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Editorial<br />
125 Jahre WANDERER – ein markantes Stück<br />
sächsischer Industrie- und Automobilgeschichte<br />
AufgeHorcht<br />
Am 26. Februar 1885 wurde beim Königlichen Amtsgericht in Chemnitz ein neues Unternehmen<br />
unter dem Namen „Chemnitzer Velociped-Depot“ von Johann Winklhofer und<br />
Adolf Jaenicke als Fahrradhandlung mit Reparaturwerkstatt angemeldet. Die Geschäfte liefen<br />
so gut, dass elf Jahre später, am 15. Mai 1896, die WANDERER Fahrradwerke AG, vorm.<br />
Winkelhofer und Jaenicke, Schönau – Chemnitz entstanden. Produkte von WANDERER<br />
wurden weltbekannt. Schreibmaschinen (ab 1904) wie die „Continental“, Rechenmaschinen<br />
sowie Motorräder (ab 1902) kamen zur traditionellen Fahrradfertigung hinzu.<br />
1913 begann in den WANDERER-Werken die Herstellung von Automobilen. Das Kernprodukt<br />
über 15 Jahre war der Kleinwagen vom Typ W 3 – 5/12 PS, vom Volksmund<br />
„Puppchen“ genannt.<br />
Im Frühjahr 1927 wurde das neu errichtete WANDERER-Werk für die Automobilproduktion<br />
in Siegmar bei Chemnitz als Voraussetzung für die Erweiterung der Modellpalette in<br />
Betrieb genommen.<br />
Wir haben zum 125. Jubiläum von WANDERER ein ganz besonders schönes sportliches<br />
Modell als Sammlerstück für Sie, liebe Leserinnen und Leser, ausgewählt – den<br />
WANDERER W 25 K Roadster, der von Februar 1936 bis September 1938 gebaut wurde.<br />
In dieser Ausgabe wollen wir uns auch einer aus heutiger Sicht spektakulären Entwicklung der Einspritztechnik<br />
an Verbrennungsmotoren zuwenden. Kaum zu glauben, aber wahr – Common Rail-Einspritzung;<br />
Entwicklungen in der DDR. Dr.-Ing. Klaus Matthees schreibt über seine Forschungs- und Entwicklungsarbeit<br />
in einem Kollektiv des Wissenschaftlich-Technischen Zentrums (WTZ) Automobilbau Karl-Marx-<br />
Stadt in der Zeit von 1971, beginnend mit einer Studie zum internationalen Stand der Technik elektronisch<br />
gesteuerter Diesel- und Benzineinspritzung, bis 1986, abschließend mit dem Einsatz eines neu entwickelten<br />
Common Rail-Einspritzsystems in einem Motor 6 VD 12,5/12 GRF mit Hyperboloid-Brennraum in der<br />
Fahrerprobung eines Lkw W 50 L/S im öffentlichen Straßenverkehr.<br />
Zum Beginn unserer Vortragsreihe <strong>2010</strong> erlebten die Veranstaltungsteilnehmer eine sehr willkommene<br />
Überraschung. Zur Thematik „Tribologische Forschung – Beiträge für den Automobilbau“, zu der Prof. Dr.<br />
Polzer berichtete, reiste als Gast Prof. Dr. D. N. Garkunow im Alter von 90 Jahren aus Moskau an. Als<br />
Vertreter im Weltrat für Tribologie nahm er die Veranstaltung zum Anlass, unserem Ehrenmitglied Prof. Dr.<br />
Franz Meißner als Dank und Anerkennung für seine Unterstützung der tribologischen Forschung als ehemaliger<br />
Rektor der Ingenieurhochschule Zwickau eine Medaille des Weltverbandes zu überreichen.<br />
In seinem fachlichen Vortrag gab Prof. Garkunow Einblicke in die wissenschaftlichen Entdeckungen zur<br />
Wirkung von Wasserstoff auf den Verschleißmechanismus im Reibprozess und zu Erkenntnissen der Verminderung<br />
des Reibverschleißes.<br />
Als eine Neuheit bei Führungen im August-Horch-Museum werden für gehörlose Besucher Erklärungen in<br />
Gebärdensprache eingeführt. Dies wird ermöglicht durch Praktikanten eines entsprechenden Studienganges<br />
zur Ausbildung von Dolmetschern der Gebärdensprache an der Westsächsischen Hochschule<br />
Zwickau. Die erste Führung von Gehörlosen war sehr erfolgreich.<br />
Das Rennwagenprojekt AUTO UNION – Typ C geht in die Endphase der Baustufe 2. Für das Fahrwerk<br />
mit Vorder- und Hinterachse, Lenk- und Bremssystem, äußerer Getriebeschaltung sowie Wasser- und Ölkühlsystem<br />
wurden 465 mechanisch zu bearbeitende Bauteile und 1517 Norm- und Kaufteile unter Einbeziehung<br />
und mit Hilfe vieler Unternehmen angefertigt und bereitgestellt. Die Projektgruppe unter Leitung<br />
von Dipl.-Ing. Rainer Mosig leistete dazu bislang 6970 Stunden in ehrenamtlicher Arbeit. Die nächste<br />
Ausgabe von „AufgeHorcht“ wird darüber ausführlich in Wort und Bild berichten.<br />
Dr. Rainer Albrecht<br />
Präsident des Gemeinnützigen Fördervereins Automobilmuseum August Horch Zwickau e.V.<br />
01/<strong>2010</strong> 3
AufgeHorcht<br />
Aus dem Inhalt<br />
„Die Auto Union ist wieder da“ 8–9<br />
Horch Museum Zwickau zeigt<br />
gleichnamige Sonderausstellung bis Ende Juni<br />
„Ein Wanderer und kein anderer!“ 10–13<br />
Ein Rückblick zum<br />
125. Gründungsjubiläum der Wanderer Werke<br />
Und wie sie rennen können 14–15<br />
Das Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz<br />
widmete sich einem wenig bekannten Aspekt<br />
der 125-jährigen Wanderer-Geschichte<br />
125 Jahre – 125 Kilometer – 125 Fahrzeuge 16<br />
Jubiläumsfahrt am 25. Juli zum Wanderer-Geburtstag<br />
Ansturm zum „Volksfest auf Rädern“ erwartet<br />
13. Kirchberg-Classics am 5. Juni –<br />
Rekordteilnehmerzahl wird erwartet<br />
Alte Liebe rostet nicht 17<br />
Vierte Chemnitzer Oldtimer Messe<br />
am 18. und 19. September <strong>2010</strong><br />
gratuliert zum 125. Geburtstag der Wanderer-Werke<br />
Raritäten auf vier Rädern 18–19<br />
AMI <strong>2010</strong> gab „Einblicke in automobile Schatzkammern“<br />
4<br />
01/<strong>2010</strong>
Das Sammlerstück Wanderer W25 K Roadster<br />
AufgeHorcht<br />
Weltweit erstes Fahrzeug 25–29<br />
mit Common Rail-Diesel fuhr in der DDR<br />
Einblicke in die Entwicklung<br />
von innovativen Einspritzsystemen<br />
Trabant flott und zuverlässig 30–34<br />
unterwegs auf internationalem Parkett<br />
Gründung der Rallyesport-Abteilung<br />
im VEB Sachsenring<br />
Der Große Preis von Kapstadt 35–38<br />
Aus dem Tagebuch eines<br />
Rennmechanikers der Auto Union – Teil 9<br />
Am Computer viel 39–40<br />
der realen Welt vorweggenomen<br />
Zu Methoden der virtuellen Entwicklung<br />
und Simulation von Fahrwerken und deren Bauteile im Fahrzeugbau<br />
Veranstaltungskalender 41<br />
Faszinierende Bilder der Nachwelt erhalten<br />
Mitglieder des Horch-Museum-Fördervereins<br />
engagiert im Filmzirkel<br />
01/<strong>2010</strong> 5
6<br />
AufgeHorcht<br />
400.000ster<br />
Besucher begrüßt<br />
Reichlich fünf Jahre nach der Neueröffnung<br />
des August Horch Museums Zwickau<br />
konnte Geschäftsführer Rudolf<br />
Vollnhals am 16. Oktober 2009 bereits<br />
den 400.000sten Besucher begrüßen. Es<br />
war für Carolin Gerbert und ihre Familie<br />
– für Ehemann Christian und den 16jährigen<br />
Sohn Tobias – eine gelungene Überraschung,<br />
dass sie mit einem Blumenstrauß<br />
und einem Ausstellungskatalog empfangen<br />
wurde, als sie gegen 11 Uhr das<br />
Museum betrat. Die gebürtige Zwickauerin<br />
war auf der Durchreise vom thüringischen<br />
Wohnort Rudolstadt nach Leipzig,<br />
und ließ sich ob des schlechten Wetters<br />
von den hervorragenden Ausschilderungen<br />
innerhalb Zwickaus bis ins Museum<br />
leiten. So wurde aus dem geplant kurzen<br />
Zwischenstopp ein ca. zweistündiger Aufenthalt,<br />
da eine ebensolange Privatführung<br />
durch die Automobilgeschichte gleichfalls<br />
zum Präsent gehörte. Ihre alte Heimat<br />
will Carolin Gerbert nun nicht länger als<br />
„Ruß-Zwicke“ in Erinnerung behalten,<br />
sondern als glänzende Automobilstadt.<br />
Carolin Gerbert wurde im Oktober 2009 als<br />
400.000ster Besucher im Horch Museum<br />
Zwickau begrüßt und stand auch gleich den<br />
regionalen Medien Rede und Antwort.<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Der Zwergenslalom ist eine von vielen<br />
Aktivitäten, mit denen sich das August<br />
Horch Museum Zwickau gezielt den<br />
Jüngsten zuwendet. Anfang August 2009<br />
bekamen die 18 Kindertagesstätten der<br />
Stadt Zwickau aus Anlass des Jubiläums<br />
„100 Jahre Audi“ eine Spende von<br />
10.000 Euro für ihr Projekt „Haus der<br />
kleinen Forscher“ überreicht. Das<br />
Museum beteiligt sich an diesem Projekt<br />
und führt wöchentlich Kindergartengruppen<br />
durch die Ausstellung. Mit dem<br />
ca. 75-minütigen Zwergenslalom soll bei<br />
den Vorschulkindern die Neugierde auf<br />
Museen geweckt werden.<br />
Die Premiere im Januar <strong>2010</strong> erlebten<br />
Kinder der Zwickauer Kita Gutwasserstraße.<br />
Nachdem den Kleinen Zwergenmützen<br />
verpasst wurden, fassten sich<br />
Lautloses Verstehen<br />
Neu: Museumsführungen in Gebärdensprache<br />
Auf der Suche nach einem Dolmetscher<br />
für Führungen im Horch Museum in<br />
tschechischer Sprache meldete sich u. a.<br />
eine Studentin der Westsächsischen Hochschule<br />
(WHZ), die dort Gebärdensprachdolmetschen<br />
studierte. Das brachte Geschäftsführer<br />
Rudolf Vollnhals auf die Idee,<br />
Führungen für Gehörlose mit Studenten<br />
der WHZ anzubieten. Er nahm Kontakt mit<br />
der Professorin des Studiengangs, Meike<br />
Vaupel, auf und erläuterte ihr die Idee<br />
einer Zusammenarbeit. Prof. Vaupel nahm<br />
den Vorschlag auf, haben die Studenten<br />
dadurch doch die Möglichkeit, ihre Kenntnisse<br />
in praktischen Übungen anzuwen-<br />
Im Zwergenslalom<br />
durch die Auto-Schau<br />
Angebot des Horch Museums für die Jüngsten<br />
Im Zwergenslalom durch die Automobilausstellung. Foto: Horch Museum<br />
den und sich auf ihr Examen vorzubereiten.<br />
Den Gehörlosen wird andererseits<br />
ein attraktives Ziel zur Freizeitgestaltung<br />
angeboten, das ihnen in ihrer Sprache vermittelt<br />
werden kann und zudem keine<br />
zusätzlichen Kosten für das Dolmetschen<br />
verursacht. Als Dritten im Bunde gewannen<br />
die Akteure den Behindertenbeauftragten<br />
des Landes Sachsens, Stephan<br />
Pöhler, der zugleich Leiter der Dolmetschereinsatzzentrale<br />
und Geschäftsführer<br />
des Gehörlosenverbandes in Zwickau ist.<br />
Für einen ersten Probelauf wurden Gehörlose<br />
aus der Region Zwickau eingeladen,<br />
die dieses Angebot begeistert annahmen.<br />
alle an einer Schnur an, die von einer<br />
Museumsmitarbeiterin geführt und von<br />
der begleitenden Leiterin abgeschlossen<br />
wurde. Als solches „Gespann“ erkundeten<br />
die Kleinen im Slalom alle Winkel<br />
des Museums. Im Kontorgebäude machten<br />
die kleinen Forscher einen Abstecher<br />
in einen Mal- und Bastelraum.<br />
Denn neben Disziplin und Verhalten in<br />
der Gruppe wird bei dem neuen Kindergartenangebot<br />
auch die Feinmotorik<br />
beim Schneiden und Malen trainiert.<br />
Danach setzten die Minis den Slalom<br />
fort, der auch die Oldtimer-Druckstation<br />
nicht ausließ. Der Zwergenslalom ist ein<br />
kostenfreies Angebot und stellt einen<br />
weiteren Beitrag des Museums im Rahmen<br />
seines Bildungsauftrages dar.<br />
PM<br />
Studenten der Westsächsischen Hochschule<br />
führen Gehörlose mittels Gebärdensprache<br />
durch das August Horch Museum.<br />
Foto: Horch Museum<br />
In Zusammenarbeit mit Prof. Vaupel und<br />
Stephan Pöhler wurden die Gehörlosenverbände<br />
in ganz Deutschland auf das<br />
Angebot aufmerksam gemacht. Erste<br />
Reaktionen hat es bereits gegeben.<br />
RV
Ehrung für Motor-Experten<br />
In einer akademischen Festveranstaltung<br />
im Rahmen des Herbstkolloquiums „AUDI<br />
– 100 Jahre Technik der Zukunft” am<br />
12. November 2009 wurde Dr.-Ing.<br />
Joachim Böhme, Leiter Entwicklung<br />
Grundmotor Reihenottomotoren bei der<br />
Audi AG Ingolstadt, zum Honorarprofessor<br />
für Verbrennungsmotoren der Westsächsischen<br />
Hochschule Zwickau (WHZ)<br />
bestellt. Seine Antrittsvorlesung hält er<br />
am 17. Juni <strong>2010</strong> im Rahmen der Veranstaltungsreihe<br />
„forum mobile“ der WHZ.<br />
Prof. Böhme spricht zum Thema „Der<br />
Audi Vierzylinder-Reihenmotor – wie<br />
baut man einen Weltmotor?“.<br />
Joachim Böhme studierte und promovierte<br />
in den Jahren 1972 bis 1981 an der<br />
Ingenieurhochschule/Technischen Hochschule<br />
Zwickau zu Strömungsuntersuchungen<br />
bzw. zur Direkteinspritzung bei<br />
Verbrennungsmotoren. Von 1981 bis 1990<br />
war er in den Barkas-Werken Karl-Marx-<br />
Stadt/Chemnitz zunächst als Mitarbeiter<br />
und später als Leiter der Motorenentwicklung<br />
beschäftigt. Von 1991 bis 1997<br />
bekleidete Joachim<br />
Böhme bei der IAV<br />
GmbH Berlin/Chemnitz<br />
verschiedene<br />
leitende Positionen,<br />
so als Leiter<br />
Konstruktion der<br />
Motoren, als Leiter<br />
Konstruktion und<br />
Berechnung und<br />
schließlich als BereichsleiterKonstruktion/Berechnung/Motormechanik.<br />
Seit 1997 ist<br />
Professor Böhme<br />
bei der Audi AG<br />
Ingolstadt und dort<br />
als Leiter für den<br />
Bereich Entwicklung<br />
Grundmotor<br />
Reihenottomotoren<br />
verantwortlich. Als langjähriges Mitglied<br />
des Gemeinnützigen Fördervereins<br />
Automobilmuseum August Horch Zwi-<br />
AufgeHorcht<br />
Honorarprofessur der Westsächsischen Hochschule Zwickau an Dr.-Ing. Joachim Böhme<br />
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der<br />
ehemaligen Rallyesportgruppe des VEB<br />
Sachsenring Automobilwerke Zwickau<br />
fand am 10. April <strong>2010</strong> eine Festveranstaltung<br />
im August Horch Museum statt. Der<br />
Einladung der Organisatoren, den einstigen<br />
aktiven Fahrern der Werksmannschaft<br />
Jens Richter und Frank Ficker, waren sehr<br />
viele ihrer früheren Sportkameraden gefolgt.<br />
Dr. Werner Lang, auf dessen Initiative<br />
als damaliger Chefkonstrukteur im April<br />
1960 die Rallye-Sportabteilung im Werk<br />
Sachsenring gegründet wurde, hielt die<br />
Festrede. Immerhin über 30 Jahre nahmen<br />
die Aktiven der Werksmannschaft an 35<br />
verschiedenen Rallye-Sportveranstaltungen<br />
in 13 europäischen Ländern teil.<br />
Bei über 845 Starts in der Klasse 600 – 1300<br />
Kubikzentimeter wurden im sportlichen<br />
Wettbewerb mit der internationalen Konkurrenz<br />
mit dem Pkw Trabant 8 Gesamtsiege,<br />
177 Klassensiege, 110 zweite Plätze<br />
und 83 dritte Plätze errungen.<br />
Besonders hervorgehoben wurden die herausragenden<br />
Ergebnisse der Sachsenring<br />
Rallye-Piloten bei den Rennen zur Rallye<br />
„1000 Seen“ in Finnland sowie zu den<br />
Veranstaltungen in Griechenland, Jugoslawien,<br />
Monte Carlo und in der Schweiz.<br />
Der Trabant hat sich in seiner Klasse auf<br />
diesen renommierten Rennstrecken auch<br />
im westlichen Ausland in jener Zeit viel<br />
Respekt verschafft.<br />
Die Rennsportler aus der Sachsenring<br />
Werksmannschaft reden noch heute sehr<br />
intensiv über diese Ereignisse und spre-<br />
Der Rektor der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Prof. Dr.-Ing.<br />
habil. Dr. h. c. Karl-Friedrich Fischer, überreicht die Bestellungsurkunde<br />
an Prof. Dr.-Ing. Joachim Böhme (l.). Foto: Volker Kurz/WHZ<br />
ckau e. V. unterstützt er aktiv dessen Tätigkeit<br />
zur Traditionspflege für den sächsischen<br />
Automobilbau.<br />
Viel Anerkennung und Respekt für den Trabant<br />
Festveranstaltung zum 50. Jahrestag der Sachsenring Rallyesportgruppe<br />
Akteure der ehemaligen Sachsenring Rallyesportgruppe zum 50. Geburtstag der ehemaligen<br />
Werksmannschaft. Foto: Mario Gerber<br />
chen mit Stolz von den durch ihren Einsatz<br />
und ihr fahrerisches Können errungenen<br />
Siege und Plätze. Mit Hochachtung<br />
würdigen sie in Erinnerungen, wie der<br />
Trabant die erbarmungslosen Streckenverläufe<br />
und Profile in den „Materialschlachten“<br />
der Rennen zuverlässig und<br />
zu seiner Ehre überstand, sowie Anerkennung<br />
und Respekt durch die Konkurrenz<br />
herausforderte. RA<br />
01/<strong>2010</strong> 7
AufgeHorcht<br />
Der F12 (auf dem Podest) basiert auf dem DKW Junior. Unten der attraktive Auto Union 1000 Sp.<br />
Blick in die DKW Meisterklasse F89. Den ersten Auto Union Pkw nach<br />
dem Krieg fertigte das Werk Düsseldorf mit einer Stahlblechkarosserie in<br />
Anlehnung an die F9 Vorkriegsentwicklung, allerdings noch bestückt mit<br />
dem traditionellen F8 Motor.<br />
8<br />
01/<strong>2010</strong><br />
„Die Auto Union<br />
ist wieder da“<br />
Horch Museum Zwickau zeigt<br />
gleichnamige Sonderausstellung bis Ende Juni<br />
Der DKW Schnelllaster war das erste Modell der Auto Union nach dem<br />
Krieg und das erste Automobil, das in Ingolstadt produziert wurde. Bestückt<br />
mit einem 20 PS Motor war dieser für eine Nutzlast von 750 kg<br />
gedacht.
