10.07.2015 Aufrufe

NEU - Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e. V. - Telebus

NEU - Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e. V. - Telebus

NEU - Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e. V. - Telebus

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Machtübernahme in UlmAm Abend des 30.1.1933 feiertendie Ulmer Nationalsozialisten miteiner Großkundgebung auf demMünsterplatz die ersehnte „Machtübernahme“.Innerhalb wenigerWochen festigte die NSDAP ihreMachtpositionen und zerstörteden demokratischen Rechtsstaatmittels „Reichstagsbrandverordnung“,„Ermächtigungsgesetz“ und„Gleichschaltungsgesetz“. Dabeikonnte sich die Partei auch in Ulmeiner beträchtlichen Zustimmungder Bevölkerung sicher sein. Beiden schon nicht mehr freien Wahlenvom 5. März hatte die NSDAP zwardie absolute Mehrheit verpasst, lagaber mit 45 % wieder über ReichsundLandesdurchschnitt. Mitte Märzübernahmen die Nationalsozialistendie Macht in Ulm. Der Gemeinderatlöste sich am 13.3. gegen dieStimmen der SPD selbst auf, OBEmil Schwammberger wurde am17.3. seines Amts enthoben. Zudieser Zeit waren die KPD-Stadträtebereits verhaftet. Am 4. April 1933wurde der Nationalsozialist FriedrichFoerster als Bürgermeister eingesetzt.Er forcierte die „Gleichschaltung“der Stadtverwaltung und entließBeamte, die aus NSDAP-Sichtnicht „ergeben“ waren; Schlüsselpositionenwurden mit den eigenenLeuten besetzt. In den folgendenWochen und Monaten wurden auchsämtliche Parteien auf kommunalerEbene dem alleinigen Führungsanspruchder Nationalsozialistenunterworfen – oder aufgelöst. DieserProzess verlief in Ulm ebenso raschwie im gesamten Reich. Im Mai1933 nahm Friedrich Foerster den25 Stadträten im Rathaus den Treue-Eid auf Adolf Hitler ab, im Augustrief er einen „Schwörmontag imneuen Geist“ aus und definierte ihnzu einem „Treugelöbnis“ zwischenBürgerschaft und Oberbürgermeisterum. Die kommunale Machtübernahmewar damit weitgehend abgeschlossen.Auszug aus der SchwörredeFriedrich Försters„Heute versichere ich, dass ichmeine Pflicht tun will, bis mich einhöheres Geschick abberuft: So istes an Euch, liebe Bürger, jederzeitEure Pflicht gegenüber der Stadtzu erfüllen nach dem oberstenGrundsatz: Gemeinnutz geht vorEigennutz. (...) Sieg Heil!“Ulmer Sturm, 15.8.1933„Umgerechnet auf unsere heutigenVerhältnisse war der Schwörbriefnichts anderes als das, was heutedie nationalsozialistische Bewegungdurch ihren großen FührerAdolf Hitler erreicht hat. (...) Es gehtdarum, dass die Bürgerschaft infeierlicher Weise zu erkennen gibt,dass sie sich willig und in Treueseiner Führung unterwirft.“Friedrich Foerster in Uniform am Schwörmontag 1933, Foto: Stadtarchiv Ulm4


Die inszenierte „Volksgemeinschaft“Die NSDAP forcierte ihren totalenMachtanspruch mit der Durchdringungund Kontrolle der Bevölkerung.Ab Frühjahr 1933 warennahezu alle Lebensbereiche einerteils freiwilligen, teils erzwungenen„Gleichschaltung“ unterworfen.Verbände und Vereine wurden innationalsozialistische Einheitsorganisationenüberführt, die Meinungsvielfaltbeseitigt. Die von denNationalsozialisten als „undeutsch“empfundene pluralistische Gesellschaftder Weimarer Republik sollteersetzt werden durch eine klassenlose„Volksgemeinschaft“. In dieser„Volksgemeinschaft“ würden allepolitischen und sozialen Konflikteüberwunden, das Volk – definiertals Rasse- und Weltanschauungsgemeinschaft– mit dem Führer zueiner Einheit verschmolzen sein.Nationalsozialistische Schlagwortewie „Du bist nichts, dein Volk istalles!“ beschworen unermüdlich dieEingliederung des Einzelnen in eineopferbereite Volks- und Leistungsgemeinschaft.Inszeniert wurde die „Volksgemeinschaft“in Ulm durch Massenveranstaltungenmit Aufmärschen undFackelzügen, die in Hitlerbesuchenihren propagandistischen Höhepunktfanden. Andere groß angelegtePropagandaaktionen zur Mobilisierungder Bevölkerung warenSammlungen des Winterhilfswerksoder die so genannten „Eintopfsonntage“.Viele ärmere Deutscheprofitierten auch materiell von ihremErlös. Für „rassereine“ und gesundeVolksgenossen bot die inszenierte„Volksgemeinschaft“ ein attraktivesAngebot, bei dem auch viele Ulmerund Ulmerinnen mitmachten. Wasim Großen angelegt wurde, wirktebei vielen emotional stark nach: Insbesondereder Hitler-Kult führte zueiner tief reichenden Identifizierungmit dem System.Die Ulmerin Cläre C. beschreibtin einem Brief an ihren im Auslandlebenden Mann eine derersten propagandistisch inszeniertenMassenversammlungenin Ulm nach der Machtübernahme:Die große Militärparadevom 21. März 1933 anlässlichdes „Tags von Potsdam“.A-DZOK„Inzwischen bin ich mit den Kindernbei den Eltern gewesen von 12-1Uhr, um dort die Feier auf demMünsterplatz zu sehen und mitzuerleben.Kopf an Kopf standen dieLeute dort, auf den Häusern, aufden Bäumen, überall wehten dieschwarzweißroten und anderenFlaggen; alle Soldaten, SA und SSund Stahlhelm, Vereine, Jugendverbändemit ihren Fahnen standenam Münster. Um 12.45 Uhr erklangdas Deutschlandlied, das aber durchdas Gewoge der wunderschönenGlockentöne übertönt wurde. Theowar mit seiner Klasse mit und alswir heimgingen, um noch was vonden Soldaten zu sehen, kamen wirgerade recht, als die Musik durchdie Platzgasse zog; voran der Schellenträger!Da hielt‘s Fritzle nichtlänger, er musste mit der Musik los,ganz begeistert, und die Frau Mamazog mit den 2 Mädels selber wieein Schulmädel mit – in gleichemSchritt und Tritt. So war´s in altenZeiten u. das Herz ging einem auf.Man hat doch den Glauben, dass esrecht wird und aufwärts geht mitDeutschland.“Die nationalsozialistische Propaganda zielte aufeine totale Mobilisierung und Vereinnahmungder Menschen, sowohl im öffentlichen Raumals auch im Privatleben. Massenveranstaltungenund Politisierung des Alltags bildetenzwei Seiten einer Medaille.Bild oben: Militärparade auf dem Münsterplatzam 21.3.1933, Foto: Stadtarchiv Ulm.Bild unten: Ulmer Schülerinnen bei einerGeburtstagsfeier, März 1933, A-DZOK.DZOK-Mitteilungen Heft 58, 20135


Ausschluss aus der „Volksgemeinschaft“:Antisemitische und politischeVerfolgungDie ungezügelte Propaganda-Offensiveder Nationalsozialisten verbandsich von Anfang an mit offenem Terrorgegen politisch Andersdenkende unddem Ausschluss gesellschaftlicherGruppen. Die Bevölkerung wurdezweigeteilt. In ein unvereinbaresGegenüber von nützlich und unnütz,gesund und krank, „Volksgenossen“und Juden, marxistischen Staatsfeindenund politisch einwandfreienDeutschen. Unmittelbar nach derMachtübernahme wurde der Antisemitismuszur Staatsdoktrin undTeil der Regierungspolitik, setzte diesystematische Diskriminierung undEntrechtung der jüdischen Bürgerauch in Ulm ein. Juden und Personenjüdischer Herkunft wurden bereitsim Frühjahr 1933 aus Vereinen undVerbänden ausgeschlossen. Die wirtschaftlicheVerdrängung setzte mitdem Boykott jüdischer Geschäfte,Warenhäuser, Kanzleien und Arztpraxenim März/April 1933 ein. Schonfrüh wirkte sich der gesellschaftlicheHans Lebrecht um 1930, F. M. Pozniak.Antisemitismus bis in die Kinderzimmeraus.Parallel dazu schalteten die Nationalsozialisteninnerhalb kürzesterZeit politische Gegner aus. Auchin Ulm wurden Kommunisten undSozialdemokraten schon in denersten Wochen nach der Machtübernahmemit großer Brutalitätverfolgt. Die Organe und Organisationender Arbeiterschaft wurden zerschlagen,aufgelöst und ihr Eigentumbeschlagnahmt. Auf der Grundlageder „Reichstagsbrandverordnung“vom 28. Februar konnten politischUnliebsame „präventiv“ inhaftiertund ohne Justizurteil in die seit März1933 eingerichteten frühen Konzentrationslagerverschleppt werden. VonNovember 1933 bis Juli 1935 war imFort <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> in Ulm ein solcherrechtsfreier Raum für das LandWürttemberg eingerichtet. In diesemLandes-KZ waren etwa 600 Männervorwiegend aus der württembergischenArbeiterbewegung unterunmenschlichen Bedingungen inhaftiert.Hans Lebrecht, GekrümmteWege, doch ein Ziel. Erinnerungeneines deutsch-israelischenKommunisten, Ulm 2006,S. 20f.„Siegfried Spieß, ein Gleichaltriger,wohnte auf der anderen Straßenseitegegenüber meinem Schlafzimmer.Sein Zimmer lag ungefähr80 Meter entfernt. Seit wir zwölfwaren, waren wir dicke Freunde undunternahmen allerlei Streiche. Wirbeschäftigten uns mit Tischlerei,Mechanik, dem Bau von einfachenRadiogeräten und ähnlichen praktischenDingen. Mit 15 bauten wiraus einem hölzernen Gestell, dasmit silberfarbenem Stoff umspanntwurde, einen Zeppelin, der anRollen an einem Kabel hing und zwischenunseren Zimmern hin und hergezogen werden konnte. In dieserZeppelin-Gondel schickten wir unsgegenseitig Briefe, Süßigkeitenund andere schöne Sachen. Dannverbanden wir unsere Zimmer miteinem Telefonkabel und beschafftenuns alte Telefonapparate mit Handkurbel.Fortan führten wir überdiese Privatleitung oft bis spät indie Nacht lange Gespräche oderhörten gemeinsam über das TelefonRadiosendungen. Kurz nach derMachtübernahme der Nazis kappteSiegfried die Kabel des Zeppelinsund des Telefons. Wenn wir unsauf der Straße trafen, blickte er zuranderen Seite.“Erich Kunter, Weltreise nachDachau, Bad Wildbach 1947,S. 260„Ich weiß, unser Elend und Jammerim <strong>Kuhberg</strong> war nur ein ´Vorspiel´dessen, was später kam, einNadelstich verglichen mit dem,was ihr Kameraden in den letztenJahren vor dem Zusammenbruch inden Lagern erlitten habt. Aber das,was uns angetan wurde, genügtebereits, um das Gewaltsystem derNazis als das menschenunwürdigstealler Systeme anzuprangern, die denVölkern bisher zu Teil wurden.“6


und Monaten nach der Machtübernahmeohne Gerichtsurteil ermordet.Der entfesselte Terror sollte dieBevölkerung einschüchtern und denpolitischen Widerstand zerschlagen.Rasch wurden diese Lager zum Synonymfür den Staatsterror.Das frühe KZ Heuberg bei Stetten amKalten MarktSo auch das frühe KonzentrationslagerHeuberg bei Stetten am KaltenMarkt. Es wurde auf Geheiß deswürttembergischen InnenministersFrick und des Reichskommissars fürdas württembergische PolizeiwesenDietrich von Jagow am 20. März 1933in Betrieb genommen. Es war einesder großen, im April 1933 sogar dasgrößte „Schutzhaftlager“ im DeutschenReich. Zum Lager umfunktioniertwurde ein 1910 errichteterTruppenübungsplatz auf den kargenHöhen der Schwäbischen Alb.Robert Carius beschrieb das Lagerals „ganze Ortschaft“. Hier warenvon März 1933 bis Dezember 1933etwa 3.000 Männer inhaftiert.Das Lager unterstand dem StuttgarterPolizeipräsidium und abEnde April 1933 der eigenständigenAbteilung „WürttembergischePolitische Polizei“. Die Bewachungdes Lagers übernahm zunächst diewürttembergische Schutzpolizei.Sie wurde im April von SA-Wachmannschaftenabgelöst. Dies hingmit einem Wechsel der Lagerkommandanturzusammen. Währendder erste Lagerleiter Gustav Reichein ehemaliger Polizeioberst war,übernahm Mitte April der stellvertretendeNSDAP-Kreisleiter und SA-Führer Oberstleutnant Karl Buck ausWelzheim die Lagerkommandantur.Sein Amtsantritt führte zu einerVerschärfung der Haftbedingungen,wie zahlreiche Häftlingsberichteüber Misshandlungen und Schikanenbelegen.HäftlingsunterkünfteRobert Carius wurde am 24. April 1933am „Heuberg“ eingeliefert. Unmittelbardanach wurde er von seinemFreund Fritz und den ihm bekanntenMithäftlingen aus Ulm getrennt undallein in Block 38 untergebracht,in einem der zweigeschossigenKasernenbauten aus Stein, die ausjeweils sechs Räumen bestanden.Carius´ Stube war – wie die übrigenam Heuberg – mit Eisenbetten undStrohsäcken sowie Spinden ausder Militärzeit ausgestattet. In denRäumen musste peinlich Ordnunggehalten werden. Stubenältestehatten in den Häftlingsunterkünftenbereits eine gewisse Machtfülle,wenn auch nicht so umfänglichwie in späteren Lagern, und schonAnna Ohanglu und Rafeael Reuther von der Jugendgruppe des DZOK lesen aus dem Tagebuch,27. Januar 2013, Foto: Oliver Schulz, swpam Heuberg wurden Spitzel in dieUnterkünfte eingeschleust, was zueiner allgemeinen Atmosphäre derUnsicherheit und des Misstrauensführte. Anders als in den späterenKZ gab es noch keine getrenntenZonen für Häftlinge und Wachmannschaften.Täter und Opfer waren amHeuberg in denselben Steinhäusernuntergebracht. Misshandlungender Häftlinge fanden sowohl in(Verhör-)Räumen auf dem Speicherdieser Häuser oder im Keller derKommandantur, aber auch auf denHöfen bei den Brunnen oder in denTreppenhäusern statt. Todesdrohungengehörten schon am Heubergzur Tagesordnung. Zonen relativerSicherheit stellten am ehesten nochdie Schlafräume dar. Doch auch hierwaren die Häftlinge alltäglichen Schikanender Wachleute ausgesetzt. Fürdie Lagermacht war die ErniedrigungSelbstzweck.Mangelernährung, Zwangsarbeitund MisshandlungenZu dieser Erniedrigung gehörte aucheine mangelhafte, unzureichendeErnährung bei gleichzeitiger harterkörperlicher Zwangsarbeit. RobertCarius berichtet etwa von Tagenmit 10-stündigen Arbeitseinsätzen,in denen er mit einer Bohnensuppeauskommen musste. Drangsalbrachte aber auch erzwungeneNichtarbeit, denn wer nicht zur Arbeiteingeteilt wurde, musste ohne jedeBeschäftigung auf der Stube bleibenoder wurde zu stupiden Strafarbeitenherangezogen. Der ehemaligeHeuberg-Häftling Erich Rossmannschrieb zum Lageralltag am Heuberg:„Das Leben der Lagerinsassenwar damals noch in keine satanischeOrdnung gebracht, wie ich es späterin Sachsenhausen beobachtenkonnte. Doch war das System desQuälens, der Einschüchterung, derDemütigung, der körperlichen undseelischen Misshandlung in seinenAnfängen schon stark ausgebildet“.Gewalt wurde willkürlich ausgeübtund war selten einer konkreten Tatvon Seiten der Häftlinge zuzuordnen.Es gibt Hinweise auf eine Reihe vonTodesopfern im Lager, aber es kannnur ein Mord an dem jüdischen HäftlingSimon Leibowitz nachgewiesenwerden. Kranke Häftlinge wurdeneher entlassen, als sie im KZ sterbenzu lassen. Auf dem Heuberg war derTod der Häftlinge also kein direktesZiel, auch wenn täglich mit ihmgedroht wurde.EntlassungSo gingen die Häftlinge trotz derGewalt im Lager grundsätzlich vonihrer eigenen Entlassung aus. Dabeiwar ihnen jedoch gänzlich unklar,wann diese Entlassung stattfindenwürde, denn eine wesentlicheSchikane der Machthaber lag darin,die Gefangenen über den Zeitpunktihrer Entlassung im Unklaren zulassen. Die durchschnittliche Haftzeitauf dem Heuberg lag bei etwadrei Monaten, so auch bei RobertCarius. Bei ihrer Entlassung wurdendie Häftlinge, unter ihnen Robertund Gustav Carius, unter Androhungeiner erneuten Inhaftierung verpflichtet,nichts über ihre Erlebnisseim KZ nach außen zu tragen und siemussten sich nach ihrer Entlassungregelmäßig bei der Polizei melden.Für viele Häftlinge zog die Haftzeitsoziale Stigmatisierung und wirtschaftlicheBedrängnis nach sich.Nachbarn und ehemalige Freundezogen sich zurück, einen Arbeitsplatzzu finden war äußerst schwierig.Und nur wenige sprachen im Familienkreisüber ihre Erlebnisse auf demHeuberg, so auch Gustav Carius, derVerfolgung und Krieg überlebte. Erlitt wie viele Mithäftlinge sein Lebenlang unter dem, was ihm am Heubergzugefügt worden war.8


