Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
62fall beziehen. 46 Dabei ist hinzuweisen, dass er jedoch die Deutung abweist,dass das Böse zu der von Gott gewollten Ordnung gehöre. Die Existenzdes Bösen verneint er aber nicht, und somit akzeptiert er die verderbendeWirkung des Sündenfalls auf die ganze Schöpfung. 47Zusammenfassend ist zu bemerken, dass der Begriff “Natur” bei Calvinhauptsächlich einen positiven Inhalt hat, wenn er auf die Schöpfung alsGanzes hindeutet, aber dass er ausnahmslos negativ im Zusammenhangmit der menschlichen Natur zu verstehen ist. Weil ‘die Natur’ auchnegativen Inhalt haben kann, kann sie nur bedingt als Norm dienen.3.2. Hierarchische StrukturIm Folgenden wird untersucht, ob es im Denken Calvins eine Hierarchieder Rechte gibt, und ob das Naturrecht in so einem System eineneigenständigen Platz hat.3.2.1. Quellenanalyse: Calvins Auslegung des Gesetzes GottesObwohl Calvin von seiner Ausbildung her Jurist war, hat er hauptsächlichtheologische Werke geschrieben, mit Ausnahme des Seneca-Kommentars.Es ist schwierig, philosophische Überlegungen über ein abstraktes Systemdes Rechts in seinen Schriften zu finden. Als Quelle bietet sich aber seineAuslegung des Gesetzes im Kommentar zur Harmonie der letzten Moses-Bücher an. 48 Über die Hälfte des Kommentars besteht aus der Auslegungdes Gesetzes, 49 wobei Calvin bemerkt, dass das Gesetz Gottes nicht nurden Dekalog beinhaltet, sondern sich über die vier letzten Bücher Mose46 Partee 1977, 48 stellt fest, dass Calvin “Natur” in zwei Bedeutungen benutzt. — -Brunner 1935, 23 "Natur heisst bei Calvin etwas ganz anderes als im modernenSprachgebrauch. In Anlehnung an den stoischen Sprachgebrauch — der ja die kirchlicheTheologie bis zur Aufklärung bestimmt — und zugleich mit charakteristischer Umformungdes begrifflichen Inhalts bezeichnet Calvin als Natur die ursprüngliche Schöpfung, sofern siejetzt noch als solche erkennbar ist, also das gottgegebene Gepräge alles geschaffenen Seins."47 S. Ganoczy 1992, 307–308 “Calvin hat die Römerbrief-Stelle dahingehend ausgelegt,daß "alle unschuldigen Kreaturen die Strafe für unsere Sünden mittragen” müssen. DieserGedanke findet sich schon im rabbinischen Judentum.”48 Laut Hesselink 1992, 15 behandelt Calvin das Gesetz Gottes in einer uniken Art undWeise.49 CmMsHarm, CO 24, 209–728
63erstreckt. 50 Er begründet sein Verständnis damit, dass ein Gebot immereinen weiteren Sinn hat, als es seinem Wortlaut zu entnehmen ist, weil dasGesetz Gottes auch in einer verengten Form dem Menschen dievollkommene Norm des frommen und richtigen Lebens belehrt. 51 DasGebot “Du sollst nicht töten” bedeutet nicht nur, dass es verboten ist,jemanden umzubringen, 52 und das Verbot des Ehebruchs schließt in sichauch ein Urteil gegen unreine Libido 53 und gegen alle Verstöße desnatürlichen Schamgefühls ein. 54Die Erläuterung des Gesetzes (Explicatio Legis) fängt mit dem Vorwort desGesetzes (Praefatio in Legem) an, das in 21 Abschnitten die Überbringungund ständiges Aufrechterhalten des Gesetzes kommentiert. 55 Danach folgtdas erste Gebot Ex. 20:2 und Dtn. 5:6 mit Stellen aus Mose-Büchern, die eserläutern — Dtn 6:4 “Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERRallein”, Dtn 6:13 “du sollst den HERRN, deinen Gott, fürchten und ihmdienen und bei seinem Namen schwören” und ähnliche. Zum erstenGebot hat Calvin noch eine Reihe zeremonieller Vorschriften über die Einhaltungvon Ostern, Behandlung der Erstgeborenen, Nasiräer, Heiligungder ersten Ernte, Kindbett, Aussätzige und ihre Reinigung, Unreinheit,Reinigung des Volkes, Reinheit des Heerlagers, Mischung der Tierarten,reine und unreine Tiere, Vermeidung der Kadaver und Behandlung der50 “Porro legem hoc loco vocat Moses, non decem verba designata in duabus tabulis,sed interpretationem quatuor libris comprehensam.” CmDtn 31: 9 CO 24, 451. — S. Biéler1966, 23.51 “quia alioque mutila esset lex Dei, neque ad perfectam pie iusteque vivendi normamnos institueret.” CmEx 20:12 CO 24, 605 — Helm 2004, 366 “God cannot in all cases commandwhat he would prefer to command. Nevertheless, his command is obligatory, even though‘inequitable'. In other words there are situations in which the social conditions are such thatnot the Lord can legislate in accordance with his nature but rather has to go with the grain ofinstitutions such as slavery. ”52 “Ac ne pluribus agam, ex summa secundae tabulae patebit Deum non modo vetarene homicidae simus, sed etiam praecipere ut fideliter quisque tueri studeat vitam proximisui, ac re ipsa declaret sibi caram esse.” CmEx 20:13 CO 24, 61253 “Caeterum cur sub voce adulterii omnem impuram libidinem damnaverit, anteexposuimus.” CmEx 20:14 CO 24, 64354 “Discimus ex his locis non tantum ab adulteriis prohibitum fuisse populam, sed aflagitiis omnibus quae pugnant cum ipsa naturae verecundia.” CmLev 18:22-30 CO 24, 64555 CO 24, 209–260.
