Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria

Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria

10.07.2015 Aufrufe

180Das Gesamtziel der regula ist es, das Leben des Menschen fromm und gutzu gestalten, d.h. ein Leben zu formen, in dem das Ziel des Gesetzes, dieNächstenliebe, verwirklicht wird. Die zweite Tafel des Gesetzes erklärteben die Nächstenliebe, wenn sie Regeln über zwischenmenschlicheVerhältnisse beinhaltet. Das Ziel des gesamten Gesetzes ist neben derNächstenliebe die Frömmigkeit, welches es möglich macht, das Gesetz als“Regel der Gerechtigkeit” zu nennen. Würde der Mensch das Gesetzvollkommen erfüllen, wäre er auch vollkommen in der Gerechtigkeit undein vollkommenes Bild Gottes. Niemand aber folgt dem Gesetz vollkommen,denn niemand erfüllt das Doppelgebot der Liebe bis in dieletzte Einzelheit. So kann auch niemand durch das Gesetz Vollkommenheitund Gerechtigkeit erreichen. Den Gläubigen erfüllt aber Gott das, wasvon ihrer Vollkommenheit fehlt, und so macht er sie gerecht.Die goldene Regel ist für Calvin ein Teil der Regel der Liebe. Er vergleichtsie mit dem allgemeinen Prinzip der Billigkeit und hält sie für dasFunktionsprinzip des Gerichts Gottes. Die goldene Regel hat in seinemDenken Anknüpfungen mit dem Naturrecht, aber sie besitzt keine starkeselbständige Stellung. Sie ist der subjektive Teil der Regel der Liebe, wennsie zeigt, wie man sich anderen Menschen gegenüber zu verhalten hat.Den Inhalt der Regel der Liebe gibt das cuique ius suum -Prinzip bekannt,das so der objektive Teil der Regel ist.Das zentrale naturrechtliche Prinzip für Calvin ist die Billigkeit (aequitas),die bekannt macht, wie Menschen miteinander zu leben haben, und die soauch die Gerechtigkeit ausdrückt. Die Billigkeit gehört zur zweiten Tafeldes Gesetzes, dem Gesetzteil, der auch sonst das Gebiet des Naturrechtsist. Die Billigkeit ist ein eindeutig naturrechtliches Element im DenkenCalvins, denn ihre Erfüllung ist ohne die Erkenntnis und VerehrungGottes möglich.Die Bedeutung der Billigkeit tritt in besonderer Weise hervor, wennCalvin sich mit der Zinsnahme beschäftigt. Für ihn ist das Zinsnahmeverbotdes Alten Testaments kein Teil des ewigen Gesetzes. Das Verbot istnicht universell, denn es gilt nur Mitgliedern des eigenen Volkesgegenüber. So muss es politisches Recht sein. Die altetestamentarischen

181Zinsnahmeverboten verpflichten nicht die Christen, denn ihnen gelten dieGrenzen, die die Billigkeit und die Vernunft zeichnen. Der Zins an sich istnicht böse, aber man darf mit Zinsen nicht einen anderen Menschenausbeuten. Calvin akzeptiert den Gedanken über die Unfruchtbarkeit desGeldes nicht bis zum Ausgangspunkt der Zinsfrage, sondern er sieht, dassdas Geld Früchte bringt, wenn es im Umlauf ist: Gewinn und Zinsen sindnotwendig für ein funktionierendes Wirtschaftsleben. Darum will er dieZinsfrage aus der Sicht der Billigkeit betrachten.Im Geschäftsleben ist es nach Calvin im Rahmen der allgemeinen Regelder Billigkeit erlaubt, Zinsen zu nehmen. Die Regel der Billigkeit verbindeter mit der goldenen Regel: die Zinsnahme ist nicht gegen die goldeneRegel, wenn der Zinssatz anständig und billig ist. Die Billigkeit kann manaber nicht eindeutig angeben: für Arme kann auch ein günstiger allgemeinerZinssatz als unbillig erscheinen und ihre Stellung in Gefahr bringen.Der Zinssatz ist nicht ungerecht, wenn er dem Schuldner nicht schadet.Man kann auch nicht allgemein auf Zinsnahme verzichten, weil Zinsennützlich und praktisch sind. Eine Bereicherung auf Kosten der Armen istaber ungerecht, und Arme dürfen überhaupt nicht mit Zinsen belastetwerden, weil sie ihnen als unbillig erscheinen. Calvin setzt die natürlicheBilligkeit als die Grenze der Zinsnahme. Die natürliche Billigkeit hat alsihre Regel nicht etwa die Unbilligkeit der Welt, sondern das Wort Gottes,und die Billigkeit muss viel genauer beachtet werden als die Gewinnsucht.Vor allem soll aber die Betrachtungsweise der Billigkeit dasVerhalten der Christen auf Eigentum beherrschen, denn sie stehen unterder Forderung der Liebe, dass man den Hilfesuchenden keineunzumutbare Lasten aufladen darf. Der Christ soll sein Eigentum fürandere benutzen.Weil die Regel der Billigkeit nach Calvin dem Menschenherzeneingeprägt ist, ist sie jedem Menschen von seiner Natur aus verständlich.Er bindet sie auch mit der goldenen Regel zusammen, wenn er diegoldene Regel als die von Christus gegebene Regel der Billigkeitbezeichnet. Seine Verbindung mit der Ethik der goldenen Regel hat dieBetrachtungsweise der Billigkeit.