Auszüge aus dem Tagebuch von Robert Carius25. März 1933: Abends sagteein Nazi zu Fritz und mir: „AmMontag holt man euch!“27. März: Heute Morgen um 5Uhr sind Gustav und ich aus demBett heraus verhaftet worden.Vor unserem Haus standen Nazis.Wir selber wurden von Schutzleutengeholt. Unter starkerBewachung wurden wir in dasGendarmerie-Gebäude eingeliefert.Dort kamen ungefähr 50Mann zusammen. Um 9 Uhr ging esmit den Ellwanger Polizeiautosunter starker Bewachung nachHerbrechtingen, wo die Sammelstelleist. Um 11 Uhr wurden wirauf Lieferwagen verladen, dawar die Bewachung noch stärker.In Ulm kamen wir um 1 Uhr an undmussten noch eine halbe Stundeauf dem Auto sitzen bleiben. Umzwei Uhr bekamen wir zu essen,was ein jeder begrüßte, es gabLinsenbrei. O Strohsack wiehart bist Du! Geschlafen habeich nicht viel.23. April: Morgen früh geht‘sauf den Heuberg. Habe heuteNacht nicht geschlafen.24. April: Um 3/4 6 Uhr kamen3 Omnibusse in den Hof und um6 Uhr ging die Fahrt los. Um3/4 11 Uhr kamen wir oben amHeuberg an und wurden dann in2 Glieder gestellt. Von einemSchupo wurden uns dann die Verhaltensregelnverlesen, ganzbarsch und unfreundlich. Einkrummer Hund. Unsere Kameradschaftwurde ganz auseinandergerissen. Ich kam in Block 38,Zimmer 1. Es sind im ganzen 26andere Häftlinge drin, lauterStuttgarter K.P.D. Leute. WoFritz ist weiß ich nicht. DasEssen ist scheußlich. Die Bewachungist furchtbar stark,lauter Hilfspolizei in Schupo-Kitteln. Da wird man in einemTon angebrüllt und muss sichalles gefallen lassen. O Ulm,wie warst du schön.25 April: Um 3/4 6 Uhr schrieman „Aufstehen“, was mir garnichts ausmachte, weil ichsowieso nicht gut schlief, dieBetten sind noch schlechter alsin Ulm.26. April: Den ganzen Tagschlechtes Wetter. Nachmittagsmusste ich im Arbeitsdienst amSanatorium einen Garten machen.Mich hat der Truppführer (Grabherr)ziemlich dick, weil ichbeim Reichsbanner bin, diewill er besonders hochnehmen.Wir haben lauter Naziwachen,die Polizei hat nur den Ausbildungsdienst.Heute ist eineKommission hier, daher dasEssen etwas besser. Da binich wenigstens einmal sattgeworden, was sonst nicht derFall ist.27. April: Heute habe ich Stubendienst.Habe auch 6 StundenArbeitsdienst gemacht; beimSanatorium Steine wegführen.Abends Bohnensuppe. O Bohnen,wo seid ihr! Bin halt immerhungrig. Bekomme gerade nochdie Hälfte von dem in Ulm.28. April: Nachmittags Arbeitsdienst.Herr Bock will unsimmer schlauchen. Er ist meistensim Rausch.29 April: Heute ist wieder einRegentag. Heute kamen 200 SA-Leute weg, unser Wachtmeisterist auch dabei. Jetzt sind wirvollends unter der Kuratel desSaufbolds Bock. Jeden Abendmuss man antreten, ob alle nochda sind.1 Mai 33: An unserem Nachbargebäudesteht groß „Heil demdeutschen Arbeiter“ und wirsind eingesperrt!13. Mai: Heute Mittag warHaussuchung. Das ganze Zimmermusste auf den Abort - in derZwischenzeit wurde das Zimmergründlich durchsucht.15. Mai: Heute gab es Brotzum Kotzen, so schlecht undstinkig. In unserer Stube istes so, dass keiner dem anderentrauen kann.17. Mai: Ein Wachposten schrieeinmal herein als ich zu nahans Fenster kam: Geh vomFenster weg oder ich schieße!Es gibt auch Anständige, aberganz, ganz wenige.25 Mai Himmelfahrt: Wie immerschlechtes Wetter, es ist heutewieder richtig kalt.31. Mai: Heute beim Austretensagte der Wachhabende Weiß zueinem Heidenheimer: „Die Heidenheimergehören alle an dieWand gestellt.“ Er ist eineregelrechte Ausgeburt derHölle.1 Juni: Die Tage sind so eintönig.Man hat zu nichts mehrLust als zum Essen und daslangt nirgends hin.3 Juni: Die elektrischen Birnenwurden auch herausgedreht. Mansagte: Ihr braucht kein Lichtmehr.4. Juni: Pfingsten hinter Stacheldraht.Heute ist wundervollesWetter und eingesperrt.7. Juni Arbeitsdienst. Alsich zurück kam auf meine Bude,wie sah es da aus! Unser neuerWachhabender Sturmführer Böttcherriss ein paar Mal dieBetten herunter. Die Waschschüsselnflogen in der Stubeherum, sowie die Essnäpfe. Einpaar Leute bekamen Schläge vonihm und mussten dann im HofSteine zusammen lesen.8. Juni: Jetzt müssen wir imArbeitsdienst von 6 bis 11 undvon 1 bis 6 Uhr arbeiten. Um1 Schwarzwurst und 250 GrammBrot. Das ist unmenschlich. DasEssen ist wieder mal schlecht.10. Juni: Es ist jetzt dreiWochen Schreibverbot, weilsie im Bau 19 versucht habensollen, einen Brief herauszuschmuggeln.13. Juni: Arbeitsdienst. Esging ein grüner Wachmeistermit, weil wir über hundert Mannsind. Es wurde alles genau abgezählt.Wer austreten muss, musszuerst einen Posten fragen.Andernfalls wird sofort scharfgeschossen, ohne Warnung.15 Juni: Heute muss man denVolkszählungszettel ausfüllen.Dass man das von uns noch verlangt.Wir sind doch hier imLager die ganze Zeit Russen undwir gehören gleich erschossen.21. Juni. Um 1/2 12 Uhr kam einWachmann und sagte, ich sollemeine Sachen packen, ich würdeentlassen. Ich konnte es kaumglauben. Von unserem Bau warenwir 7 Mann, zu meinem Glückist Fritz auch dabei. Um 1/23 Uhr wurden wir vom Bau 16abgeführt, wir fahren mit demPolizeiauto bis nach Cannstattund von dort mit dem Zug vollendsheim. Dann ging es zurKommandantur. Beim Kommandantenbekamen wir die Verhaltungsmaßregelnvorgelesen und musstenunterschreiben. Mutter war ganzüberrascht, als sie mich sah. Um10 Uhr stellten wir uns bei derPolizei vor. Polizeirat Kohlgab uns unsere Verhaltensmaßregelnbekannt und sagte, dasswir bis auf weiteres bewachtwerden. Alle 3 Tage muss ichmich bei der Polizei melden.Auswahl: Theresa RodewaldDZOK-Mitteilungen Heft 58, 20139


Der Boykott jüdischer Geschäfte als Auftakt zu Vertreibung und Vernichtung„Deutscher, kaufe nicht beim Juden!“Die authentischen Orte der Drangsalierungund Verfolgung derJuden sind aus dem Ulmer Stadtbildweitgehend verschwunden.Silvester Lechner begibt sich aufdie lokale Spurensuche nach demAntisemitismus, der den „Kitt“für die nationalsozialistische„Volksgemeinschaft“ bildete unddem Holocaust den ideologischenBoden bereitete.Silvester LechnerWer in Ulm heute nach Namen undDaten der jüdischen Gemeindesucht, die im Nationalsozialismusentrechtet und vernichtet wurde, istauf Bücher wie das Gedenkbuch vonIngo Bergmann angewiesen. Odersie/er geht auf den Neuen Friedhofan der Stuttgarter Straße und schautsich dort in dessen Südwest-Eckedie verwitterten jüdischen Namenauf den Grabsteinen an. Die Häuserjedoch, in denen die Ulmer Jüdinnenund Juden lebten und arbeiteten,sind der unmittelbaren Anschauungentzogen. Viel wurde im Bombenkriegzerstört, viel ist Neubautengewichen. So ist es heute schwersichtbar zu machen, welche Örtlichkeitenes betraf, als vor 80 Jahren,im März und April 1933, die Nazisreichsweit zum „Boykott“ prinzipiellaller „jüdischen Geschäfte, Firmen,Anwaltskanzleien, Arztpraxen“ aufgerufenhatten. Auch im Rückblickscheinen diese Ereignisse zu verblassen:Einerseits angesichts desVernichtungs-Antisemitismus derNazis und seiner Massenmorde,andererseits angesichts der fastzeitgleichen Zerstörungsakte an derWeimarer Demokratie mit der Etablierungdes KZ-Systems und denErmächtigungs- und Gleichschaltungsgesetzen.Und doch ist dieErinnerung an den Boykott zentral.Zerstörung der Existenzgrundlagen– erste Stufe der „Endlösung“In doppelter Hinsicht war dieseAktion die erste Stufe zu Vertreibungund Vernichtung der deutschenJuden, die nur zehn Jahre spätervollzogen war. Für die Minderheitder Juden im Jahr 1933 war derBoykott der Auftakt für die Zerstörungder materiellen Lebensgrundlagen,die mit der „Verordnung zurAusschaltung der Juden aus derdeutschen Wirtschaft“ (12.11.1938)Das Kaufhaus „Wohlwert/Volksbedarf“ in einer Innenansicht aus den 1920er Jahren. Das vom Porzellanbis zu Lebensmitteln reichende Warenangebot und die Preisgestaltung waren in Ulm neu, fastrevolutionär. Das Kaufhaus befand sich in der Langen Straße 20, ungefähr am Platz des heutigenWeishaupt-Museums. (Archiv-Angaben)abgeschlossen war. Für die christlicheMehrheitsgesellschaft solltenach drei Generationen wirtschaftlicherPräsenz (seit etwa 1848) undzwei Generationen der rechtlichenGleichstellung (seit 1871) jüdischerNachbarn die Unterscheidung von„deutsch“ und „jüdisch“ im Alltagneu etabliert und „der Jude“ alsFeind in der Nachbarschaft erkennbarwerden. Zwar blieb auch in Ulm inden Jahrzehnten seit der staatsbürgerlichenGleichstellung der Judender Antisemitismus politisch-ideologischim völkisch-nationalistischenMilieu immer vorhanden. In denKöpfen der Mehrheit jedoch warenantisemitische Vorurteile zunehmenddurch die alltägliche praktische Erfahrungüberlagert worden, dass frau/man „bei den Juden“ gut und reelleinkaufen könne. Damit waren unterden etwa 100 Erwerbsbetrieben inUlm Einzelhändler „en gros“ und„en detail“ wie Erlanger, Hilb oderWeglein ebenso gemeint wie diefür den kleinen Geldbeutel hochattraktiven Kaufhäuser wie Landauer,Tietz, Wohlwert. Auch Anwaltskanzleienwie die von Leopold Hirsch,Siegfried Mann und Ernst Moos oderArztpraxen wie die von GottfriedNeuhaus und Siegmar Ury liefertenreale Gegenerfahrungen zu antisemitischenVorurteils-Traditionen. Diepositiven Grundlagen in den Köpfenund im Verhalten der Mehrheitsbevölkerungzu beseitigen, war dereigentliche Sinn der Boykottaktionen.Antisemitismus wurde zum Kitt derpropagierten „nationalsozialistischenVolksgemeinschaft“.„Argumente“ und Erscheinungsformender Boykott-Aktionen in UlmDie Nazi-Propaganda rund um den 1.April 1933 wurde reichsweit von derNSDAP mit „Aktionsleiter“ JuliusStreicher und regional von einemUlmer „Aktionskomitee der NSDAP-Kreisleitung in der Frauenstraße 12“organisiert. Die Parteipresse, dienach dem Aufstieg der NSDAP zurMassenpartei im September 1930flächendeckend im DeutschenReich entstand, hatte die späterenAktionen propagandistisch vorbereitet,so auch der „Ulmer Sturm“als regionales Parteiorgan. Dorthieß es z. B. am 5.12.1931: „Zurdeutschen Weihnacht kauft mandeutsche Waren beim deutschenGeschäftsmann.“ Besonders imVisier der antisemitischen Hetze vor1933 und auch der ersten UlmerBoykottaktion vom 11. März 1933waren Warenhäuser wie Wohlwert,Landauer oder Tietz. Warenhäuser,die aus den Großstädten wie Berlinkommend, in der Weimarer Zeit10


auch in Ulm auftauchten und derenBesitzer mehrheitlich Juden waren,waren der Inbegriff der Modernisierungvon Geschäftsmethoden undKonsumentenverhalten. Und siewaren tatsächlich eine Konkurrenzfür mittelständische Besitzer – allerdingsfür jüdische wie nichtjüdischegleichermaßen. Am 13. März 33 hießes dann im „Ulmer Sturm“: „Volkszorngegen Juda. Das deutsche Ulmverlangt Schließung der jüdischenRamschgeschäfte“. Um den 1. Aprilschloss sich auch das vormals bürgerliche„Ulmer Tagblatt“ der NS-Staatsaktion an und beteiligte sich anden Boykottaufrufen.Nun wurden Parolen wie, „Kauftnicht beim Juden“, systematisch anSchaufenster „jüdischer Geschäfte“geschmiert, uniformierte SA-Männerhinderten die „Volksgenossen“am Einkauf. Bewusst wurden zweiSamstage als Haupteinkaufstage, der11. März und der 1. April, für dieseAktionen gewählt. Zwei „Hauptargumente“wurden ständig wiederholt:das der ökonomischen Konkurrenzund das der „Greuel-Propaganda“des „internationalen Judentums“.Beide Male werden sowohl der „biederedeutsche Kaufmann“ als auchdas nationalsozialistische Deutschlandals Opfer dargestellt; die Boykottaktionenals Akt der Verteidigungund Selbstbehauptung.Parteioffiziell wurden die Aktionennach dem 1. April zwar als dysfunktionalfür den NS-Staat erkanntund abgeblasen, denn schließlicharbeiteten in Firmen von Juden auchNichtjuden, und ein gewisses Wohlwollender ausländischen Pressewar noch nötig. Trotzdem war zweierleierreicht: das Selbstverständnisjüdischer Menschen als deutscheStaatsbürger war tief erschüttert unddas Bild des feindlichen Juden war inden Köpfen der Nichtjuden etabliert.Diese Momente wurden nun kontinuierlichausgebaut.Lücken in der LokalhistorieIn der Geschichtsschreibung zur UlmerStadtgeschichte fehlen: eine Gesamtdarstellungder wirtschaftlichen Präsenzvon Juden in Ulm seit dem 19. Jahrhundertund eine Darstellung von Vertreibung,Liquidierung und Arisierung UlmerGewerbebetriebe 1933 bis 1939.Ehemalige jüdische Bürger im DZOK und ihr Blick auf das neue jüdische Leben in Ulm„Ein Anfang, wieder einmal“Bereits zum fünften Mal hat dieStadt Ulm ihre früheren jüdischenBürgerinnen und Bürger, die inder Emigration die Shoa überlebthaben, in ihre einstige Heimatstadteingeladen. Das DZOK warBestandteil ihres Besuchsprogramms,das mit der Eröffnung derSynagoge am 2. Dezember einenbesonderen Höhepunkt hatte. „Fürmich als alten Ulmer ist es sehrwichtig, dass es hier wieder einejüdische Gemeinde gibt“, erklärteder Neunzigjährige Gerard Moos,einer der Zeitzeugen und selbstNS-Verfolgter, am Rande.Thomas VogelEs wird nicht mehr viele Gelegenheitengeben, wie diese für DZOK-Leiterin Nicola Wenge, an einem Taggleich 20 Zeitzeugen der NS-Herrschaft– und allesamt selbst von derVerfolgung betroffene – begrüßen zukönnen. In diesem Sinne war es einganz besonders kostbarer und fürdie eigene Einrichtung gewiss denkwürdigerMoment. In einer kurzenPräsentation stellte sie dann denGästen das Dokuzentrum und seineFunktionen und Aufgaben vor, imAnschluss gab es Führungen durchsArchiv und die Bibliothek. Die bereitliegenden historischen Fotos ließenso manche Erinnerung lebendigwerden.55 Gäste waren der Einladung derStadt Ulm gefolgt, davon immerhin20 ehemalige „Ulmer“, begleitetdurch Familienangehörige auf ihreremotional gewiss nicht einfachenReise in die frühere Heimat. Entsprechenddicht war der Veranstaltungsbereichin der „Büchse 13“besetzt, wo an besagtem Morgendann doch einige unvorhergeseheneDinge passierten. Denn da vielen derGäste nach Interaktion zumute war,entwickelte sich der Kurzvortragstellenweise zu einem äußerst anregendenGespräch.Naturgemäß stießen die Ausführungender DZOK-Leiterin bei denenauf das stärkste Interesse, welchendie Einrichtung bislang gänzlichunbekannt war. Dass sich das DZOKgerade auch mit der jüdischen Vergangenheitbeschäftigt, wurde vonden Gästen mit besonderer Genugtuungwahrgenommen. Als NicolaWenge in ihrer Ansprache AlfredMoos erwähnte, einen der wenigennach Ulm zurückgekehrten Juden,wurde dies im Plenum mit heftigemKopfnicken quittiert – viele kanntenihn persönlich, und etliche aus demHenny Rosenberg, geb. Mann, aus Argentinien(li.) und Nicola Tautscher, Großbritannien (re.)freuten sich anlässlich der Eröffnung der Synagogeendlich einander persönlich zu begegnen.Obwohl sie verwandt sind, hatten sie sichvorher noch nie getroffen. A-DZOK„Moos-Clan“ waren persönlichanwesend. Hellhörig wurden einigenicht minder, als der Name der FilmemacherinSibylle Tiedemann fiel.Da war bei einigen Vorfreude aufdas Wiedersehen spürbar, das gleichim Anschluss beim gemeinsamenMittagessen im Einsteinhaus dannstattfand.Ann Dorzback, 91, stach in TiedemannsDokumentarfilm „Kinderlandist abgebrannt“ – über eine derletzten Ulmer Schulklassen, in welcherin den Anfängen der NS-Dik-DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201311