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62fall beziehen. 46 Da<strong>bei</strong> ist hinzuweisen, dass er jedoch die Deutung abweist,dass das Böse zu der von Gott gewollten Ordnung gehöre. Die Existenzdes Bösen verneint er aber nicht, und somit akzeptiert er die verderbendeWirkung des Sündenfalls auf die ganze Schöpfung. 47Zusammenfassend ist zu bemerken, dass der Begriff “Natur” <strong>bei</strong> <strong>Calvin</strong>hauptsächlich einen positiven Inhalt hat, wenn er auf die Schöpfung alsGanzes hindeutet, aber dass er ausnahmslos negativ im Zusammenhangmit der menschlichen Natur zu verstehen ist. Weil ‘die Natur’ auchnegativen Inhalt haben kann, kann sie nur bedingt als Norm dienen.3.2. Hierarchische StrukturIm Folgenden wird untersucht, ob es im Denken <strong>Calvin</strong>s eine Hierarchieder <strong>Recht</strong>e gibt, und ob das Naturrecht in so einem System eineneigenständigen Platz hat.3.2.1. Quellenanalyse: <strong>Calvin</strong>s Auslegung des Gesetzes GottesObwohl <strong>Calvin</strong> von seiner Ausbildung her Jurist war, hat er hauptsächlichtheologische Werke geschrieben, mit Ausnahme des Seneca-Kommentars.Es ist schwierig, philosophische Überlegungen über ein abstraktes Systemdes <strong>Recht</strong>s in seinen Schriften zu finden. Als Quelle bietet sich aber seineAuslegung des Gesetzes im Kommentar zur Harmonie der letzten Moses-Bücher an. 48 Über die Hälfte des Kommentars besteht aus der Auslegungdes Gesetzes, 49 wo<strong>bei</strong> <strong>Calvin</strong> bemerkt, dass das Gesetz Gottes nicht nurden Dekalog <strong>bei</strong>nhaltet, sondern sich über die vier letzten Bücher Mose46 Partee 1977, 48 stellt fest, dass <strong>Calvin</strong> “Natur” in zwei Bedeutungen benutzt. — -Brunner 1935, 23 "Natur heisst <strong>bei</strong> <strong>Calvin</strong> etwas ganz anderes als im modernenSprachgebrauch. In Anlehnung an den stoischen Sprachgebrauch — der ja die kirchlicheTheologie bis zur Aufklärung bestimmt — und zugleich mit charakteristischer Umformungdes begrifflichen Inhalts bezeichnet <strong>Calvin</strong> als Natur die ursprüngliche Schöpfung, sofern siejetzt noch als solche erkennbar ist, also das gottgegebene Gepräge alles geschaffenen Seins."47 S. Ganoczy 1992, 307–308 “<strong>Calvin</strong> hat die Römerbrief-Stelle dahingehend ausgelegt,daß "alle unschuldigen Kreaturen die Strafe für unsere Sünden mittragen” müssen. DieserGedanke findet sich schon im rabbinischen Judentum.”48 Laut Hesselink 1992, 15 behandelt <strong>Calvin</strong> das Gesetz Gottes in einer uniken Art undWeise.49 CmMsHarm, CO 24, 209–728