Zur Ausstellungseröffnung am 15. Januar beleuchtete Thomas<br />
Erdmann, Historiker der Audi Tradition, auf informative und unterhaltsame<br />
Weise die Zeit des Neustarts. Er schlug den Bogen<br />
zurück bis in die Chemnitzer Konstruktions- und Versuchsabteilungen<br />
der Auto Union, in denen verbotenerweise bis ins Jahr<br />
1944 an der F9-Entwicklung gearbeitet wurde. Diese DKW-<br />
Konstruktion spielte in den Anfangsjahren nach dem Krieg eine<br />
wesentliche Rolle für die neue Auto Union.<br />
Mit offiziellem Kriegsende am 8. Mai 1945 flüchtete der damalige<br />
Vorstand westwärts, erst in das zu diesem Zeitpunkt von<br />
den Amerikanern besetzte Zwickau, dann ins bayerische Ingolstadt.<br />
Dort gab es nicht nur wohlwollende Stadtväter, die für<br />
den ehemaligen Garnisonsstandort mit seinen Gebäuden und<br />
Flächen eine neue Verwendung suchten, sondern auch einen<br />
rührigen DKW-Händler. Als erster Gründungsakt nach dem<br />
Krieg kann der am 19. Dezember 1945 begonnene Aufbau der<br />
„Zentraldepot für Auto Union Ersatzteile Ingolstadt GmbH“<br />
bezeichnet werden. Sie hatte die Aufgabe, die in den westlichen<br />
Besatzungszonen noch existierenden Auto Union Vorkriegsfahrzeuge<br />
– immerhin mehr als 60.000 DKW-Wagen sowie<br />
eine große Anzahl an Wanderer, Horch und Audi – mit<br />
Ersatzteilen zu versorgen.<br />
Parallel dazu schufen die Auto Union-Mitarbeiter aus Sachsen<br />
die Grundlagen, um mit der Fahrzeugproduktion zu beginnen.<br />
Dabei konzentrierten sie sich auf die einfache und robuste<br />
DKW-Zweitakt-Technik. In Ingolstadt waren ab 1949 der DKW-<br />
Schnelllaster und das Motorrad RT 125 W die ersten Fahrzeuge.<br />
Das W bei der RT-Bezeichnung stand für West, da im ehemaligen<br />
DKW-Werk Zschopau auch eine RT 125 nach Vorkriegsplänen<br />
gebaut wurde. Für Aufruhr sorgte die Tatsache, dass<br />
auf der Leipziger Messe 1948 bereits ein IFA F9 mit neuem Drei-<br />
AufgeHorcht<br />
Der 17. August 1948 markiert den offiziellen Endpunkt eines bedeutenden Kapitels sächsischer Automobilgeschichte.<br />
Die Auto Union A. G. Chemnitz wurde aus dem Handelsregister gelöscht. Doch leitende Mitarbeiter<br />
hatten bereits seit Ende des Zweiten Weltkrieges dafür gesorgt, dass der in den 1930er Jahren zweitgrößte<br />
deutsche Automobilkonzern mit sächsischem Know-how und sächsischer Tatkraft in Westdeutschland neu<br />
durchstarten konnte. Über die Entwicklung der 1949 neu gegründeten Auto Union GmbH in Ingolstadt und<br />
die bis 1964 in Ingolstadt und Düsseldorf gebauten Fahrzeuge berichtet noch bis Ende Juni die Sonderschau<br />
„Die Auto Union ist wieder da“ im Zwickauer August Horch Museum.<br />
Großer DKW 3 = 6. Als F91 entsprach dieser Wagen mit Dreizylinder-<br />
Zweitaktmotor konzeptionell dem für das Jahr 1940 geplanten DKW F9.<br />
zylindermotor aus ostdeutscher Produktion zu sehen war. Erst<br />
1951 ging der F9 westdeutscher Bauart im angemieteten Werk<br />
Düsseldorf in Serienfertigung. Das Modell besaß den alten, quer<br />
eingebauten Zweizylindermotor aus dem F8. Die Karosserie<br />
entsprach dem bereits bis Kriegsende fertig entwickelten F9.<br />
Aufgrund dieses Zwitterzustandes erhielt es die Bezeichnung<br />
F89. Erst 1953 war der längs eingebaute Dreizylinder für das<br />
Modell F91 verfügbar. Bei gleichem Aussehen wurde 1955<br />
durch zehn Zentimeter mehr Breite der Typ F93 geschaffen,<br />
den 1958 der Typ F94 ablöste.<br />
Im gleichen Jahr erwarb die Daimler Benz AG 88 Prozent der<br />
Auto Union Geschäftsanteile. Anschließend wurde in Ingolstadt<br />
die damals modernste Automobilfabrik gebaut und die Produktion<br />
ausschließlich auf den bayerischen Standort konzentriert.<br />
Das neue Werk und die neuen Modelle, u. a. der DKW<br />
Junior, der F12, der Auto Union 1000 Sp oder der Geländewagen<br />
Munga, brachten für die Auto Union einen großen<br />
Schub. Dennoch zeigte sich Anfang der 1960er Jahre, dass der<br />
Zweitaktmotor an Akzeptanz verlor und schließlich 1964, als<br />
VW die Anteile von Daimler Benz übernahm, eingestellt<br />
wurde.<br />
Die Motorradfertigung war bereits 1958 an die in Nürnberg<br />
unter Beteiligung von Victoria und Express neu gegründete<br />
Zweirad-Union abgegeben worden. Es entstanden aber nur noch<br />
geringe Stückzahlen der Modelle RT 175 VS und RT 200 VS.<br />
Fahrzeuge nach DKW-Lizenz bauten auch andere Hersteller<br />
wie IMOSA in Spanien oder VEMAG in Brasilien. Letzere wurden<br />
1967 von Volkswagen do Brasil übernommen.<br />
Ina Reichel<br />
Fotos: Frank Reichel<br />
Der DKW Geländewagen Munga. Ihn bestimmte 1955 die Bundeswehr<br />
zu einem ihrer Standardfahrzeuge. Ab März 1957 war das „Mehrzweck-<br />
Universal-Geländefahrzeug mit Allradantrieb“ auch für private Käufer<br />
erhältlich.<br />
01/<strong>2010</strong> 9
AufgeHorcht<br />
„Ein Wanderer<br />
und kein anderer!“<br />
Ein Rückblick zum 125. Gründungsjubiläum der Wanderer Werke<br />
„Ein Wanderer und kein anderer!“ war eine Feststellung, bei der sich Hersteller<br />
und Autobesitzer ohne Zweifel einig waren. Dabei war der Kraftwagen erst spät ins<br />
Geschäftsfeld der Wanderer Werke gerückt. Denn das vor 125 Jahren von Johann<br />
Winklhofer und Adolf Jaenicke gegründete Unternehmen begann seinen Weg zur<br />
Weltfirma auf zwei Rädern – als bescheidenes Chemnitzer Velociped-Depot, das<br />
Fahrräder reparierte.<br />
Zu Winklhofers eisernen Grundsätzen<br />
zählte vor allem, dass „dem Kunden<br />
für sein Geld nur das Beste geliefert<br />
werden darf“. Die Auslieferung des<br />
10.000sten Fahrrades im Jahre 1895<br />
macht die darüber erreichte Anerkennung<br />
deutlich. Da fertigte Wanderer –<br />
die Marke gab es seit 1892 – bereits auf<br />
neuem Areal in Schönau bei Chemnitz.<br />
Weitblickend auf gute Erweiterungsmöglichkeiten<br />
achtend, die nach und<br />
nach nötig wurden. Denn ausgehend<br />
von Erfahrungen im Werkzeugmaschinenbau<br />
für den eigenen Bedarf dehnte<br />
man das Geschäftsfeld 1898 zunächst<br />
auf Fräsmaschinen aus. Dabei fielen die<br />
wesentlich erhöhte Bedeutung des Fräsens<br />
bei der Metallbearbeitung und<br />
Bemühungen um eine stabilere Unternehmensgrundlage<br />
zusammen. Bereits<br />
1902 erweiterte sich die Produktion –<br />
dem Trend anderer deutscher Fahrradhersteller<br />
folgend – auf Motorräder.<br />
Und auch hier gab der Erfolg recht:<br />
Trotz Krisenerscheinungen konnten im<br />
Geschäftsjahr 1913/14 über 3000 Stück<br />
umgesetzt werden. Daneben dämmerte<br />
bereits ein neuer Markt herauf, an<br />
dem sich Wanderer ebenfalls Anteile<br />
10<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Luftaufnahme des neuen Fertigungskomplexes<br />
der Wanderer-Werke in Siegmar bei Chemnitz von Norden.
Mitte oben:<br />
Wanderer Fahrrad.<br />
Mitte und unten:<br />
Leichtmotorrad<br />
Wanderer 1 Sp.<br />
AufgeHorcht<br />
Wanderer W 3 Dreisitzer von 1920.<br />
Rechts oben: Das Wanderer „Puppchen“ galt als das<br />
zuverlässigste Automobil seiner Zeit. Bild: Gotschke<br />
Rechts unten: Produktion des „Puppchen“ im<br />
Stammwerk Schönau, 1913.<br />
Fotos: Sammlung August Horch Museum Zwickau<br />
01/<strong>2010</strong> 11
AufgeHorcht<br />
Vergangenheit trifft Gegenwart:<br />
Eine Wanderer W 11 Limousine aus<br />
dem Bestand des August Horch Museums<br />
vor einer Aufnahme des Werkes Siegmar<br />
aus der Entstehungszeit.<br />
sichern wollte – der Bau von Schreibmaschinen.<br />
1904 begann die erfolgreiche<br />
Fertigung unter dem neuen Markennamen<br />
„Continental“. Den Versuch,<br />
in jenen Jahren ein weiteres Geschäftsfeld<br />
mit dem Auto zu erschließen, beendete<br />
man nach einem Prototypen – erst<br />
1912 sollte die wirkliche Geburtsstunde<br />
der Wanderer Automobile schlagen.<br />
Doch galt dann gleich das erste – als<br />
„Puppchen“ berühmt geworden – als<br />
zuverlässigster Kleinwagen seiner Zeit.<br />
Zuletzt erschloss die Firma 1916 das<br />
Segment der Buchungsmaschinen mit<br />
Vorstellung der ersten Continental Addiermaschine.<br />
Das 1896 zur Aktiengesellschaft<br />
gewandelte Unternehmen<br />
wuchs Stück für Stück zum Konzern.<br />
Und dennoch: nachdem noch 1925 das<br />
erste Fließband für die Fahrradfertigung<br />
eingeführt und ein Jahr später in Siegmar<br />
ein hochmodernes Werk für die Werkzeugmaschinen-<br />
und Automobilfertigung<br />
eröffnet war, griff die Wirtschaftskrise.<br />
Bereits 1929 musste die Motorradherstellung<br />
aufgegeben werden, im Vierradsektor<br />
zeigten sich rote Zahlen.<br />
Doch sollte gerade letzterer wieder einen<br />
glänzenden Aufstieg nehmen – allerdings<br />
unter Ägide der 1932 gegründeten<br />
Auto Union AG, die ihn als vierten<br />
Ring in ihrem Verbund aufnahm. Durch<br />
konsequente Weiterentwicklung der<br />
soliden und zuverlässigen Wagen schuf<br />
man ab Mitte der 1930er Jahre in glücklicher<br />
Synthese mit moderner und eleganter<br />
Gestaltung das erfolgreiche Mittelklassesegment<br />
des Unternehmens. Besonders<br />
der rassige, von einem Kompressortriebwerk<br />
beschleunigte Roadster<br />
W 25 K wurde zum Inbegriff für die<br />
Autos mit dem geflügelten W. Übrigens<br />
12<br />
01/<strong>2010</strong><br />
stammten auch die Vorüberlegungen der<br />
weltweit erfolgreichen und für Aufsehen<br />
sorgenden Silberpfeile der Auto Union<br />
aus dem Hause Wanderer – Konstrukteur<br />
Prof. Porsche hatte dort bereits<br />
1931 die neue Fahrzeuggeneration mit<br />
Leichtmetallmotor geschaffen.<br />
Am Ende des Jahrzehnts bestimmten<br />
dann die beiden nach rationellem Baukastenprinzip<br />
gefertigten Typen W 23 und<br />
24 das Programm, bevor der Zweite<br />
Weltkrieg einen Schlussstrich zog.<br />
Die Wanderer Werke an sich blieben<br />
der Fahrzeugfertigung mit dem Bau von<br />
Leichtmotorrädern treu, der ihnen ab<br />
1931 zu bedeutenden Umsätzen verhalf.<br />
Mit vielfältigen Veranstaltungen wird dem<br />
Jubiläum in diesem Jahr gedacht. Daran<br />
beteiligt sich das Chemnitzer Industriemuseum<br />
ebenso, wie es im dortigen<br />
Museum für sächsische Fahrzeuge eine<br />
Sonderschau zur Renn- und Motorsportgeschichte<br />
von Wanderer geben wird.<br />
Die enge Verbindung zum Zwickauer<br />
Fahrzeugbau ist wiederum für das<br />
August Horch Museum nicht nur Grund,<br />
die Wanderer Wagen in der Ausstellung<br />
würdig zu präsentieren. Ab 9. Juli <strong>2010</strong><br />
wird es zudem eine Sonderausstellung<br />
unter dem Titel „Ein Wanderer und kein<br />
anderer!“ geben, die neben Einblicken in<br />
die gesamte Produktionspalette natürlich<br />
beeindruckende Automobile präsentiert.<br />
Am 25. Juli werden sich dann<br />
125 historische Motorräder und Automobile<br />
auf einen 125 km langen Rundkurs<br />
von Zwickau aus zur Jubiläumsfahrt<br />
begeben. Dabei werden natürlich<br />
die einstigen Wanderer Produktionsstätten<br />
Zwischenstop sein.<br />
Heino Neuber<br />
Links oben und Mitte: Fließbandproduktion<br />
in der Produktionsstätte<br />
Siegmar. Foto: AHMZ<br />
Mitte: Ab 1932 markierte<br />
Wanderer einen der vier Ringe<br />
der Auto Union.