Ann Dorzback, geb. Wallersteiner, konnte viele detaillierte Fragen zu ehemaligen Mitschülerinnen undjüdischen Freunden und Bekannten beantworten. A-DZOKtatur noch jüdische und nichtjüdischeMädchen eine zeitlang gemeinsamunterrichtet wurden, bis dies unterbundenwurde – besonders heraus.Zum einen durch ihr schwäbischesIdiom, das sie über die Jahrzehntehinweg bewahrt hatte, zum andernaber auch durch den flackernden,längst nicht erloschenen Zorn wegender in ihren letzten Ulmer Jahrenerlittenen Niederträchtigkeiten undGemeinheiten.Jetzt saß sie unter den Gästen undteilte bereitwillig ihre Erinnerungenmit. Gerade auch von Töchtern undSöhnen und Enkeln dieser Zeitzeugenwurde nach den Ereignissen nach1933 gefragt, deretwegen sie nichtin Ulm und nicht in Deutschland, sondernin den USA, in Südamerika oderanderswo aufgewachsen sind.An die 20 Mal schon sei sie nach1945 wieder in Ulm gewesen, erzähltDorzback, geborene Wallersteiner(Ulmer Textilfabrikant), hinterher.„Meine Mutter erlebt dann Gefühle,wie sie sie als Kind hatte. Wenn sieUlm besucht, wird sie selbst wiederein Stück weit zum Kind“, fand ihrSohn Robert den Grund dafür heraus:„Es gibt ihr ein gutes Gefühl“. Alsein Leben in Sicherheit und Geborgenheithabe sie ihre Kindheit in Ulmin Erinnerung behalten, fügt seineMutter hinzu. Doch ebenso präsentist, wie es ihr den Boden wegzog,als sie 16, 17 war und der Naziterrorimmer brutaler wurde. „Mir waratdoch Ulmer Bürger. Zufällig waretmer Juda. Aber mir warat dochvorher voll integriert,“ erklärt sieauf Schwäbisch, um gleich noch zuanzumahnen, mit ihr doch am bestennicht auf Englisch, sondern in ihrerMuttersprache und am besten imvertrauten Dialekt zu reden.Auf großes Interesse der Gäste stießen die Vorstellungen von Sibylle Tiedemann (rechts sitzend) undMarlis Glas (stehend) zu ihren künstlerischen Erinnerungsprojekten. A-DZOK„Jemand, der ein Gotteshausabbrennt, hat auch keinen Respektvor Menschenleben“, habe ihrVater nach der Reichpogromnachtgesagt, fährt die rüstige Seniorindann fort. Wallersteiners brachen, alssie 17 war, in Ulm ihre Zelte ab. Siekonnten in die USA emigrieren, wodie Tochter dieser einst in Ulm hochangesehenen Familie bis heute lebt.Lange habe sie gebraucht, bis ihrLeben wieder eine Balance gefundenhabe.Traumatische Konsequenzen hatteder reichsweit inszenierte Pogromvon 1938 gegen jüdische Personenund Einrichtungen auch für GerardMoos (Jg. 1922), der danach ins KZDachau verschleppt wurde, wo erüber drei Wochen verbringen musste.Der Familie ist die Rettung gelungen,die Wiedervereinigung habe dannin New York statt gefunden. Moos,entfernter Verwandter von AlbertEinstein, war sechs Jahre in derenglische Armee und später dann inden USA als Wirtschaftsprüfer tätig,er lebt heute in Miami und ist Mitgliedin einer der liberalen jüdischenGemeinden dort.Der aus den USA angereiste Gast BernhardEckstein (rechts) im Gespräch mit VorstandsmitgliedHansjörg Greimel über seine Zeit alsSchüler im Jüdischen Landschulheim Herrlingen.A-DZOKWie er es denn sieht, dass die neueSynagoge in Ulm der Orthodoxieverpflichtet ist? Moos macht einewegwischende Handbewegung,das sei doch nicht wichtig. Unterden Häftlingen in Dachau seien vieleunterschiedliche Juden gewesen,„ob liberal oder orthodox, das interessierteniemand“. Dann sagt Moosnoch: „Wichtig ist, dass es in Ulmwieder eine jüdische Gemeinde gibtund ein Gotteshaus fast am altenPlatz - darauf bin ich sehr stolz, dafürbin ich der Stadt auch sehr dankbar.“„Es ist ein Anfang, wieder einmal“,sagt Ann Dorzback zu dem Thema,dem Anlass der Einladung. „Wirfangen wieder von vorne an. Es istkeine Fortsetzung. Denn das, waswar, das ist vernichtet.“ Und wasdie Voraussetzung sei, dass dieserAnfang gelingen könne? „Die Mitgliederder heutigen Gemeinde, diemüssen jetzt Sicherheit gewinnen.“12


Eine denkwürdige Begegnung in einem Ulmer Hotel und ihre Hintergründe„Es ist doch Erev Shabbat“Es ist über 30 Jahre her, da wurdendie Gäste eines Ulmer Hotelsvöllig unvermittelt Zeugen einesjüdischen Rituals. Konrad Pflugkann sich noch gut an die Situationerinnern – eine unerwartete,unausweichliche und plötzlicheKonfrontation mit Juden und demJudentum in der Stadt.Von Konrad PflugArie Hofstein lebte in Ramat Gan.Eigentlich kam er aus Polen. AusLublin, wenn ich mich richtig erinnere.Seine Lebensgeschichte stehtfür die vieler polnische Juden seinerGeneration: Aufgewachsen im jüdischenUmfeld, mit der polnischenArmee vergeblich gegen die mit denDeutschen verbündete Sowjetarmeegekämpft, vor den Verfolgungendurch die Einsatzgruppen dann aberdoch in die Sowjetunion geflohen.Dort ging er als Freiwilliger zur RotenArmee, um seine Heimat wieder zubefreien. Als er 1945 als Sieger inseine Heimat zurückkehrte, wurde erjedoch mit dem im Krieg keineswegserloschenen Antisemitismus in Polenkonfrontiert. Für ihn war das eine tiefeEnttäuschung. Er beschloss, nachPalästina auszuwandern. Mit denüblichen Schwierigkeiten. Irgendwobei Haifa schwamm er eines Nachtsan Land und lernte dabei seine spätereFrau kennen. Erst aber zog erwieder in den Krieg.Arie focht im Unabhängigkeitskrieg,im Sieben-Tage- und im Yom-Kippur-Krieg. Er war kein Heißsporn. „Weißtdu“, so erzählte er mir bei der Anfahrtauf Nazareth, „was ich meinemKommandeur damals gesagt habe:„Auch wenn wir siegen, der wirklicheKampf ist erst gewonnen, wennsie uns dort oben als Freunde empfangen.“Arie sprach gutes Deutschmit einer unüberhörbaren jiddischenGrundfärbung.Von Beruf war er Busfahrer. So lernteich ihn kennen. Nach der zweiwöchigenReise mit ihm durch Israelim Herbst 1979 verkündete er derReisegruppe: „Ich möchte gerne dasheutige Deutschland kennenlernen.Vielleicht kann ich mal bei einerGruppe mitkommen?“Dieser Wunsch war Verpflichtung. Esgab damals einen regen Austauschvon Gruppen über die Landeszentralenfür politische Bildung. Tatsächlichgelang es, ihn in eine Gruppemit einzubeziehen. Busfahrer sindschließlich auch Multiplikatoren, wiejeder Reiseleiter weiß.Es war eine besondere Gruppe, dieden Aufbruchsgeist nach dem Friedensvertragvon Camp David 1979verkörperte: Juden unterschiedlichsterHerkunft, israelische Muslime,Drusen, Kopten, arabische undarmenische Christen. Man fühlte sichauf gutem Weg zum künftigen friedlichenZusammenleben. Organisatorwar Professor Kalman Yaron sel. A.,der Nachfolger von Martin Buber ander Hebräischen Universität. Er warein Vertreter der kulturellen Verständigungund des Ausgleichs in Lehreund Alltag.Erstes Ziel der Gruppe war Münchengewesen, wo sich die bayerischenKollegen der Gruppe annahmen. Dortübernahm ich sie am Morgen des 12.Juni 1981, einem Freitag. Unsererster Programmpunkt war am Nachmittagein Informationsbesuch beider Bundeswehr in der DornstädterKaserne. Für beide Seiten eine spannendeBegegnung. Dann ging es amfrühen Abend in die Unterkunft, dasUlmer Hotel „Stern“.Gegen 8 Uhr am Abend gab es dasAbendessen. Das Lokal war gutbesetzt, die Gäste überwiegendgesetzteren Alters. Für uns war eineTafel an einer Wandseite gerichtet.Nach und nach fand sich die Gruppeein. Wie auch immer es kam, Ariehatte den Platz oben am Tisch inne.Als alle saßen und die Bedienungenfragten, ob sie servieren könnten,sagte Arie laut: „Ein Moment bitte.“Er bückte sich, zog eine kleine Mappehervor und stand auf. Arie war groß,stark gebaut und verfügte über eineentsprechende Stimme:„Es sind doch einige Juden unteruns. Und für sie ist jetzt doch erevshabbat. Da wollen wir doch dasBeten nicht vergessen, wie es sichgehört.“ Sprachs, zog eine kleinebestickte Decke und zwei kleineLeuchter mit Kerzen aus demUmschlag, breitete das Tuch aus undentzündete die Lichter. Dann öffneteer ein kleines schwarzes Büchlein,das auch in der Mappe war, blicktein die Runde und begann mit seinersonoren Stimme das Erev-Shabbat-Gebet.Was bisher geschehen war, hattekaum jemand im Restaurant wahrgenommen.Aber nun wurde es plötzlichimmer leiser, bis völlige Stilleherrschte. Manche schauten wohlwollend,viele aber sichtlich irritiertauf diesen großen Mann, auf diesebunte Gruppe an der großen Tafel,die zwei Kerzen, wo doch gar nichtAdventzeit war, und lauschten dieserseltsamen Sprache. Ich gestehe,ich war selbst völlig überrascht undhielt den Atem an ob der möglichenReaktionen.Als Arie geendet hatte und das mehrstimmige„Amen!“ den Lauschendenetwas Orientierung gab, wandte ersich an die andern Gäste und erklärteihnen, was für eine Gruppe wir seienund was sie, die Zuhörer, geradeerlebt hatten. Nach nur ganz kurzemZögern gab es freundlichen, zustimmendenApplaus und gute Wünschefür die Zukunft des Landes.Diese unverhoffte Begegnung warfür alle Beteiligten eine wichtigeErfahrung, ganz im Buber‘schenSinne. Sie verlangte im Augenblickganz persönliche Entscheidungen.Von Arie, so zu handeln, von derGruppe, dies anzunehmen. Vor allemaber von den Gästen, für die es nachgut drei Jahrzehnten eine unerwartete,unausweichliche und plötzlicheKonfrontation mit Juden und demJudentum in der Stadt war: Wie halteich‘s damit? Wie verhalte ich mich?Es gab keine Möglichkeit für sie, sichdarüber untereinander zu verständigen.Auch gab es keine Erfahrungmehr damit, keine jüdische Traditionmehr in Ulm. Und einige der Gästehatten sicher noch miterlebt, wie es„damals“ dazu gekommen war.Und es war bestimmt in Jahrzehntendas einzige Mal, dass Juden in Ulmgemeinsam und öffentlich den ErevShabbat begingen.INFOKonrad Pflug war bis 2011 Leiter derAbteilung „Demokratisches Engagement“der Landeszentrale für PolitischeBildung Baden-Württemberg. In dieserFunktion leitete er auch über viele Jahreden Fachbereich Gedenkstättenarbeit.Seit 2011 ist er Ehrenmitglied desDZOK.DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201313


Zehn Jahre Stiftung Erinnerung Ulm – Anlass für einen Blick zurück und nach vornMut und neue PfadeDer Jahrestag der Stiftung Erinnerungwar ein schönes Zeichendafür, dass die Erinnerungsarbeitin Ulm von einem breiten bürgerschaftlichenGeist getragenwird. Er bot Anlass, über laufendeProjekte zu berichten. Die weitesteAnreise hatte ein Ehrengast ausNew York.Karin Jasbar und Nicola WengeAm 14. Februar 2013 beging dieStiftung Erinnerung Ulm den 10.Jahrestag ihrer Gründung. Ins Lebengerufen wurde sie, um langfristigdie Arbeit des <strong>Dokumentationszentrum</strong>sabzusichern und Projekte zuunterstützen, die vor Ort die Bedeutungvon Demokratie, Toleranz undMenschwürde vor historischemHintergrund vermitteln. StiftungsvorsitzendeIlse Winter nahm dies zumAnlass den Unterstützern der Stiftungzu danken und die neuen Ehrenstiftungsrätesowie StiftungsratMarius Weinkauf vorzustellen. Siezog gemeinsam mit Wolfgang KeckBilanz über die Entwicklung der Stiftungund gab einen Überblick überdie geförderten Projekte.Besonders wichtig war es derStiftung aber in die Zukunft zu blicken:Zu diesem Zweck hatten dieStiftungsgremien die renommierteKulturwissenschaftlerin Prof. AleidaAssmann als Festrednerin eingeladen,am Stiftungsjahrestag einerichtungsweisende Rede zu halten.Die Hochschullehrerin an der UniversitätKonstanz wurde für ihre wissenschaftlicheLeistung zu den ThemenErinnerungskultur und kollektivesGedächtnisvielfach ausgezeichnet,u. a. 2009 mit dem Max PlanckForschungspreis für ihr Projekt„Geschichte und Gedächtnis“.Nicola Wenge skizzierte in ihrer Doppelfunktionals Leiterin des Doku-Zentrums und Stiftungsvorstand,welche Aufgaben sich aus denprogrammatischen Ausführungenvon Aleida Assmann für die künftigeArbeit des DZOK und die StiftungErinnerung Ulm ergeben und stelltegrundlegende Projekte der nächstenJahre vor: Das Ausstellungsprojekt„Erinnern in Ulm“ (Eröffnung:Nov. 2014) zeichnet die späte Herausbildungeiner demokratischenErinnerungskultur in Ulm nach undwill dafür sensibilisieren, dass einekritische Stadtgesellschaft, die diev. l. n. r.: Festrednerin Aleida Assmann, Nicola Wenge, Lutz-Rüdiger von Au, Ilse Winter, SilvesterLechner, Marius Weinkauf, Karen Franklin, Wolfgang Keck und Ivo Gönner. A-DZOKVerantwortung für ihre Vergangenheitübernimmt, keine Selbstverständlichkeitist. Das Archivprojekt„Das materielle Erbe der Zeitzeugensichern“ (2012-2014) hat das Ziel,die Berichte und Zeugnisse zur NS-Zeit der Öffentlichkeit noch besserverfügbar zu machen, um in Zeiten,in denen Geschichtsbilder stärkermedial geprägt werden, konkreteWissensvermittlung am historischenOrt unter Einsatz historischerQuellen zu betreiben. Gleichzeitigsetzt das DZOK weiterhin auf kreativepädagogische Zugänge, die denjüngeren Generationen emotionaleBrücken zwischen Vergangenheitund Gegenwart bauen. Wie dies inder Einwanderungsstadt Ulm amsinnvollsten geschieht, ist Gegenstanddes interkulturellen Projekts„Was geht mich Eure Geschichtean?“ (2012-2014). Ein wichtigerArbeitsschwerpunkt der kommendenJahre wird außerdem dieArbeit gegen Rechts und für einestarke Zivilgesellschaft heute sein:Angesichts der weiten Verbreitungmenschenfeindlicher Einstellungen,angesichts der Langlebigkeit rassistischer,antisemitischer und antiziganistischerStereotypen brauchenwir auch in Ulm eine Vertiefungder demokratischen Bildungs- undPräventionsarbeit. Eine Arbeit, diekritische Geschichtsaufklärung undSensibilisierung für die Gefahren desaktuellen Rechtsextremismus nochenger miteinander verzahnt.Als zukunftsweisendes Signal gabdie Stiftung bekannt, dass sie anlässlichdes 10. Stiftungsjahrestagseinmalig einen Förderpreis in Höhevon 5.000 Euro vergeben wird, umNachwuchswissenschaftler darinzu bestärken, neue Formen undPfade der Erinnerungskultur weiterzu entwickeln. Das Geld hierzu warvon einem Ulmer Bürger gestiftetworden. Die Preisverleihung erfolgteam 10. April im Lichtburg-Kino.Der Jahrestag hat gezeigt, dasszum Gelingen der Erinnerungsarbeitin Ulm viele Menschen aus unterschiedlichstenZusammenhängenbeitragen. Sinnbildlich hierfür war,dass Ehrenstiftungsrätin Karen Franklineigens aus New York nach Ulmkam, um zu gratulieren. Der Tag warein guter Ansporn und Mutmacherfür die Zukunft.Grußwort von Richard Meier, NewYork (verlesen von Karen Franklin)„Die lange Zeit, die ich als Architektdes Stadthauses mit diesem Bauwerkverbracht habe, bedeutet einenganz besonderen Teil meines Lebensund meiner Arbeit. In diesem Zusammenhangbin ich auch sehr dankbar,dass die Stiftung Erinnerung weiterso aktiv dabei hilft, an die Schreckendes Holocaust zu erinnern und siepädagogisch an die nächsten Generationenzu vermitteln. Die Abgründedes Bösen in dieser Periode, diein diesen Tagen vor achtzig Jahrenbegann, bedeuten für uns alle eineunauslöschliche historische undmoralische Markierung. Ich versichereIhnen meine große Anerkennungund Bewunderung für dieseArbeit und grüße Sie alle herzlich.“INFORichard Meier, geb. 1934 in Newark,New Jersey lebt und arbeitet als Architektin New York, u. a. war er Architektdes Ulmer Stadthauses. Seit 1983 istRichard Meier Ehrenmitglied des BundesDeutscher Architekten (BDA) und seitihrer Gründung Ehrenstiftungsrat derStiftung Erinnerung Ulm.14


