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PORTRAIT von Martin Oberpriller Heimlicher Star der deutschen Filmszene Der Leverkusener Bernd Lichtenberg ist in der Branche des Films nicht mehr wegzudenken. Nur in seiner Heimatstadt kennt den Drehbuchautor des Klassikers „Goodbye Lenin“ kaum jemand Als Bernd Lichtenberg zum ersten Mal nach Berlin reiste, da war die Welt noch eine andere. Im Herbst 1989 war das, und in der damaligen Hauptstadt der DDR regierte noch ein gewisser Egon Krenz, während Zehntausende seiner Untertanen den umgekehrten Weg von Bernd Lichtenberg einschlugen. Die Heimstatt aller Werktätigen befand sich in Auflösung, und eben diese Werktätigen kehrten dem real existierenden Sozialismus (ost-)deutscher Prägung scharenweise den Rücken. 30 DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 4/2005
Das Ende ist bekannt: Eine Woche, nachdem der damals 23-jährige Leverkusener Lichtenberg in der Metropole angekommen war, fiel die Berliner Mauer, und Egon Krenz sah Jahre später ganz andere Mauern – nämlich die eines inzwischen gesamtdeutschen Gefängnisses. Zeitsprung: Eineinhalb Jahrzehnte sind seit jenen bewegten Herbsttagen des Jahres 1989 inzwischen ins wiedervereinigte Land gezogen, und aus dem Studenten Bernd Lichtenberg wurde zwischenzeitlich einer der erfolgreichsten deutschen Drehbuchautoren der jungen Generation. Was das alles mit Berlin zu tun hat? Nun, zunächst einmal dies: Es blieb für Lichtenberg nicht bei einem einmaligen Besuch in der Hauptstadt. Offensichtlich war der 1966 in Leverkusen geborene und in Bergisch Gladbach aufgewachsene Westdeutsche von der pulsierenden Metropole schwer beeindruckt. „Die Veränderungen, die anarchistischen Momente dieser Zeit in Ostberlin fand ich sehr spannend“, erinnert sich Lichtenberg, der im Frühjahr 1990 für ein Jahr in die alte Frontstadt des Kalten Krieges zog, um die Atmosphäre des Umbruchs hautnah mitzuerleben. So wie es auch jenem Alex ging, der Hauptfigur des inzwischen zu Kultstatus gelangten Spielfilms „Goodbye Lenin“, zu dem ausgerechnet der Wessi Bernd Lichtenberg das Drehbuch lieferte. Alex, ein 21-jähriger Ostberliner mit linientreuer Mutter, bastelt in den Monaten nach den Revolutionen in Osteuropa eine Scheinwelt, eine Miniausgabe der längst untergegangenen DDR, um seiner zwischenzeitlich ins Koma gefallenen und – wie gesagt – von der Überlegenheit des Sozialismus immer noch überzeugten Frau Mama nach dem Wiederaufwachen einen allzu großen Schock zu ersparen. Was da auf wenigen Quadratmetern einer typischen Ostberliner Wohnung entsteht, ist aber nur auf den ersten Blick allein komisch. Denn immerhin steckt hinter der Geschichte, die unzählige Kinobesucher in wahre Lachkrämpfe und respektablen Bauchmuskelzerrungen trieb, ein durchaus tragischer Kern. Mit der alten DDR gingen nämlich auch Lebensentwürfe und scheinbar unverrückbare Wahrheiten über die große Politik im allgemeinen und das ganz private Leben im speziellen zu Bruch – hauptsächlich im Osten, aber eben nicht nur dort. Jedenfalls glaubt Lichtenberg, dass seine Figur Alex nicht nur für seine Mutter den Untergang des eigenen Staates mit allerlei Griffen in Trickkiste aufzuhalten versucht: „Am Ende lässt Alex die DDR vielleicht hauptsächlich für sich selbst weiterexistieren. Die letzte große Lüge in dem Film hat ja hauptsächlich einen symbolischen Wert.“ Soll heißen, dass der Filmheld in der Wendezeit nicht nur Abschied vom eigenen Staat, sondern auch von seiner Jugend und mit der DDR von fast allem bislang für sicher gehaltenen Einstellungen nehmen muss. Alex wird erwachsen, etwas Altes vergeht, aber das Neue ist noch ziemlich undeutlich. Autobiographische Züge? Bernd Lichtenberg ist sich da nicht so sicher. „Ich bin nicht unbedingt jemand, der solche Bilder benutzt“, erklärt der heute in Köln und Berlin lebende freie Drehbuchautor. Aber dennoch, auch Lichtenberg selbst befand sich eine zeitlang auf der Suche nach der eigenen Rolle, nach der eigenen Profession. Nach dem Abitur studierte er Philosophie und Theologie, zunächst in Köln und Bonn, später dann in Berlin. Und dort, in der Hauptstadt, machte der Mittzwanziger Anfang der 90er Jahre während eines Praktikums bei einem Fernsehsender die ersten Schritte in Richtung Film. Jedenfalls war die Leidenschaft für dieses Medium schnell geweckt. Lichtenberg absolvierte nach seiner Rückkehr aus Berlin ein Filmstudium an der Kunsthochschule für Medien in Köln und PORTRAIT siegte 1995 beim Drehbuchwettbewerb des nordrhein-westfälischen Kultusministeriums. Dabei beschränken sich die Talente des 39-Jährigen längst nicht auf das Verfassen von Skripten für Kunstwerke auf Zelluloid. 1997 führte Lichtenberg zum Beispiel in dem Kurzfilm „Deja vu“ Regie, einem Kammerspiel mit Katrin Saß und Wolfgang Winkler. Und auch als Buchautor machte der Leverkusener kürzlich auf sich aufmerksam. In diesem Jahr erschien „Eine von vielen Möglichkeiten, dem Tiger ins Auge zu sehen“ – ein Band mit Geschichten, in denen Lichtenberg alltägliche Momente mit enormer Präzision in ihre Bestandteile zerlegt. Die Atomisierung des ganz persönlichen Lebens und der großen Geschichte – erst diese feine Sezierung lässt Tragisches zu Komischem und Komisches zu Tragischem werden und im Auge des Betrachters zu einer Symbiose verschwimmen. Fast wie in dem Film „Goodbye Lenin“, für den Bernd Lichtenberg zusammen mit Regisseur Wolfgang Becker den Deutschen Drehbuchpreis bekam. Dort taucht nämlich ein gewisser Sigmund Jähn auf, ein Mann, der im Osten noch heute eine Berühmtheit ist, im Westen aber längst vergessen oder sogar verdrängt wurde. Jener Sigmund Jähn war als Gast des großen Bruders Sowjetunion und als Kosmonaut 1978 der erste Deutsche im Weltall und bescherte der DDR damit einen ihrer seltenen Siege über den Klassenfeind. Denn erst Jahre danach griff ein Bürger der Bundesrepublik als Astronaut nach den Sternen. Und was sagt unser tragischer Held Alex, dessen Vater zeitgleich in den Westen rübermachte, über ein Jahrzehnt später zu diesem Meilenstein auf dem vermeintlichen Weg zum Sozialismus? „1978 war die DDR auf Weltniveau und unsere Familie ging den Bach runter.“ Komischer als Bernd Lichtenberg hätte man die Tragödie kaum in Worte fassen können. DAS REGIONALE FREIZEITMAGAZIN 4/2005 31
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