Mitte oben: Kundendienstfahrzeug für Wanderer-Fahrzeuge.<br />
Oben rechts: Das Modell Wanderer W 24.<br />
AufgeHorcht<br />
Mitte rechts: Ankunft der siegreichen Alpenfahrt-<br />
Teilnehmer 1932 in Siegmar.<br />
Fotos: Sammlung August Horch Museum Zwickau<br />
Unten: Die Modelle<br />
Wanderer W 25 K Roadster<br />
(l.) und Wanderer W 22<br />
Geländesportwagen (r.).<br />
01/<strong>2010</strong> 13
AufgeHorcht<br />
Und wie sie rennen können<br />
Das Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz widmete sich<br />
einem wenig bekannten Aspekt der 125-jährigen Wanderer-Geschichte<br />
Zu den das Jahr <strong>2010</strong> beherrschenden Feierlichkeiten zum 125. Wanderer-Geburtstag in der Region Chemnitz<br />
trägt das Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz ein besonderes Kleinod bei. In einer Sonderausstellung<br />
fragt es „Können Wanderer rennen?“. Mit Partnern wie dem Industriemuseum Chemnitz, dem Horch Museum<br />
Zwickau sowie dem Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz gibt es darauf noch bis Ende Juni sehenswerte<br />
Antworten zu den sportlichen Aktivitäten und Erfolgen auf zwei und vier Rädern.<br />
Qualität, Solidität, Zuverlässigkeit – mit<br />
diesen Eigenschaften bestachen Fahrzeuge<br />
der Marke Wanderer. Ihr konservatives<br />
Erscheinungsbild schloss ein<br />
sportliches Image nahezu aus. Nahezu<br />
wohlgemerkt, denn schon die Firmengründer<br />
Winklhofer und Jaenicke, selbst<br />
aktive Hochradfahrer, wussten um die<br />
verkaufsfördernde Wirkung von sportlichen<br />
Erfolgen, wie Museumsleiter Dirk<br />
Schmerschneider in seiner Einführung<br />
zur Ausstellung bemerkte. Johann Baptist<br />
Winklhofer soll 1904 gesagt haben, er<br />
würde es begrüßen, wenn Wanderer-<br />
Motorräder in vorsichtiger Art und Weise<br />
an Rennen teilnehmen. Das mache<br />
Eindruck auf gewöhnliche Käufer.<br />
Oben: Der Leiter des Museums für sächsische<br />
Fahrzeuge Chemnitz, Dirk Schmerschneider,<br />
führte in Wanderer-Rennsport-Aktivitäten ein.<br />
Unten: Wanderer-5,7 PS-Rennmaschine. Auf<br />
einem Motorrad wie diesem errang Albert<br />
Schuster 1924 den Deutschen Motorradmeistertitel.<br />
14<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Die Firma pflegte in der Werbung einen<br />
eher dezenten Umgang mit dem Thema<br />
Motorsport, so dass die Erfolge, die Wanderer<br />
erreichte, nur wenig im Bewusstsein<br />
geblieben sind. Überliefert ist beispielsweise,<br />
dass Wanderer 1907 ein<br />
Motorrad präsentiert, welches 100 km/h<br />
und 20 Prozent Steigung schaffte. Beim<br />
Motorradrennen Moskau–St. Petersburg<br />
kam nur ein Teilnehmer ins Ziel – auf<br />
einem Wanderer-4PS-Rad.<br />
Auch das Wanderer-Automobil, das<br />
„Puppchen“ von 1912, wurde promotet<br />
– von Winklhofer selbst. Er begab sich<br />
auf eine 2065 Kilometer lange Werbefahrt<br />
von Chemnitz bis nach Tirol und<br />
durch die Dolomiten und wies damit<br />
nach, dass das Fahrzeug den Qualitätsansprüchen<br />
von Wanderer gerecht wurde.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg setzten<br />
die Wanderer-Werke mit dem achtventiligen<br />
V-Motor einen besonderen Meilenstein<br />
in der Geschichte der Motorräder<br />
– mit einer solchen Maschine gewann<br />
der langjährige Mitarbeiter Albert<br />
Schuster im Jahr 1924 in der Klasse über<br />
500 Kubikzentimeter den Deutschen<br />
Straßen-Meistertitel.<br />
Auf vier Rädern sorgte in den 1920er<br />
Jahren der W8 für Aufsehen. Der 5/15<br />
PS-Wagen war insbesondere mit Sportzweisitzer-Karosserie<br />
auch für einige
Klassensiege gut, so unter Huldreich<br />
Heusser auf der Solitude. Dem Dänen<br />
Carl Höltzer gelang im August 1921<br />
sogar ein Gesamtsieg bei der Fernfahrt<br />
Paris–Kopenhagen. Mit Ferruccio Cercignani<br />
und Jakob Scholl startete man<br />
1922 auch beim sizilianischen Klassiker<br />
Targa Florio. Daraufhin wurde der gleichnamige<br />
Sportzweisitzer aufgelegt. Das<br />
in der Ausstellung gezeigte Modell von<br />
1923 gilt als das einzig erhaltene dieser<br />
Klasse.<br />
Ende der 1920er Jahre trieb eine neue<br />
Firmenleitung mit dem späteren Auto<br />
Union-Vorstand von Oertzen das Thema<br />
Motorsport offensiver voran. Aus dem<br />
Auftrag an das junge Konstruktionsbüro<br />
von Ferdinand Porsche, einen Wanderer-<br />
Tourenwagen zu entwickeln, entstand<br />
die äußerst erfolgreiche Zusammenarbeit<br />
mit der späteren Auto Union, die<br />
in den „Silberpfeil-Rennwagen“ gipfelte.<br />
1939 setzten Wanderer-Wagen nochmals<br />
ein Ausrufungszeichen. Bei der 4700<br />
Kilometer langen Fernfahrt Lüttich–Rom–<br />
Lüttich gewannen die Stromlinien-<br />
Spezial-Fahrzeuge souverän die Mannschaftswertung<br />
– den „Coupe des Constructeurs“.<br />
Dieser Wettbewerb galt als<br />
die schwerste internationale „Ohnehalt-<br />
Langstrecken-Zuverlässigkeitsfahrt“. Es<br />
durfte nur zum Tanken gehalten werden.<br />
Eine Replik von insgesamt drei dieser<br />
Roadster war ebenfalls in der Sonderschau<br />
zu sehen. Die Automobilrekonstruktionen<br />
entstanden vor wenigen<br />
AufgeHorcht<br />
Oben links: Die Replik eines der legendären<br />
Wanderer-Stromlinien-Sportwagen, die 1939<br />
die Fernfahrt Lüttich-Rom-Lüttich gewannen.<br />
Oben rechts: Ein W25 Cabriolet von 1936<br />
gehörte ebenfalls zu den sehenswerten<br />
Ausstellungsstücken.<br />
Unten: Der W8 Targa Florio von 1923. Der<br />
Rennsportwagen gilt als das einzig erhaltene<br />
Exemplar dieser Modellreihe.<br />
Jahren übrigens nicht weit von Chemnitz<br />
entfernt – in den Werkstätten des international<br />
geschätzten Restaurators<br />
Werner Zinke in Zwönitz. Zwei der<br />
Stromlinien-Sportwagen befinden sich<br />
im Besitz der Audi Tradition, einer gehört<br />
dem belgischen Audi-Importeur<br />
D’Ieteren.<br />
Ina Reichel<br />
Fotos: Frank Reichel<br />
01/<strong>2010</strong> 15
AufgeHorcht<br />
125 Jahre – 125 Kilometer – 125 Fahrzeuge<br />
Jubiläumsfahrt am 25. Juli zum Wanderer-Geburtstag<br />
Oldtimerfahrten und -veranstaltungen<br />
zum Thema Wanderer haben in diesem<br />
Jahr Hochkonjunktur. Kein Wunder,<br />
denn die Gründung der Wanderer-Werke<br />
vor 125 Jahren wird gefeiert. Auch das<br />
Horch Museum und der Motorsportclub<br />
Zwickau reihen sich hier ein. Für den<br />
25. Juli laden sie zu einer Oldtimer-Jubiläumsfahrt<br />
ein. Die „Ehren-Runde“ führt<br />
die Pkw- und Motorrad-Oldtimer der<br />
Baujahre bis 1980 unter anderem vorbei<br />
an der Burg Stein, an Stollberg und Thalheim<br />
zur Zwischenstation Wasserschloss<br />
Klaffenbach, und von dort – vorbei an<br />
einstigen Wanderer-Produktionsstätten<br />
16<br />
01/<strong>2010</strong><br />
– über Limbach-Oberfrohna und Lichtenstein<br />
wieder zum Start- und Zielpunkt,<br />
dem August Horch Museum in Zwickau.<br />
Das Teilnehmerfeld ist schon gut gefüllt.<br />
Bis Ende April haben sich bereits Fahrzeuge<br />
von 20 verschiedenen Marken angemeldet,<br />
darunter sechs Wanderer. Der<br />
älteste von ihnen, ein „Puppchen“, wird<br />
von keinem Geringeren als dem Schirmherrn<br />
und Gründerenkel Gerhard Winklhofer<br />
gesteuert.<br />
Weitere Anmeldungen sind willkommen.<br />
Informationen und Anmeldeformulare<br />
unter www.horch-museum.de<br />
und www.mc-zwickau.de<br />
13. Kirchberg-Classics am 5. Juni – Rekordteilnehmerzahl wird erwartet<br />
Die Organisatoren der Kirchberg-Classics<br />
erwarten für die 13. Auflage des Oldtimertreffens<br />
am 5. Juni <strong>2010</strong> eine Rekordteilnehmerzahl.<br />
Die eingehenden Anmeldungen<br />
und die Anfragen legen diese Vermutung<br />
nahe. Bereits in den letzten bei-<br />
den Jahren konnten jeweils mehr als 700<br />
historische Fahrzeuge in Kirchberg begrüßt<br />
werden. Da der zur Verfügung stehende<br />
Platz rund um den Borberg jedoch<br />
endlich ist, wird die Teilnehmerzahl<br />
für das Treffen und die Rundfahrt <strong>2010</strong><br />
Mit einem Wanderer „Puppchen“ war<br />
Gerhard Winklhofer, Enkel des Wanderer-<br />
Mitbegründers Johann Baptist Winklhofer,<br />
bereits zur Chemnitz Classic 2004 am Start.<br />
Foto: Frank Reichel<br />
Ansturm zum „Volksfest auf Rädern“ erwartet<br />
Zu einem wahren „Volksfest auf Rädern“ hat sich die Kirchberg-Classics entwickelt.<br />
Messen<br />
16./17. Oktober <strong>2010</strong>: Oldtema in Halle/Saale<br />
Teilemärkte<br />
26. September <strong>2010</strong>: Veteranen- und Teilemarkt in Oschatz<br />
9. Oktober <strong>2010</strong>: Herbstteilemarkt in Stolpen<br />
9. Oktober <strong>2010</strong>: Herbst Oldtimer-/Teilemarkt in Reichenbach/V.<br />
Veranstaltungen/Treffen<br />
2. bis 6. Juni <strong>2010</strong>: Schatzkammer Thüringen – Oldietour in Ilmenau<br />
3. bis 6. Juni <strong>2010</strong>: Main Franken Classics in Bamberg<br />
5./6. Juni <strong>2010</strong>: Oldtimershow, Stadtgut Leipzig-Mölkau<br />
11. bis 13. Juni <strong>2010</strong>: Phänomen-/Robur-Treffen in Berthelsdorf<br />
11. bis 13. Juni <strong>2010</strong>: 19. Oberlausitzer Kfz-Veteranen-Treffen<br />
in Strahwalde<br />
13. Juni <strong>2010</strong>: 13. Prinz Heinrich Fahrt in Pausa<br />
13. Juni <strong>2010</strong>: 11. Oldtimertreffen in Kronach<br />
17. Juni <strong>2010</strong>: 2. Internationales Gläser Karosserie Treffen in<br />
Dresden<br />
17. bis 20. Juni <strong>2010</strong>: European Auto Classic in Leipzig<br />
Termine<br />
auf 800 begrenzt, so die Organisatoren.<br />
Die diesjährige Fahrt führt vom Festplatz<br />
Kirchberg über die Kontrollpunkte Burkhardtsgrün,<br />
Sosa, Schwarzenberg, Aue<br />
und Schneeberg wieder zurück zum Ausgangsort.<br />
www.kirchberg-classics.de<br />
18./19. Juni <strong>2010</strong>: 7. Sechsämterland-Classic in Wunsiedel<br />
18./19. Juni <strong>2010</strong>: 10. Sommercamp Militär in Reichwalde<br />
19. Juni <strong>2010</strong>: Oldietreffen, Teilemarkt, Ausfahrt in Nordhausen<br />
19./20. Juni <strong>2010</strong>: 14. Kulmbacher Oldietreffen<br />
20. Juni <strong>2010</strong>: Veteranenrallye in Oschatz<br />
24. bis 26. Juni <strong>2010</strong>: Donau Classic <strong>2010</strong> in Ingolstadt<br />
4. Juli <strong>2010</strong>: 29. Oldtimerfahrt in Hermsdorf<br />
9. bis 11. Juli <strong>2010</strong>: Hohnstein Historic in Hohnstein<br />
10. Juli <strong>2010</strong>: 23. Oldtimertreffen in Greiz<br />
7./8. August <strong>2010</strong>: 20. Internationales Oldietreffen in Stolpen<br />
19. bis 21. August <strong>2010</strong>: 8. Sachsen Classic zwischen Zwickau<br />
und Dresden<br />
20./21. August <strong>2010</strong>: Ardie-Treffen Erzgebirge in Heidersdorf<br />
20. bis 22. August <strong>2010</strong>: 13. Schlösser- und Burgenfahrt in<br />
Augustusburg<br />
28./29. August <strong>2010</strong>: Zschorlauer Dreieck Rennen<br />
Änderungen vorbehalten! Alle Angaben ohne Gewähr!
Impression von einer früheren<br />
Oldtimermesse in Chemnitz.<br />
Foto: Frank Reichel<br />
Wenn sich am 18. und 19. September <strong>2010</strong> die Tore der Messe<br />
Chemnitz zum vierten Mal für alle Fans von Old- und Youngtimern<br />
öffnen, steht die einzige Messe für Old- und Youngtimer<br />
in Ostdeutschland in mehrfacher Hinsicht unter einem<br />
ganz besonderen Stern. Die restaurierten Zeugen der automobilen<br />
Geschichte werden nicht nur in den neuen Messehallen<br />
auf dem historischen Wanderer-Areal präsentiert, sie<br />
sind auch chromglänzende Gratulanten zum 125. Geburtstag<br />
der Firma Wanderer. Hier wurden Hoch- und Fahrräder, die<br />
berühmten Continental-Schreibmaschinen und nicht zuletzt<br />
die Wanderer-Automobile entwickelt und gebaut.<br />
Mit der 4. Chemnitzer Oldtimer Messe reiht sich die Messe<br />
Chemnitz in eine Vielzahl von Feierlichkeiten zu diesem Jubiläum<br />
ein: Die Stadt Chemnitz feiert mit den „Tagen der Industriekultur“<br />
im September <strong>2010</strong> ihre interessante Industriegeschichte.<br />
Ebenfalls unter dem Motto „125 Jahre Wanderer“<br />
steht auch die erstmals durchgeführte „Historic Rallye Erzgebirge“,<br />
deren beiden Läufe ihren Start- und Zielpunkt an der<br />
Messe Chemnitz haben werden. Diese Rallye wird zukünftig<br />
jährlich immer in Vorbereitung der Chemnitzer Oldtimer<br />
Messe durchgeführt.<br />
Zur 4. Oldtimer Messe in diesem Jahr werden auf einer Ausstellungsfläche<br />
von 11.000 Quadratmetern historische Pkw,<br />
Motorräder und Nutzfahrzeuge sowie Ersatzteile und Zubehör,<br />
Literatur, historisches Werbematerial und Modellfahrzeuge<br />
gezeigt. Zentraler Teil des Rahmenprogramms ist eine<br />
Sonderausstellung zum Thema 125 Jahre Wanderer mit vielen<br />
seltenen Exponaten nicht nur aus der Fahrzeuggeschichte der<br />
Wanderer-Werke.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt wird der historische Motorsport<br />
mit einem interessanten Rahmenprogramm rund um die einzelnen<br />
Zweige des historischen Motorsports sein.<br />
Messechef Michael Kynast: „Wir haben natürlich allen Grund,<br />
uns bei der vierten Auflage der Oldtimermesse dem Thema<br />
Wanderer in besonderer Weise zu widmen. Wenn man so<br />
will, setzen wir als Messe die lange Tradition dieses Werkes<br />
fort, schon weil wir uns auf dem historischen Wanderer-Areal<br />
befinden. Da liegt eine historische Reminiszenz nahe. Bereits<br />
AufgeHorcht<br />
Alte Liebe rostet nicht<br />
4. Chemnitzer Oldtimer Messe am 18. und 19. September <strong>2010</strong><br />
gratuliert zum 125. Geburtstag der Wanderer-Werke<br />
die Oldtimermessen in den vergangenen Jahren haben gezeigt,<br />
dass nicht nur die Chemnitzer begeisterte Oldtimerfans sind.<br />
In diesem Jubiläumsjahr rechnen wir für die einzige Oldtimermesse<br />
im Osten mit noch mehr Besuchern aus ganz Deutschland.<br />
Wir werden mit der Sonderschau und einem umfangreichen<br />
Rahmenprogramm nicht nur die Szene, sondern alle<br />
Technikbegeisterten und die ganze Familie ansprechen. Ich<br />
freue mich schon auf diese Messe im September.“<br />
Erstmals bietet die Messe Chemnitz in Zusammenarbeit mit<br />
dem Hotel „Chemnitzer Hof“, dem Sächsischen Fahrzeugmuseum<br />
und dem Sächsischen Industriemuseum ein Reisepaket für<br />
Besucher an, die sich über mehrere Tage mit der Chemnitzer<br />
Industrie- und Fahrzeuggeschichte vertraut machen wollen.<br />
Im vergangenen Jahr kamen mehr als 6000 Besucher zur<br />
Oldtimermesse nach Chemnitz, um die etwa 150 glänzenden<br />