Grußwort (Auszüge) von Karen Franklin,New York„Zehn Jahre sind es her, dass ichder „Stiftung Erinnerung Ulm“ dazugratuliert habe, in Gestalt einerStiftung Mittel aufzubringen, die esdem Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>verstärkt möglich machen, das Erinnernan Verfolgung und Widerstandin der Zeit des nationalsozialistischenRegimes, und damit auch an denHolocaust, nachhaltig fortzusetzen.Das Dokumentations-Zentrum hat,so scheint mir, weit mehr geleistetals ursprünglich zu erwarten war. Eswurden nicht nur Berichte und Dokumenteals Zeugnisse der Zeit- undLeidenszeugen bewahrt, und zwarfür eine Zeit, in der diese nicht mehrleben und für Generationen, dienichts davon erlebt haben. Bedeutenderscheint mir noch, dass dieseInstitution heute ein integrierterBestandteil der Bürgerschaft Ulmsund seiner Umgebung gewordenist. Im Blickwinkel der VereinigtenStaaten und ihrer Kommunen undauch im Blickwinkel der amerikanischenJuden bedeutet diese Erinnerungs-Arbeitaußerordentlich viel.Als Gast-Kuratorin des New Yorker„Museum of Jewish Heritage – ALiving Memorial to the Holocaust“sehe ich den Wert für meine Arbeit,aber auch für Familien, Studentenund Wissenschaftler vor allemdarin, dass Sie Quellen und Dokumenteprinzipiell weltweit verfügbarmachen und als fortwirkendes Erbebewahren.Wir schauen aufs nächste Jahrzehnt,in dem diese Ulmer Arbeit als leuchtendesBeispiel weiter dienen wird:für bürgernahe Kooperation in derKommune, für Erziehungsarbeit undschließlich auch als Brücke zu denNachkommen der ehemaligen jüdischenGemeinde von Ulm überallin der Welt. Diese schätzen so wieich die Arbeit des <strong>Dokumentationszentrum</strong>sund sie sind wie ich tiefberührt davon, dass nun wieder eineSynagoge errichtet wurde als Zentrumeines neuen jüdischen Lebensin Ulm.“INFOKaren Franklin lebt mit ihrem Mann unddrei Söhnen bei New York. Ein großer Teilihrer Vorfahren entstammt dem schwäbischenund fränkischen Judentum, z. B.der ehemaligen jüdischen Gemeinde vonIchenhausen. Sie ist als wiss. Mitarbeiterinund Ausstellungskuratorin tätig,u. a. für das Leo-Baeck-Institut und dasMuseum of Jewish Heritage, außerdemin zahlreichen internationalen Gremienvon Sammlungen und Museen zurGeschichte des Judentums aktiv. KarenFranklin ist Ulm seit den 1980er Jahrenverbunden und seit Beginn Ehrenstiftungsrätinder Stiftung Erinnerung Ulm.Gästebuch der Stiftung vom 14.2.2013Eintrag, der sich auf die Rede von Aleida Assmann beziehtDZOK-Mitteilungen Heft 58, 201315


Gedächtnisgepäck mit ZukunftsproviantErinnerungskultur und politische Bildung heuteDer Begriff „Erinnerungskultur“,der heute in aller Munde ist undohne den keine politische Sonntagsredemehr auskommt, hatsich inzwischen flächendeckenddurchgesetzt. Deshalb gehen diemeisten ganz selbstverständlichdavon aus, dass das schonimmer so war – und nun alles gutist. Aleida Assmann ist da ganzanderer Ansicht.Aleida AssmannNach dem Zweiten Weltkrieg hieltman nicht viel von der Erinnerung.Nachdem die prominentenNS-Kriegsverbrecher in Nürnbergverurteilt worden waren, verfolgtendie Alliierten, was den Deutschendamals sehr recht war, eine Politikdes „Vergebens und Vergessens“.In den Nachkriegsjahren hieß dasSchlüsselwort deshalb nicht „Erinnerungskultur“sondern „Zukunftserwartung“.Weitere Leitbegriffeder 1950er und 1960er Jahre waren„Vergangenheitsbewältigung“,„Schlussstrich“ und „Wiedergutmachung“.Man war überzeugt,im Zuge der Modernisierung derGesellschaft und mit dem Bezahlenvon Wiedergutmachung in absehbarerZeit die historische Schuldabtragen zu können. Der letzte Aktdieser Politik des Abschließens wardas Treffen von Reagan und Kohl inBitburg. Kohl glaubte, den zweitenWeltkrieg ebenso mit einer Gesteder Versöhnung abschließen zukönnen, wie er das mit Mitterandin Bezug auf die beiden Weltkriegegetan hatte. Statt einer Versöhnungkam es jedoch über den Gräbern vonSS-Angehörigen zu einem Skandal.Der Grund dafür war ein kontinuierlichesCrescendo der Holocaust-Erinnerung,von der Kohl damals nochkeine Notiz genommen hatte.Es dauerte 20 Jahre bis die Erinnerungan den Holocaust aus seinerÜberlagerung und Verdeckung durchden Zweiten Weltkrieg allmählich zurErscheinung kam und durch Gerichtsprozessein Jerusalem und Frankfurtneu thematisiert wurde, weitere 20Jahre, bis diesem Menschheitsverbrechenin intellektuellen Debattenund Akten des Gedenkens ein neuerPlatz zugewiesen wurde, und dannnoch einmal 20 Jahre, bis diesesEreignis in Museen und Denkmälernweltweit verankert wurde.Die Zukunft der ErinnerungWährend aufgrund institutionellerWeichenstellungen der Fortbestandder Erinnerung an den Holocaustals gesichert gelten kann, bleibt dieSorge über die „Qualität“ dieserErinnerung und die Frage nach denFormen ihres Wandels. Nur einigedieser Veränderungen möchte ichhier nennen.Erinnerung ohne ZeitzeugenDie authentischen und unverwechselbarindividuellen Stimmen derZeitzeugen werden in absehbarer Zeitverstummen. Durch direkten Kontaktmit den Überlebenden hatten ihreZuhörer zu Zeugen zweiter Ordnungwerden können. Die Begegnungmit den Zeitzeugen selbst war einunvergessliches Erlebnis; es warim persönlichen Gedächtnis verankertund bildete eine emotionaleBrücke zwischen Vergangenheit undGegenwart. Es gibt zwar massenhaftgespeicherte Videozeugnisse, dochist keineswegs klar, wie sie in dieKommunikation und ins Gedächtnisder Gesellschaft wieder zurückgeholtwerden können.Das Problem des GenerationenwechselsDie Verankerung der Holocaust-Erinnerung im kulturellen Langzeitgedächtnisist in besonderer Weisedas Projekt von Angehörigen der68-er Generation geworden, diesich in Gedenkstätten, Museen, beiDenkmälern, in Schulen und in denMassenmedien für dieses Themaengagieren. Diese Generation hatden Erinnerungs-Diskurs lange Zeitdominiert. Darüber hinaus hat siesich aktiv an der historischen Spurensuchebeteiligt, Gedächtnisorte derGewalt gegen jüdische Bürger markiertund Kontakte mit Überlebendenorganisiert, die seit den 1980erJahren zum Besuch in die Orte eingeladenwurden, aus denen sie vertriebenworden waren Hier schließtsich die Frage an: wird die nächsteGeneration dieses Erbe antreten?Die Mediatisierung der ErinnerungDas weniger nationale und stärkerkosmopolitisch geprägte Geschichtsbildder nachwachsenden Generationenwird heute stark von denMedien diktiert: Geschichtsfilmebestimmen das Geschichtsbild. Filmeund nicht mehr Zeitzeugen bilden fürdie nachwachsenden Generationendie emotionale Brücke zwischen derVergangenheit und der Gegenwart.Hinzu kommen die neuen Medien.Ein wichtiger Trend zeichnet sichhier ab, der sich in Zukunft nochverstärken wird: die Erinnerung anNationalsozialismus und Holocaustist ein kollektives Projekt, an demviele Akteure mitarbeiten, unterihnen Politiker, Museumskuratoren,Künstler, Filmemacher, Literaten,Schauspieler, Fernsehredakteure,Verleger, Gedenkstättenbetreuer,Journalisten sowie Bürgerinnen undBürger mit ihren lokalen Projekten,Initiativen, Interventionen. Das (neue)Wort ‚Erinnerungskultur‘ bedeutetnicht zuletzt, dass in diesem Kollektivprojektsämtliche Sparten derKulturarbeit zusammenfließen.Die Erinnerung an den Holocaust inder EinwanderergesellschaftEs wird immer gefragt: wie könnendie Einwanderer an die Erinnerung anden Holocaust herangeführt werden?Ich möchte den Spieß einmalumdrehen und fragen: welche Rollekann die historische Bildung der Aufnahmegesellschaftfür den Integrationsprozessspielen?Historisch-politische Bildung bleibteine Aufgabe der ZivilgesellschaftHeute sind die jüdischen Opfer imZentrum der deutschen Erinnerungskulturangekommen. Das nehmendie Autoren Dana Giesecke undHarald Welzer in ihrem Buch DasMenschenmögliche (2012) zumAnlass, diese Erinnerungsgeschichtenun in toto als abgeschlossen zuerklären und zu konstatieren, wirseien – mit Ausnahme von ein paarunverbesserlichen Neonazis – in derpostnationalsozialistischen Gesellschaftangekommen. Das klingt nachder Aufdeckung der NSU-Morde imNovember 2011 schockierend, denndie Gesellschaft erlebte ein bösesErwachen. Sie, die sich für aufgeklärtund zivil gehalten hatte, musste einsehen,dass in ihrer Mitte unbehindertein Jahrzehnt lang systematischund gezielt gemordet wurde, ohnedass die Alarmglocken zu läutenbegannen.Ich möchte an diesem Fall zeigen,wie Erinnerungskultur und historischeBildung ineinander greifenkönnen. Was sie miteinander ver-16


indet, ist eine Menschenrechtserziehung.Es ist ein verbreitetes undhartnäckiges Missverständnis, Erinnernsei eine rückwärts gerichteteHaltung, die an der Vergangenheitklebt und die Zukunft verstellt. Daskulturelle Gedächtnis können wir unsals einen Koffer vorstellen, den eineGesellschaft auf ihre Reise durchdie Zeit mitnimmt. Was zu diesemGedächtnisgepäck gehört, wird deshalbnicht rückwärts erinnert, sondernvorwärts erinnert; es bedeuteteine Vergewisserung im historischenWandel und eine Orientierung für dieZukunft.Die Mordserie, die am 9. September2000 am Rande einer Ausfallstraßeim Osten Nürnbergs begann, wurdebegünstigt durch eine unfassbareVerschleppung der Aufklärung. Daslag an drei Voraussetzungen, dieeng miteinander zusammenhängen.Erstens: Nachlässigkeit und mangelndeWachsamkeit, zweitens: derGeneralverdacht, dass die Opferselbst für ihr Schicksal verantwortlichzu machen sind, und schließlichdrittens: eine mögliche Komplizitätder Sicherheitsbehörden mit denMördern und ihrem Helfernetzwerk.Das Ergebnis dieser Gemengelagewar, dass die Polizei die Täter, einemmassiv rassistischen Vorurteil folgend,unbedingt in der als ‚fremd‘definierten Gruppe der Migrantensuchen wollte und sich die deutscheGesellschaft durch die Mordseriean diesen „Fremden“ nicht wirklichbetroffen fühlte. Diese Situationsdeutung,die wesentlich von denMedien verbreitet wurde, ging miteiner unterschwelligen Botschaft andie Bevölkerung einher: das geht unsnichts an, das betrifft die Anderen,wir halten uns da raus.Gruppenbezogene MenschenfeindlichkeitIn diesem Lande haben wir einebesonders dramatische Anschauungdavon, wie schnell die Grundsolidaritätzwischen den Menschen aufgehobenwerden kann und die Gesellschaftsich spaltet in eine Gruppe,die zählt – das sind „wir“, und eineGruppe, die nicht zählt – das sind die„anderen“. Wir haben es nun miteiner Neuauflage von Rassismus zutun, die sich als eine Variante ältererMuster darstellt, die noch immerlatent wirksam sind. Die PädagoginAstrid Messerschmidt geht vonlangfristigen negativen Prägungen inGesellschaften aus, die Erfahrungenmit einer Kolonialgeschichte oderder nationalsozialistischen Ideologiehatten. Diese rassistischenIdeologien, so Messerschmidt,beeinflussen bis heute latent dieSelbst- und Fremdbilder dieserGesellschaften. Für sie ist Erinnerungsarbeitdeshalb keine Sacheeiner abgehakten Vergangenheit.Eine andere sozialpsychologischeThese besagt, dass sich Vorurteilsmustersehr lange halten, weilsie flexibel auf neue Situationenreagieren und sich dabei auf neueAngriffsziele umstellen. Das rassistischeGrundmuster, das die Abwertungder Anderen diktiert, dient dabeiunmittelbar der Selbstaufwertungund eigenen Statussicherung. Derneue Terminus dafür stammt vonWilhelm Heitmeyer und heißt „gruppenbezogeneMenschenfeindlichkeit“.Dieser Begriff schließt nebenethnischen Differenzen auch sozialeAbweichungen wie Homosexualität,extreme Armut und physischeBehinderungen mit ein. Unter neuenhistorischen Bedingungen kannein Signalmuster wieder aufleben,das sich nun von Juden auf andereethnische und soziale Minderheitenverlagert.Zwischen dem alten und dem neuenRassismus lassen sich hierbei einigeParallelen aufzeigen. Die Einteilungder Welt in zwei Menschentypenhat gewichtige Konsequenzen. Beiden gewaltbereiten Tätern führtsie zu einer Auflösung zwischenmenschlicherHandlungsschranken;bestimmte emotionale und kulturelleBlockaden werden überwunden,wenn der Andere nicht mehr als einWesen derselben Spezies anerkanntwird. In der Gesellschaft führt diesedurch Abwertung erzeugte Spaltungzu einer selektiven Empathie, diediejenigen von prosozialer Aufmerksamkeit,Achtung und Gefühlenausnimmt, die nicht als gleichwertigeingestuft werden.Es gibt aber auch deutliche Unterschiedezwischen damals und heute.Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeitgeht heute nicht mehrautomatisch mit einer starken gruppenbezogenenEigenliebe einher. InZeiten der Zukunftslosigkeit und derFinanzkrise haben wir es eher miteiner selbstbezogenen Eigenliebezu tun. Der Politologe Wilhelm Heitmeyerspricht von „roher Bürgerlichkeit“und meint damit eine Form derExistenz, die mit rabiaten Mitteln dieeigenen Interessen verfolgt. DieseHaltung ist mit einem Rückzug ausder Solidargemeinschaft der Gesellschaftverbunden. Diese Tendenz zurDesolidarisierung und Spaltung zeigtsich zur Zeit nicht nur auf gesellschaftlichem,sondern auch auf europäischemNiveau. Sie ist die zentrifugaleKraft, die die Nationen Europasimmer weiter auseinander treibt. DerRechtspopulismus, schreibt NavidKermani, „als eine anti-europäische,fremdenfeindliche, anti-egalitäre politischeBewegung vertritt in wesentlichenZügen nichts anderes als derNationalismus des 19. und frühen 20.Jahrhunderts“.Empathie zwischen Differenz undÄhnlichkeitEine Zivilgesellschaft ist eine prekäreInstitution und kein stabiler Besitz;sie ist nie ein für alle mal gegeben,sondern muss sich als solche immerwieder bewähren, bestätigen undargumentativ durchsetzen. Im Kernder Zivilgesellschaft geht es um dieStabilisierung der Grundsolidaritätzwischen ihren Mitgliedern. Durchrassistische Affekte, aber auch durchwachsende Egoismen und gesellschaftlicheIndifferenz im Zuge derFinanzkrise ist diese Grundsolidaritätin Frage gestellt worden. Das zurückliegendeJahrzehnt des rechtsradikalenTerrors war ein bestürzenderLackmus-Test für die deutscheGesellschaft. Zeichen der Solidarisierungmit den Opfern kamen erst spätund spärlich. Es fehlte an Empathie,die sich in sozialer Anerkennung,emotionaler Anteilnahme und politischerSolidarisierung artikuliert.Empathie ist keine sentimentaleGefühlsäußerung, sondern beginntmit Aufklärung, Information und derAneignung von konkretem Wissen.Als in Istanbul am 19. Januar 2007der türkisch-armenische Schriftstellerund Redakteur Hrant Dink einem rassistischmotivierten Mord zum Opferfiel, reihten sich am Tag seiner BeerdigungTausende von Türken in denTrauerzug. Sie trugen dabei Plakatemit der Aufschrift: „Wir sind alleArmenier!“ Mit dieser Aktion habensie die basale Ähnlichkeit affirmiert,die Menschen unterschiedlicherKulturen und Religionen miteinanderverbindet.Erinnerungskultur und politischeBildung haben mehr miteinander zutun, als es auf den ersten Blick denAnschein hat. Vieles von dem, waswir heute erleben, verweist aus derGegenwart explizit auf die Vergangenheitzurück: die Selbstbeschreibungder Terroristen als NationalsozialistischerUntergrund, aber auch diegesellschaftlichen Muster der Ausgrenzung,die auf immer wieder aktivierbarenVorurteilsstrukturen undVerhaltensmustern beruhen. SolcheDéja Vu-Effekte zwingen uns zu einerZusammenschau von Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft.DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201317


