Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria
154nismus ist die Billigkeit (aequitas) der zentrale Begriff und das zentralePrinzip für das Naturrecht. 70 Weil Calvin von seiner Juristenausbildungund von seinen Jugendinteressen her Humanist war, ist es wohlbegründet,die Stellung der Billigkeit in seinem Denken und in seinemWirken zu untersuchen.Der Begriff der Billigkeit stammt in der Form vonAristoteles, der ihn im 10. Kapitel des fünften Buches der NicomachischenEthik und in der Rhetorik benutzt. Die Billigkeit korrigiert die Fehler, die inEinzelfällen wegen der Allgemeinheit der Gesetze auftreten, und mildertdadurch den Gebrauch der Gesetze. Die Billigkeit ist mit derGerechtigkeit verwandt, und viele Dinge können sowohl billig als auchgerecht sein. Die Billigkeit und die Gerechtigkeit sind beide gut, aber dieBilligkeit ist besser, weil sie Gerechtigkeit ausdrückende Gesetzekorrigiert, wenn ihre Allgemeinheit Lücken lässt. Ein Mensch, der nachder Billigkeit lebt, setzt seine Ansprüche nicht um jeden Preis durch,sondern er kann mit wenigem zufrieden sein, obwohl das Gesetz ihmmehr geben würde. 71Die -Lehre Aristoteles wurde im römischen Recht unter demBegriff aequitas angenommen. Das römische Recht verbindet Billigkeit mitder Menschlichkeit (humanitas) und stellt das strenge Recht des Gesetzgebrauchs(ius strictum) und das billige Recht (ius aequus) gegeneinander.Die Rechtsprechung soll immer die Billigkeit verwirklichen. 72 Aus demrömischen Recht wird das Prinzip der Billigkeit sowohl in das mittel-70 Meine Ausführung über die Geschichte des Begriffs “Billigkeit” basiert auf denArtikeln über Billigkeit im Historischen Wörterbuch der Philosophie (HWdPh, Bd 1.,940–941).Ciulei 1972, 61 “Cicéron revient à son idée qu'on doit attribuer plus s'autorise à l'équité qu'audroit strict. Dans ce texte aequi et boni ratio doit être compris dans le sens large de l'équitéqui même séparez da droit - contenu dans les mots et dans les écrits - doit avoir plus devaleur que le droit strict.”71 Eth.Nic. V, 1137 a – 1138 a.72 "In omnibus quidem, maxime tamen in iure aequitas spectanda est." Dig. 50.17.90. —Thieme 1977, 925 “Der rechtsphilosophische Begriff, mittels dessen wiederum positives Rechtund Naturrecht, wie schon bei den Römern, einander angehängt werden, ist die Billigkeit. ImRömischen Recht, so betont man jetzt, kommt die natürliche Billigkeit, das Naturrecht selber,zu Wort.”
155alterliche weltliche als auch kanonische Recht tradiert, und aus ihnenweiter in modernes Rechtsdenken. 73 Vor allem im anglosächsischen Rechtbleibt die Billigkeit durch die Zeiten als zentraler Maßstab des Rechtsgebrauchs.Der wesentliche Inhalt der Billigkeit bleibt seit Aristotelesderselbe. Als Jurist und Humanist hat Calvin den Begriff der Billigkeitsowohl aus der antiken Philosophie wie aus dem römischen und demmittelalterlichen Recht gekannt. 74Calvin behandelt die Billigkeit schon in seinem Kommentar zu Senecas Declementia. Er stellt die Billigkeit (aequitas, ) der strengenRechtsführung mit bloßen Gesetztexten (ius strictum) gegenüber undmeint, dass die Billigkeit die Härte des Gesetzes vermindert. 75 Hierschließt Calvin sich der Tradition an, die ihm in seinen Studien bekanntgeworden war.Für Calvin gehört die Billigkeit zur zweiten Tafel des Gesetzes, denn diezweite Tafel behandelt Fragen der Gerechtigkeit, weil sie vorgibt, wieMenschen untereinander leben sollen. Wenn er in der Institutio bei derErläuterung des dritten Gebots das Verhältnis zum Eid vornimmt, stellt erfest, dass es in dem Gebot um Gott und die Ehrung seines Namens geht,und nicht um Billigkeit, die in zwischenmenschlichen Verhältnissen zuachten ist. Weil Gott aber sein Gesetz nicht ohne Grund in zwei Tafelngeteilt hat, wäre es eine unnötige Wiederholung, den Eid im Namen derGerechtigkeit und der Billigkeit in der ersten Tafel zu verbieten, dennspäter, in der zweiten Tafel, verbietet Gott den die Menschengemeinschaftverletzenden Eid und falsche Aussagen im Namen der Liebe und derBilligkeit. In der ersten Tafel verteidigt Gott nach Calvin nur sein eigenes73 Ciulei 1972, 44: “Parmi les différents aspects de cette notion, étudiée par Cicéron ontrouve aussi celui de l'équité comme norme d'interprétation du droit. et il faut remarquer quecet aspect de l'équité sera développé dans l'époque classique du droit romain et aura ungrand rôle à jouer dans la législation postclassique.”74 In seinen Studien war Calvin sowohl mit dem Römischen Recht und Digesten alsauch mit großen Philosophen der Antike und Kirchenvätern bekannt geworden. S. Kapitel1.1. dieser Arbeit. — Haas 1997, 17–46 stellt die Geschichte des Billigkeitsbegriffs vonAristotel bis zur Reformationszeit vor.75 CmSeneca 111, 22.