Raritäten auf zwei und vier Rädern in den zwei Hallen der<br />
Messe Chemnitz zu sehen. PM<br />
Premiere für<br />
Historic Rallye Erzgebirge<br />
Oldtimerfreunde nicht nur in Sachsen können sich freuen:<br />
Im Jubiläumsjahr der Gründung der Wanderer-Werke in<br />
Chemnitz vor 125 Jahren bekommt der Veranstaltungskalender<br />
für Oldtimerrallyes Zuwachs. Mit gleich zwei Rennen<br />
geht erstmals in diesem Jahr die Historic Rallye Erzgebirge<br />
an den Start. Sportliche Fahrer erwartet vom 27. bis 29.<br />
August <strong>2010</strong> eine Strecke von rund 400 Kilometern durch<br />
das Erzgebirge. Die sportlichen Wertungsprüfungen haben<br />
bei diesem Lauf Vorrang vor dem Erleben der touristischen<br />
Höhepunkte. Nicht ganz so sportlich geht es bei der<br />
touristischen Veranstaltung zwei Wochen später zu. Bei<br />
der circa 300 Kilometer langen Tour vom 10. bis 12. September<br />
steht das touristische Erlebnis im Vordergrund. Fahrerlager<br />
und Start für beide Fahrten befinden sich in der<br />
Messe Chemnitz. www.historic-rallye-erzgebirge.de<br />
01/<strong>2010</strong> 17
AufgeHorcht<br />
Raritäten auf vier Rädern<br />
AMI <strong>2010</strong> gab „Einblicke<br />
in automobile Schatzkammern“<br />
Die Leipziger Auto Mobil International AMI ist nicht nur aller zwei Jahre<br />
der deutsche Messehöhepunkt für die Präsentation der<br />
neuesten Pkw. Zur 20. Auflage im April <strong>2010</strong> wurde<br />
die Glashalle des Messegeländes zu einer Galerie<br />
der ganz besonderen Art. Verschiedene deutsche<br />
und europäische Automobilmuseen präsentieren<br />
ausgewählte Exponate aus ihren Sammlungen.<br />
Unter dem Titel „Einblicke in automobile<br />
Schatzkammern“ waren rund 30 exklusive<br />
Raritäten zu bestaunen, darunter Oldtimer,<br />
Youngtimer, Sportwagen, Prototypen und Studien,<br />
legendäre Fahrzeuge und Spezialumbauten.<br />
Die Ausstellung wurde in Kooperation<br />
mit dem Verband der deutschen Museen für Auto,<br />
Motor und Technik e.V. organisiert.<br />
Auf der Zeitreise durch die Fahrzeughistorie gab es unter<br />
anderem Schmuckstücke wie den ALF75 des Herstellers<br />
American La France aus dem Jahr 1917 zu bestaunen. Das<br />
Modell, das sonst im Museum Autovision in Altlußheim zu<br />
sehen ist, stammt aus den Anfängen der Mobilität und beeindruckt<br />
bis heute mit seinen technischen Daten. 14.500 Kubikzentimeter<br />
Hubraum, 1700 Newtonmeter und 140 Pferdestärken<br />
sind die Fakten, die das Röhren des Motors deutlich<br />
vorstellbar machen. Unvorstellbar nach heutigen Maßstäben<br />
war allerdings auch der Spritverbrauch. Bei deutlich über 50<br />
Liter Benzin auf 100 Kilometer würde dieses Liebhaberstück<br />
wahrscheinlich das Budget jedes Berufspendlers sprengen.<br />
Schon eher alltagstauglich und auch so zum Einsatz gekommen<br />
ist hingegen der Maybach SW 38 aus dem Jahr 1938. Das<br />
Cabrio, das bereits ein Autoradio und spezielle Schlafsitze<br />
integriert hatte, wurde nach Kriegsende von der Roten Armee<br />
konfisziert. Durch glückliche Umstände kam es in die Hände<br />
von Oldtimer-Liebhabern aus dem Baltikum, die den weitestgehenden<br />
Originalzustand bis heute sicherten. Zur Verfügung<br />
gestellt wurde das Fahrzeug vom Museum für historische<br />
Maybach-Fahrzeuge in Neumarkt.<br />
„Viktoria“ soll Karl Benz gerufen haben, als es ihm 1893 gelang,<br />
eine Achsschenkellenkung mit zwei verschiedenen Radausschlägen<br />
zu bauen. So kam das Modell aus den Anfängen<br />
des 19. Jahrhunderts dann auch zu seinem Namen: der Benz<br />
Muli 6 Viktoria. Was in diesem Fahrzeug steckt, das eher an<br />
eine Pferdekutsche erinnert, bewies der Österreicher<br />
Theodor Freiherr von Liebig. Er absolvierte die erste Fernfahrt<br />
mit einem Automobil, die ihn bis nach Reims führte. Der<br />
Verbrauch des Ein-Zylinder-Motors mit Wasserkühlung war<br />
18<br />
01/<strong>2010</strong><br />
jedoch alles andere als umweltfreundlich. Auf 940<br />
Kilometern benötigte der Benz Muli 140 Kilogramm<br />
Benzin und 1500 Liter Kühlwasser. Zur Verfügung gestellt<br />
wurde das Automobil vom Mercedes-Benz Museum<br />
in Stuttgart.<br />
Aus dem Automobilmuseum Fichtelberg reiste der<br />
Baur TC 3 zur AMI an. Der fahrfertige Prototyp wurde 1987<br />
für die Firma Baur in Stuttgart in nur 16 Monaten entwickelt.<br />
Beim Bau erhielt das Fahrzeug, neben einem Sechs-Zylinder<br />
Motor und 170 PS, das Gesicht eines Roadster. Zum Zeitpunkt<br />
der Entstehung baute BAUR einige Cabriolets auf Basis<br />
des 3er BMW. Der TC 3 sollte daher BMW-typisch sein. Produziert<br />
wurde er jedoch nie. Mit der Vorstellung des BMWeigenen<br />
Z 1 blieb der TC 3 ein Einzelprojekt.<br />
Ein Modell für die gehobene Gesellschaft war der Opel Admiral<br />
AD 38. Das Fahrzeug war für vergleichsweise wenig Geld<br />
mit allem erdenklichen Sonderzubehör ausgestattet. Das formschöne<br />
Cabrio, eine Leihgabe des Auto + Technik Museum<br />
Sinsheim, ist mit einem Drei-Gang-Getriebe und einem 3,6-<br />
Liter-Sechszylinder-Motor ausgestattet. Es verfügt über Ölbremsen<br />
und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu<br />
132 km/h. Das Opel-Topmodell in der Spitzenklasse hatte<br />
zeitweise sogar einen Marktanteil von 25 Prozent.<br />
Nicht für den Massenmarkt, aber ein absolutes Highlight für<br />
den Rennsportler war der erfolgreichste österreichische Rennwagen<br />
der 1950er Jahre. Das Gefährt überzeugt nicht nur<br />
durch Schnelligkeit, auch der Name lässt einiges erwarten:<br />
MA-01 Fetzenflieger. Geschuldet ist dies dem Umstand, dass<br />
die Motorabdeckung teilweise aus Leinen war. Bei einer Fehlzündung<br />
konnte das Leinen leicht in Brand geraten und flog
Mitte: Der ALF75 des Herstellers<br />
American La France aus dem Jahr<br />
1917, ein sehr durstiger Wagen<br />
mit über 50 Litern Spritverbrauch<br />
auf 100 Kilometern.<br />
Oben rechts: Die Viktoria-Kutsche<br />
von Benz aus dem Jahr 1893.<br />
Unten rechts: Der „Fetzenflieger“<br />
aus den 1950er Jahren. Das Rennfahrzeug<br />
wurde konstruiert und<br />
gefahren von Otto Mathé.<br />
dann in Fetzen über die Rennbahn. Die Besonderheit des Fahrzeuges<br />
liegt aber darin, das man es einhändig steuern kann.<br />
Der Konstrukteur und Rennfahrer des Fahrzeuges Otto Mathé<br />
konnte nach einem schweren Motorradunfall seinen rechten<br />
Arm nicht mehr bewegen. Der „Fetzenflieger“ ist sonst im<br />
Museum Prototyp Personen.Kraft.Wagen in Hamburg zu<br />
bestaunen.<br />
Natürlich waren auch berühmte „Sachsen“ in der Sonderschau<br />
vertreten. Das August Horch Museum Zwickau reiste<br />
mit zwei echten Schmuckstücken nach Leipzig – einem Horch<br />
951 A Sedankabriolett und einem Wanderer W 25 K Roadster.<br />
Das Horch-Modell mit seiner imposanten Länge von 5,64 Metern<br />
wird vom bis heute Maßstäbe setzenden Horch-Reihenachtzylindermotor<br />
angetrieben, der in dieser Ausführung bei<br />
5 Litern Hubraum 120 PS leistete. Der Kabriolett-Aufbau trägt<br />
die Handschrift der berühmten Berliner Karosseriefirma Erdmann<br />
& Rossi. Als Besonderheit verfügt er über eine Separa-<br />
AufgeHorcht<br />
tion, das heißt eine Trennwand zwischen Fahrer- und Fahrgastbereich,<br />
in der sich eine eingebaute Bar und ein Klapptisch<br />
befinden. Ein Radio, seit 1935 in Fahrzeugen zu finden, machte<br />
das Reisen noch dazu zum unterhaltenden Erlebnis.<br />
Dem 125-jährigen Gründungsjubiläum der Wanderer Werke<br />
wurde mit der Präsentation des Wanderer W 25 K Roadster<br />
die Referenz erwiesen. Der rassige, von einem Kompressortriebwerk<br />
beschleunigte Sportwagen wurde zum Inbegriff für<br />
die Wagen mit dem geflügelten W. Während er bereits über<br />
das einheitliche Fahrgestell mit Einzelradaufhängung vorn und<br />
hinterer Schwebeachse verfügte, trieb ihn noch der durch<br />
Ferdinand Porsche konstruierte Leichtmetallmotor des<br />
Modells W 40. Allerdings erweitert um ein mitlaufendes Rootsgebläse<br />
der Firma Viktor Derbuel in Gera. Dies garantierte die<br />
nötige Anzugsfreude und damit spritziges Fahrvergnügen.<br />
IR/PM<br />
Fotos: Frank Reichel<br />
01/<strong>2010</strong> 19
AufgeHorcht<br />
Die schönsten Seiten 2011<br />
Neuer Oldtimer-Kalender präsentiert Sammlerstücke<br />
„Den kenn´ ich doch...“, wird wohl der eine oder andere<br />
denken, der einen Blick in den brandneuen Kalender<br />
„Oldtimer 2011“ wirft. Die Motive sind nämlich alte Bekannte<br />
der „AufgeHorcht“-Leser. Nach zwölf Ausgaben<br />
des Magazins stand genug Material zur Verfügung, um<br />
damit einen Kalender zu füllen.<br />
Der Wandschmuck im A3-Format präsentiert alle bisher<br />
in „AufgeHorcht“ veröffentlichten „Sammlerstücke“ und<br />
ist somit eine Hommage an die sächsische Automobilbaukunst<br />
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.<br />
Vom Rennwagen der Auto Union bis zum Wanderer<br />
W25 K Roadster zeigen sich die „Sammlerstücke“<br />
Monat für Monat in neuem Gewand. Die Fahrzeuge<br />
sind grafisch und drucktechnisch aufwendig in Szene<br />
gesetzt, was für eine ungewohnte und frische Optik<br />
des Oldtimerkalenders sorgt.<br />
Auf der Rückseite bietet jedes Blatt ausführliche Informationen<br />
sowie technische Daten und Detailfotos<br />
zum jeweiligen Fahrzeug .<br />
Durch die Möglichkeit einer Firmenvorstellung sowie eines<br />
Logoeindrucks ist der Kalender nicht nur für Liebhaber interessant,<br />
sondern eignet sich ebenso als anspruchsvolles Kundenpräsent.<br />
Weitere Informationen und Bestellung:<br />
Marketingagentur Reichel<br />
Kleinolbersdorfer Straße 6<br />
09127 Chemnitz<br />
Telefon: 0371 7743510<br />
Telefax: 0371 7743511<br />
Mail: mareichel@ma-reichel.de<br />
20<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Vier der Motive im neuen Kalender „Oldtimer 2011“.
AufgeHorcht<br />
01/<strong>2010</strong>
AufgeHorcht<br />
01/<strong>2010</strong>
Technische Beschreibung<br />
Personenwagen Wanderer W25 K<br />
Hersteller Wanderer Werke AG Siegmar-Schönau<br />
Bauzeit 02/1936 bis 09/1938<br />
Produktion 257 PKW davon 104 Roadster, 153 Cabriolets<br />
Gesamtfahrzeug<br />
Bauart: 2-türig, 2-sitzig, als Roadster oder Cabriolet in Rahmenbauweise mit<br />
Karosserien der Fa. Baur Stuttgart<br />
Antrieb: Hinterradantrieb durch Sechszylinder-Viertakt-Reihenmotor längs im<br />
Fahrzeugbug angeordnet mit dahinter liegendem 4-Gang-Schaltgetriebe<br />
Motor<br />
AufgeHorcht<br />
W25 K W25 Sport<br />
(mit Kompressor) (ohne Kompressor) 1938<br />
Zylinderzahl/-anordnung: 6 in einer Reihe<br />
Bohrung: 70 mm<br />
Hub: 85 mm<br />
Hubraum: 1963 ccm<br />
Nennleistung: 85 PS 55 PS<br />
Nenndrehzahl: 4000 U/min<br />
Verdichtung: 1:6 1:7<br />
Zündfolge: 1-5-3-6-2-4<br />
Ventilanordnung: Ein- u. Auslass hängend<br />
Zylinderkopf: Alu-Leichtmetall- Grauguss, größere<br />
Legierung Silumin- Ein- u. Auslassventile<br />
Gamma, eingeschrumpfteHartbronze-Ventilsitzringe<br />
Motorblock: Ober- und Unterteil (Ölwanne), Alu-Legierung Silumin-Gamma<br />
Zylinder: Nasse Laufbüchsen, auswechselbar, Spezial-Chrom-Nickel-Grauguss<br />
Nockenwelle: unten seitlich, vier Sportnockenwelle<br />
Gleitlager im Motorblock,<br />
äußere Lager aus Bronze<br />
Nockenwellenantrieb: Stirnräder, Nockenwellenrad aus Temperguss verstärkt<br />
Kurbelwelle: Einteilig, 7-fach gelagert, Gleitlager<br />
Schmierung: Druckumlauf durch verstärkte Zahnradölpumpe; ab Motor-Nr. 180 125<br />
doppelte Ölpumpe; Ölfilter im Nebenstrom<br />
Ölkühlung: Rohrkühler neben der Ölwanne im Fahrtwind bis Motor-Nr. 180 125;<br />
ab Motor-Nr. 180 126 Lamellenkühler vorn vor dem Wasserkühler<br />
Wasserkühlung: Lamellenkühler, Pumpe mit vierblättrigem Windflügel, Thermostat;<br />
Gemischaufbereitung: Doppel-Steigstrom- Doppel-Steigstrom-<br />
Vergaser oder Fallstromvergaser<br />
Aufladung: Kompressor zwischen –––<br />
Vergaser und Ansaugkrümmer<br />
Kompressor: Zweiflügeliges Roots- –––<br />
Gebläse (VD-Kompressor),<br />
angetrieben über eine<br />
Welle vom Nockenwellenzahnrad,<br />
2,3-fache Drehzahl<br />
des Motors, Verlustölschmierung<br />
Zündung: Batteriezündung mit automatischer Zündzeitpunkteinstellung<br />
Tank: im Heck zwischen den Rahmenenden<br />
Kraftstoffförderung: mechanische Benzinpumpe, angetrieben von der Nockenwelle<br />
Benzinverbrauch: 19–20 Liter/100 km 16 Liter/100 km<br />
Ölverbrauch: 0,25 Liter/100 km<br />
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AufgeHorcht<br />
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Kraftübertragung<br />
Kupplung: Halbnasse in Öl laufende Zweischeibenkupplung, separates<br />
Kupplungsgehäuse<br />
Getriebe: Zahnradgetriebe an Kupplungsglocke angeflanscht<br />
Fabrikat: Horch, bei Cabriolets bis Fahrgestell-Nr. 180 050<br />
3. und 4. Gang synchronisiert alle anderen unsynchronisiert<br />
Gänge: 4 vorwärts, 1 rückwärts<br />
Kraftübertragung: Kardanrohrwelle mit Metallgelenken<br />
Hinterachse: Schwebeachse, Starrachse in Banjo-Ausführung, Teller- und Kegelrad,<br />
Kegelräder-Ausgleichgetriebe, Halbachsen<br />
Hinterachsübersetzung: Roadster 1:3,6 Roadster 1:4,4<br />
Cabriolet 1:3,8 Cabriolet ––<br />
Höchstgeschwindigkeit: Roadster 145 km/h Roadster 120 km/h<br />
Cabriolet 140 km/h Cabriolet ––<br />
Fahrwerk<br />
Rahmen: Aus Stahlblech gepresste Längsträger zu einem Kastenprofil elektrisch<br />
verschweißt, als Tiefrahmen ausgelegt. Vier Kasten-Profil-Ouertraversen<br />
und die Rahmenenden hinten mit einem U-Profil verbunden.<br />
Achsen: Vorn: Dreieckslenker oben mit integriertem Stoßdämpfer, unten quer<br />
liegende Blattfeder.<br />
Hinten: Starrachse mit hoch und quer liegender Blattfeder, zwei Streben<br />
zur Aufnahme der Zug- und Schubkräfte.<br />
Federung: Vorn und hinten quer liegende Halbelliptik-Blattfeder<br />
Dämpfung: Vorn einfach wirkende hydraulische Stoßdämpfer im oberen Lagerbock<br />
der Radaufhängung integriert; hinten doppelt wirkende Hebelstoßdämpfer<br />
Räder: Tiefbett-Speichenfelgen Größe 3,25E x 17, Reifengröße 5,25 x 17<br />
Lenkung: ZF-Rosslenkung, Schnecke mit Lenkfinger<br />
Bremsen: Hydraulische Vierradtrommelbremsen, ATE-System „Lockheed“<br />
Handbremse: Mechanisch per Seilzug auf die Hinterradbremsen<br />
Schmierung: Automatische Zentralschmierung System „WV“ (Willy Vogel, Berlin).<br />
Füllmengen<br />
Tank: 80 Liter<br />
Motoröl: Mit Rohrölkühler 6,5 – 7 Liter, mit Lamellenölkühler 8 Liter<br />
Wasser: 8,2 Liter<br />
Getriebe: 1 Liter<br />
Hinterachse: 2 Liter<br />
