Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
20bezeichnen will, muss man fragen, ob es richtig ist, vom Sein das Sollenabzuleiten.Die Tatsache, dass “Naturrecht” vielerlei Inhalte und Bedeutungenbekommen kann, bereitet einer Studie im Bereich des Naturrechtsverständnissesmanche Schwierigkeiten, auf die z.B. Tönnies hingewiesenhat und die sie mit dem Begriff “Universalismus” vermeiden bzw.umgehen will. Sie schreibt: “Universalismus ist das Kennzeichen dessen,‘quod semper, quod ubique, quod omnibus’, dessen also, das Gültigkeitfür immer, überall und für alle beansprucht und deshalb von derVoraussetzung ausgeht, dass die Menschen unter einem gewissen,distanzierten Blickwinkel ‘gleich’ sind. ... Ferner soll mit dem Begriff‘Universalismus’ die Auffassung gekennzeichnet werden, dass esallgemeine Obersätze hinsichtlich des Guten gibt: man könnte stattdessenauch von ‘rationalem Naturrecht’ sprechen.” 70 Der von Tönnies lancierteneue Terminus hat den Vorteil, dass er die Forschung von etymologischbedingten Vorarbeiten am Naturverständnis befreien kann. Für dievorliegende Arbeit wird er nicht als solcher angenommen, aber seinAnsatz — Gültigkeit für immer, überall und für alle — kommt dadurchzum Vorschein, dass es hier um das universale Recht geht.Der am Anfang zitierte Satz Calvins zeigt, dass er allgemeingültige undallen erkennbare Normen akzeptiert. Die vorliegende Arbeit versuchtgenauer zu zeigen, was das im und für sein Denken bedeutet: Wiestrukturiert er das Recht und wie behandelt er verschiedene Rechtsstufen?Wie und durch welche Mittel oder Fähigkeiten kann der Mensch dasRecht erkennen? Wie wirkt das universale Recht im tatsächlichen Lebender Menschen und Menschengemeinschaften? 71Die oben gestellten Fragen können nicht mit nur einer einzigen Methodebeantwortet werden. Begriffe, die Calvin gebraucht, werden analysiert70 Tönnies 1995, 15.71 S. Helm 2004, 370 “We must make a broad and rough distinction between theontological status of natural law, what the natural law is, its epistemological status, how itis known, and thirdly how it is to be applied.”
21und miteinander verglichen. Dabei werden auch ideengeschichtlicheKontexte und Hintergründe jeweiliger Begriffe berücksichtigt. Es gehtaber nicht nur um Worte und Begriffe. Strukturen von Calvins Ausführungund Argumentation innerhalb der Texteinheiten werden analysiert,die von kurzen Briefen bis zur Erläuterung des Mose-Gesetzesreichen und mehrere hundert Seiten umfassen. Seine Texte werden auchmiteinander verglichen und es wird analysiert, wie konsequent seine Argumentationist. Bei den Analysen werden Kontexte der jeweiligen Texteberücksichtigt, soweit es relevant erscheint. Es wird nicht angenommen,dass es eine Zentrallehre bei Calvin gäbe, die seine Auffassung voneinzelnen Fragen erklären würde, aber es wird beachtet, dass seineSchreiben nicht nur in einem ideen- und kirchengeschichtlichen, sondernauch in einem politischen und gesellschaftlichen Kontext entstanden sind.Das Hintergrundkapitel versteht sich als eine Annäherung an das Thema.Die Geschichte des Naturrechtsdenkens wird in groben Zügen aus dreiPerspektiven vorgestellt: erstens wie das Recht in ein hierarchischesSchema gestellt worden ist, zweitens wie der Mensch das Recht erkennenkann, und drittens wie das Naturrecht wirksam ist. Die Analyse beginntmit der Frage nach Rechtstruktur und -hierarchie in Calvins Denken. Daserste Unterkapitel stellt die Bedeutung der Schöpfung und VorsehungGottes für das universale Recht vor. Danach wird ausgeführt, wie