Der Film „Ortung“ und die Herausforderung filmischer GeschichtsschreibungEiner riesigen Unordnung Sinn gebenFür ihren Film „Ortung“ hat dieStiftung Erinnerung Ulm einerinterdisziplinären Studierendengruppeeinen Förderpreis verliehen.Kathrina Edinger stellt fürdas Team ihr Projekt vor, das am10. April im Rahmen der Preisübergabein der gut besuchten Lichtburgseine Ulm-Premiere hatte.Kathrina EdingerDas Projekt „Ortung“ entstand ausder Initiative der Gerda Henkel Stiftung,in Zusammenarbeit mit demHistoriker der Alten Geschichteam Historischen Seminar der LMUMünchen, Martin Zimmermann,und dem Dokumentarfilmer undLehrbeauftragten der Hochschulefür Gestaltung in Karlsruhe, ThomasHeise. Im Rahmen dieses interdisziplinärenProjekts arbeiteten vierStudierende der Geschichte unddrei Studenten des Dokumentarfilmsan einer adäquaten filmischenDarstellung von Geschichte. Ziel wares, Studierenden die Möglichkeit zugeben, unabhängig von gängigenwissenschaftlichen oder journalistischenArbeitsweisen eigene Ideenund Strategien zu entwickeln.Nach einer etwa fünfmonatigenPhase der Themensuche fiel unsereWahl Anfang 2011 auf den OrtStetten am kalten Markt und dendort ansässigen Truppenübungsplatz„Heuberg“ als Gegenstand desgeplanten Films. Idee war es, sicheinem lokal begrenzten Thema ausmöglichst vielen unterschiedlichenRichtungen zu nähern. Darüberhinaus war die Geschichte des Orteszu dem Zeitpunkt kaum wissenschaftlicherforscht und daher historiografisches,aber auch filmisches„Neuland“. Lediglich die Geschichtedes Konzentrationslagers im LagerHeuberg, welches später im KZ<strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> aufging, ist bisherquellenkritisch untersucht worden.Die übrige Geschichte ist nur teilweisein einer Dorfchronik und inBroschüren dokumentiert. Durcheigene Archivarbeit im Gemeindearchivin Stetten, dem Kreisarchiv undStaatsarchiv in Sigmaringen, demMilitärarchiv in Freiburg, Bundesarchivin Berlin und dem Tagebucharchivin Emmendingen erschlosssich uns zunehmend ein facettenreichesBild der letzten 100 Jahre desGarnisonsstandorts. Dabei gabenDas Filmteam in Stetten am Kalten Markt. (v. l.):Marco Kugel, Kathrina Edinger, Johannes Friedl,Helena Maria Körner, Nina Mirza, Eduard Stürmer (Serpil Turhan fehlt). Foto: privatvor allem private Aufzeichnungen,wie Tagebücher und Briefe, ganzbesonderen Aufschluss über die VergangenheitStettens. Ein zentralerAspekt der Aufarbeitung war nichtnur die Zeit des Nationalsozialismus,sondern darüber hinaus die Militärgeschichte,die mit der Diskussion umdie weitere Nutzung des Truppenübungsplatzesdurch die Bundeswehreine besondere Aktualität erhielt.Insgesamt 70 Tage dauerten dieDrehphasen im Herbst und Winter2011/2012. Um einen möglichstintensiven Kontakt mit den Menschenvor Ort aufbauen zu können,bezogen wir ein von der Gemeindezur Verfügung gestelltes ehemaligesKasernengebäude und konnten soüber die Dreharbeiten hinaus als„Dorfbewohner auf Zeit“ Erfahrungensammeln. In diesem Zeitraumsetzten wir uns intensiv mit zahllosenAkten und Dokumenten, deren„Geschichten“ und Abbildbarkeit mitFilm getestet werden mussten, auseinander.Mithilfe von Interviews, Alltags-und Arbeitsbeobachtungen entwickeltenwir Bild- und Tonmaterial,das für sich alleine oder in Ergänzungzu Archiv- oder Egodokumenten (wieTagebücher, Privatfotos und -videos)als Material für den Film dienensollte. Während der Schnittphaseab Juni 2012 bestand die Aufgabeschließlich darin, eine eigene Erzählungder Geschichte des Heubergs zuschaffen, die keine allgemeingültigeInterpretation diktiert. Das Ziel wares nicht, einen vermeintlich „objektiven“Film zu schaffen, sondernverschiedene konkurrierende Sichtweisenangemessen zum Ausdruckzu bringen. Hierin lag ein großer Teilder geschichtswissenschaftlichenArbeit: Jedes Bild, jeder Schnitt undjeder geschaffene Kontext musstenach seiner Intention und Wirkungbefragt werden. Das Ergebnis isteine 92-minütige Betrachtung nichtnur der Geschichte, sondern auchder Gegenwart des Heubergs.Mithilfe des im April 2013 verliehenenPreisgelds der Stiftung ErinnerungUlm hat das Projekt „Ortung“nun auch die Chance, die umfangreichenMaterialien aus Recherche undDreharbeiten in Form einer multimedialenInternetseite (www.ortungfilm.de)aufzubereiten und zu präsentieren.Damit soll Geschichte alsProzess, Reduktion und Konstruktionerfahrbar und die Möglichkeitentransmedialer Geschichtsdarstellungerprobt werden.INFOIm Mai 2013 wurde das Filmprojekt„Ortung“ auch beim 21. Bundeswettbewerbdes Bundesministeriums fürBildung und Forschung in der KunstundAusstellungshalle in Bonn ausgezeichnet.Marco Kugel und EduardStürmer (Kamera und Schnitt) hattensich als Kunsthochschulstudentenbeworben, aus dem Film eine 17-minütigeVideoinstallation zusammengestelltund damit einen der sechs Förderpreisegewonnen.18


Auszug aus der Laudatio der StiftungErinnerung Ulm bei der PreisverleihungAugenscheinlichster Berührungspunktzur Stiftung Erinnerung Ulmist zunächst natürlich das Filmthema.War doch am Heuberg von März-Dezember 1933 das erste württembergischeLandes-KZ eingerichtet,das Vorgängerlager zum <strong>Kuhberg</strong>.Der Film reproduziert dabei nicht nurbereits Bekanntes zur KZ-Zeit, sondernbettet die Lagergeschichte inden historischen Kontext vom frühen20. Jahrhundert bis zur Gegenwartein. Und dies mit Erkenntnisgewinn:Denn die Studenten erschließennoch weitgehend unbekannte Kapitelder Vor- und Nachgeschichte desHeubergs. Sie dokumentieren underforschen das Verhältnis von Militärund Gesellschaft am Beispiel derGemeinde Stetten am Kalten Marktaus lokaler, nahezu ethnografischerPerspektive. Es ist eine wichtigewissenschaftliche Leistung der Studentengruppe,das hierfür erforderlicheQuellenmaterial recherchiertund in filmischer Form aufbereitetzu haben.Zweiter Grund für die Auszeichnungist die gewählte Darstellungsform.Der Film ist eine behutsame Annäherungan den Militärstandort Heuberg.Er richtet sich explizit gegengängige Sehgewohnheiten und istsehr dazu geeignet, Diskussionenum Geschichte und Gegenwartanzustoßen. Die Studenten hattensich die Aufgabe gestellt „weder derMachart von populären Geschichtsdokumentationennoch der analytischenPraxis der konventionellenGeschichtsschreibung zu folgen, sonderneine eigene Form der adäquatenPräsentation von Geschichte mit Filmzu finden.“ Aus Sicht der Jury ist diesgelungen: Die Studierenden haben1. künstlerische und kulturwissenschaftlicheAnnäherungsformen aneine schwierige Regionalgeschichteerfolgreich erprobt, sie haben 2.gekonnt Geschichte und Gegenwartdes Heubergs miteinander verbundenund 3. durch ihre innovativeFilmsprache auch grundsätzlich zurReflexion über das Verhältnis vonFilm und Geschichte eingeladen DieJury hat jedenfalls intensiv über dieunterschiedlichen Assoziations- undInhaltsebenen von „Ortung“ diskutiert.Dies zeigt: Der Film liefertDenkanstöße und ist nicht leicht konsumierbar.Und das ist auch gut so!Drittens verleiht die Stiftung ErinnerungUlm den Förderpreis deshalbgerne, weil sie die Filmgruppe darinunterstützen möchte, ihr Projektin Form einer multimedialen Internetseiteweiter wissenschaftlich zuuntermauern und fortzuführen. DieStiftung hält es für einen sehr gutenPlan, die Forschungsergebnisseinteressierten Nutzern zugänglichzu machen. Aus Sicht der StiftungErinnerung Ulm hat der Förderpreisdamit nicht nur einen symbolischenCharakter, sondern auch einen wissenschaftlichenMehrwert, über denwir uns sehr freuen.Und hier noch ein Überblick zur Stiftungsarbeit aus dem aktuellen Flyer DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201319


Uraufgeführtes Theaterstück „Antigone/Sophie“ stößt auf vielfältiges EchoVerknüpfung von Mythos, Geschichte und GegenwartDas DZOK und das Theater Ulmwagten sich nach „Rommel - eindeutscher General“ (2012) erneut(und wieder mit der Unterstützungder Landeszentrale für politischeBildung) an ein gemeinsameskünstlerisch-zeitgeschichtlichesProjekt. Einbezogen waren diesesMal bei der Entwicklung und Auswertungdes von Michael Sommergeschriebenen und inszeniertenStückes zwei „Patenklassen“ desUlmer Hans- und Sophie-Schollunddes Schubart-Gymnasiums.Die Journalistin Dagmar Hubrezensiert das Stück für die Mitteilungen.Dagmar Hub70 Jahre nach der Hinrichtung vonHans und Sophie Scholl, von AlexanderSchmorell und ChristophProbst stellt sich die Frage, ob esüber den Widerstand der WeißenRose noch Neues herauszufindengibt. Die Antwort von Autor und DramaturgMichael Sommer, der für dasTheater Ulm das Stück „Antigone/Sophie“ schuf, lautet eindeutig „Ja“.Denn die Weiße Rose stellt daseigene Handeln und dessen Konsequenzenauch 2013 neu in Frage.Das Theater Ulm führt „Antigone/Sophie“ in der KZ-Gedenkstätte<strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> auf. Es ist davonauszugehen, dass Sophie Scholl niein den Gewölben der Kommandanturdes frühen Konzentrationslagers aufdem Oberen <strong>Kuhberg</strong> gewesen ist.Als Spielort für „Antigone/Sophie“aber ist die Machtarchitektur deshistorischen Orts der heutigenGedenkstätte ideal. Die Verhöre, dieVerurteilungen werden an dieserStelle besonders glaubhaft und emotionalreal.Michael Sommer setzt drei stringentnach ihrem inneren moralischenKompass handelnde junge Frauenin Beziehung: die mythische Figurder antiken Antigone, die historischeFigur der Sophie Scholl (diebeide für ihren Widerstand gegendie Herrschenden mit ihrem Lebenbüßen) und eine namenlos bleibendejunge Frau, deren Identifikation mitihren beiden Heldinnen Antigoneund Sophie Scholl und deren Protestgegen „dieses Europa, eingeigelthinter Stacheldraht und Scheinheiligkeit“sie in die Psychiatrie bringen.Antigone wird in Sophokles´ TragödieJohanna Paschinger (liegend) spielt die namenlos bleibende junge Frau der Gegenwart, hier mit GuntherNickles als behandelnder Arzt in der Psychiatrie. Foto: Ilja Mess, Theater Ulm.von ihrem Onkel Kreon zum Todeverurteilt und wird lebendig eingemauert,weil sie gegen das Verbothandelte, ihren enthaupteten BruderPolyneikes zu begraben. SophieScholls Wandel von der Befürworterindes NS-Systems hin zur entschiedenenGegnerin im Widerstanddürfte gerade in Ulm bekannt seinund wird von Johanna Paschingerstark dargestellt. Eher blass dagegenbleibt die Figur der jungen Frau vonHeute. Die namenlose Studentinaus behüteten Verhältnissen bleibtin den Gründen für ihr Handeln wieals Figur selbst nebulös und unklar;auch wogegen sich der Protestselbst genau richtet, wird andersals bei Antigone und Sophie Schollnicht wirklich eindeutig. Dass sichdie gleichen ehernen Sätze, diegleichen Gedanken aufgrund dieserinneren Identifikation durch die dreiHandlungsstränge ziehen, erfährt derZuschauer im Stück erst relativ spät.Eine überzeugende Idee ist es, dieFamilienkonstellationen aller dreiEpochen von denselben Schauspielerndarstellen zu lassen: JohannaPaschinger fühlt sich in Antigone,Sophie Scholl und die namenloseStudentin ein und interpretiert sie mitlebensverweigernder Geste. Tini Prüfertist Antigones Schwester Ismeneund Sophie Scholls SchwesterInge. Florian Stern stellt AntigonesBräutigam ebenso dar wie SophieScholls Verlobten Fritz Hartnagel.Diese Beibehaltung der persönlichenKonstellationen schafft Kontinuitätim menschlichen Handeln über dieJahrhunderte hinweg und weitet denWiderstand gegen politisches undgesellschaftliches Unrecht aus: Dasentschiedene Engagement für odergegen eine Sache ist untrennbar20


verknüpft mit familiären Auseinandersetzungen.Die Liebe wird zumOpfer des Unrechts.Zitate aus weiteren Rezensionen„Antigone/Sophie“ bindet die dreiFrauenschicksale aneinander, indemMichael Sommer sie verzahnt durchsprachliche Wiederholung und diedurchgängig verhandelten MotiveGefühl, Geist und Geschlecht. ... Esgeht nicht um persönliche Einzelschicksale,sondern um die grundsätzlicheArgumentationslinie: Umdie Frage, welchen Preis das Individuumfür eine humanere Gesellschaftzu zahlen bereit ist.(Adrienne Braun in der SüddeutschenZeitung, 12.03.2013)In den besten Moment bereichern,transzendieren sich die Geschichten,man erkennt die Universalität ihrerGrundfragen: Was ist Wahrheit? Wasbedeutet Freiheit? Wem gegenüberist man Rechenschaft schuldig -Familie, Gott, Gewissen? Immerhin:Nicht nur Despoten, auch Widerständigesind eine Konstante derMenschheit.(Magdi Aboul-Kheir, SWP, 11.3.2013)Die Begleitprogramme zu „Antigone/Sophie“heldenBILDER und das „Patenklassenprojekt“Schon Monate vor der Premiereentwickelten Michael Sommer undNicola Wenge ein künstlerisch-wissenschaftlichesBegleitprogramm,das auch ein explizites Projektangebotfür Ulmer Schülerinnen undSchüler beinhaltete. Die gesamteOrganisation des Proben- und Aufführungsbetriebesin der Gedenkstätte,einem durchaus sperrigenAufführungsort, wurde ebenfallsin Kooperation zwischen Theaterund Gedenkstätte angegangen.Annette LeinZiel des Begleitprogramms war es,den komplexen inhaltlichen Bezugzwischen Mythos, Geschichteund Gegenwart zu diskutieren undJugendlichen und Erwachseneneine aktive Auseinandersetzung ausunterschiedlichen Perspektiven zuermöglichen.Zwischen März und Juni 2013, derLaufzeit des Stücks mit 18 Aufführungen,fanden unter dem Titel „heldenBILDER“fünf Veranstaltungenstatt. Sie setzten auf sehr heterogeneAnnäherungsweisen (Stadtgang,Filme, Podiumsdiskussionen,Lesung und Zeitzeugengespräch)und bewegten sich auch inhaltlichauf unterschiedlichen Ebenen derkünstlerischen, wissenschaftlichenund gesellschaftlichen Rezeptionder Weißen Rose. Gäste der Podiumsdiskussionen,die von MichaelSommer, Dr. Nicola Wenge und Dr.Silvester Lechner moderiert wurden,waren u. a. der langjährige Weiße-Rose-Experte Ulrich Chaussy undder renommierte Historiker Prof.Wolfgang Benz. Einen besonderenHöhepunkt des Begleitprogrammsbildeten das Gespräch mit KonradHirzel, dessen Geschwister Susanneund Hans zum Umfeld der WeißenRose gehörten und im zweitenWeiße-Rose-Prozess (April 1943)verurteilt wurden, sowie auch dieLesung aus Texten von Lieblingsautorender Sophie Scholl, die Mitgliederdes Schauspielensembles imehemaligen Wohnhaus der FamilieScholl in der Olgastraße 139 vortrugen.Die dialogische Anlage des PatenklassenprojektsGemeinsames Anliegen von MichaelSommer, Dramaturg Daniel Grünauer,Theaterpädagogin BarbaraFrazier und GedenkstättenpädagoginAnnette Lein bei der Gestaltung desPatenklassenprojekts war es, UlmerSchülerinnen und Schülern die aktiveTeilnahme am Stück „Antigone/Sophie zu ermöglichen. Im Projektwurden rund 50 Jugendliche zu Beobachterndes Produktionsprozesses,zu dokumentarischen Begleitern,zu kreativen Schreibern, zu recherchierendenForschern im Archivdes DZOK und zu Spurensuchernim Stadtgedächtnis. Sie besuchtenein „Konzeptionsgespräch“, um eintieferes Verständnis von Stücktextund Inszenierungsidee zu erhalten,beobachteten Proben im Theater undin der Gedenkstätte, hinterfragten,lobten, kritisierten ... Sie nahmen aneiner Stadtführung auf familiengeschichtlichenSpuren der Scholls teilund sie befragten Ulmer Bürger, umsich selbst ein Bild davon zu machen,was von den Geschwistern Scholl imStadtgedächtnis geblieben ist. Undschließlich verfassten die JugendlichenTexte über die dritte Figur desStücks und zum Thema „Widerstandheute“, die in einer Begleitbroschürezum Stück abgedruckt wurden. Ausden jugendlichen Diskussionsbeiträgenzitieren wir im Folgenden.Auszüge aus Schülertexten zumThema: „Was haben Protest undWiderstand heute noch zu bedeutenund was haben sie mit mir zu tun?“„Leider spreche ich aus eigenerErfahrung, wenn ich sage, dass dasKonzept des Widerstands für vieleJugendliche nicht mehr aktuell istund die jetzige Generation viel zubequem geworden ist. Man siehtkeinen Grund mehr darin, sich vielArbeit zu machen und auf die Straßezu gehen, weil der Einfluss solcher„kleinen“ Aufstände leider verlorengegangen ist.“ (J.B.)„Wir informieren uns ständig. Tagein, Tag aus. Wir lesen die Tageszeitung,wir schauen Nachrichten.Wir erkennen die Probleme unsererheutigen Zeit. Vielleicht regen wiruns kurz darüber auf, vielleichtfinden wir, dass jemand etwas daranändern sollte. Aber vielleicht könnteich mal mit dem bloßen Denkendaran aufhören und wirklich wasdagegen tun. Antigone/Sophie hatsich entschlossen, etwas dagegenzu tun, in der Realität wie im Stückvon Michael Sommer. Ihr Ziel zuerreichen war ihr wichtiger als dasLeben, als ihr eigenes Leben. Dochwas bringt einem der Tod außer Aufmerksamkeit?Wenn ich nicht mehram Leben bin, kann ich auf keinenWiderstand mehr leisten. Aufmerksamkeitkann ich auch anders erreichen,effizienter. Und wenn ich dabeiam Leben bleibe, dann auch nachhaltiger.“(A.A.)„Wer von uns Unter-30-Jährigen hatsich in letzter Zeit vor einen Castorgeworfen? Oder ist nach Fukushimaauf die Straße gegangen? Oder hatvielleicht auch nur eine Petitionunterzeichnet? Eben, niemand! UndDZOK-Mitteilungen Heft 58, 201321


