6 DAS BAYERKREUZ von Mart<strong>in</strong> Oberpriller DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 4/<strong>2007</strong>
Es gibt Themen, die lässt man lieber im Dunklen – auch wenn sie eigentlich hell erleuchten. Jedenfalls gibt man sich bei der Kommunikationsabteilung der Bayer AG e<strong>in</strong> we<strong>in</strong>ig zugeknöpft, wenn die Frage nach der Zukunft e<strong>in</strong>es der prägnantesten <strong>Lev</strong>erkusener Wahrzeichen gestellt wird. „Dazu“, bescheidet e<strong>in</strong> Sprecher des Unternehmens allzu Neugierigen, „dazu ist eigentlich alles gesagt“. Wirklich? Die Me<strong>in</strong>ungen über die Zukunft des bald 50 Jahre alten Leuchtfeuers über der Stadt gehen <strong>in</strong> <strong>Lev</strong>erkusen weit ause<strong>in</strong>ander. Geht es nach der Bayer AG, soll das Kreuz im Frühjahr 2009 durch e<strong>in</strong>e Medienfassade am Bayer-Hochhaus ersetzt werden. Doch spricht man mit Bürgern, dann verb<strong>in</strong>det sich für sie mit dem geplanten Verschw<strong>in</strong>den des Kreuzes vor allem e<strong>in</strong>es: Verlustangst – und zwar e<strong>in</strong>e Furcht, für die das bedrohte Wahrzeichen vor allem e<strong>in</strong>es ist: leuchtendes Symbol. „Irgendwie kann man sich des E<strong>in</strong>drucks nicht erwehren, dass sich die Firma langsam aus der Stadt verabschiedet“, erklärt Richard Müller, der von se<strong>in</strong>er Wohnung <strong>in</strong> der Wiesdorfer Heymannstraße e<strong>in</strong>en fast unverbauten Blick auf das Kreuz hat. Der Mann ist 67, arbeitete früher zwar nicht bei Bayer, ist dafür aber gebürtiger <strong>Lev</strong>erkusener und schon deshalb aufs Engste mit Stadt und Werk verbunden. Doch dazu später. Erstmal die Fakten: 120 Meter s<strong>in</strong>d sie hoch, die beiden Masten, an denen das illum<strong>in</strong>ierte Firmenlogo mit dem gekreuzten Bayer- Schriftzug hängt. Der markante R<strong>in</strong>g ums Logo hat e<strong>in</strong>en Durchmesser von 51 Metern. Aufgehängt ist das Wahrzeichen an e<strong>in</strong>em Netzwerk aus stählernen Seilen, die dem Bauwerk die notwendige Stabilität verleihen. Und so hängt es da über <strong>Lev</strong>erkusen und dem Rhe<strong>in</strong>land seit dem 2. September 1958. „Wenn ich abends von e<strong>in</strong>er Urlaubsreise nach Hause komme und ab dem Siebengebirge das Kreuz erblicke, dann ist das für mich das sichere Zeichen dafür, dass ich wieder <strong>in</strong> der Heimat b<strong>in</strong>“, berichtet Traude Hartung. Die 52-Jährige ist zwar mitnichten <strong>in</strong> <strong>Lev</strong>erkusen geboren, sondern stammt aus dem Ruhrgebiet. Trotzdem fühlt sie sich <strong>in</strong> <strong>Lev</strong>erkusen nach über 20 Jahren längst heimisch – was nicht zuletzt an eben solchen Symbolen wie dem Kreuz liegt. Dergestalte Sentimentalitäten kann man sich <strong>in</strong> der Zentrale e<strong>in</strong>es mult<strong>in</strong>ational agierenden Unternehmens wie der Bayer AG natürlich <strong>in</strong> DAS BAYERKREUZ MARKETINGINSTRUMENT ODER LEUCHTENDES SYMBOL E<strong>in</strong> überdimensionales Wahrzeichen und e<strong>in</strong> Fixpunkt <strong>in</strong> der Dunkelheit Zeiten der Globalisierung nicht mehr erlauben. Denn über e<strong>in</strong>es darf ke<strong>in</strong> Zweifel bestehen: Mag das Bayerkreuz <strong>in</strong>zwischen auch vielen Bürgern der Stadt ans Herz gewachsen se<strong>in</strong>. Es war doch immer vor allem e<strong>in</strong> – wenn man so will – Market<strong>in</strong>g<strong>in</strong>strument. 1933 war es, als zum ersten Mal die wohl weltgrößte Lichtreklame das Rhe<strong>in</strong>land erstrahlen ließ. E<strong>in</strong>ige hundert Meter versetzt von dem heutigen Standort des Kreuzes erstrahlte seit dem 20. Februar dieses Jahres das erste Bayer-Kreuz. Und es war noch größer als se<strong>in</strong> Nachfolger. Die alte Lichtwerbung brachte es bei 2200 Glühbirnen auf e<strong>in</strong>en Durchmesser von sage und schreibe 72 Metern. Zum Vergleich: Heute erhellen exakt 1710 Birnen den Nachthimmel über <strong>Lev</strong>erkusen, was 1958 e<strong>in</strong>e Gesamtleistung von 65000 Watt bedeutete. Der se<strong>in</strong>erzeitige Vorstandsvorsitzende der Farbenfabriken Bayer im Verbund der IG Farben schwärmte: „Wie das Kreuz des Südens dem Seefahrer richtungsgebend leuchtet, so soll dieses Kreuz des Westens im Herzen des deutschen Industriezentrums ausleuchten als Zeichen unserer Zuversicht.“ Nun ist bekannt, dass die von Duisberg <strong>in</strong>s Spiel gebrachte Zuversicht gerade e<strong>in</strong>mal sechs Jahre hielt, ehe e<strong>in</strong>en Tag vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs das Bayerkreuz zum letzten Mal aufleuchtete. Danach war Schluss, das Wahrzeichen fiel der Verdunklungspflicht zum Opfer. DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 4/<strong>2007</strong> >>>>>>>>> 7