Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria

Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria Das Universale Recht bei Johannes Calvin - Doria

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116wird synteresis mit der höheren Vernunft gleichgestellt. Das Irren desMenschen wird als Einfluss einer niedrigeren Eigenschaft erklärt, weil derMensch mit seiner Vernunft sich eigentlich nicht irren kann. Bei Wilhelmvon Auxerre (13. Jh.) kommen erste Anzeichen des Aristotelismus zumVorschein, wenn er erklärt, dass auch synteresis sich irren und gegenmoralische Prinzipien verstoßen kann. Nach Bonaventura (1221–1274)erkennt der Mensch die ersten Prinzipien der Moral und die Neigungzum Guten ohne Beweise als evident und sicher an, aber er muss erst dieden Grundprinzipien dazugehörenden Begriffe und Terme lernen.Obwohl die ersten Prinzipien sicher sind, hängen sie vom erlerntenWissen ab. Er versteht conscientia als eine Fähigkeit des Sinnes, sittlicheGesetze zu begreifen, und synteresis als Streben und Willen, zu vollziehenund zu verwirklichen. Für Albertus Magnus (1193–1280) in Summa deCreaturis steht synteresis für das, das den Menschen in einem Prozess zumallgemeinen Guten leitet. Damit ist synteresis, als Empfindung dermoralischen Grundprinzipien, die evidente Prämisse der praktischenVernunft. Weil es im praktischen Wissen das Vorgegebene, Vorausgesetzteund Sichere ist, wird alles andere praktische Wissen durch esmöglich. Es kommt auch als Prämisse in einem rationalen Syllogismusvor: sowohl Albertus als auch Thomas stellen synteresis als die major-Prämisse des praktischen Syllogismus vor; die minor-Prämisse ist einProdukt der Vernunft, und conscientia zieht den Schlusssatz. 256Von großer Bedeutung für das Verständnis des Gewissens ist diescholastische Aufteilung des Gewissens in das der Tat vorausgehendeGewissen (conscientia antecedens) und in das die Tat nachträglich bewertendeGewissen (conscientia consequens). Die Aufteilung kann auchohne Benutzung dieser Begriffe vorkommen. So kennt schon Philon vonAlexandria (1. Jh.) die Funktion der conscientia antecedens, er aber rechnet es256 Tolonen 1984, 99–103, Krüger 219–220. Baylor 1977, 48 “In the practical or operativesyllogism (syllogismus operatives), as Aquinas described it, a universal moral precept ismajor term of the syllogism; from this majors together with bctual knowledge provided bythe senses in the case of a pro" posed action (or presumably by memory in the case of pastactions) man reasons to a particular moral conclusion of judg: went. It is this judgment(iuridicium) which Aquinas identified with the conscience”. S. auch Baylor 1977, 75–76,78–102, 116–118.