warum auch? Niemandem von unsgeht es so schlecht, dass er seinerWut auf das System mit einem Trittgegen das Polizeiauto Luft machenmüsste, niemand ist so besorgt umunsere Wälder, dass er Geo-Frackingam liebsten verbieten würde. Auchbei den Protesten um S21 sindeher ältere Semester auf die Bäumegeklettert. Es gibt keine Protestkultur,weil es für die meisten nichts gibt,wogegen man protestieren müsste.Wir leben gut in diesem System,es gibt kaum Arbeitslosigkeit, keineEngpässe... Der Ego-Kapitalismusist unsere angeborene Heimstatt,wer wird es uns da verübeln, wennwir egoistisch und mit Scheuklappenleben... Protest ist nicht sexy. Ideologieist anstrengend. Anpassungdagegen ist erfolgreich und jedervon uns ist ein Homo oeconomicus.“(C.H.)Schüler der Patenklasse des Scholl-Gymnasiums vor den Büsten von Hans und Sophie Scholl imStadthaus Ulm. A-DZOKDidaktische Materialien des DZOK nach Überarbeitung neu aufgelegtErweiterte Angebote, individualisierte ZugängeNach gut zwei Jahren Arbeit istsie nun da - die neue Lehrerhandreichungdes DZOK. Sie kommt,wie ihre vergriffene Vorgängerauflagevon 2004, in Zeiten großerUmbrüche im Bildungssystem.Der Arbeitsprozess an der Publikationwar geprägt von all dengroßen Themen der aktuellenbildungspolitischen Debatte, wiez. B. Gymnasium in acht oderneun Jahren, Einführung derGemeinschaftsschule, Zukunft derRealschule, Individualisierung undInklusion. Warum ausgerechnet insolchen Zeiten eine Neuauflage?Tobias JeskeAußerschulische Lernorte werdenauch gerade wegen der Vielzahl derLernansätze in Zukunft eine sinnvolleErgänzung zum Unterricht bleiben.Die Handreichung erlaubt zunächsteinmal dank eines kurzen historischenAbrisses und Serviceteils einrasches Einarbeiten in die Thematikder frühen KZ und erleichtert die Planungund Durchführung des Gedenkstättenbesuchs.Für den Aufenthalt selbst wurden dieAngebote der neuen Handreichungim Vergleich zur früheren Auflageaufgefächert, um dem breitenSpektrum der aktuellen didaktischenAnsätze leichter gerecht werden zukönnen. Die Angebote orientierensich nicht mehr an traditionellenSchultypen, sondern bieten verschiedeneZugänge und Aktivitätenzu einer Vielzahl von Themen an. Dieunterschiedlichen Zugänge erlaubenes, die Aktivitäten vor Ort an dieStärken der Klasse anzupassen oderauch den gleichen Themenbereichmit verschiedenen Zugängen innerhalbeiner Gruppe bearbeiten zulassen. Dies öffnet Möglichkeitenzur Binnendifferenzierung und Individualisierungbezüglich der Lerntypenund auch dem Grad an Eigenständigkeitund Komplexität beim Erarbeitenvon Themen.Manche Themenbereiche wurdenakzentuiert und erweitert. Beispielsweiseist das Angebot für die biografischeArbeit ausgebaut worden undkann nun sowohl im Klassenzimmerals auch vor Ort in der Gedenkstättegenutzt werden. Mit den biografischenMaterialien können sich dieSchüler besser an individuelle Häftlingsschicksaleannähern. Die neuenAusstellungs-Arbeitsbögen eröffnenMöglichkeiten für ein komplexesvernetztes Lernen in Kleingruppen.Durch die produktiven Zugänge kannder Gedenkstättenbesuch am historischenOrt auch für Schülerinnenund Schüler zum bleibenden Erlebniswerden, die den rein analytischenZugängen eher fernstehen.Das Team aus Historikern undPädagogen hat viel Arbeit in dieHandreichung einfließen lassen, vonder Archivarbeit über lange Redaktionssitzungenmit lebensbedrohlichemKaffeekonsum und heißendidaktischen Diskussionen bis zuProbeläufen mit Klassen aus verschiedenenSchularten und Altersstufen.Mit all diesem Einsatz wirddie Handreichung für die Kollegenhoffentlich genauso hilfreich seinwie ihr Vorgänger – und hoffentlichgenauso schnell vergriffen sein!INFOTobias Jeske ist Oberstudienrat amAlbert Einstein Gymnasium Ulm-Wiblingenund seit 2008 Mitarbeiter amDZOK.22


Ein Porträt der freiwilligen DZOK-Mitarbeiterin Mechthild DestruelleEngagierte Juristin am historischen UnrechtsortIn der losen Folge der Selbstvorstellungenvon Teammitgliederndes Doku-Zentrums beschreibtMechthild Destruelle ihren Wegvon der ersten Begegnung mitdem KZ <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> zurintensiven Mitarbeit in Verein undGedenkstätte.Mechthild DestruelleMeine erste Begegnung mit dem KZ<strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> fand im Jahr 1996statt, als ich gerade wegen meinesReferendariats am Landgericht nachUlm gekommen war. Schon damalshat mich der Ort sehr beeindruckt.Als Juristin beschäftigt mich sehr,wie schnell sich der NS-Staat 1933festigen und die politischen Gegnerausschalten konnte. Der Umgangvon Staatsmacht und Justiz mitOpfern und Tätern während undnach der NS-Zeit ist eine Thematik,die mich seit langem umtreibt. DiePräsenz rechtsradikaler Ideologienin bestimmten Kreisen und dasErstarken von Neo-Nazi-Gruppierungenhaben mich zum Engagementgegen Rechts motiviert. Seit meinerJugend bin ich politisch und sozialengagiert und arbeite seit einem Jahrfür Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreisbüroin Ulm.In der Mitgliederversammlung desDZOK im letzten Jahr wurde ich zurzweiten Kassenprüferin gewählt.Nachdem ich verschiedene Veranstaltungenin der Büchsengasse besuchthatte und von der Arbeit des Vereins,die viel facettenreicher ist, als ichbis dahin dachte, sehr beeindrucktwar, hatte ich Lust mich stärkerehrenamtlich dort einzubringen. InGesprächen mit Annette Lein undNicola Wenge erfuhr ich, dass dringendneue Guides benötigt werdenund so beschloss ich, mich in diesemBereich zu engagieren. Ich finde dieUlmer Gedenkstättenarbeit sehrwichtig und spannend, weil dort nichtmit erhobenem Zeigefinger gearbeitet,sondern durch Aufklärung amOrt des Geschehens die Etablierungder Diktatur anschaulich gemachtwird. Anfangs hatte ich Bedenken,ob ich mir das große Pensum anWissen aneignen und insbesondereauch pädagogisch zeitgemäß anSchulklassen vermitteln kann. Nachintensiver Einarbeitung und Begleitungverschiedener Führungen wares dann im April so weit und ichmachte zusammen mit AnnetteLein meine erste Führung für eine 9.Klasse. Kurz darauf organisierte ichals „Generalprobe“ eine Führung fürmeine Freunde und Bekannten, diemit 24 Teilnehmern im Alter von 14bis 82 tatsächlich auch eine richtigeProbe wurde. Zwischenzeitlich fühleich mich in dem Thema „KZ <strong>Oberer</strong><strong>Kuhberg</strong>“ und in den Räumlichkeitenso sicher, dass ich mich sehr darauffreue, ab Frühsommer aktiv in dieVermittlungsarbeit einzusteigen.Die Berliner Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste resümiert ihre Zeit in UlmNeun Monate beim DZOK – Bilanz ziehenNun ist es Juni. Drei Monatemeines Freiwilligendienstes sindnoch übrig. Meine Nachfolgerin,Pauline aus Paris, steht fest, hatuns hier besucht und freut sichschon sehr auf Ulm. Zeit, Bilanzzu ziehen.Theresa RodewaldEine Erwartung, ein Wunsch mitdem ich in dieses Freiwilligenjahrgegangen bin, war, die Arbeit aneiner Gedenkstätte und ihre Funktionsweisekennenzulernen. Aufgrundder Struktur des DZOK warmir genau das möglich. Sei es dasVorbereiten und Durchführen vonVeranstaltungen verschiedensterCouleur, oder die Teilhabe an derEntwicklung und Entstehung derMitteilungen und anderer Publikationen.Auch wenn Führungen nichtzu meinen Schwerpunkten zählen,bin ich dadurch in Kontakt mitden Besuchern der Gedenkstättegekommen, was sehr spannend istund habe zudem viel über die Dimensionder frühen Konzentrationslagergelernt, was ich als eine enormeBereicherung empfinde. Die Frage,wie der Besuch einer Gedenkstätte,insbesondere von Schulklassen,aussehen sollte, wie man das historischeGeschehen am Ort und seineBedeutung vermitteln kann, ohne aufveraltete Muster zurückzugreifen,hat sich mir erst während des Freiwilligendienstesgestellt und meinBild von KZ-Gedenkstätten verändert.Auch durch die Dzokkis habeich einen Einblick in die Gedenkstättenpädagogikbekommen.Nicht zuletzt habe ich auch beimTranskribieren und inhaltlichenErschließen der Briefe der FamilieMann/Serkey mitgeholfen. DieseDZOK-Mitteilungen Heft 58, 201323


Arbeit finde ich besonders spannendund sie bereitet mir viel Freude. Siehat manchmal etwas von Detektivarbeit.So habe ich durch die Transkriptionder Briefe gelernt, das Sütterlinalphabetzu lesen. Das Schicksalder Familie Mann/Serkey stehtstellvertretend für das vieler Ulmerjüdischen Glaubens und machte mirdie persönliche Dimension der Emigration,den tiefen Einschnitt, dendas Zurücklassen der alten Heimatbedeutet(e), erst bewusst.Nichtsdestotrotz freue ich michschon sehr auf mein Studium. Dienächste Station heißt hoffentlichFrankfurt an der Oder (Kulturwissenschaften)oder Berlin (Filmwissenschaften,Allgemeine und VergleichendeLiteraturwissenschaften undGeschichte). Denn auch wie wichtigmir die Nähe zu meiner Familie undmeiner Heimatstadt ist, wurde mir indiesem Jahr noch einmal klar.Theresa (r.) stellt den dzokkis die Ausstellung vor, die sie für die Veranstaltung „Sport in Ulm 1933:Vom Ausschluss jüdischer und sozialistischer Sportler“ erarbeitet hat .Theresa hatte sie eigenständigvorbereitet und auch moderiert.Kritischer Journalist, früher und mutiger Unterstützer des DZOKTrauer um Rolf JohannsenEr zählte zu den Journalisten, aufdie das DZOK setzen konnte. DennAufklärung über den Ungeist warihm Herzensangelegenheit. RolfJohannsen ist Anfang April mitnur 56 Jahren nach langer Krankheitverstorben.Silvester Lechner, Thomas VogelRolf Johannsens Beziehungen zumDZOK rühren aus den 1980er Jahrenund waren wohl auch motiviertdurch Weizsäckers berühmte Redevon 1985. Er hat damals als einerder ersten Ulmer Journalisten eineReihe regionaler NS-Themen in derNeu-Ulmer Zeitung aufgegriffen. Somachte er Interviews mit Zeitzeugenund recherchierte auch selbst. Erförderte Zusammenhänge zu Tage,welche dem DZOK, zu dessen Gründergenerationer gehörte, zu neuenEinsichten verhalfen.Rolf war häufig auf den Vereinsversammlungenund Veranstaltungendes DZOK – und signalisierte großesEinverständnis, ohne deswegen inunkritische Kumpanei zu verfallen.Doch mit seinen Beiträgen machteer Mut in Zeiten, als die kritischeBeschäftigung mit der regionalenGeschichte des Nationalsozialismusvon einer großen Mehrheit alsunliebsam abgewehrt wurde undauch die Arbeit des <strong>Dokumentationszentrum</strong>skaum anerkannt war. SeineSturheit, die ihm als gebürtigemBremer wohl in die Wiege gelegtwar, verhalf so nicht zuletzt demDZOK zu mehr Beachtung.Als Kollege war er liebenswürdig,aber nicht einfach. Schroff undknurrig konnte er werden, wennein gelieferter Beitrag nicht seinenVorstellungen entsprach. Für einenjungen Eleven des Journalismus,der gerade seine ersten autodidaktischenSchritte ins Metier wagte,war dies eine gute Schule. GenauesZuhören, auf den Punkt bringen, fairbleiben, das ging einem bald in dieGene über, wenn Rolf als Redakteurden textlichen Gehversuch in dieMangel nahm. Er selbst war beseeltvon einem Geist des kritischenJournalismus, wie er heute seltengeworden ist. Unvergessen, wieer einem Bürgermeister aus demLandkreis Neu-Ulm die Wiederwahlvermasselte durch seine Enthüllungenvon Spezlwirtschaft und weilihm dessen Bierzelt-Populismus aufden Keks ging. Als die Friedensbe-24


wegung Anfang der 1980er an derWiley-Kaserne in Neu-Ulm zur Aktionsformder Sitzblockaden griff, warauf Rolfs Berichterstattung Verlass,soll heißen: Er hielt zur anderen Seitedie gleiche Distanz. Der damaligeLokalchef hatte in ihm gewiss keinenpflegeleichten Redakteur. Doch hielter Kurs, auch wenn er sein Blattdamit in bewegte See führte.Mit derselben Hartnäckigkeitsetzte sich Rolf für die Belange desBerufsstandes ein, etliche Jahreals regionaler Sprecher der untermVerdi-Dach aufgegangenen JournalistengewerkschaftDJU. Später, ineinem neuen beruflichen Abschnitt,ging er zur Stadt Ulm, gehörte zueiner Arbeitsgruppe, die die Präsentationder Stadt in den neuen Medienvorantrieb.Von einer großen Trauergemeindewurde Rolf Johannsen auf dem SöflingerFriedhof zu Grabe getragen.Ja, er hatte Wirkung. Die Alzheimer-Krankheit hat darauf keine Rücksichtgenommen. Was für ein Wahnsinn.Doku-Zentrum trauert um Christian Loyal – ein NachrufFreund und leidenschaftlicher PädagogeAm 21. Februar 2013 ist ChristianLoyal in Ulm nach langer, schwererKrankheit verstorben. In der vonihm selbst aufgesetzten Todesanzeigeschreibt er: „Seid euchbewusst, es verließ euch ein glücklicherund zufriedener Mensch. Ichdanke allen, die mich auf meinemLebensweg mehr oder wenigerbegleitet haben und mich zu demwerden ließen, der ich letztendlichwar.“Annette Lein, Nicola WengeEs ist nun an uns, uns posthum beiChristian Loyal dafür zu bedanken,dass er über mehr als zwei Jahrzehntedie Arbeit des <strong>Dokumentationszentrum</strong>snicht nur begleitete,sondern aktiv mitgestaltete undunterstützte, dass er den Verein eingutes Stück mitprägte und formte,dass er zugleich kritischer Freund,Gefährte und politischer Mitstreiterwar. Wenn Christian bei den Jahreshauptversammlungennach denBerichten des Vereinsvorsitzendenund der Hauptamtlichen als ersteraufstand, sich bedankte und sagte„Ich bin stolz, hier mittun zu dürfen“,dann haben wir nie gesagt: „Wir sindstolz, dass du dabei bist.“ Es ist jetztder Moment, dies öffentlich nachzuholen.Christian Loyal kam als leidenschaftlicherHauptschullehrer undengagiertes Gewerkschaftsmitgliedin den 1990er Jahren zum DZOK.Theoretisieren war seine Sachenicht, lebens- und praxisnah vermittelteer in ungezählten Führungendie Geschichte des KZ <strong>Kuhberg</strong>, mitviel Herz und Verständnis gerade fürjene Jugendlichen, die nicht bravmitmachten. Doch nicht nur bei denBesuchern, auch im Gedenkstättenteamselbst war er mit seinerhumorvollen, ausgleichenden Art, dievon den dzokkis genauso geschätztwurde wie von den langjährigenGedenkstättenkollegInnen, einewichtige integrierende Kraft. Niescheute er sich, bei den Teamtreffensein reiches historisches Wissen,seine langjährigen pädagogischenErfahrungen einzubringen und immerstritt er leidenschaftlich für seineÜberzeugungen. Über viele Jahrewar Christian auch als Referent eineSäule der jährlichen, zweitägigenLpB-Lehrerfortbildungen. Spätestensseine legendären Ulmrundgänge amersten Abend sorgten dafür, dassdas Eis unter den Teilnehmern brachund Lehrerkollegen aus dem ganzenLand spannende, neue Einblicke indie Lokalgeschichte erhielten.Christian war ein zu politischer Kopf,als dass er sich auf die rein historischeArbeit beschränkt hätte. Erbrachte sich bei zahlreichen gegenwartsbezogenenVeranstaltungendes Doku-Zentrums ein. Ein 1. Maiin Ulm ohne Christian ist eigentlichnicht vorstellbar.Und er ließ das DZOK auch schonin den 1990er Jahren von seinemtechnischen Sachverstand in Fragenneuer Medien profitieren, und späterauch die 2003 gegründete StiftungErinnerung Ulm. Für die 2001 eröffneteDauerausstellung hatte Christiandie dort einsehbare Häftlingsdatenbankeigenständig entwickeltund umgesetzt; als aktives Mitgliedder Ulmer Internetinitiative TELEBUSverhalf er dem Doku-Zentrum in denspäten 1990er Jahren mit großerVoraussicht zu einem professionellenWebauftritt und pflegte die Seite mitviel Zeitaufwand bis kurz vor seinemTod.Christian Loyal füllte viele unterschiedlicheRollen aus, ohne dasser sich dabei als Hauptdarsteller inszenierthätte. Dabei wäre das Dokuzentrumohne ihn nicht das, was esheute ist. Wir sind sehr traurig.DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201325