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155alterliche weltliche als auch kanonische <strong>Recht</strong> tradiert, und aus ihnenweiter in modernes <strong>Recht</strong>sdenken. 73 Vor allem im anglosächsischen <strong>Recht</strong>bleibt die Billigkeit durch die Zeiten als zentraler Maßstab des <strong>Recht</strong>sgebrauchs.Der wesentliche Inhalt der Billigkeit bleibt seit Aristotelesderselbe. Als Jurist und Humanist hat <strong>Calvin</strong> den Begriff der Billigkeitsowohl aus der antiken Philosophie wie aus dem römischen und demmittelalterlichen <strong>Recht</strong> gekannt. 74<strong>Calvin</strong> behandelt die Billigkeit schon in seinem Kommentar zu Senecas Declementia. Er stellt die Billigkeit (aequitas, ) der strengen<strong>Recht</strong>sführung mit bloßen Gesetztexten (ius strictum) gegenüber undmeint, dass die Billigkeit die Härte des Gesetzes vermindert. 75 Hierschließt <strong>Calvin</strong> sich der Tradition an, die ihm in seinen Studien bekanntgeworden war.Für <strong>Calvin</strong> gehört die Billigkeit zur zweiten Tafel des Gesetzes, denn diezweite Tafel behandelt Fragen der Gerechtigkeit, weil sie vorgibt, wieMenschen untereinander leben sollen. Wenn er in der Institutio <strong>bei</strong> derErläuterung des dritten Gebots das Verhältnis zum Eid vornimmt, stellt erfest, dass es in dem Gebot um Gott und die Ehrung seines Namens geht,und nicht um Billigkeit, die in zwischenmenschlichen Verhältnissen zuachten ist. Weil Gott aber sein Gesetz nicht ohne Grund in zwei Tafelngeteilt hat, wäre es eine unnötige Wiederholung, den Eid im Namen derGerechtigkeit und der Billigkeit in der ersten Tafel zu verbieten, dennspäter, in der zweiten Tafel, verbietet Gott den die Menschengemeinschaftverletzenden Eid und falsche Aussagen im Namen der Liebe und derBilligkeit. In der ersten Tafel verteidigt Gott nach <strong>Calvin</strong> nur sein eigenes73 Ciulei 1972, 44: “Parmi les différents aspects de cette notion, étudiée par Cicéron ontrouve aussi celui de l'équité comme norme d'interprétation du droit. et il faut remarquer quecet aspect de l'équité sera développé dans l'époque classique du droit romain et aura ungrand rôle à jouer dans la législation postclassique.”74 In seinen Studien war <strong>Calvin</strong> sowohl mit dem Römischen <strong>Recht</strong> und Digesten alsauch mit großen Philosophen der Antike und Kirchenvätern bekannt geworden. S. Kapitel1.1. dieser Ar<strong>bei</strong>t. — Haas 1997, 17–46 stellt die Geschichte des Billigkeitsbegriffs vonAristotel bis zur Reformationszeit vor.75 CmSeneca 111, 22.