Elektrische Ausrüstung<br />
Aufbau<br />
12-Volt-Anlage, Batterie am Rahmen innen hinter Beifahrersitz; Lichtmaschine,<br />
Anlasser, Bosch-Doppelton-Tellerhörner<br />
Karosserie: Gemischtbauweise, Karosseriegerippe aus Hartholz und die Außenhaut<br />
aus Blech, Motorhaube aus Aluminium<br />
Roadster: tief ausgeschnittene Türen mit Cellophan-Steckfenster;<br />
Windschutzscheibenrahmen aufgesetzt<br />
Cabriolet: gerade Türen mit Kurbelfenster; Windschutzscheibenrahmen<br />
in Karosserie integriert<br />
Abmessungen<br />
Länge/Breite: 4360 mm/1670 mm<br />
Höhe Roadster/Cabriolet: 1390 mm/1525 mm<br />
Radstand: 2650 mm<br />
Spurweite vorn/hinten: 1325 mm/1330 mm<br />
Bodenfreiheit (belastet): 205 mm<br />
Gewichte Roadster: Cabriolet Chassis (fahrfähig) Nutzlast<br />
1175 kg 1225 kg 930 kg 200 kg<br />
Quellen: Technische Daten und Beschreibungen aus Unterlagen von Audi Tradition Ingolstadt<br />
Fotos: FES GmbH vom Fahrzeug der Firma Zinke Zwönitz im Automobilmuseum A. Horch in Zwickau<br />
Zusammenstellung: Dipl. Ing. K.-H. Brückner, Förderverein Automobilmuseum A. Horch e. V. Zwickau
AufgeHorcht<br />
Weltweit erstes Fahrzeug<br />
mit Common Rail-Diesel fuhr in der DDR<br />
Einblicke in die Entwicklung von innovativen Einspritzsystemen Teil 1<br />
Der 16. Mai 1985 war für den DDR-Automobilbau ein besonderer Tag.<br />
Das weltweit erste Straßenfahrzeug mit einem Common Rail-Dieselmotor, ein Lkw W50, startete<br />
in Karl-Marx-Stadt zu seiner Jungfernfahrt. Entwickelt haben das innovative Einspritzsystem Ingenieure<br />
des Wissenschaftlich-Technischen Zentrums Automobilbau (WTZ) Karl-Marx-Stadt. Zu ihnen gehörte<br />
Dr.-Ing. Klaus Matthees. Er beschreibt im nachfolgenden Beitrag wesentliche Etappen dieser Entwicklung.<br />
Jede technische Entwicklung ist bekanntlich ein Kind ihrer<br />
Zeit. In der weiter zurück reichenden Vergangenheit lagen<br />
Erfinderprozess und Realisierung mangels technologischer<br />
Umsetzbarkeit oder fehlender Marktreife meist weit auseinander.<br />
Erinnert sei beispielsweise an die serienmäßige Umsetzung<br />
des bereits im Jahre 1905 von dem Schweizer<br />
A. Büchi stammenden Prinzips der Abgas-Turboaufladung<br />
(USA-Patentschrift 1006907) zunächst bei Schiffsdieselmotoren<br />
in den 1930er Jahren, in Fahrzeugmotoren aber erst viel<br />
später ab den 1960er Jahren. Ähnlich verhält es sich auch mit<br />
der Common Rail-Einspritzung (gemeinsames Leitungssystem),<br />
deren Ursprung auf ein Patent des Amerikaners Thomas T.<br />
Gaff aus dem Jahre 1910, erteilt 1913, zurückgeht, also zu<br />
einem Zeitpunkt, an dem man noch nach einem geeigneten<br />
Einspritzsystem für den von Rudolf Diesel im Jahre 1892<br />
erfundenen Dieselmotor mit Gleichdruckverbrennung (deutsche<br />
Patentschrift 67207) suchte.<br />
Den damaligen Anforderungen wurde das von Robert Bosch<br />
im Jahre 1923 angemeldete und ab 1927 in Serienfertigung<br />
umgesetzte Schrägsteuerkanten-Prinzip an Kolbenpumpen am<br />
Erstes CR- Patent<br />
A Motorzylinder<br />
B federbelasteter Kolbenspeicher<br />
C Kolbenpumpe<br />
c Hochdruckleitung<br />
E Steuerung (Zeitpunkt u. Dauer)<br />
D Steuerung (Zeitpunkt u. Dauer)<br />
F Batterie<br />
G Elektromagnetventile<br />
g Common Rail<br />
H Rückführleitung zur Pumpe<br />
P Konventionelle Einspritzventile<br />
v Druckregelventile<br />
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AufgeHorcht<br />
Erstes Patent zu indirekt gesteuerten<br />
Einspritzventilen aus England (angemeldet<br />
1964, zurückgezogen 1973).<br />
26<br />
Motor 6 VD 26/20 AL-2 mit P e=662 kW (900 PS) n N=1000 min-1<br />
Ausschnitt aus Wirtschaftspatent<br />
103 691 – 02M51/00<br />
des WTZ Roßlau (rechtes<br />
Magnetventil als<br />
Volllaufsicherung/gegen<br />
Dauereinspritzung bei<br />
hängender Düsennadel)<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Konstruktive Ausführung eines indirekt<br />
gesteuerten Einspritzventils von R. Huber,<br />
der später für französische Forschungsgesellschaften<br />
arbeitete.<br />
besten gerecht. Dabei ist jedem Zylinder ein Pumpenelement<br />
mit Leitung zum Einspritzventil zugeordnet. Derartige Systeme<br />
wurden ständig weiterentwickelt und waren bis in die<br />
1990er Jahre international vorherrschend. Die ständig steigenden<br />
Forderungen der Abgasgesetzgebung brachten aber<br />
derartige, über viele Jahrzehnte bewährte Systeme an ihre<br />
funktionellen Grenzen und neue Lösungen mussten gefunden<br />
werden.<br />
Aktivitäten zum CR-System<br />
Für das Common Rail-Einspritzsystem (kurz: CR-System) sind in<br />
der Literatur auch folgende Bezeichnungen üblich: Konstantdrucksystem,<br />
Gleichdruckeinspritzsystem, Mittelbares Einspritzsystem<br />
und Akkumuliereinspritzung.<br />
Aus dem Zeitraum 1910 bis 1975 sind nachstehende Aktivitäten<br />
nennenswert: Ab 1910 erfolgten Versuche und ab 1913 eine Fertigung<br />
erster mechanisch-hydraulisch gesteuerter Common Rail-<br />
Systeme bei Fa. Vickers Ltd. in England. In den 1930er Jahren<br />
wurden neue Elektromagnetventile in Verbindung mit Kondensatorentladung<br />
von E. Kennedy und Systemfertigung durch die<br />
Firma Atlas – Imperial Diesel Motoren Companie in Kalifornien<br />
produziert. Eine Kleinserienfertigung eines mechanisch-hydraulischen<br />
CR-Systems für 3-Zylinder-Gegenkolbenmotoren legte<br />
in den 1970er Jahren die Firma Doxford in England auf. Zukunftsweisende<br />
Systementwicklungsarbeiten führten die französischen<br />
Forschungsgesellschaften SOPROMI, SOFREDI und
BUDI in den Jahren 1967 bis 1973 auf der Basis damals neuester<br />
Elektronik durch. Grundsatzuntersuchungen erfolgten an der<br />
TH Magdeburg seit 1964 sowie eine Systementwicklung für<br />
Schiffsdieselmotoren im WTZ Dieselmotoren Roßlau ab ca.<br />
1970. Ebenso arbeiteten Bosch und MAN gemeinsam an Großdieselmotoren.<br />
Im WTZ Automobilbau Karl-Marx-Stadt wurde<br />
ab 1971eine Studie zum internationalen Stand der Technik<br />
bei elektronisch gesteuerter Diesel- und Benzineinspritzung<br />
sowie zur CR-Komponentenentwicklung und -erprobung für<br />
den 1-Zylindermotor VD 12,5/12 durchgeführt.<br />
Im betrachteten Zeitraum liegen auch relevante Patentanmeldungen<br />
zu indirekt gesteuerten Einspritzventilen auf elektromagnetischer<br />
Basis. Nur derartige Lösungen gestatten eine kleinbauende<br />
Konstruktion, wie sie für den Fahrzeug-Motorenbau notwendig<br />
ist. Die Bezeichnung „direkt oder indirekt gesteuert“<br />
charakterisiert dabei die Art der Krafteinwirkung zur Bewegung<br />
der Düsennadel. Direkt gesteuert bedeutet: Der Aktor ist unmittelbar<br />
mit der Nadel verbunden und hebt diese entgegen der<br />
Schließfeder- und hydraulischen Reaktionskraft an. Indirekt gesteuert<br />
heißt: Der Aktor betätigt ein quasi hydrostatisch ausgeglichenes<br />
Vorsteuerventil, welches wiederum bei ständig anliegendem<br />
Systemdruck unterhalb der Nadel die Düsennadelrückseite<br />
hydraulisch be- oder entlastet und damit die Nadelbewegung<br />
bewirkt.<br />
Schon früh wurden im WTZ Automobilbau Karl-Marx-Stadt die<br />
großen funktionellen Vorteile eines CR-Systems erkannt. Dies<br />
sind die Entkoppelung des Einspritzvorganges von der Motordrehzahl<br />
und die freie Gestaltungsmöglichkeit/Formung des Einspritzvorganges<br />
in Anpassung an das jeweilige Verbrennungsverfahren<br />
zur Einhaltung von Vorgaben zum Kraftstoffverbrauch<br />
und Abgasverhalten.<br />
Trotzdem wurde immer wieder überlegt, ob nicht auch andere<br />
Wirkprinzipien Zukunftschancen haben. Dabei gab es nur die<br />
Alternative einer vollelektronisch-hydraulisch gesteuerten Pumpedüse<br />
mit innerer Druckübersetzung (Servokolbensystem).<br />
Derartige Lösungen wurden in den 1970er Jahren intensiv von<br />
der Firma R. Bosch untersucht. Auch im WTZ Automobilbau erfolgte<br />
1974 die Konstruktion und Erprobung einer elektromagnetisch<br />
gesteuerten Pumpedüse, die später im tschechischen<br />
Ingenieurbetrieb PIKAZ Brno weiterentwickelt und bis zum Testbetrieb<br />
eines 1-Zylinder-LIAZ- Motors in Prag geführt wurde.<br />
CR-Systementwicklungen in der DDR<br />
AufgeHorcht<br />
Auszug aus Anmeldung<br />
der Firma R. Bosch<br />
OS 2 213 776 von 1972.<br />
Nach den positiven Ergebnissen bezüglich Funktion und Effekten<br />
am 1- Zylindermotor, wo das Systemdruckniveau noch mittels<br />
energetisch ungünstigem Druckbegrenzungsventil geregelt wurde,<br />
erfolgten Entwicklungsarbeiten für Vollmotoren im WTZ<br />
Dieselmotoren Roßlau für das Schiffsaggregat 6 VD 26/20 AL-2<br />
und im WTZ Automobilbau für einen zukünftigen L60-Lastkraftwagen-Motor<br />
6 VD 12,5/12 GRF. Gearbeitet wurde damals<br />
in Roßlau mit einem Speicherdruck von ps = 800 bar. Die Magnet-<br />
Versuchsträgermotor 6 VD 12,5/12 GRF Pe=120 kW n N=2300 min-1 Schema des CR- Systems für den Motor 6 VD 12,5/12 GRF<br />
01/<strong>2010</strong> 27
AufgeHorcht<br />
ventile waren direkt gesteuert und jeweils vor den konventionellen<br />
Einspritzventilen angeordnet. Die Endversion arbeitete<br />
auf Mikrorechnerbasis und erhielt Messegold in Leipzig. Leider<br />
kam es zu keiner Systemerprobung auf Schiffen.<br />
Im WTZ Automobilbau erfolgte die Systementwicklung für den<br />
vom VEB Motorenwerk Nordhausen bereitgestellten L60-Motor.<br />
Alle CR-Systemkomponenten – außer Temperatur- und Öldrucksensor<br />
– mussten selbst entwickelt werden. Dabei wurde<br />
von Anbeginn das Augenmerk stets darauf gerichtet, fahrzeugreife<br />
Lösungen zu realisieren. Ein besonderer Schwerpunkt war<br />
damals der Hochdruckerzeuger sowie die angestrebte Gesamtkompatibilität<br />
zum konventionellen Einspritzsystem mit<br />
dem Ziel minimaler Wechselfristen. Nach mehreren Zwischenstufen<br />
entstand ein CR-System auf Mikrorechnerbasis mit indirekt<br />
gesteuerten elektromagnetischen Einspritzventilen.<br />
Die praktischen Versuche erfolgten auf Hydraulik-(umgebauten)<br />
Einspritzpumpen- und Komponentenprüfständen. Die umfangreichen<br />
motorischen Optimierungsarbeiten wurden auf<br />
einem Motorprüfstand durchgeführt. Diese erfolgten stets nach<br />
minimalem Kraftstoffverbrauch unter Beachtung von Abgastrübung,<br />
gasförmiger Abgaszusammensetzung und Akustik.<br />
Heute steht der restaurierte Motor mit all seinen Komponenten<br />
im Industriemuseum Chemnitz.<br />
Nachfolgend nähere Details zum Gesamtsystem. Der Kraftstoff<br />
wird mittels einer vom Verbrennungsmotor angetriebenen<br />
Vorförderpumpe – ausgeführt als Zahnradpumpe, in die in vorteilhafter<br />
Weise ein Vordruck-Regelsystem sowie eine Hand-<br />
Einspritzventil mit Volllaufsicherung<br />
nach WP 114 123<br />
(25 14 457-F02M 47/00)<br />
Vorförderpumpe (links) und übrige Komponenten des Hydrauliksystems.<br />
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01/<strong>2010</strong><br />
pumpe für Entlüftungszwecke und ein Anschluss für die<br />
Flammstartanlage integriert sind, aus dem Tank über ein in der<br />
Saugleitung befindliches Rückschlagventil, Filter mit Wasserabscheider<br />
und den druckseitigen vorhandenen Doppelfilter zur<br />
Hochdruckpumpe gefördert. Diese ist als 5-Zylinder-Taumelscheibenpumpe<br />
ausgeführt und enthält einen Regelmechanismus,<br />
der nach dem Prinzip der Saugdrosselung arbeitet. Damit wurde<br />
erreicht, dass der Druckerzeuger nur so viel fördert, wie das<br />
System verbraucht, also energetisch günstig. Hochdruckseitig –<br />
wobei das Solldruckniveau verbrennungsverfahrenbedingt bei<br />
p s = 350 bar lag – sind ein Membranspeicher zur Glättung<br />
hydraulischer Schwingungen sowie ein Anschluss zum Rohrspeicher/Verteiler<br />
angeordnet.<br />
Die elektromagnetisch nach der Methode der Übererregung<br />
arbeitenden Einspritzventile sind hydraulisch mit dem Rohrverteiler<br />
sowie elektrisch mit der Leistungselektronik – ausgeführt<br />
als Transistorleistungsstufe – verbunden, wobei der Mikrorechner<br />
Zeitpunkt, Dauer und Impulsfolge in Abhängigkeit von<br />
seinen Eingangsgrößen bestimmt. Beim damaligen Entwicklungsstand<br />
wurden folgende Rechnereingangsgrößen verwendet:<br />
Fahrfußhebelstellung, Kurbelwellendrehzahl (1. KW-Geberspur),<br />
Bezugsimpulse (2. KW-Geberspur), Nockenwellengebersignal,<br />
Schmieröldruck, Kühlflüssigkeitstemperatur, Gangstellung des<br />
Getriebes. Aufschaltmöglichkeiten für weitere Korrekturgrößen<br />
waren geräteintern vorbereitet.<br />
Einige Details zu den Hauptbaugruppen.<br />
Einspritzventile<br />
– Spezialkonstruktion mit elektromagnetischer Vorsteuerung<br />
und indirekter Nadelbetätigung durch hydraulische Be- und<br />
Entlastung Düsennadelrückseite<br />
– Magnetsystem lamelliert wegen notwendigerweise hoher<br />
Dynamik und Wirbelstromreduzierung<br />
– Volllaufsicherung gegen eventuell klemmende Düsennadel<br />
(Vermeidung einer Dauereinspritzung) in jedem Ventil integriert<br />
– Impuls für Öffnungszeitpunkt und -dauer werden in der<br />
Steuerelektronik berechnet und über Leistungselektronik<br />
geschaltet<br />
Hydraulik<br />
– Vordruckerzeuger<br />
• mechanisch angetriebene Zahnradpumpe zur Kraftstoffförderung<br />
vom Tank zur Hochdruckpumpe<br />
• Druckregelung mit Rücksicht auf Funktion der Flammstartanlage<br />
auf 0,4 bar<br />
• Handpumpe zur Systemauffüllung und -entlüftung<br />
• Leitungsanschluss für Flammstartanlage integriert<br />
– Hochdruckerzeuger<br />
• 5-Zylinder-Taumelscheibenpumpe mit Förderung in einen<br />
zentralen Abgangsstutzen<br />
• selbstregelnd (Saugdrosselregelung) auf 350 bar, wobei<br />
Druckniveau durch das motorische Hyperboloid Verbrennungsverfahren<br />
(Wirtschaftspatent von H. Gärtner)<br />
bestimmt (Kraftstoffverbrauchswerte wurden mit weiter<br />
steigendem Systemdruck immer schlechter!)<br />
• Anschluss der Pumpe an Motorölkreislauf zur Gewährleistung<br />
einer Wartungsfreiheit
Positionierung von Steuerelektronik (1) und Leistungselektronik (2) im Fahrerhaus.<br />
– Leitungs- und Speichersystem<br />
• da bei 350 bar noch keine Kraftstoffkompressibilität vorhanden,<br />
erfolgte die Anordnung eines Membranspeichers<br />
am Ausgang der Hochdruckpumpe zur Glättung hydraulischer<br />
Schwingungen<br />
• Rohrverteiler in Schweißkonstruktion<br />
• Druckmessung auf Prüfständen mit Piezogebern in stirnseitiger<br />
Verschraubung<br />
Steuer- und Leistungselektronik<br />
– Rechner im Jahre 1985 auf Basis Mikroprozessor U880 zur<br />
Bestimmung von Einspritzzeitpunkt und -dauer<br />