„Actions speak louder than words“12 Jahre Vereinsvorsitzender: Danke, Wolfgang Keck!Als Vorsitzender seit dem 1. Juli2001 war Wolfgang Keck erfindungsreicherMaschinist undverlässlicher Pilot unserer Erinnerungsarbeit.Wir sind Wolfgangbesonders dankbar, weil er hatspüren lassen, dass gemeinsamesHandeln vorwärts bringt und jeder,der mitmacht, wertgeschätzt wird.Deshalb hier ein vielstimmigesDankeschön aus Öffentlichkeit,Stiftung Erinnerung, Verein undTeam.Hansjörg Greimel)Silvester LechnerDie zwölf Jahre, in denen WolfgangKeck Vorsitzender des Trägervereinsdes Doku-Zentrums war, sind in dessenGeschichte diejenige Periode, in der dieInstitution von der politisch-kulturellenPeripherie der Ulmer Stadtgesellschaftmehr in deren Mitte rückte. Und zwarohne – das erscheint mir wesentlich– an kritischer Substanz zu verlieren.Das hat sicher mehrere Gründe. Einentscheidender Grund dafür warenPersönlichkeit und Engagement vonWolfgang Keck. Kennzeichnend für ihnwaren in der Wirkung nach Innen undnach Außen: seine strukturierende Intelligenz,sein praktischer Sinn fürs MachundFinanzierbare; und gleichzeitigseine politische Sensibilität für diespezifischen Inhalte des Doku-Zentrums,als regionaler Tat-, Denk- und Lernort fürunsere demokratisch verfasste Gesellschaft,heute und morgen.Elke ReutherWilly Brandts Satz anlässlich derLobeshymnen zu seinem 75. Geburtstagkönnte auch von Wolfgang Keckstammen: „Was werden die Brüdererst sagen, wenn sie mich zu Grabetragen?!“ Trockener Humor und Bescheidenheitbezüglich der eigenen Leistung,Zuverlässigkeit und Besonnenheit imHandeln für den Verein, Autorität dawo sie notwendig ist und persönlicheBetroffenheit über das Leid anderer – sohabe ich Wolfgang während der 4 Jahreunseres gemeinsamen Wirkens für dasDZOK kennen gelernt.Die besten Wünsche für die kommendeZeit mit dem DZOK aber ohne Amt.Ivo GönnerOberbürgermeister der Stadt UlmWolfgang Keck hat über viele Jahrehinweg den Verein mit großem Geschickund bewundernswerter Zielstrebigkeitgeführt und zusammen mit demgesamten Team des Vorstandes in dieserZeit das <strong>Dokumentationszentrum</strong> <strong>Oberer</strong><strong>Kuhberg</strong> und die Arbeit des Vereins inbesonderer Weise repräsentiert. SeinWirken wird sich über die aktive Zeit imVorstand hinaus bemerkbar machen.Deswegen danke ich ihm sehr für seinengroßen und engagierten Einsatz. DieErinnerung an die Opfer des NationalsozialistischenTerrorregimes ist auch einebesondere Herausforderung für die heutigeund die zukünftigen Generationen.Insofern hat auch Wolfgang Keck einenganz besonderen Generationenbeitraggeleistet. Herzlichen Dank und diebesten Wünsche.Konrad PflugWolfgang Keck, Partner in der Gedenkstättenarbeit:Klarsichtig, zielgerichtet,geduldig. Schon ein Vertreter der„zweiten Generation“ der Gedenkstättenarbeit:Sie muss nicht nur der Opfergedenken und Taten wie Täter benennensondern auch Dienst an den heute mitarbeitendenoder Orientierung suchendenMenschen sein.Vielen Dank für die gute Zusammenarbeitmit mir und der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg.Alles Gute für die Zukunft!Lieber Wolfgang,als Vereinsvorstand warst du auch„Chef“ der Hauptamtlichen und du hast– wen wundert´s – auch diese Rolleideal ausgefüllt. Du hast uns alle Handlungsfreiheitgegeben, warst aber da,wenn es galt, aktiv zu werden. Vertrauenund Verlässlichkeit, Flexibilität undGroßzügigkeit, das zeichnet(e) dich imUmgang mit dem Büchsengassenteamaus. Und genauso deine Überzeugung,dass der Verein bei der Entlohnung derHauptamtlichen auf gewerkschaftlicheGrundsätze achtet. Beileibe keineSelbstverständlichkeit! Bleibt als Fazit:Wir haben gerne mit dir zusammengearbeitetund freuen uns darauf, dassdu uns als „Dienstleister“, wie dues ausdrückst, erhalten bleibst. Dashauptamtliche Team – Ulrike Holdt,Annette Lein, Ilona Walosczyk,Nicola WengeMartin KönigZwölf Jahre sind eine lange Zeit.Eine Lebensphase, ein Teil Vereinsgeschichte.Das Vereinsschiff ist gar nicht mehrso klein, kein Tanker, aber doch einDampfer geworden – wofür du vielVerantwortung trägst. Die Wellenschlugen manchmal hoch, zumindestin den ersten Jahren auch bedrohlich– finanzielle Existenzsorgen bedrohtenuns. Der Strukturwandel der Gedenkstättenarbeitim Allgemeinen, dieGestaltung des Wechsels in der Leitung,die Absicherung der pädagogischen undarchivarischen Arbeit …Dein Wirken war erfolgreich – und imVorstand schuf deine Verlässlichkeit,Beständigkeit, Beharrlichkeit, Bescheidenheit(Gentleman!) und nicht zuletztdeine Bodenhaftung eine vertrauensvolleund kollegiale Atmosphäre. Nichtzuletzt: wo nötig hast du hörbar scharf,prägnant und klar öffentlich Stellungbezogen, und ein kluger Verhandler mitInstitutionen und Personen bist du auch.Auch dafür Danke!Die Weiterarbeit in der Stiftung unddeine Ankündigung, „nicht ganz weg“zu sein, lässt sehr hoffen auf weitereZusammenarbeit und Begegnung, aufdie ich mich freue.Ulrich KlemmLieber Wolfgang,Deine souveräne Art und Dein stoischerOptimismus hat uns im Vorstand immergestärkt und vorangebracht – herzlichenDank!Monika van KoolwijkWolfgang bringt es immer auf den Punkt– knapp, sachlich, verständlich.Was für eine liebenswerte Gabe!Bewundernswert!Möge sie noch vielen Menschen zumNutzen gereichen. Leider nicht mehr füruns im Vorstand.Wolfgang, viel Freude in der neu erworbenenFreizeit. Alles Gute.Ilse WinterLieber Wolfgang:Danke für deine vielen JahreEngagement mit Kopf-Herz-Hand:Was du in die Hand nimmst,ist bei dir in guten HändenWas du denkst, ist gut durchdacht,Wofür dein Herz schlägt,lohnt das Engagement!Wir bleiben dir verbunden und mit dir inVerbindung!


es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+Die Paul-Lechler-Stiftung zu Gast amOberen <strong>Kuhberg</strong>Am 17. Mai hielt die Paul-Lechler-Stiftung mit Sitz in Ludwigsburg ihrejährliche Kuratoriumssitzung in derUlmer KZ-Gedenkstätte ab. Nacheinem Rundgang durch Ausstellungund Gelände informierten sich dieKuratoriumsmitglieder vor Ort überden aktuellen Arbeitsstand des interkulturellenPädagogikprojekts „Wasgeht mich eure Geschichte an?“, dasdie Stiftung seit Januar 2012 fördert.In der Gedenkstätte entspann sichein intensives Gespräch darüber, mitwelchen Mechanismen der NS-Terrorapparatschon 1933 funktionierteund wie sich diese geschichtlichenBezüge mit Lebenserfahrungen vonJugendlichen heute verklammernlassen. (Annette Lein)Was am 1. und 2. Mai 1933 in Ulmpassierte …… und was dieses Wissen für unserHandeln heute bedeutet, dazusprach Nicola Wenge auf Einladungdes DGB und des Ulmer Bündnissesgegen Rechts in ihrer Rede auf demWeinhof am 1. Mai 2013 anlässlichder Auftaktkundgebung zur 1. Mai-Demonstration 2013. Schon am29. April war im Haus der Stadtgeschichtedie Wanderausstellung derHans-Böckler-Stiftung „Gerade dichArbeiter wollen wir! Nationalsozialismusund freie Gewerkschaftenim Mai 1933“ eröffnet worden– mit einem historischen Vortragvon Stadtarchivleiter Prof. MichaelWettengel. Die Erinnerung an den1. Mai war ein wichtiger Bausteinin den vielen lokalen und regionalenVeranstaltungen zum Thema „Vor 80Jahren: Zerstörung der Demokratie“,die auch in der zweiten Jahreshälfteweiterlaufen werden. (AL)Interkulturelle Tage zum JüdischenLeben in Deutschland und Ulmheute …… hat das Studienkolleg Obermarchtalerstmalig in Kooperation mitdem DZOK durchgeführt – erstmaligauch außerhalb des Kollegs. DieTheologin Dr. Britta Frede hatte überden Europäischen Tag der JüdischenKultur 2012 Kontakt zum Doku-Zentrumgefunden und gemeinsam mitNicola Wenge und Annette Lein dasProgramm hierfür entwickelt. Am4. Juni besichtigten Schulleiterin,Lehrer und rund 60 Schüler in Ulmdie neue Synagoge, besuchten dieKZ-Gedenkstätte und erfuhren inStadtgängen mehr zum jüdischenLeben, bevor am 2. Tag eine Begegnungmit jüdischen Jugendlichen ausdem Projekt „LIKRAT - jugend unddialog“ stattfand sowie ein Workshopzum Thema „Antisemitismusheute“. Eine gelungene Kooperation.(Nicola Wenge)Ideenwerkstatt Waldkirch zuBesuch in der Ulmer Gedenkstättev. l. n. r.: Armin Bannwarth, Dr. Nicola Wenge,Roland Burckhart, Prof. Dr. Wolfram Wette,Wolfgang Dästner. Foto: privatÜber 30 Teilnehmer waren imNovember 2012 der Einladungder „Ideenwerkstatt Waldkirch inder Nazizeit“ und des WaldkircherStadtarchivars Gregor Swierczynazu einer Fahrt nach Günzburg, demGeburtsort Josef Mengeles, undnach Ulm zum Oberen <strong>Kuhberg</strong>gefolgt, wo eine Themenführung zuinstitutioneller Verantwortung, Kommandantund Wachmannschaften imMittelpunkt stand. Den Schwerpunktder Studienfahrt bildete die Fragenach dem Umgang mit NS-Tätern.Zum Hintergrund: Waldkirch war dieHeimat des SS-StandartenführersKarl Jäger, dem Führer des Einsatzkommandos3 in Litauen. SeineVerbrechen hat Prof. Wolfram Wetteerforscht, der die Exkursion gewohntkompetent begleitete. Die Waldkirchenerbewegt die Frage, wie mitden jeweiligen Lasten des regionalenErbes umzugehen sei. (NW)Eine Nachricht zur Familie Bechtleaus Löchgau …… erreichte uns im Dezember 2012.Die zwei Brüder Bechtle, Reinholdund Willi, waren in den KonzentrationslagernHeuberg, <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong>und Welzheim inhaftiert, da sie KPD-Mitglieder waren und dem NationalsozialismusWiderstand leisteten.(s. DZOK-Mitteilungen 42, 2004).Reinhold starb im KZ Welzheim.Nach ihm wurde in der GemeindeLöchgau eine kleine Straße benannt,allerdings wurde dabei auf die Nennungdes Nachnamens verzichtet.Im Dezember 2012 erhielten wir nuneine Nachricht von Herrn H. Jaisle,einem gebürtigen Löchgauer, jetztansässig in Remshalden, der unsmitteilte, dass Reinhold Bechtle seit2006 mit Vor- und Nachnamen aufden Straßenschildern Platz findet:„Die Gemeinde Löchgau hat endlichden Mut gefunden, der Reinholdstraßeihren vollständigen Namen zugeben und so an Reinhold Bechtlenicht mehr nur verschämt und halbherzigzu erinnern!“ Wie viel Zeitbraucht man, um die Widerständlergegen den Nationalsozialismus richtigzu würdigen? Reinhold Bechtle hattemit seiner Haltung den Vater von H.Jaisle 1923 davon überzeugt, in denkommunistischen Jugendverbandeinzutreten. (Ilona Walosczyk)„Klopfer in Langenburg“ …… war Thema und Recherchezieleines Auftritts von Markus Heckmannund Silvester Lechner am 21.März im hohenlohischen Langenburg.Vormittags im nahe gelegenenGymnasium Gerabronn vor den12. Klassen und am Abend in derVolkshochschule von Langenburgwurde Gerhard Klopfers Karriere alshochrangiger NS-Täter in BormannsParteikanzlei und späterer Anwalt imNachkriegs-Ulm dargestellt. Grundlagewar das Buch Heckmanns überKlopfer, das 2010 vom <strong>Dokumentationszentrum</strong>herausgegeben wurde.Besondere Bedeutung bekamendie Veranstaltungen dadurch, dassKlopfer neben seinem beruflichenWohnsitz in Ulm Häuser und Grundstückein und um Langenburg besaß,dort seine Freizeit verbrachte und einallseits bekannter Mann war. Wobeibis zu seinem Tod am 29. Januar1987 – er ist am nahe gelegenenFriedhof von Bächlingen beerdigt– niemand genau über seine NS-KarriereBescheid wusste. Das ändertesich ein wenig, als bei seiner Beerdigungder ganze Ort mit schwarzenLimousinen besetzt war, wohl von„alten Kameraden“. Schließlichwar Klopfer nicht nur Teilnehmerder Wannsee-Konferenz, sondernauch SS-General. Das Interesse derLangenburger war groß. Es zeigtesich, dass er einerseits bis heuteals Biedermann gesehen wird undandererseits die brennende Frage,wie Klopfer zum Haus- und Grundbesitzerin Langenburg wurde, nichtbeantwortet werden konnte. (SilvesterLechner)DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201327


+Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in KüRosl Schneider (1921 - 2013) …… war eine Gesinnungsgefährtin desDZOK seit vielen Jahrzehnten. Woimmer öffentlich Lehren aus demverheerenden Erbe des Nationalsozialismusvon der unmittelbarenNachkriegszeit bis in die Gegenwartgezogen wurden, wo Präsenz undEngagement gefragt waren, dagehörte sie dazu. So zählte RoslSchneider zum Kreis der Gründer-„Mütter“ des DZOK, mit bestenKontakten zu den Töchtern undSöhnen, die die Arbeit fortführten.Ob Friedens- oder Befreiungsbewegungen,ob AKW-Proteste oderNeonazi-Aufmärsche, ob Gedenkfeiernin der KZ-Gedenkstätte – Roslwar immer dabei. Nun ist sie am 18.Mai verstorben, betrauert von vielenWegbegleiter/innen und Freunden,darunter wir vom <strong>Dokumentationszentrum</strong>.Wir vermissen sie. (SL)Rosl Schneider mit Henry Frankel, EndeNovember 2012 in Ulm. Sie kannte ihn, derim Juni 1933 in Ulm geboren worden war undals jüdisches Kind 1939 unbegleitet in die USAfliehen musste, seit seiner Ulmer Kindheit.„Die Menschen sind gleich und mandarf niemanden erniedrigen oderseine Würde missachten“ …… diese Worte sprach WaclawaGalazka bei einem Treffen mit UlmerBürgern in der Wilhelmsburg. MitGabriela Turant und Halina Luczakbesuchte sie am 17. Mai das DZOK(s. Mitt. 57, 2012). Die Wilhelmsburg,in der W. Galazka und G. Turantbei Telefunken Zwangsarbeitgeleistet hatten, bedeutete für sieeinst Erniedrigung, Demütigung,Angst und Hunger. Doch durch ihrenUlm-Besuch im Rahmen des Projekts„Ehemalige polnische Zwangsarbeiterin Ulm und der Region“ 1996wurde der frühere Schreckensortzum Symbol der Versöhnung. Undnun, 17 Jahre danach, begegnetenwir uns an eben diesem Ort wieder.Silvester Lechner, der das genannteProjekt initiiert hatte, begrüßte diedrei Frauen mit einer bewegendenSitzend: Waclawa Galazka, dahinter HalinaLuczak und Gabriela Turant. Foto: R. SemmlerRede. Bürgermeisterin Iris Mannhieß sie im Namen der Stadt Ulmund Nicola Wenge in Namen desDZOK willkommen. Die Firma „HighSolar“ stellte in der Wilhelmsburgeinen Raum zur Verfügung, in demdie Gäste den TeilnehmerInnendes Treffens, u. a. Schülerinnen derChristoph-Probst-Realschule ausNeu-Ulm, ihre Kriegserlebnisse schildernkonnten. Ein beeindruckendesErlebnis für uns alle. Am Nachmittagwurde die Begegnung mit den polnischenGästen in den Räumen desDoku-Zentrums im Beisein unsererJugendgruppe fortgesetzt. „Wirmüssen unsere Geschichte an diejungen Leute weiter geben, dennsie sind unsere Zukunft und sollenaus unseren Erfahrungen lernen“.Darum waren die Frauen der Einladungder Polnischen KatholischenGemeinde in Ludwigsburg gefolgt,um ein Denkmal für polnische Kriegsopfereinzuweihen. Und darum auchkamen sie, trotz ihrer Gebrechlichkeit,erneut zu uns nach Ulm. Es warein unvergesslicher Tag. (IW)Die Dauerausstellung „AlltagZwangsarbeit 1938-1945“ …… wurde am 8. Mai 2013 im2006 gegründeten <strong>Dokumentationszentrum</strong>NS-ZwangsarbeitBerlin Schöneweide (www.dzns-zwangsarbeit.de)eröffnet. DieAusstellung dokumentiert anhandvieler Biografien die Erfahrungen derZwangsarbeiter nach der Verschleppungaus ihrer Heimat. Sie nimmtauch das Verhalten der Deutschen- Täter, Profiteure, Zuschauer, Helfer- in den Blick. Im Zentrum steht derAlltag der Zwangsarbeiter sowie diezahlreichen Bedrohungen, denensie täglich ausgesetzt waren, infolgederer viele inhaftiert oder auch hingerichtetwurden. Die Ausstellung will,ausgehend von der Geschichte desehemaligen Zwangsarbeiterlagersin Schöneweide, die Praxis des millionenfachenArbeitseinsatzes unddie europaweite Dimension der NS-Zwangsarbeit dokumentieren undveranschaulichen. (NW)Die Neugestaltung der Dauerausstellungder Gedenkstätte DeutscherWiderstand …… erfolgt durch das Büro BraunEngels Gestaltung (Ulm) in Arbeitsgemeinschaftmit der ArchitektinUrsula Wilms (Berlin). Zum Auftraggehören der gestalterische Entwurf,die Planung und die Umsetzung derneuen Dauerausstellung der GedenkstätteDeutscher Widerstand in dendenkmalgeschützten Räumen desehemaligen Oberkommandos desHeeres in Berlin („Bendlerblock“).Die neue Dauerausstellung soll am20. Juli 2014 – dem 70. Jahrestagdes Umsturzversuchs vom 20. Juli1944 – eröffnet werden. Die erstenkonzeptionellen Planungen sind mittlerweileweit fortgeschritten. Wirgratulieren unserem langjährigenPartner zu dieser neuen Aufgabe.(NW)Das Gesamtinventar des InternationalenSuchdiensts (ITS) …… ist jetzt auf seiner Homepageveröffentlicht. Im Archiv des ITSbefinden sich insgesamt rund 30Millionen Dokumente zur Haft inKonzentrationslagern, Ghettosund Gestapo-Gefängnissen, zurZwangsarbeit und zu Displaced Persons.Interessierte können sich mitHilfe des Gesamtinventars, das inDeutsch, Englisch und Französischvorliegt, einen ersten Überblicküber die Bestände verschaffen. DasInventar listet die Dokumentenbeständeauf und liefert erstmalsdetaillierte Informationen zumUmfang der einzelnen Teilbestände.Link zum Gesamtinventar: www.itsarolsen.org/de/das-archiv/bestaende/gesamtinventar/index.htmlQuelle: Pressemitteilung des ITS, 10.Juni 2013 (NW)Auch in Ulm fand zum 20. Jahrestagdes Brandanschlages in Solingen…… eine Gedenkveranstaltung statt,die vom DIDF Ulm (FörderationDemokratischer Arbeitervereine)28