Calvinvor allem in seinem Kommentar zum Mose-Gesetz das Recht in einerHierarchie strukturiert. Das Ende des Kapitels stellt die Universalität desRechts als Voraussetzung dar, dass Calvin es als Naturrecht sieht. Imzweiten Analysekapitel wird gezeigt, mit welchen Mitteln bzw.Fähigkeiten der Mensch nach Calvin das universale Recht erkennen kann:Dabei wird auch erläutert, warum der Mensch nicht immer nach demuniversalen Recht handelt und welche Konsequenzen es hervorruft. Dasletzte Kapitel der Analyse stellt vor, wie das universale Recht im Lebendes Menschen als Regel und als Billigkeit wirkt.1.4. QuellenCalvin selbst macht ein Studium in seinem Naturrechtsverständnis nichtleicht. Der Reformator Calvin schreibt viel, aber sein reformatorischesInteresse und seine kirchliche Tätigkeit führen dazu, dass er, im
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21und miteinander verglichen. Da<strong>bei</strong> werden auch ideengeschichtlicheKontexte und Hintergründe jeweiliger Begriffe berücksichtigt. Es gehtaber nicht nur um Worte und Begriffe. Strukturen von <strong>Calvin</strong>s Ausführungund Argumentation innerhalb der Texteinheiten werden analysiert,die von kurzen Briefen bis zur Erläuterung des Mose-Gesetzesreichen und mehrere hundert Seiten umfassen. Seine Texte werden auchmiteinander verglichen und es wird analysiert, wie konsequent seine Argumentationist. Bei den Analysen werden Kontexte der jeweiligen Texteberücksichtigt, soweit es relevant erscheint. Es wird nicht angenommen,dass es eine Zentrallehre <strong>bei</strong> <strong>Calvin</strong> gäbe, die seine Auffassung voneinzelnen Fragen erklären würde, aber es wird beachtet, dass seineSchreiben nicht nur in einem ideen- und kirchengeschichtlichen, sondernauch in einem politischen und gesellschaftlichen Kontext entstanden sind.<strong>Das</strong> Hintergrundkapitel versteht sich als eine Annäherung an das Thema.Die Geschichte des Naturrechtsdenkens wird in groben Zügen aus dreiPerspektiven vorgestellt: erstens wie das <strong>Recht</strong> in ein hierarchischesSchema gestellt worden ist, zweitens wie der Mensch das <strong>Recht</strong> erkennenkann, und drittens wie das Naturrecht wirksam ist. Die Analyse beginntmit der Frage nach <strong>Recht</strong>struktur und -hierarchie in <strong>Calvin</strong>s Denken. <strong>Das</strong>erste Unterkapitel stellt die Bedeutung der Schöpfung und VorsehungGottes für das universale <strong>Recht</strong> vor. Danach wird ausgeführt, wie <strong>Calvin</strong>vor allem in seinem Kommentar zum Mose-Gesetz das <strong>Recht</strong> in einerHierarchie strukturiert. <strong>Das</strong> Ende des Kapitels stellt die Universalität des<strong>Recht</strong>s als Voraussetzung dar, dass <strong>Calvin</strong> es als Naturrecht sieht. Imzweiten Analysekapitel wird gezeigt, mit welchen Mitteln bzw.Fähigkeiten der Mensch nach <strong>Calvin</strong> das universale <strong>Recht</strong> erkennen kann:Da<strong>bei</strong> wird auch erläutert, warum der Mensch nicht immer nach demuniversalen <strong>Recht</strong> handelt und welche Konsequenzen es hervorruft. <strong>Das</strong>letzte Kapitel der Analyse stellt vor, wie das universale <strong>Recht</strong> im Lebendes Menschen als Regel und als Billigkeit wirkt.1.4. Quellen<strong>Calvin</strong> selbst macht ein Studium in seinem Naturrechtsverständnis nichtleicht. Der Reformator <strong>Calvin</strong> schreibt viel, aber sein reformatorischesInteresse und seine kirchliche Tätigkeit führen dazu, dass er, im