltung der ersten Tafel mit seinen äußerlichen Werkennicht mächtig ist. Die erste Tafel kann nur in Intentionen des Herzens undin Zeremonien eingehalten werden. Die zweite Tafel kann aber in Werkender Liebe eingehalten werden. 97 Die Verwirklichung der Liebe ist zugleichauch dem Menschen ein Prüfstein, denn er verwirklicht kaum die Liebe,wenn er nicht in Gottesfurcht lebt. 98 Wenn er die Nächstenliebe verwirklicht,bringt er auch das Bild Gottes zum Vorschein. 99in duabus partibus consistere, ut vera pietate Deum colemus, et innoxie versemur cumhominibus; secundum caritatis regulam.” CmDtn 6:5, Lev 19:18 CO 24, 72196 CatGen 110, Cath 1537, 383; CRI 41–42.97 “Siquidem prioris tabulae obedientia aut in cordis affectu, aut in ceremoniis fere erat.Cordis affectus non apparehat, ceremoniis hypocritae assidue incumbebant: at operacharitatis talia sunt ut solidam iustitiam per ea testemur. Hoc vero ita passim occurrit inProphetis, ut lectori mediocriter exercitato familiare esse debeat. Nam fere quoties hortanturad poenitentiam, omissa priore tabula, fidem, iudicium, misericordiam et aequitatemurgent. Neque hoc modo praetereunt Dei timorem, sed eius seriam probationem a signisexigunt. Hoc quidem notum est, ubi de Legis observatione disserunt, plaerunque insistere insecunda tabula: quia illic maxime perspicitur iustitiae et integritatis studium. Neque opus estrecensere locos: quia per se quisque facile animadvertet quod dicos.” IIviii52. — Hesselink1992, 9 meint, dass die Vorstellung des Gesetzes ganz gut zum Institutio I gehören könnte,weil das Moralgesetz mit der zweiten Tafel des Gesetzes gleich ist, die wiederum mit demnatürlichen Gesetz übereinstimmt.98 “Ergone, inquies, pluris est ad iustitiae summam, cum hominibus innocenter vivere,quam pietate Deum honorare ? Minime; sed quia non temere quis charitatem per omniacustodit, nisi Deum serio timeat, inde quoque pietatis approbatio sumitur. ...Certum est, inLege et Prophetis primum locum tenere fidem et quicquid ad legitimum Dei cultumpertinet, interiore loco subsidere dilectionem: sed intelligit Dommus, in Lege nobis tantumpraesenbi iuri et aequitatis inter homines observantiam, qua ad testandum pium eiustimorem, siquis in nobis est, exerceamur.” IIviii53.99 Nach Hancock 1989, 88–90 ist die Liebe für Calvin an erster Stelle eine Regel, nichtdas Ziel. Auch das Bild Gottes hat seinen Sitz nicht in dem Ziel sondern in den Taten. DieNächstenliebe und die Gottesliebe bilden einen totalen Gegensatz zu aller Selbstliebe.
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71Katechismus vom Jahre 1537 hat <strong>Calvin</strong> die Einteilung des Gesetzes mitden Worten “Dienst an der Majestät” und “der Liebe (charite) amNächsten” ausgedrückt. 96<strong>Calvin</strong> nimmt zur Kenntnis, dass das Gesetz im Neuen Testament oft nurden Inhalt der zweiten Tafel bedeutet. Er nennt als Ursache, dass derMensch der Einhaltung der ersten Tafel mit seinen äußerlichen Werkennicht mächtig ist. Die erste Tafel kann nur in Intentionen des Herzens undin Zeremonien eingehalten werden. Die zweite Tafel kann aber in Werkender Liebe eingehalten werden. 97 Die Verwirklichung der Liebe ist zugleichauch dem Menschen ein Prüfstein, denn er verwirklicht kaum die Liebe,wenn er nicht in Gottesfurcht lebt. 98 Wenn er die Nächstenliebe verwirklicht,bringt er auch das Bild Gottes zum Vorschein. 99in duabus partibus consistere, ut vera pietate Deum colemus, et innoxie versemur cumhominibus; secundum caritatis regulam.” CmDtn 6:5, Lev 19:18 CO 24, 72196 CatGen 110, Cath 1537, 383; CRI 41–42.97 “Siquidem prioris tabulae obedientia aut in cordis affectu, aut in ceremoniis fere erat.Cordis affectus non apparehat, ceremoniis hypocritae assidue incumbebant: at operacharitatis talia sunt ut solidam iustitiam per ea testemur. Hoc vero ita passim occurrit inProphetis, ut lectori mediocriter exercitato familiare esse debeat. Nam fere quoties hortanturad poenitentiam, omissa priore tabula, fidem, iudicium, misericordiam et aequitatemurgent. Neque hoc modo praetereunt Dei timorem, sed eius seriam probationem a signisexigunt. Hoc quidem notum est, ubi de Legis observatione disserunt, plaerunque insistere insecunda tabula: quia illic maxime perspicitur iustitiae et integritatis studium. Neque opus estrecensere locos: quia per se quisque facile animadvertet quod dicos.” IIviii52. — Hesselink1992, 9 meint, dass die Vorstellung des Gesetzes ganz gut zum Institutio I gehören könnte,weil das Moralgesetz mit der zweiten Tafel des Gesetzes gleich ist, die wiederum mit demnatürlichen Gesetz übereinstimmt.98 “Ergone, inquies, pluris est ad iustitiae summam, cum hominibus innocenter vivere,quam pietate Deum honorare ? Minime; sed quia non temere quis charitatem per omniacustodit, nisi Deum serio timeat, inde quoque pietatis approbatio sumitur. ...Certum est, inLege et Prophetis primum locum tenere fidem et quicquid ad legitimum Dei cultumpertinet, interiore loco subsidere dilectionem: sed intelligit Dommus, in Lege nobis tantumpraesenbi iuri et aequitatis inter homines observantiam, qua ad testandum pium eiustimorem, siquis in nobis est, exerceamur.” IIviii53.99 Nach Hancock 1989, 88–90 ist die Liebe für <strong>Calvin</strong> an erster Stelle eine Regel, nichtdas Ziel. Auch das Bild Gottes hat seinen Sitz nicht in dem Ziel sondern in den Taten. DieNächstenliebe und die Gottesliebe bilden einen totalen Gegensatz zu aller Selbstliebe.