– Anordnung von 3 Platinen in einem Blechgehäuse<br />
• Stromversorgung (+5 V; –5 V; +12 V)<br />
• Ein- und Ausgabe (Signalnormierungen)<br />
• Rechner (U880; 1 kbyte RAM; 4 kbyte ROM; Taktgenerator<br />
9,83 MHz; Adressdecoder MH 3205; PIO PORT<br />
U855; Zähler CTC-U857)<br />
– Programminhalte<br />
• siehe erreichte Effekte<br />
• zusätzlich soft- und hardwareseitige Schutzmaßnahmen mit<br />
Rückstellung auf Programmneustart (watch dog-Schaltung)<br />
– Leistungselektronik als separate Baueinheit<br />
• auf Transistorbasis mit Optothyristoren als Verteiler sowie<br />
• Sicherheitsschaltungen gegen Dauerstromfluss bei Transistordefekt<br />
– Magnetansteuerung nach Prinzip der Übererregung mit anschließender<br />
Haltestromphase (U Bord=24 V; i Ü=25 A;<br />
i H=16 A)<br />
Sensorik<br />
Außer den verwendeten Seriengeber für Öldruck und Kühlflüssigkeit<br />
mussten alle weiter notwendigen Geber selbst entwickelt<br />
werden. Wegen der Nichtverfügbarkeit von Gold sowie<br />
des unbekannten Verschleißverhaltens wurde auf berührungslose<br />
Ausführungen (Basis Photodiode VQ120 und Phototransistor<br />
SP211) gesetzt.<br />
AufgeHorcht<br />
– Fahrfußstellungsgeber<br />
• 5 bit–Geber<br />
• Ankoppelung über Federspeicher an das Gaspedal<br />
– Nockenwellenposition<br />
• Einspurgeber mit topfförmiger Geberscheibe – angebracht<br />
am Antriebszahnrad der Einspritzpumpe – zur Erkennung<br />
von Verbrennungs OT<br />
• Anordnung des Gebergehäuses außen am Steuergehäuse<br />
des Motors<br />
– Kurbelwelle<br />
• 2-Spurgeber (Drehzahl und Bezugsimpulse), topfförmige<br />
Geberscheibe an Schwungrad angeschraubt<br />
• Anordnung des Gebergehäuses außen am Schwungradgehäuse<br />
motorseitig<br />
Dr.-Ing. Klaus Matthees<br />
Abbildungen: Archiv des Autors<br />
Fortsetzung folgt<br />
Selbstentwickelte Geber: Fahrfußhebelgeber (1) und dessen Ankoppelung<br />
an das Pedal (2) im Fahrerhaus. Nocken- und Kurbelwellengeber.<br />
01/<strong>2010</strong> 29
AufgeHorcht<br />
Trabant flott und<br />
zuverlässig unterwegs auf<br />
internationalem Parkett<br />
Gründung der Rallyesport-Abteilung im VEB Sachsenring<br />
In den Jahren 1958/1959 wurde im MC Zwickau und VEB Sachsenring Automobilwerke die Basis für die<br />
Teilnahme des Trabant am internationalen Rallyesport geschaffen. Wollte man nach den ersten Achtungszeichen<br />
auch in Zukunft Erfolge erzielen, musste jede Rallye professionell vorbereitet sein.<br />
Dazu gehörten die Schaffung einer<br />
schlagkräftigen Leitung der Abteilung<br />
Rennsport sowie die Bildung eines<br />
Rallyeteams, um Fahrerwechsel zu vermeiden.<br />
Jede Mannschaft trug nun die<br />
Verantwortung fürs eigene Fahrzeug. In<br />
der Winterpause waren die Fahrzeuge<br />
und die Servicemannschaft für die folgende<br />
Saison vorzubereiten. Weiter<br />
mussten Studien der Streckenführung und<br />
Bordbücher angefertigt werden und<br />
Trainings erfolgen. Strukturell wurde die<br />
Abteilung direkt dem Chefkonstrukteur<br />
Dr. Werner Lang unterstellt. Er schlug<br />
der Werkleitung mit Betriebsdirektor<br />
Herbert Uhlmann vor, ab 1. April 1960<br />
eine Rallyesport-Abteilung TKR aufzu-<br />
30<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Links: Freundschaftsrallye Moskau–Prag mit<br />
Uhlmann, Asmus, Piehler, Georgi, Landgraf,<br />
Feldmann und Lange (v.l.).<br />
bauen. So geschah es. Unterstützung kam<br />
von der Abteilung Absatz; die Werbewirkung<br />
war ja unbestritten und die<br />
Entwickler erhielten schnelle Erkenntnisse<br />
durch die harten Rallyeeinsätze.<br />
Zum ersten TKR-Abteilungsleiter wurde<br />
Manfred Georgi berufen, der zugleich<br />
Mannschaftsleiter und Co-Pilot war.<br />
Die Mannschaften und der Service<br />
1960 bis 1963 entstand die erste Generation<br />
der Rallyeabteilung mit vier Mannschaften<br />
und einem Serviceteam. Die<br />
Rallyebesatzung (Fahrer/Co-Pilot): 1. Asmus/Piehler,<br />
2. Galle/Pestel, 3. Ullmann/<br />
Teil 2<br />
Oben rechts: Pause in Zwickau (v.l. Feldmann,<br />
Körbe, Lang, Pestel, Kießling, Dr. Böttger).<br />
Unten rechts: 1962 – Eberhard Asmus und<br />
Lothar Sachse auf Trabant 500 bei der Rallye<br />
Rajd Polski.<br />
Lange, 4. Landgraf/Georgi. Ersatzmannschaft:<br />
Feldmann/König. Weitere Sportler:<br />
Günther, Riedel, Müller sowie Meischner.<br />
Servicechef (im P 50 Kombi) war Alfred<br />
Kießling. Für konstruktive Änderungen an<br />
Motor, Fahrwerk, Karosserie usw. trugen<br />
die Verantwortung Diplomingenieur<br />
Sammet und Ingenieur Sachse. Erforderliche<br />
Prüfstandversuche liefen über die<br />
Einrichtungen der Versuchsabteilung des<br />
Werkes. Um international erfolgreich zu<br />
fahren, waren kontinuierliche Entwicklungsarbeiten<br />
für die sportlichen Trabant-<br />
Versionen erforderlich. Unter Beachtung<br />
des Anhanges J des FIA-Reglements wurden<br />
die Motorleistungen von 18 PS auf<br />
27 PS, 32 PS, 47 PS, 50 PS und zum
Oben links: Tausend-Seen-Rallye 1964, als die<br />
Zwickauer in ihrer Klasse die Ränge drei, vier<br />
und fünf erreichten.<br />
Unten links: Ein Trabant P 50 auf der<br />
Tausend-Seen-Rallye im winterlichen Finnland<br />
(1960); in der Klasse bis 600 Kubikzentimeter<br />
wurden die Plätze eins, drei und sechs belegt.<br />
Schluss auf 60 PS mit neuer Auspuffanlage<br />
und Fünfganggetriebe gesteigert.<br />
Der Trabant mit seinen besonderen Ausführungen<br />
war in der Gruppe eins (Serientourenwagen)<br />
und zusätzlich in der<br />
Gruppe zwei (Spezialtourenwagen) homologiert.<br />
Rallye-Sport zu betreiben<br />
setzt einen funktionierenden Servicedienst<br />
voraus, der durch die Sportfreunde<br />
Alfred Kießling, Klaus Riedel, Christian<br />
Meischner und Werner Lange gesichert<br />
wurde. Sie waren alle als Rallye-Piloten<br />
eingesetzt, kannten aus der Praxis die<br />
Sorgen und Probleme eines Teams während<br />
der Veranstaltungen. Die Servicefahrzeuge<br />
hatten alles an erforderlichen<br />
Ersatzteilen, wie Motor, Getriebe usw. an<br />
Unten Mitte: Die vier Zwickauer P 50 belegten<br />
zur Tausend-Seen-Rallye beim Europameisterschaftslauf<br />
1962 in Finnland in der Klasse bis<br />
600 Kubikmeter die Plätze eins bis drei sowie<br />
fünf.<br />
Bord. Dank der mitgeführten Werkzeuge<br />
konnten schnell Reparaturen und Mängel<br />
im Wettkampf behoben werden. Bei<br />
Großveranstaltungen, wo Start und Ziel<br />
weit auseinander lagen (zum Beispiel zur<br />
Rallye Monte-Carlo), musste zusätzlich<br />
das Fahrergepäck in einem zweiten Kombiwagen<br />
befördert werden. Im Dachgepäck<br />
der Servicefahrzeuge waren neben<br />
zahlreichen 20-Liter-Benzinkanistern<br />
weitere Reserveräder montiert. Über<br />
Funk wurden während der Veranstaltung<br />
notwendige Informationen zwischen<br />
den Mannschaften und den Servicefahrzeugen<br />
ausgetauscht. Bald zeigte sich,<br />
dass die Personalunion Abteilungsleiter<br />
und Co-Pilot zur Überforderung führte.<br />
AufgeHorcht<br />
Oben rechts: Dr. Werner Lang, der Autor dieses<br />
Beitrags, war in Finnland als Kampfrichter<br />
eingesetzt.<br />
Unten rechts: Programmheft der finnischen<br />
Rallye von 1966.<br />
Manfred Georgi leitete nun mit aller<br />
Energie die Abteilung TKR. Für ihn setzten<br />
wir Lothar Sachse als Co-Pilot<br />
neben Karl Landgraf ein. Sachse bestand<br />
die Herausforderung ab 1961 bei den<br />
Rallyes Wartburg, Elbflorenz, Harz,<br />
Grenzland, „Rund um Zwönitz“, Tour de<br />
Belgique, Rajd Polski und der 2000 Kilometer<br />
langen DDR-Rallye. Hier möchte<br />
ich dem früh verstorbenen Sportfreund<br />
Lothar Sachse wegen seiner hohen Einsatzbereitschaft<br />
im Sport und als Karosseriekonstrukteur<br />
im VEB Sachsenring<br />
gedenken. Alle im Werk entstandenen Karosserien<br />
in der Weiterentwicklung, an Studien<br />
und Entwürfen trugen seine Handschrift<br />
– ob am Fahrerhaus des H3 A,<br />
01/<strong>2010</strong> 31
AufgeHorcht<br />
Pkw Typ P 240 Sachsenring, Trabant P 50,<br />
P 60, P 504, P 601, P 603, 601 WE II, P 610,<br />
P 760, P 100 und anderen. Trotz dieser<br />
Arbeitsbelastung zeigte er größten Einsatz<br />
in der Rallyesportgruppe des VEB<br />
Sachsenring, er war Kopf der Co-Piloten,<br />
ein Vorbild in der Konstruktion und im<br />
Sport. Eine weitere Veränderung: Diplomingenieur<br />
Harri Pestel schied aus<br />
der Gruppe aus, er übernahm die Leitung<br />
der Versuchsabteilung. Die Voraussetzungen<br />
für die Rallyesportgruppe des<br />
VEB Sachsenring waren geschaffen, um<br />
erfolgreich an internationalen Veranstaltungen<br />
teilzunehmen. Im folgenden ein<br />
Überblick zu den wichtigsten Rallyes, bei<br />
denen Sportler aus Zwickau dabei waren:<br />
32<br />
Freundschaftsrallye<br />
1960 startete die Mannschaft mit P 50<br />
bei der Rallye Druschba (Freundschaft)<br />
Moskau–Warschau–Berlin–Prag. Die Gesamtlänge<br />
betrug 5000 Kilometer; am<br />
Start waren unter anderem je vier P 50<br />
und Wartburg. Sie bewiesen ihre Leistungsfähigkeit,<br />
denn es gab nicht einen<br />
Ausfall.<br />
Rajd Polski<br />
Die komplette Sachsenring-Mannschaft<br />
war 1962 in Kraków am Start. Es wur-<br />
den zwei Schleifen gefahren (Kraków,<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Links: Programmheft der 18. Internationalen<br />
Tulpen-Rallye 1966 in den Niederlanden.<br />
Katowice, Opole, Wrozin, Kraków sowie<br />
Kraków, Kielce, Lublin, Rzeszów).<br />
Es gab keine Platzierung, aber auch keinen<br />
Ausfall. Die Rallye Rajd Polski in<br />
Polen wurde zwischen 1962 und 1989<br />
insgesamt 18 Mal bestritten.<br />
Tausend-Seen-Rallye<br />
Rekord: 27 Mal waren Zwickauer Aktive<br />
1960 bis 1989 bei der Tausend-Seen-<br />
Rallye in Finnland dabei. Im Programm<br />
der Sportabteilung blieb diese Veranstaltung<br />
zwischen 1960 und 1989 ein fester<br />
Bestandteil. Dies entsprach auch dem<br />
Wunsch von Herrn Knorrn, finnischer Importeur<br />
von Trabantfahrzeugen. Die Tausend-Seen-Rallye<br />
war ein Weltmeisterschaftslauf<br />
und der meistgefahrene internationale<br />
Wettbewerb der Sachsenring-<br />
Werkmannschaft. Größter Erfolg dabei:<br />
Rechts: Trabant bei der 18. Internationalen<br />
Tulpen-Rallye 1966 in den Niederlanden.<br />
der Fabrik Mannschaftssieg. Der Start erfolgte<br />
in Jyväskylä und führte über 1600<br />
Kilometer mit 14 Sprintstrecken zurück<br />
zum Ausgangspunkt. Das Streckenprofil<br />
mit schmalen, sandigen und kurvenreichen<br />
Wegen erforderte höchste Konzentration<br />
und das ganze Können von Fahrer<br />
und Co-Pilot. Ein Härtetest für Mensch<br />
und Material.<br />
Die Tulpenrallye<br />
Diese Rallye war ausgeschrieben als Europameisterschaftslauf<br />
und hatte eine<br />
Länge von 2800 Kilometern. Start und<br />
Ziel: der Badeort Noordwijk aan Zee.<br />
Die Route führte durch die Niederlande,<br />
Belgien und Luxemburg sowie weiter<br />
nach Frankreich in die Vogesen. Nachts<br />
gab es oft Nebel und Regen, die Sicht<br />
betrug manchmal nur 20 Meter, viele
Oben links: Nach einem Unfall des P 601 rollt<br />
dieser weiter bis ins Ziel.<br />
Unten: Rennunfall P 601.<br />
Ausfälle waren die Folge. Weiter ging<br />
die Fahrt mit Kurs auf die Alpen. Der<br />
Wendepunkt des Parcours befand sich<br />
südlich des Genfer Sees. Zum Glück gab<br />
es keine Trabant-Ausfälle. Neun Spezialetappen<br />
und 18 Sprintstrecken sowie<br />
eine Geschwindigkeitsrunde auf dem<br />
Grand-Prix-Kurs bildeten den Abschluss<br />
der Rallye. Nach 52stündiger Non-Stop-<br />
Fahrt konnten von 103 gestarteten Fahrzeugen<br />
51 den Wettbewerb beenden.<br />
Die Ergebnisse der Trabant-Mannschaft<br />
konnten sich sehen lassen: Asmus/<br />
Piehler fuhren den Klassensieg ein und<br />
Galle/Feldmann erreichten den 2. Platz<br />
in ihrer Klasse. Kein Trabant fiel aus.<br />
37. Österreichische Alpenrallye<br />
Ein Europameisterschaftslauf über die<br />
Gesamtdistanz von 1665 Kilometern bei<br />
Oben Mitte: Auszeichnung für Dr. Lang zur<br />
Semperit-Rallye.<br />
Oben rechts: Rallye-Streckenverlauf der<br />
10. Internationalen Semperit-Rallye<br />
schwierigsten Bedingungen. Von 79 Fahrzeugen<br />
erreichten nur 37 das Ziel, darunter<br />
drei Trabant. Die zu fahrenden neun<br />
Sonderprüfungen in Jugoslawien forderten<br />
ihren Tribut. Die größten Ausfälle gab es<br />
an Bremsanlagen, Kraftübertragungen<br />
und Fahrwerken. Bei der Spezialetappe<br />
am Sölker Tauern-Pass mit einer Höhe<br />
von 1790 Metern waren Schnee, Schneematsch<br />
und Glatteis zu meistern. Zweimal<br />
musste während dieser Rallye auf<br />
jugoslawischem Gebiet nonstop gefahren<br />
werden. Das brachte große Härten<br />
mit sich. Die Schlüsseletappe bei Tolmin<br />
in Slowenien forderte höchstes fahrerisches<br />
Können. Vorgegeben war ein Zeitlimit<br />
von 87 Minuten, aber durch einen<br />
Bergrutsch verlängerte sich die zu fahrende<br />
Strecke ohne Zeitveränderungen<br />
um 14 Kilometer. Risikovoll jagten die Fahrer<br />
über die schmalen, kurvenreichen und<br />
bergigen Geröllstrecken, und das bei<br />
AufgeHorcht<br />
vollem Gegenverkehr. Für die Besatzung<br />
Landgraf/Sachse reichte durch<br />
einen entgegenkommenden Lkw die<br />
Straßenbreite nicht aus, ein Zusammenstoß<br />
war unvermeidlich. Der entstandene<br />
Schaden wurde sofort provisorisch behoben,<br />
das Rennen ging weiter. In Klagenfurt<br />
schloss sich ein Flugplatzrennen mit<br />
anschließender Beschleunigungs- und<br />
Bremsprüfung an. Das Ziel Velden erreichten<br />
alle drei gestarteten Trabant-<br />
Fahrzeuge. Zwei Tage und Nächte lief<br />
die Rallye, verdienter Lohn der Truppe:<br />
drei Bronze-Medaillen für Ullmann/Lange,<br />
Landgraf/Sachse und Galle/Feldmann.<br />
10. Semperit-Rallye<br />
Ausruhen gab es bei der Mannschaft nicht,<br />
es wartete die 10. Semperit-Rallye auf<br />
das Sachsenring-Rallyeteam. Ein Wettbewerb,<br />
der es in sich hatte. Zehn Sonderprüfungen<br />
bei einer Streckenlänge über<br />
1800 Kilometer, die Rallye war bei extrem<br />
schlechtem Wetter zu fahren.<br />
Zwei mit dem Trabant gestartete NSU<br />
Prinz fielen bereits nach 300 Kilometern<br />
aus. Von 138 gestarteten Fahrzeugen kamen<br />
nur 61 in Wien ins Ziel. Eine große<br />
Zuschauerkulisse empfing die Rallyepiloten<br />
am Rathaus. Die harte Bremsprüfung<br />
musste noch bestanden werden,<br />
welche eine große Belastung für Fahrwerk<br />
und Bereifung brachte. Die österreichische<br />