117nicht unter das Gewissen (syneidesis), sondern unter das vernünftigeDenken. 2574.3.2. “Zusammen-Wissen”Calvin hält das Gewissen nicht direkt für eine Fähigkeit der Seele, aber ersieht es als Beweis dafür, dass im Menschen etwas Unsterbliches undGöttliches wohnt. In der Terminologie beschränkt er sich auf conscientia —der scholastische synteresis-Begriff fehlt bei ihm in der Institutio ganz undgar. 258 Das Fehlen des synteresis-Begriffs lässt auch vermuten, dass seineAuffassung über das Gewissen von der der Scholastik abweicht.Calvin gibt in der Institutio eine Definition des Gewissens und eineBeschreibung des Verhältnisses zwischen dem Gewissen und den Tatendes Menschen zweimal mit beinahe demselben Wortlaut wieder. 259 ZurDefinition kommt er über die Etymologie. Mit dem Verstand gewinnt derMensch eine Kenntnis (notitia) über Dinge; die Kenntnis heißt Wissen(scire), woraus wiederum das “Wissen” (scientia) abgeleitet wird. Inähnlicher Weise hat er in sich als einen Zeugen die Wahrnehmung(sensum) des göttlichen Gerichts, die ihn nicht erlaubt, seine Sünden zuverbergen, die wie ein Mittelding zwischen Gott und dem Menschen ist(quiddam inter Deum et hominem medium), und die “Gewissen” oder“Mitwissen” (conscientia) heißt. Seine “sowie – so” -Beweisführung (sicuti257 Blühdorn 204.258 Calvin-concordance, Spalte 599. — Luther benutzt den Begriff synteresis in seinenfrühen Schriften, aber der Begriff verschwindet in den Jahren 1517–1519. In Operationes inPsalmos steht er noch einmal, allerdings nicht in positiver Bedeutung, und in seiner Predigtüber das Gewissen von 1521 nennt Luther ihn gar nicht mehr. Baylor 1977, 177, 203. — Calvinbenutzt das Wort “Scholastiker” als einen Sammelbegriff für alle Theologen des Hoch- undSpätmittelalters. Mit dem Wort “Philosophen” deutet er auf die Denker der Antike hin. Inder Hierarchie seiner Quellen steht die Heilige Schrift an der obersten Stelle, und sie ist derPrüfstein anderer Quellen. An der zweiten Stelle stehen die Kirchenväter, die für ihn dieAutorität der “primitiven und reinen” Kirche repräsentieren. Die Scholastiker gelten nicht alsAutoritäten, sondern als Opponenten, und er nennt sie nicht unbedingt einzeln, sondernstellt sie unter einen Gruppenname (sophistae, scholastici etc.). Auf der vierten Stufe stehenseine Zeitgenossen, die er nicht mit Namen nennt. S. Lane 1981, 60-62. — Augustin undLuther gelten für Calvin als theologische Autoritäten. Opitz 1994, 7.259 IIIxix15–16 und IVx3–4. — Calvin hat die Sektion über das Gewissen nach der 1543erAusgabe der Institutio wesentlich erweitert. Douglass 1985, 15. S. auch OS IV, 294–296.

116wird synteresis mit der höheren Vernunft gleichgestellt. <strong>Das</strong> Irren desMenschen wird als Einfluss einer niedrigeren Eigenschaft erklärt, weil derMensch mit seiner Vernunft sich eigentlich nicht irren kann. Bei Wilhelmvon Auxerre (13. Jh.) kommen erste Anzeichen des Aristotelismus zumVorschein, wenn er erklärt, dass auch synteresis sich irren und gegenmoralische Prinzipien verstoßen kann. Nach Bonaventura (1221–1274)erkennt der Mensch die ersten Prinzipien der Moral und die Neigungzum Guten ohne Beweise als evident und sicher an, aber er muss erst dieden Grundprinzipien dazugehörenden Begriffe und Terme lernen.Obwohl die ersten Prinzipien sicher sind, hängen sie vom erlerntenWissen ab. Er versteht conscientia als eine Fähigkeit des Sinnes, sittlicheGesetze zu begreifen, und synteresis als Streben und Willen, zu vollziehenund zu verwirklichen. Für Albertus Magnus (1193–1280) in Summa deCreaturis steht synteresis für das, das den Menschen in einem Prozess zumallgemeinen Guten leitet. Damit ist synteresis, als Empfindung dermoralischen Grundprinzipien, die evidente Prämisse der praktischenVernunft. Weil es im praktischen Wissen das Vorgegebene, Vorausgesetzteund Sichere ist, wird alles andere praktische Wissen durch esmöglich. Es kommt auch als Prämisse in einem rationalen Syllogismusvor: sowohl Albertus als auch Thomas stellen synteresis als die major-Prämisse des praktischen Syllogismus vor; die minor-Prämisse ist einProdukt der Vernunft, und conscientia zieht den Schlusssatz. 256Von großer Bedeutung für das Verständnis des Gewissens ist diescholastische Aufteilung des Gewissens in das der Tat vorausgehendeGewissen (conscientia antecedens) und in das die Tat nachträglich bewertendeGewissen (conscientia consequens). Die Aufteilung kann auchohne Benutzung dieser Begriffe vorkommen. So kennt schon Philon vonAlexandria (1. Jh.) die Funktion der conscientia antecedens, er aber rechnet es256 Tolonen 1984, 99–103, Krüger 219–220. Baylor 1977, 48 “In the practical or operativesyllogism (syllogismus operatives), as Aquinas described it, a universal moral precept ismajor term of the syllogism; from this majors together with bctual knowledge provided bythe senses in the case of a pro" posed action (or presumably by memory in the case of pastactions) man reasons to a particular moral conclusion of judg: went. It is this judgment(iuridicium) which Aquinas identified with the conscience”. S. auch Baylor 1977, 75–76,78–102, 116–118.

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