Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
32Zusammenfassung finden. 13 In der goldenen Regel nähern sich dasNaturrecht und die Billigkeit (aequitas) einander. Materiell setzt Gratiandas Naturrecht mit der Offenbarung Gottes gleich. Dabei gibt er einelogische Ordnung: der göttliche Wille – das göttliche Gesetz – dasNaturrecht – die Bibel, in der die erstgenannten aufgeschrieben sind. Erhält es aber auch für wichtig, dass das Naturrecht tatsächlich in der Naturzu finden ist, aber jedenfalls für Christen ist es in der Bibel zu erkennen.Das Naturrecht und die Schrift sind aber nur zum Teil identisch: dasNaturrecht ist vollkommen in der Bibel zu finden, aber nicht alles in derBibel berührt das Naturrecht, sondern nur sittliche Regeln, worunter erviel mehr als den Dekalog versteht. Auch die von ihm als mystischbezeichneten Regeln, wie z.B. das Zeremoniegesetz, sind mit demNaturrecht verbunden, weil sie eine tiefere Bedeutung haben undvorbildlich sind. Er sieht im Alten Testament auch zivilrechtliche Regeln,die er nicht dem Naturrecht sondern dem positiven Recht zurechnet. 14Der Glossator Alanus (um 1200) kennt drei Arten von Naturrecht: dasgöttliche Recht — die Billigkeit — der Instinkt. Die natürlicheGerechtigkeit, die Billigkeit (aequitas) hat eine zentrale Bedeutung. Sie istmit dem Geist und der Vernunft des Menschen verbunden, und obwohlsie nur auf Recht oder Unrecht hinweist, gehört die Pflicht, ihrenHinweisen zu folgen, zum positiven Recht. Die verschiedenen Arten desNaturrechts können gleichzeitig gelten: ein Rechtssatz oder eine13 "Ius naturae est, quod in lege et euangelio continetur, quo quisque iubetur alii facere,quod sibi uult fieri, et prohibeetur alii inferre, quod sibi nolit fieri" — D.1.14 "Cum ergo naturali iure nihil aliud precipiatur, quam quod Deus uult fieri, nihilqueuetetur, quam quod Deus prohibet fieri; denique cum in canonica scriptura nihil aliud, quamin diuinis legibus inueniatur, diuine uero leges natura consistant: patet, quod quecumquediuinae uoluntati, seu canonicae scripturae contraria probantur, eadem et naturali iuriinueniantur aduersa. Unde quecumque diuinae uoluntat, seu canonice scripture, seu diuinislegibus postponenda censentur, eisdem naturale ius preferri oportet." D.9 c.11; "Sed cumnaturale ius lege et euangelio supra dicatur esse comprehensum" D. 5 pr. § 2; "In lege eteuangelio naturale ius continetur; non tamen quecunque in lege et euangelio inuenientur,naturali iure cohere probantur. Sunt enim in lege quedam moralia, ut: non occides et cetera,quedam mistica, utpote sacrifitiorum precepta, et alia his similia. Moralia mandata adnaturale ius spectant atque ideo nullam mitabilitatem recepisse monstrantur." D. 6 c.3; "Iusautem constitutionis cepit a iustificationibus, quas Dominus tradit Moisi dicens: ‘si emerisseruum ebreum etc’" D. 7 pr. — S. Weigand 1967, 132–136.
33Einrichtung kann zum Naturrecht in allen drei Bedeutungen gehörenoder aber zum Naturrecht in einer Bedeutung zugeordnet undgleichzeitig den anderen entgegengesetzt sein. Alanus unterscheidetvoneinander auch absolutes Naturrecht einerseits und relativesNaturrecht andererseits. Das absolute Naturrecht ist unabhängig vonjedem anderen Recht, und das Naturrecht ist das wirkliche Rechtinnerhalb jeden anderen Rechts — nicht etwa ein Recht neben anderenRechten. 15Zum Gesetzverständnis des Thomas von Aquin (1225–1274) gehört, ähnlichder stoisch-augustinischen Tradition, eine Dreiteilung des Gesetzes inewiges, natürliches und menschliches oder positives Gesetz (lex aeterna,lex naturalis, lex humana seu positiva). Diese Dreiteilung ergänzt er mit demgöttlichen Gesetz (lex divina), das dem Menschen die Ziele offenbart, dieaußerhalb der Natur stehen. 