Presse zollte den Trabant-<br />
01/<strong>2010</strong> 33
34<br />
AufgeHorcht<br />
Oben links und Mitte: Vorder- und Rückseite<br />
des Programmheftes zur Moldau-Rallye.<br />
Unten links: Trabant während der 39. Rallye<br />
Monte-Carlo.<br />
Fahrzeugen Anerkennung. Die Zeitungen<br />
„Neues Österreich“ und „Volksstimme“<br />
schrieben darüber. Ausgezeichnet zogen<br />
sich die Markenteams von Trabant (DDR)<br />
und Citroen (Frankreich) aus der Affäre,<br />
die mit allen gestarteten Wagen das Ziel<br />
erreichten. Asmus/Piehler gewannen die<br />
Goldmedaille, Ullmann/Lange Silber – für<br />
diese harte Rallye ausgezeichnete Ergebnisse.<br />
Es gab bei dieser Tour ein besonderes<br />
Ereignis. Eine teilnehmende Rallyemannschaft<br />
wurde schwer durch einen<br />
Unfall verletzt. Galle und Feldmann halfen<br />
uneigennützig und setzten ihren eigenen<br />
Erfolg aufs Spiel. Für ihr sportliches<br />
Verhalten erhielten sie einen Sonderpokal<br />
des österreichischen Sportministers.<br />
Vltava-Rallye in der Tschechoslowakei<br />
Die 13. Vltava- (Moldau-) Rallye war 1972<br />
ein Europameisterschaftslauf, der über<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Oben rechts: Offizielles Dokument von Karl<br />
Landgraf und Lothar Sachse für die Rallye<br />
Monte-Carlo.<br />
Unten rechts: Urkunde für das Team<br />
Landgraf/Sachse zur Rallye Monte-Carlo.<br />
2500 Kilometer mit 16 Sonderprüfungen<br />
ging. Schnelle Nachtetappen mit schwierigen<br />
Orientierungsproblemen waren<br />
speziell für die Co-Piloten eine Herausforderung.<br />
Von 82 teilnehmenden Teams<br />
kamen lediglich 21 am Start- und Zielort<br />
Prag an. Von der Sachsenringmannschaft<br />
erreichten nur Galle/König und Landgraf/<br />
Sachse die Hauptstadt der damaligen<br />
Tschechoslowakei.<br />
Rallye Monte-Carlo<br />
Eine der schönsten und bekanntesten<br />
Rallyes, die unser Team in den Jahren<br />
1968 bis 1973 insgesamt sechs Mal fuhr,<br />
ist die Rallye Monte-Carlo in Südfrankreich<br />
und Monaco. Die Anfahrt zur 39.<br />
Rallye Automobile Monte-Carlo 1970 begann<br />
für die Sachsenringmannschaft in<br />
Hanau bei Frankfurt am Main. Acht verschiedene<br />
Anfahrtsmöglichkeiten standen<br />
zur Wahl. Die Strecke, welche die<br />
Zwickauer wählten, führte von Hanau<br />
über Arras, Rennes, Millau, Saint Flour,<br />
und Bourg nach Monte-Carlo und hatte<br />
eine Länge von 3596 Kilometern, die mit<br />
einem Schnitt von 29 km/h zu befahren<br />
war. Die Rallye selbst führte über 20<br />
Etappen mit einer Länge von 1524 Kilometern,<br />
wovon der Sprintteil 252,2 Kilometer<br />
betrug. Der Durchschnitt war mit<br />
59 km/h vorgegeben. Das Streckenprofil<br />
führte über Hochgebirge bei Schnee und<br />
Eis und verlangte von Fahrern und Co-<br />
Piloten höchste Konzentration und absolutes<br />
Können. Die Trabant-Fahrzeuge<br />
mussten hier in der Klasse bis 850 Kubikzentimeter<br />
starten. Trotz dieses Handicaps<br />
erreichten das Fahrerpaar Asmus/Piehler<br />
den ersten Platz, Landgraf/Sachse Rang<br />
zwei und Galle/Feldmann belegten die<br />
dritte Position. In der Werkplatzierung<br />
wurde das Zwickauer Team Erster.<br />
Dr. Werner Lang<br />
Abbildungen: Archiv des Autors<br />
Fortsetzung folgt
Der Große Preis<br />
von Kapstadt<br />
Aus dem Tagebuch eines<br />
Rennmechanikers der Auto Union<br />
AufgeHorcht<br />
Rudolf Friedrich hat als Rennmechaniker der Auto Union die großen Erfolge der Silberpfeile in den 1930er Jahren<br />
miterlebt und genauso die Schattenseiten des Rennsports kennengelernt. In der Betriebszeitung des ehemaligen<br />
VEB Sachsenring Zwickau berichtete er Ende der 1950er Jahre über seine Zeit an der Seite von Stuck,<br />
Rosemeyer & Co. „AufgeHorcht“ veröffentlicht Auszüge aus diesem hochinteressanten Tatsachenbericht in der<br />
Serie „Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union“. In Teil 9 dreht sich das Geschehen um den<br />
Großen Preis von Kapstadt/Südafrika im Januar 1937.<br />
Einige von uns Monteuren fuhren mit dem Schiff nach<br />
Kapstadt. Die anderen Teilnehmer, darunter auch ich, fuhren<br />
mit drei DKW-Wagen 1200 Meilen über das Land bis nach<br />
Kapstadt. In Port Elisabeth besichtigten wir das berühmte Marinemuseum.<br />
In großen, in Felsen gehauenen Wasserbassins mit<br />
Oberlicht, für den Besucher durch eine starke Glasscheibe<br />
sichtbar, hausten dort unter Überdruck die seltensten Meerestiere.<br />
Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus. Sogar das<br />
gefürchtete Meeresungeheuer, eine Krake, sahen wir direkt<br />
an der Glasscheibe. Auch den berühmten Schlangenpark ließen<br />
wir uns nicht entgehen. Gesichert durch einen Wassergraben<br />
und eine Betonmauer, leben dort auf einer Insel die gif-<br />
Teil 9<br />
tigsten Schlangen. Kobras, Abgottschlangen, Vipern, Pythonschlangen<br />
und vieles mehr. Frösche klammerten sich auf den<br />
Rücken der Kobras fest und schwammen mit ihnen durch den<br />
Wassergraben. Da kam ein Neger, der Schlangenwärter, und<br />
führte uns seine Künste vor. Er hob einige Körbe hoch, ergriff<br />
ein Bündel Kobraschlangen und legte ungefähr ein Dutzend<br />
davon auf seine Schultern und seinen Kopf. Dann legte er eine<br />
drei Meter lange Pythonschlange um seine Schultern und<br />
Brust. In diesem Schlangenpark kaufte ich mir auch eine gegerbte<br />
Haut einer schön gezeichneten Pythonschlange. Zweieinhalb<br />
Meter lang und bis zu 25 Zentimeter breit für 1 Pfund<br />
30 Schilling = 18,39 Mark.<br />
Ernst von Delius beim Großen Preis von Südafrika in Kapstadt (16. Januar 1937).<br />
01/<strong>2010</strong> 35
AufgeHorcht<br />
In Mossel-Bay übernachteten wir in ganz sonderbaren Hotels.<br />
In einem herrlichen Palmengarten waren kleine, weiße<br />
Häuser wie Negerhütten mit Strohdächern errichtet und für<br />
zwei bis drei Personen, als kleine Hotels modern eingerichtet,<br />
zu vermieten. Afrikanische Riviera hieß dieser Landstreifen an<br />
der Küste. Dort tummelten wir uns auch in dem warmen<br />
Wasser des Indischen Ozeans.<br />
Dann durchfuhren wir sandreiche, öde Gegenden mit riesigen<br />
Kakteen und Agaven. Schwarze und grüne Vipern<br />
schnellten durch den Sand. Dann führte uns ein schmaler Weg<br />
mit Wurzeln – in der Karte als Verkehrsstraße eingezeichnet –<br />
durch Urwald. In einem Fluss abseits des Weges lagen zwei<br />
Alligatoren. Plötzlich rannten einige Affen über den Weg. Jetzt<br />
wurde es interessant, und wir hielten an. Als wir uns weiter<br />
in den Wald wagten, ging in den Kronen der alten Bäume ein<br />
gewaltiges Schreien los, und hinter jedem Baumstamm schauten<br />
die witzigen Augen der Affen hervor. Es mussten an die 40<br />
sein. Der ganze Urwald war alarmiert. Als wir aus Spaß Steine<br />
nach den Affen warfen, war der Teufel los. Ein wahres Kriegsgeschrei<br />
schallte durch den Urwald. Aufgeregt sprangen die<br />
Affen von Ast zu Ast. Bis wir uns zurückzogen. Als wir zu<br />
unserem DKW-Wagen zurückkamen, standen am vorderen<br />
Kühler zwei ziemlich große Affen und untersuchten die Scheinwerfer.<br />
Einer davon versuchte einen glänzenden Scheinwerfer<br />
loszureißen. Keiner von uns traute sich hin. Erst als der Fahrer<br />
im hintersten Wagen abwechselnd Vollgas gab und nach vorn<br />
fuhr, gingen die Affen weg. Jetzt hieß es so schnell wie möglich<br />
wegfahren. Schon kamen von allen Seiten die Affen angesprungen,<br />
und nun warfen sie alles mögliche Zeug nach uns.<br />
Sie mussten scheinbar schon sehr viel mit Menschen zu tun<br />
gehabt haben.<br />
36<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Schlechte Presse<br />
In Kapstadt angekommen, konnten wir uns vor Einladungen<br />
kaum retten. Der deutsche und englische Club, die deutsche<br />
Gesandtschaft und viele mehr wollten uns sehen und sprechen.<br />
Die Presse und Fotografen überstürzten sich, uns zu<br />
interviewen. Wir waren das Tagesgespräch von Kapstadt geworden.<br />
Unser korrektes Auftreten in East (London) hatte<br />
sich bis nach Kapstadt herumgesprochen.<br />
Die uns feindliche englische Presse hatte bekanntgegeben, unser<br />
Rennstall würde weit ab von den europäischen Konkurrenten<br />
in Südafrika Versuche mit Kunstgummi-Reifen machen.<br />
Das entsprach aber nicht den Tatsachen. Die Reifen unserer<br />
schnellen Fahrzeuge wurden ja durch das öftere und stärkere<br />
Abbremsen als bei den kleineren und langsameren Rennwagen<br />
auch mehr abgenutzt. Deshalb wurden sie von den Engländern<br />
als schlechtes Erzeugnis hingestellt. Da hatte unser<br />
Mechaniker Fritz M. einen guten Gedanken, den er unserer<br />
Rennleitung vorschlug. Für den nächsten Trainingstag wurden<br />
die gesamten Pressevertreter zur Rennstrecke eingeladen. Unter<br />
ihrer Kontrolle sollte nun ein faires Experiment zwischen<br />
deutschen und besten englischen Reifen gemacht werden.<br />
Rosemeyer und Delius sollten erst fünf Runden mit den deutschen<br />
Conti-Reifen fahren, dann fünf mit einem Satz der<br />
besten ausländischen Reifen, die die Pressevertreter selbst<br />
bestimmen sollten. Man sah dem strahlenden Gesicht Rosemeyers<br />
an, wie er sich darauf freute, diesmal absichtlich mit den<br />
Reifen zu räubern. Dieses kleine Reifenrennen wurde zugunsten<br />
der deutschen Reifen entschieden. Die deutschen Reifen<br />
hielten fünf scharfe Runden durch, die ausländischen nur drei.<br />
Walter Kratel, Ernst Kolibal, Walter Mayer, Max Reiher, Mitarbeiter von<br />
Continental, Alfred Neef und Rudolf Friedrich hinter dem Wagen von Ernst von<br />
Delius. Vor dem Wagen Wilhelm Sebastian, Kay Petre und Ernst von Delius.
Dieses Ergebnis und unser Erfolg wurden aber von der Presse<br />
totgeschwiegen.<br />
An einem Trainingstag beobachteten wir, dass der Rennwagen<br />
der hübschen englischen Rennfahrerin Miss Kay Petre, die Frau<br />
eines Londoner Rechtsanwaltes, die sich fanatisch dem internationalen<br />
Autorennsport widmete, viel zu langsam lief. Nach<br />
einigen Trainingsrunden unterhielten wir uns mit ihr und zeigten<br />
ihr die Mängel ihres Rallye-Rennwagens auf. Daraufhin beauftragte<br />
sie zwei englische Spezialmonteure ihren Wagen in<br />
Ordnung zu bringen. Der Wagen war aber nicht schneller geworden.<br />
Darauf holten wir uns bei der Rennleitung die Genehmigung,<br />
den Wagen einmal unter die Lupe zu nehmen. Wir<br />
stellten den Motor neu ein. Die Bremsen wurden auch neu<br />
belegt und nach unseren Erfahrungen eingestellt und vieles<br />
mehr. Als anderen Tages Miss Kay Petre mit dem Wagen die<br />
ersten Trainingsrunden fuhr, wollte sie kaum glauben, dass sie<br />
in ihrem eigenen Wagen saß, so schnell war er geworden. Für<br />
diesen Abend lud sie uns im Grand Hotel zu einem Festessen<br />
mit Wein ein, wobei sie uns auch einige Pfundnoten in die<br />
Hände drückte. Diese Hilfsbereitschaft wirkte sich anderntags<br />
so in der Öffentlichkeit aus, dass in den Zeitungen spaltenlange<br />
Artikel über uns erschienen.<br />
Als nach Rosemeyers Afrikaflug durch die Sandstürme einige<br />
Monteure von uns in ihrer Freizeit in der Flughalle in Kapstadt<br />
Elly Beinhorns Flugmotor wieder in Ordnung brachten, entlohnte<br />
sie diese Arbeit mit einer Schachtel Zigaretten.<br />
Hierüber erschien allerdings kein Artikel in der Zeitung.<br />
Der Große Preis von Cap Town<br />
Nachdem Rosemeyer in East London eins seiner tollkühnsten<br />
Rennen gefahren hatte, aber trotzdem nur als Fünfter am Ziel<br />
ankam, schwor er kein Handicap-Rennen mehr zu fahren. Wir<br />
haben ihn nie so toben sehen wie damals in East London, als<br />
er aus dem Rennwagen stieg. Mehr als einmal schrie er uns in<br />
seiner Wut mit den Worten an: „Arschlecken, verdammte<br />
AufgeHorcht<br />
Die Monteure Rudolf Friedrich, Ernst Kolibal, Alfred Neef, Walter Mayer<br />
mit einer Dudelsackkapelle am Wagen von Delius vor den Boxen in Kapstadt.<br />
Schweinerei – aus, kommt nie mehr in Frage usw.“ Als ihn<br />
aber der damalige Generalvertreter der Auto Union, Baron von<br />
Oertzen, klarmachte, dass es um das Prestige des deutschen<br />
Rennsports ginge, sagte Rosemeyer für den Start im Großen<br />
Preis von Kapstadt zu. Bernd Rosemeyer musste laut Vertrag<br />
in den Rennwagen steigen und unter schweren Bedingungen<br />
die vier Auto-Union-Ringe seines Rennwagens zum Siege führen,<br />
denn davon hing der Export einiger tausend DKW-Wagen<br />
nach Afrika ab.<br />
Der große Preis von Kapstadt wurde auf einer ebenen Rundstrecke<br />
von 7,5 km Länge über 45 Runden ausgetragen. 40000<br />
Zuschauer umsäumten die Rennstrecke. 14 Rennwagen standen<br />
am Start. Es war sonniges, aber windiges Wetter, wobei<br />
der feine Flugsand auf der Rennstrecke sehr aufwirbelte.<br />
Vor dem Rennen hatten wir ein altes Benz-Automobil aus dem<br />
Jahre 1904 ausfindig gemacht. Nach vielen Bemühungen gelang<br />
es uns, dieses wackelige Vehikel zum Laufen zu bringen,<br />
dass es nur so bockte und spuckte, wobei es aussah und klang,<br />
als wenn alle Teile auseinanderfallen wollten. Am Renntage<br />
setzten sich nun vor dem Start Fritz M. und Walter Kr. ans<br />
Lenkrad dieses Museumsstückes, ich setzte mich ans Steuer<br />
unseres Rennwagens, und wir fuhren an der großen Zuschauertribüne<br />
vorbei, worüber die Engländer tüchtig lachten und uns<br />
Beifall zollten. Anschließend spielte eine schottische Regimentskapelle<br />
mit Dudelsackpfeifern auf, bekleidet mit kurzen,<br />
buntkarierten Röcken und Kniestrümpfen. Sechsmal liefen<br />
sie mit ihren blankgeputzten Messinginstrumenten und Dudelsäcken<br />
vor der Tribüne hin und her, wobei die bunten Männerröcke<br />
auf uns sehr spaßig wirkten und ich tüchtig fotografierte.<br />
Dann endlich fuhr der erste Rennwagen ab. Nach den neu errechneten<br />
Vorgabezeiten wurde nun Rennwagen auf Rennwagen<br />
abgelassen. Jene nervenraubende Sensation wie am<br />
Start eines europäischen Rennens erlebten die Engländer da<br />
unten nicht. Rosemeyer und Delius saßen quietschvergnügt an<br />
der Boxe und schauten in aller Ruhe den kleinen vorbeifahrenden<br />
Rennwagen zu. Als erster war ein kleiner Austin mit 800 ccm<br />
01/<strong>2010</strong> 37
Hubraum und 40 Minuten Vorgabezeit vor Rosemeyer gestartet.<br />
Berühmte europäische Rennfahrer wie Earl Howe, Mario<br />
und Ruesch bekamen Vorgabezeiten von 13 Min. 42 Sek.,<br />
8 Min. 50 Sek. und 5 Min. 47 Sek. Rosemeyer musste insgesamt<br />