180<strong>Das</strong> Gesamtziel der regula ist es, das Leben des Menschen fromm und gutzu gestalten, d.h. ein Leben zu formen, in dem das Ziel des Gesetzes, dieNächstenliebe, verwirklicht wird. Die zweite Tafel des Gesetzes erklärteben die Nächstenliebe, wenn sie Regeln über zwischenmenschlicheVerhältnisse <strong>bei</strong>nhaltet. <strong>Das</strong> Ziel des gesamten Gesetzes ist neben derNächstenliebe die Frömmigkeit, welches es möglich macht, das Gesetz als“Regel der Gerechtigkeit” zu nennen. Würde der Mensch das Gesetzvollkommen erfüllen, wäre er auch vollkommen in der Gerechtigkeit undein vollkommenes Bild Gottes. Niemand aber folgt dem Gesetz vollkommen,denn niemand erfüllt das Doppelgebot der Liebe bis in dieletzte Einzelheit. So kann auch niemand durch das Gesetz Vollkommenheitund Gerechtigkeit erreichen. Den Gläubigen erfüllt aber Gott das, wasvon ihrer Vollkommenheit fehlt, und so macht er sie gerecht.Die goldene Regel ist für <strong>Calvin</strong> ein Teil der Regel der Liebe. Er vergleichtsie mit dem allgemeinen Prinzip der Billigkeit und hält sie für dasFunktionsprinzip des Gerichts Gottes. Die goldene Regel hat in seinemDenken Anknüpfungen mit dem Naturrecht, aber sie besitzt keine starkeselbständige Stellung. Sie ist der subjektive Teil der Regel der Liebe, wennsie zeigt, wie man sich anderen Menschen gegenüber zu verhalten hat.Den Inhalt der Regel der Liebe gibt das cuique ius suum -Prinzip bekannt,das so der objektive Teil der Regel ist.<strong>Das</strong> zentrale naturrechtliche Prinzip für <strong>Calvin</strong> ist die Billigkeit (aequitas),die bekannt macht, wie Menschen miteinander zu leben haben, und die soauch die Gerechtigkeit ausdrückt. Die Billigkeit gehört zur zweiten Tafeldes Gesetzes, dem Gesetzteil, der auch sonst das Gebiet des Naturrechtsist. Die Billigkeit ist ein eindeutig naturrechtliches Element im Denken<strong>Calvin</strong>s, denn ihre Erfüllung ist ohne die Erkenntnis und VerehrungGottes möglich.Die Bedeutung der Billigkeit tritt in besonderer Weise hervor, wenn<strong>Calvin</strong> sich mit der Zinsnahme beschäftigt. Für ihn ist das Zinsnahmeverbotdes Alten Testaments kein Teil des ewigen Gesetzes. <strong>Das</strong> Verbot istnicht universell, denn es gilt nur Mitgliedern des eigenen Volkesgegenüber. So muss es politisches <strong>Recht</strong> sein. Die altetestamentarischen

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