16Melanchthon hat in vielen Schriften Naturrechtsgedanken entfaltet. Beiihm ist ein Stufenbau des Rechts mit lex humana – lex naturae – lex divina /Dei zu sehen. Das Naturrecht ist für ihn mit dem Völkerrecht (ius gentium)der Juristen und des römischen Rechtsdenkens identisch. In Streitfällen isteine Prioritätsordnung der unterschiedlichen Rechtsebenen zu beachten15 Alanus hat zwei Fassungen seines Glossenapparates (1192 bzw. 1205) und dazu einkleines Traktat über das Naturrecht geschrieben. Das Traktat könnte Teil der zweitenFassung des Glossenapparates sein, aber auch ein eigenständiges Schreiben. S. Weigand 1967,225–227. Im Traktat schreibt Alanus: "Ius naturale tres habet acceptiones: una est secundumquod ita describitur: ‘Ius naturale est quod in lege et euangelio continetur’ ut di.i. inprincipio. Alia est secundum quod anturalis equitas appellatur ius naturale in quaacceptione ponitur di.i. Ius naturale. Tertia est secundum quod sic describitur: ‘Ius naturaleest quod natura omnia animalia docuit’. In prima acceptione ius naturale nichil aliud est nisidoctrina legis et euangelii. in secunda est ipsa animi equitas naturalis uel illud quod ex animiratione equum est. In tertia est instinctus nature ut sensualitas uel illud quod ile instinctusdocet et demonstrat. ... Item iste tres acceptiones excedentes sunt et excesse, quia multa suntde iure naturali in qualibet acceptione. ... Eo modo sunt quedam de iure naturali in secundaacceptione que non sunt in aliis ut istud. ... Item omne illit quod equum est continetur in subiure haturali in secunda acceptione. Vnde quicquid est equum naturalliter uel in iuregentium uel ciuile uel canonico, sub iure naturali continetur."16 II 1, qu. 91,1; qu.93,1; De malo XVI 9; II 1, qu. 93,6; qu.91,2; II 1 qu. 91,3; qu. 95. 2 – S.Ganzland 975-976.
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33Einrichtung kann zum Naturrecht in allen drei Bedeutungen gehörenoder aber zum Naturrecht in einer Bedeutung zugeordnet undgleichzeitig den anderen entgegengesetzt sein. Alanus unterscheidetvoneinander auch absolutes Naturrecht einerseits und relativesNaturrecht andererseits. <strong>Das</strong> absolute Naturrecht ist unabhängig vonjedem anderen <strong>Recht</strong>, und das Naturrecht ist das wirkliche <strong>Recht</strong>innerhalb jeden anderen <strong>Recht</strong>s — nicht etwa ein <strong>Recht</strong> neben anderen<strong>Recht</strong>en. 15Zum Gesetzverständnis des Thomas von Aquin (1225–1274) gehört, ähnlichder stoisch-augustinischen Tradition, eine Dreiteilung des Gesetzes inewiges, natürliches und menschliches oder positives Gesetz (lex aeterna,lex naturalis, lex humana seu positiva). Diese Dreiteilung ergänzt er mit demgöttlichen Gesetz (lex divina), das dem Menschen die Ziele offenbart, dieaußerhalb der Natur stehen. 16Melanchthon hat in vielen Schriften Naturrechtsgedanken entfaltet. Beiihm ist ein Stufenbau des <strong>Recht</strong>s mit lex humana – lex naturae – lex divina /Dei zu sehen. <strong>Das</strong> Naturrecht ist für ihn mit dem Völkerrecht (ius gentium)der Juristen und des römischen <strong>Recht</strong>sdenkens identisch. In Streitfällen isteine Prioritätsordnung der unterschiedlichen <strong>Recht</strong>sebenen zu beachten15 Alanus hat zwei Fassungen seines Glossenapparates (1192 bzw. 1205) und dazu einkleines Traktat über das Naturrecht geschrieben. <strong>Das</strong> Traktat könnte Teil der zweitenFassung des Glossenapparates sein, aber auch ein eigenständiges Schreiben. S. Weigand 1967,225–227. Im Traktat schreibt Alanus: "Ius naturale tres habet acceptiones: una est secundumquod ita describitur: ‘Ius naturale est quod in lege et euangelio continetur’ ut di.i. inprincipio. Alia est secundum quod anturalis equitas appellatur ius naturale in quaacceptione ponitur di.i. Ius naturale. Tertia est secundum quod sic describitur: ‘Ius naturaleest quod natura omnia animalia docuit’. In prima acceptione ius naturale nichil aliud est nisidoctrina legis et euangelii. in secunda est ipsa animi equitas naturalis uel illud quod ex animiratione equum est. In tertia est instinctus nature ut sensualitas uel illud quod ile instinctusdocet et demonstrat. ... Item iste tres acceptiones excedentes sunt et excesse, quia multa suntde iure naturali in qualibet acceptione. ... Eo modo sunt quedam de iure naturali in secundaacceptione que non sunt in aliis ut istud. ... Item omne illit quod equum est continetur in subiure haturali in secunda acceptione. Vnde quicquid est equum naturalliter uel in iuregentium uel ciuile uel canonico, sub iure naturali continetur."16 II 1, qu. 91,1; qu.93,1; De malo XVI 9; II 1, qu. 93,6; qu.91,2; II 1 qu. 91,3; qu. 95. 2 – S.Ganzland 975-976.