94 mal überholen, wenn er als Sieger hervorgehen wollte,<br />
12 Runden fuhr der zuerst abgefahrene Rennwagen, bevor<br />
Rosemeyer startete, und er musste ihn zwölfmal überholen.<br />
Nun schoben wir unsere Rennwagen an die Startlinie. Delius<br />
startete bei gleichen Leistungen unserer Motoren zwei<br />
Minuten vor Rosemeyer. Und nun begann wieder eine wilde<br />
Verfolgerjagd. Trotz der günstigeren Vorgabezeiten gegenüber<br />
East London glaubten wir nicht, dass es Rosemeyer<br />
schaffen würde. Und wieder zeigte Rosemeyer seine Fahrkunst,<br />
dass den Zuschauern minutenlang die Mäuler offenstanden.<br />
Einige sprangen sogar, zehn Meter von der Rennbahn entfernt,<br />
beim Vorbeifahren Rosemeyers entsetzt zur Seite. Einige Neger<br />
flüchteten panikartig davon und waren nicht mehr zu sehen.<br />
Rosemeyer jagte seine Maschine auf den kurzen Geraden<br />
bis auf 250 km/h Geschwindigkeit. Trotz der vielen Spitzkehren<br />
fuhr er die schnellste Runde mit 150 km/h Durchschnitt. Allmählich<br />
begann die raue Oberfläche der Rennstrecke Reifen<br />
zu fressen, und wieder flogen Fetzen vom Protektor durch die<br />
Luft. 24 Min. 38 Sek. war die englische Fahrerin Miss Kay Petre<br />
vor Rosemeyer gestartet, und wir Monteure staunten selbst,<br />
was wir aus ihrem Rallye-Wagen herausgezaubert hatten. Sie<br />
fuhr sehr schnelle Rundenzeiten. Der südafrikanische Rennfahrer<br />
Pat Fairfield auf einem 1,5 l ERA, der kurze Zeit nach<br />
diesem Rennen tödlich verunglückte, war Rosemeyers stärkster<br />
Gegner. Und nur der feine Flugsand, den der Wind in die Motoren<br />
trieb, kam uns zu Hilfe und machte einige Konkurrenten<br />
sauer. Immer dramatischer wurden die letzten Runden. Unsere<br />
Reifen bestanden diese Zerreißprobe ausgezeichnet. In der<br />
vierzigsten Runde zog Delius an Earl Howe vorbei und in der<br />
einundvierzigsten Runde auch der unverwüstliche, mit allen<br />
Raffinessen der Fahrkunst ausgestattete Bernd Rosemeyer.<br />
Jetzt erst atmeten wir an den Boxen auf, denn nun waren uns<br />
der erste und zweite Platz sicher. Unerwartet gewann Ernst<br />
Delius vor Rosemeyer den Großen Preis von Kapstadt und<br />
feierte damit seinen ersten Sieg auf unseren Rennwagen. Die<br />
24-jährige Miss Kay Petre belegte als einzige Frau unter stärkster<br />
männlicher Konkurrenz den achten Platz. Nach dem Rennen<br />
kam sie mit strahlendem Gesicht an unsere Boxe und bedankte<br />
sich nochmals für unsere Hilfsbereitschaft.<br />
38<br />
AufgeHorcht<br />
Ernst von Delius beim Training<br />
zum Großen Preis von Südafrika.<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Rosemeyer fuhr die 335 km mit einem<br />
durchschnittlichen Stundenmittel von<br />
133 km/h. Rosemeyer bezeichnete die<br />
beiden Afrikarennen als die schwersten,<br />
die er bisher gefahren hatte. Wir Monteure<br />
waren der Meinung, dass Rosemeyer<br />
seinen Stallgefährten Ernst Delius<br />
absichtlich hat siegen lassen.<br />
Nach unserem Doppelsieg in Kapstadt<br />
bezeichnete die Presse unsere Rennwagen<br />
als die schnellsten und besten<br />
der Welt. Rosemeyer hatte die Zuschauer<br />
auf der Rennstrecke ja ganz<br />
schön in Schrecken versetzt, als er<br />
seine 500 PS in den Kurven spielen ließ<br />
und die 16 Auspuffrohre beim Gasgeben<br />
aufbrüllten. So etwas hatten die<br />
Südafrikaner noch nicht erlebt. Plötzlich<br />
waren die Zeitungen des Lobes voll<br />
über den hohen Stand der deutschen Kraftfahrzeugindustrie.<br />
Rennfahrer und Mechaniker wurden groß auf den Titelseiten<br />
der Zeitungen abgebildet. Nach dem Rennen kamen sogar<br />
Be-sitzer englischer Reparaturwerkstätten an unsere Boxen<br />
und machten uns Mechanikern Angebote. Sie wollten mit uns<br />
einen Vertrag über zwei Jahre machen und uns sogar als<br />
Meister einstellen. Besonders auf die praktischen Erfahrungen<br />
von uns älteren Mechanikern hatten es die Engländer abgesehen.<br />
Sie boten uns ein Monatsgehalt von 30 bis 40 englischen<br />
Pfund, das waren 360 bis 480 Mark. Damals verdiente ein gut<br />
bezahlter Meister in Deutschland 230 bis 300 Mark. Wir sollten<br />
auch einmal im Jahr kostenlos nach Deutschland und<br />
zurück nach Südafrika fahren können. Man lockte uns mit allen<br />
Versprechungen, in Kapstadt zu bleiben. Aber selbst auf diese<br />
Angebote ging keiner von uns ein.<br />
Fotos: Archiv Jürgen Pönisch<br />
Fortsetzung folgt<br />
Der Siegerwagen von Delius in Kapstadt.
Am Computer viel<br />
der realen Welt vorweggenomen<br />
Neben der rechnergestützten Konstruktion<br />
(CAD – Computer Aided Design),<br />
die eine exakte Modellierung der dreidimensionalen<br />
Geometrie von Bauteilen<br />
und Baugruppen ermöglicht, hat auch<br />
die numerische Simulation in den letzten<br />
Jahrzehnten enorm an Bedeutung im<br />
Entwicklungsprozess gewonnen. Rechnergestützte<br />
Simulation erstreckt sich<br />
mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten<br />
über alle Bereiche des Automobilbaus,<br />
von der Festigkeitsoptimierung<br />
von Strukturelementen mittels der<br />
Finite Elemente Methode (FEM) über<br />
die Simulation der Fahrzeugumströmung<br />
bis hin zur Berechnung des Crash-<br />
Verhaltens von Gesamtfahrzeugen.<br />
Beispielsweise steht im Bereich der<br />
Fahrwerksentwicklung die sogenannte<br />
Mehrkörpersimulation (MKS) an zentraler<br />
Stelle. Hierbei werden die einzelnen<br />
Fahrzeugkomponenten durch miteinander<br />
verbundene virtuelle Körper, die<br />
verschiedene Eigenschaften wie Steifigkeit,<br />
Masse, Trägheitsmoment usw. besitzen,<br />
nachgebildet. Mit diesem Werkzeug<br />
ist es möglich bereits im Konzeptstadium<br />
präzise Aussagen zum Fahrverhalten<br />
zu treffen bzw. gezielte Kinematikabstimmungen<br />
des Fahrwerks vorzu-<br />
AufgeHorcht<br />
Zu Methoden der virtuellen Entwicklung und<br />
Simulation von Fahrwerken und deren Bauteile im Fahrzeugbau<br />
Die Entwicklung von Fahrwerken und deren Bauteile erfolgt heutzutage zum überwiegenden Teil virtuell am<br />
Computer. Ein gravierender Fortschritt dieser Arbeitsweise besteht in der größeren Effizienz im Vergleich zu den<br />
traditionellen Möglichkeiten der manuellen Entwicklung und Konstruktion.<br />
Fahrdynamiksimulation<br />
mittels Mehr-Körper-<br />
Systemen.<br />
nehmen. Durch Kopplung mit dynamischen<br />
Simulationssystemen können die<br />
zeitlichen Reaktionen des Fahrzeugs auf<br />
bestimmte Ereignisse (z. B. Lastwechsel,<br />
Bremseingriffe usw.) vorhergesagt werden,<br />
d. h. man kann beispielsweise den<br />
zeitlichen Verlauf simulieren wie ein<br />
Fahrzeug nach einem Lastwechsel übersteuernd<br />
in die Kurve eindreht. Die Verwendung<br />
dieser Werkzeuge ermöglicht<br />
damit auch eine frühe Grundauslegung<br />
von elektronischen Fahrdynamikregelsystemen<br />
wie z. B. dem Elektronischen<br />
Stabilitätsprogramm (ESP).<br />
Durch Abfahren verschiedener Lastfälle<br />
in Mehrkörpersimulation werden die<br />
Schnittlasten und damit individuelle Belastungen<br />
der einzelnen Bauteile ermittelt,<br />
welche als Eingangsgrößen für die<br />
Finite Elemente Methode basierte Festigkeitsoptimierung<br />
dienen. Bei dieser<br />
Strukturoptimierung berechnet das Simulationssystem<br />
aus den auftretenden<br />
Kraftwirkungsflüssen zunächst eine masseoptimale<br />
Bauteilgestalt (Topologieoptimierung).<br />
Dieser erste, grobe<br />
„Geometrievorschlag“ dient dem Konstrukteur<br />
als Ausgangsbasis zur fertigungsgerechten<br />
CAD Konstruktion des<br />
Bauteiles. Mit Hilfe von FEM Software<br />
werden dann die Spannungen und Verformungen<br />
am Bauteilmodell berechnet<br />
und mit zulässigen Werten verglichen. In<br />
mehreren Design-Schleifen wird dann<br />
die Geometrie überarbeitet und wieder<br />
01/<strong>2010</strong> 39
40<br />
AufgeHorcht<br />
Strukturoptimierung von Bauteilen mittels FEM.<br />
Hüllgeometrie einer bewegten Spurstange<br />
relativ zum Radträger im CAD.<br />
01/<strong>2010</strong><br />
analysiert. Das Ergebnis ist eine Bauteilgeometrie<br />
die sowohl hinsichtlich Festigkeit<br />
als auch Gewicht optimiert ist.<br />
Durch die Berücksichtigung von zeitbezogenen<br />
Lastkollektiven und Modellierung<br />
des Schädigungsverhaltens bestimmter<br />
Werkstoffe können mittels<br />
FEM sogar Vorhersagen zur Dauerfestigkeit<br />
des entworfenen<br />
Bauteils getroffen<br />
werden.<br />
Ebenfalls ein wichtiges<br />
Hilfsmittel ist die<br />
virtuelle Bauraumanalyse<br />
mittels CAD.<br />
Durch Simulation<br />
der Achskinematiken<br />
werden dynamischeHüllgeometrien<br />
der bewegten<br />
Komponenten wie<br />
Spurlenker, Radträger,<br />
Rad usw. erstellt,<br />
die alle möglicherweiseauftretendenExtrempositio-<br />
nen des jeweiligen Bauteils beinhalten.<br />
Diese Hüllmodelle werden dann zur<br />
virtuellen Abstandsanalyse verwendet.<br />
Mit dieser Methodik wird eine optimale<br />
Ausnutzung des Bauraums bzw. ein<br />
frühzeitiges Erkennen und Bewerten<br />
von Engstellen ermöglicht.<br />
Die Bauteilentwicklung in der „virtuellen<br />
Welt“ liefert keinesfalls einen Ersatz für<br />
Prüfstands- und Fahrversuche. Die endgültigen<br />
Bewertungen erfolgen nach<br />
wie vor an realen, fertigen Einzelteilen<br />
bzw. Fahrzeugen. Allerdings kann durch<br />
den Einsatz dieser hocheffizienten<br />
Werkzeuge der Erprobungsaufwand auf<br />
ein Minimum beschränkt und damit einhergehend<br />
die Entwicklungszeit und<br />
Entwicklungskosten drastisch reduziert<br />
werden.<br />
Martin Euchler<br />
Master of Engineering
VERANSTALTUNGEN<br />
Donnerstag, 7. Oktober <strong>2010</strong>, 16.30 Uhr<br />
Vortrag zum Thema:<br />
Formhärten – Neue Fertigungstechnologie für<br />
Tragstrukturbauteile im Automobilbau<br />
Vortragender: Dr.-Ing. Bernd Pögel, Entwicklungsleiter<br />
Schuler Automation GmbH & Co.KG<br />
August-Horch-Museum Zwickau, Audistraße 7, Vortragssaal<br />
Donnerstag, 4. November <strong>2010</strong>, 16.30 Uhr<br />
Vortrag zum Thema: OST- FORM<br />
Vortragender: Prof. Clauss Dietel, Formgestalter, Chemnitz<br />
August-Horch-Museum Zwickau, Audistraße 7, Vortragssaal<br />
2008 haben sich vier Mitglieder des<br />
Fördervereins vom August Horch<br />
Museum Zwickau zu einem Filmzirkel<br />
zusammengeschlossen. Zu<br />
ihnen gehört Präsidiumsmitglied<br />
Roland Schulze. „AufgeHorcht“ befragte<br />
ihn nach Beweggründen und<br />
aktuellen Projekten.<br />
Welche Aufgaben hat sich der Filmzirkel<br />
gestellt?<br />
Wir wollen zum einen alte Filme aufarbeiten,<br />
digitalisieren und für die Nachwelt<br />
erhalten. Zum zweiten drehen wir<br />
von aktuellen Ereignissen und vom<br />
Museumsbetrieb Filme mit Camcorder<br />
und schneiden diese auch selbst.<br />
Was sind jüngste Produktionen?<br />
Wir dokumentieren beispielsweise alle<br />
Sonderausstellungen im Museum. Filme<br />
sind u. a. entstanden zur Rennwagen-<br />
Sonderschau 2008, zu „Macht und<br />
Pracht“ sowie zur Traumauto-Sonderausstellung.<br />
2009 waren wir mit der<br />
Kamera auch viel außerhalb des Museums<br />
unterwegs, haben die zahlreichen<br />
Ereignisse rund um das 100-jährige<br />
Audi-Jubiläum in Zwickau festgehalten<br />
und darüber hinaus einen Zweiteiler<br />
„Bilder einer Stadt“ gedreht, der über<br />
die automobile Welt hinaus reicht. Im<br />
Moment arbeiten wir an den Projekten<br />
„Ein Museum entsteht“ und „Das<br />
Museum lebt“. Das sind Filme über den<br />
Bau des Horch-Museums und zu heuti-<br />
Veranstaltungen 2. Halbjahr <strong>2010</strong><br />
Gemeinnütziger Förderverein Automobilmuseum August Horch Zwickau e. V.<br />
gen Aktivitäten. Wie bei allen Produktionen<br />
legen wir Wert auf eine gute<br />
Mischung aus Dokumentation und<br />
Unterhaltung.<br />
Wo sind die Filme zu sehen?<br />
Wir stellen die Filme dem Museum zur<br />
Verfügung. Dort werden sie im Rahmen<br />
der Ausstellung gezeigt. Für den persönlichen<br />
Bedarf der Vereinsmitglieder und<br />
für Zwecke der Traditionspflege im<br />
Sinne unserer Satzung erstellen wir auch<br />
Kopien. Das trifft ebenso auf die historischen<br />
Aufnahmen zu.<br />
Was sind das für Aufnahmen?<br />
Dazu gehören Dokumente aus den<br />
1930er Jahren über Rennen der Auto<br />
AufgeHorcht<br />
Donnerstag, 2. Dezember <strong>2010</strong>, 16.30 Uhr<br />
Besichtigung und Erläuterung moderner Lehreinrichtungen<br />
und Forschungslabore der Fakultät Kraftfahrzeugtechnik<br />
– Labor für angewandte Simulation und Visualisierung –<br />
Erläuterungen:<br />
Prof. Dr. Wolfgang Kühn<br />
Ort:<br />
Westsächsische Hochschule Zwickau, Campus Scheffelberg,<br />
August Horch Bau<br />
Änderungen vorbehalten!<br />
Faszinierende Bilder der Nachwelt erhalten<br />
Mitglieder des Horch-Museum-Fördervereins engagiert im Filmzirkel<br />
Erhard Flechsig (l.) und Peter Ehrlich vom Filmzirkel bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit.<br />
Union sowie Filme zur Duroplastfertigung<br />
für den Trabant oder zu Crashtests.<br />
Es sind viele faszinierende Bilder,<br />
die es lohnt, aufzuarbeiten und zu erhalten.<br />
Wohin muss man sich wenden, wenn man<br />
an den Filmen bzw. an der Mitarbeit im<br />
Zirkel interessiert ist?<br />
Am besten dienstags oder donnerstags<br />
vormittags in unserer Geschäftsstelle<br />
im Horch Museum anrufen unter 0375-<br />
2706587. Außerhalb dieser Zeiten sind<br />
wir per Fax zu erreichen, ebenfalls unter<br />
der genannten Nummer. Darüber hinaus<br />
lohnt ein Blick auf unsere Internetseite:<br />
http://foerderverein.horch-museum.de<br />
01/<strong>2010</strong> 41
42<br />
AufgeHorcht<br />
01/<strong>2010</strong><br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Gemeinnütziger Förderverein<br />
Automobilmuseum August Horch Zwickau e.V.<br />
Audistraße 7<br />
08058 Zwickau<br />
Redaktion<br />
Ina Reichel, Freie Journalistin, Chemnitz<br />
Anzeigenaquise, Layout, Satz<br />
Marketingagentur Reichel<br />
Kleinolbersdorfer Straße 6, 09127 Chemnitz<br />
Tel. 0371-7743510, Fax: 0371-7743511<br />
E-Mail: mareichel@ma-reichel.de<br />
Druck<br />
Druckerei Wagner GmbH<br />
Großschirma/OT Siebenlehn<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe:<br />
20. Mai <strong>2010</strong><br />
Die Geschenkidee<br />
für Autofreunde<br />
Verschenken Sie Auto-Feeling der besonderen<br />
Art mit einem „AufgeHorcht“-Abo-Gutschein.<br />
Information unter Tel. 0371-7743510.