es in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+veranstaltet und von vielen Partnerorganisationenin der Stadt, darunterauch dem Doku-Zentrum, mitgetragenwurde. Die Mahnwache am29.5.2013 in der Hirschstraße fürdie Opfer der Brandanschläge hatdeutlich gemacht, wie wichtig dasErinnern für unsere Gegenwart unddie Zukunft ist. Mit den schrecklichenBrandanschlägen 1993 ist derName Mevlüde Genc in unseremGedächtnis geblieben, eine Frau,die 5 Familienmitglieder bei demAnschlag verloren hat und trotzdemDeutschland als ihre Heimat ansiehtund die deutsche Staatsbürgerschaftangenommen hat. Die heutigenrassistischen Terroranschläge sindmit den Namen der mutmaßlichenMörder Mundlos und Böhnhardtverbunden – wir sollten alles dafürtun, dass die Opfer in unseremGedächtnis bleiben und nicht dieTäter. (Elke Reuther)Liken.Teilen.Hetzen. Neonazi-Kampagnenin sozialen Netzwerken …… so heißt eine empfehlenswerteOnline-Broschüre zu Rechtsextremismusim Internet. Die Redaktionder Online-Plattform „Netz gegenNazis“ schreibt hierzu: „Schonlange haben Neonazis die sozialenNetzwerke als ideale Plattformen zurVerbreitung ihrer menschenverachtendenPropaganda für sich entdeckt.Mal mehr, mal minder subtil versuchensie, nicht-rechte Userinnen undUser anzusprechen und das mittelsimmer professioneller Strategien.Die neue Broschüre, die sich direktan Jugendliche wendet, klärt auf undgibt Gegenstrategien an die Hand.“Die Broschüre ist unter folgendemLink herunterzuladen: http://nonazi.net/wp-content/uploads/2013/04/Liken.Teilen.Hetzen.pdf (NW)Einen sehr aktiven „Weiße-Rose-Arbeitskreis“ …… gibt es seit über einem Jahrzehntin Crailsheim. Denn hier war im heutigenStadtteil Ingersheim RobertScholl Bürgermeister, hier wurdenInge (1917) und Hans Scholl (1918)geboren – das Geburtshaus stehtnoch. Und schließlich lebte hierEugen Grimminger (1892 - 1986), deru.a. Herstellung und Versendung derFlugblätter finanziell unterstützt hat.In den letzten Jahren produzierte derAK zusammen mit dem Stadtarchiveine beachtliche Wanderausstellung,außerdem gibt es eine Reihe vonGedenkorten.Am 11. April war Silvester LechnerGast des AK, um zu helfen, Perspektivenfür die Crailsheimer Erinnerungsarbeitzu finden - über die Generationder heute Aktiven hinaus.Ein Ergebnis war dabei, dass das historischeErbe der „Weißen Rose“ inZukunft dazu genutzt werden könne,Jugendlichen einen Motivationsraumzu geben, das für sie jeweils Empörendeund Überholte zu kritisierenund Alternativen auszuprobieren.uschi.mrossko@gmx.de (AK WeißeRose); folker.foertsch@crailsheim.de(Stadtarchiv). (SL)Der Münchener Verein „WeißeRose-Stiftung“ …… hat am 13. April Dr. HildegardKronawitter und Professor WolfgangHuber als erste bzw. als zweitenVorsitzenden wiedergewählt.Schwerpunkt der Vereinsarbeit isteinerseits die Weiße-Rose-Denkstätteim Hauptgebäude der LMU inMünchen und andererseits die mittlerweileweltweite Verbreitung derWanderausstellung zur Geschichteder Weißen Rose. Im Jahr 2014 sollerstmals auch in Israel die Ausstellunggezeigt werden.Tätigkeitsbericht 2012 und Kontaktaufnahme:www.weisse-rosestiftung.de(SL)Die Landesarbeitsgemeinschaft derGedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen…… hat im Dezember 2012 ein„Konzept zur Neuausrichtung derGedenkstättenlandschaft und derLandesgedenkstättenförderung 2013bis 2015“ vorgelegt und dieses Positionspapierden Vorsitzenden der vierim Landtag von Ba-Wü vertretenenFraktionen sowie Mitgliedern derLandesregierung übermittelt und imGespräch erläutert. Es enthält Maßnahmenzur Stärkung und Professionalisierungder Gedenkstättenarbeitvor Ort sowie zu einer noch intensiverenregionalen Vernetzung. (NW)Die Gedenkstättenlandschaft inBaden-Württemberg …… ist in Bewegung. In den vergangenenJahren sind neue Orte entstandenoder bestehende Gedenkorteausgebaut worden, so etwadie KZ-Gedenkstätte Hailfingen-Tailfingen, die 2010 eröffnet wurde,oder die KZ-Gedenkstätte Neckarelz,die seit 2011 eine neue Dauerausstellungin einem neuen Gebäudepräsentiert. Weitere Gedenkstättensind im Entstehen begriffen. Sohaben sich in Radolfzell Bürgerinnenund Bürger in einer Initiativgruppezum Offenen Gedenken zusammengeschlossen,die an den Bau derdortigen SS-Kaserne und einer SS-Schießanlage durch Zwangsarbeitererinnern will. In Karlsruhe ist derVerein Lernort Zivilcourage e.V. entstanden,der über die Geschichte desKZ Kislau (1933-1939) informierenwill. In Tübingen engagieren sichBürgerinnen und Bürger für ein dortigesNS-<strong>Dokumentationszentrum</strong>.Quelle: Stellungnahme des Staatsministeriumsauf einen Antrag derAbg. Sabine Kurzt u.a. (CDU) zurGedenkstättenkonzeption für Baden-Württemberg unter Einbeziehungdes Lern- und Erinnerungsorts HotelSilber, 25.3.2013 (NW)Die Planungen für den Lern- undErinnerungsort Hotel Silber …… schreiten fort. Der Entwurf überdas organisatorische Konzept unddie inhaltlichen Schwerpunkte, diedas Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Kooperation mitder Initiative für einen Lern- undErinnerungsort in der ehemaligenStuttgarter Gestapo-Zentrale entwickelthatte, wurden beim ZweitenRunden Tisch am 7. Mai vorgestellt.Bei diesem Treffen waren wiederVertreter der Initiative, der Opferverbände,der LAGG, der LpB, der StadtStuttgart und der Landesministerienvertreten. Aus dem Gremium herauswurde angeregt, nun rasch direkteGespräche zwischen Stadt und Landzu führen, um die Finanzierung desProjekts als Basis für dessen Fortführungzu klären. (NW)DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201329


++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue BücIngrid Bauz, Sigrid Brüggemann,Roland Maier (Hrsg.):Die Geheime Staatspolizei inWürttemberg und Hohenzollern,Stuttgart. Schmetterling-Verlag,Stuttgart 2013; 475 S., 29,80 ∑Es ist kaum zu glauben: Erst seitdiesem Jahr, also 80 Jahre nach derEntstehung des Nazi-Regimes, liegtein Buch vor, das sehr umfassendüber dessen zentrales Herrschaftsinstrument,die Geheime Staatspolizei,abgekürzt „Gestapo“, undihre Akteure informiert. Und zwarnicht über die Gestapo irgendwo imDeutschen Reich, sondern in unsererweiteren und engeren Region: inWürttemberg, und damit u. a. auchin Ulm. Württemberg hatte 1939ca. 2,9 Millionen Einwohner; dazugehörte in der NS-Zeit verwaltungs-(und gestapo-)technisch auch daspreußische Hohenzollern (ca. 74.000Einwohner) rund um Sigmaringen.Warum erscheint solch ein Bucherst jetzt? Der wichtigste Grund istsicher, dass in den letzten Tagen desRegimes die belastenden Unterlagender württembergischen „Stapo-Leitstelle“in Stuttgart (im DeutschenReich gab es ca. 50 davon), aberauch die der „Stapo-Außenstellen“in Aalen, Friedrichshafen, Ellwangen,Schwäbisch Hall, Heilbronn,Oberndorf/N., Tübingen und Ulmsystematisch vernichtet wurden(S. 15). Vielleicht hängt damit auchder Umstand zusammen, dass inder Liste der genutzten Stadtarchive(444) das Stadtarchiv Ulm nicht aufgeführtist.Aber: Da der NS-Terror in „guter“deutscher Tradition auch eine guteVerwaltung hatte, entstandenviele Unterlagen in mehrfacherAusfertigung und sind – verstreutüber zahlreiche Archive – erhaltengeblieben. Das bedeutet, dass dassechsköpfige Autorenteam einegewaltige Puzzle-Arbeit zu leistenhatte, die es auf beeindruckende,historisch seriöse und im Ergebnisgut lesbare Weise gelöst hat.Nebenbei bemerkt: Die Historiker/innen kommen nicht von einem historischenLehrstuhl, sie haben dieStudie „neben dem Broterwerb“(S. 9) unentgeltlich geschrieben undnur einige Sachkosten von der Landeszentralefür politische Bildungersetzt bekommen.Aber auch ein weiterer Grund, warumdieses Buch erst jetzt erschienen ist,ist naheliegend: Die Gestapo warzwar personell eine kleine Behörde.In ganz Württemberg waren esetwa 300 Beamte und Mitarbeiter/-innen, ein erstmalig veröffentlichter„Geschäftsverteilungsplan“ (Stand1.4.1944) zeigt die „Sachgebiete“,teilweise mit den „Sachbearbeitern“,S. 441. In Ulm waren es ca. sechsBeamte und sechs Sekretärinnen.Zum omnipräsenten Herrschaftsinstrumentjedoch wurde sie dadurch,dass mit ihr sämtliche Behörden undprinzipiell sämtliche gesellschaftlichenInstitutionen, vor allem alleGliederungen und alle Mitglieder derPartei (allen voran die SS) verwobenwaren. Selbst die Mitglieder der „Hitlerjugend“waren bis in die eigeneFamilie hinein verpflichtet, „Auffälligkeiten“zu melden, die in Ideologieund Alltagspraxis dem Regime nichtentsprachen.Die Gestapo „lebte“ also vomPrinzip der massenhaften Denunziation,das die gesamte Bevölkerungpassiv und/oder aktiv einbezog.Dies könnte ein Grund dafür sein,dass das Schweigen nach 1945über Jahrzehnte anhielt. Zu diesem„Schweigen“ gehört auch dasFaktum, dass die Strafverfolgungder Gestapo-Angehörigen nach1945 minimal war, ja 152 von ihnen1959 wieder im Dienst des Landestätig waren (414ff). Übrigens: dieserKontinuität in die Bundesrepublikhinein entspricht auch die fast ungebrocheneKontinuität der politischenPolizei aus der Weimarer in dieNS-Zeit, S. 23 ff. Der „Dienststellenleiter“der „Stapo-Leitstelle“ Stuttgart,Friedrich Mußgay, war z. B. aneinem Stück Geheimpolizeibeamtervon 1917 bis 1945!Die allgemeine Aufgabe der Gestapowar die Schaffung einer „arischenVolksgemeinschaft“ und die „Ausschaltung“von deren politischenund „rassischen“ Feinden. Zu diesengehörten: die „Linksbewegung“,die Juden, die Kirchen, die ZeugenJehovas, die Homosexuellen, dieSinti und Roma, die „Asozialen“ und– im Krieg von größter Bedeutung– die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter.Als Haftstätten hattedie Gestapo, jenseits der Justiz,Konzentrationslager und „Arbeitserziehungslager“zur Verfügung.Die Praxis der Verfolgung unterlagkeinen justiziellen Beschränkungenund reichte bis zu Folter und Mord.In all diesen Bereichen, die im Buchkapitelweise behandelt werden,sind auch wesentliche Aktivitätender Gestapo in Ulm, der landesweitgrößten „Außenhauptstelle“ zur Zentralein Stuttgart, erwähnt (S. 88 ff).Sie war untergebracht, zusammenmit der „normalen“ Polizei, im„Neuen Bau“. Chef war der UlmerPolizeipräsident Wilhelm Dreher, von1933 bis zu seiner Abberufung als„Regierungspräsident“ nach Sigmaringen1942.In Stichworten einige Ulm betreffendewichtige Aktivitäten derGestapo:- das KZ <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong>, S. 127ff,und das Referat „Linksbewegung“,166 ff; die Ulmer KZ-KommandantenBuck und Eberle, 435/36- Geschwister Scholl und die„Weiße Rose“, 214 - 219- die katholische Kirche am Beispieldes Söflinger Pfarrers Weiß (aufdem Titel des Bucheinbandes einFoto seiner Verhaftung im SöflingerKlosterhof, Pfingsten 1939),die drei Pfarrer-Häftlinge im KZ<strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong>, 228ff;- der hingerichtete 17-jährige Söflinger„Zeuge Jehovas“, JonathanStark, S. 257;- das Zwangsarbeiter-Bordell in Ulm,370.Die Stuttgarter Zentrale der „PolitischenPolizei“ Württembergs warseit 1928 das „Hotel Silber“ (erbaut1873) in der Dorotheen-Straße,das diesen Namen zynischerweiseauch als Nazi-Terrorzentrale behielt.Heute steht das Gebäude noch, vordem Abriss gerettet von einer Bürgerinitiative,die den „Tatort“ zu einem„Gedenkort“ machen will. Auchdafür ist das vorliegende Buch einehervorragende Grundlage.Silvester LechnerUlrich Herrmann:Vom HJ-Führer zur Weißen Rose.Hans Scholl vor dem StuttgarterSondergericht 1937/38, mit einemBeitrag von Eckard Holler über dieUlmer „Trabanten“. Beltz Juventa,Weinheim und Basel 2012; 380 S.,39,95 ∑Wohl die spannendste Frage in derEntwicklungsgeschichte von Hansund Sophie Scholl von begeistertenExponenten der Ulmer „Hitlerjugend“hin zu kompromisslosenGegnern des Regimes, die ihr Lebeneinsetzten und es verloren, ist dieFrage nach dem „Knackpunkt“.Das heißt, wann und unter welchenUmständen vollzogen sich innerhalbvon zehn Jahren politische Umkehr30


cher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neuund Neuorientierung? Sophie warim März 1933 zwölf und Hans 15Jahre alt.Das entwicklungspsychologischeArgument, im pubertären Umbruchdie Ursache für Begeisterung undAbkehr zu sehen, ist nicht hinreichend,denn es trifft kaum auf dieübrigen Gleichaltrigen ihrer Generationzu. Näher zu den Gründen desUmbruchs führen zwei Pfeiler ihrerKindheits- und Jugend-Sozialisation:die Familie und das Gruppenerlebnisder „bündischen Jugend“. In beidenInstanzen standen das Subjekt undseine engsten Bezugspersonen inWerten und Normen („Gewissen“)den Einstellungen und Haltungen derso genannten „Masse“ grundlegendgegenüber.Dass diese Voraussetzungen besondersbei Hans Scholl wirken konnten,dazu bedurfte es eines besonderenEreignisses. Dieses Ereignis dokumentiertdas vorliegende Buchvon Ulrich Herrmann, von 1994 bis2004 Professor für Pädagogik an derUniversität Ulm, so ausführlich wiebisher noch nie in der Weiße-Rose-Literatur.Das „Ereignis“: Am 10./11. November1937 wurden Inge und Werner Schollund elf Ulmer Jugendliche aus HansScholls Gruppe von der Gestapoverhaftet und ins Gestapo-Gefängnisnach Stuttgart gebracht. Sie hattenzwischen 1935 und 37 zu einer vonHans Scholl geführten „Jungvolk“-Gruppe gehört, die sich an bündischenTraditionen der „dj. 1.11“,die am 1.11. 1929 als „autonomeJungenschaft“ von Eberhard Koebelin Stuttgart gegründet worden war,orientiert hatte. (Der im vorliegendenBand eingeschobene Aufsatz vonEckard Holler – erschienen 1999,besprochen in den Mitteilungen 33,2000 – über die „Ulmer Trabanten“informiert darüber, was darunter zuverstehen ist.)Hans Scholl, der nach dem AbiturEnde März 1937 bis Oktober beimArbeitsdienst gewesen war und dannAnfang November seine Militärzeit inCannstatt begonnen hatte, wurdedort erst am 15. Dezember verhaftet.Grund war eine Anzeige wegen eines„Verbrechens nach § 175a Ziff 2StGB“. Anlass: Hans Scholl hattesich einem Jungen seiner Gruppeauf einer „Fahrt“ im Zelt sexuell„angenähert“. Das brachte ihn in NS-Perspektive in die Nähe von „Homosexualität“,ein fundamentales Verbrechenim Rahmen der „arischenRassenhygiene“. Nachgeordnetzu diesem Vorwurf war derjenige„bündischer Umtriebe“ innerhalbder „Hitlerjugend“, die in einer speziellenwürttembergischen Verordnungvom 11. Mai 1937 ausdrücklichals „staatsgefährdend“ verbotenworden waren. Im Urteilsspruchdes Sondergerichtes Stuttgart unterHermann Cuhorst – der berüchtigteBlutrichter war in diesem Fall „verständnisvoll“– am 2. Juni wurdenbeide Vorwürfe gegen Hans Schollfallen gelassen, er wurde auf Grundeiner Amnestie-Aktion 1938 im Aprilfrei gelassen. Das halbe Jahr jedoch,in dem das Verfahren lief, dürfte dieentscheidende Phase im Leben desHans Scholl gewesen sein, in der ersich den Prinzipien des NS-Staatesentfremdete und die Suche nachentgegen gesetzten moralischenGrundlagen begann. Wobei zu denentwürdigenden – im Buch komplettdokumentierten – Vernehmungendurch voyeuristische Gestapobeamteauch Hans Scholls Schamund Beschämung gegenüber demUmfeld von Familie und Freundenkamen.Der vorliegende Band ermöglicht miteiner historischen Einführung, vorallem aber mit seinem Dokumenten-Teil über das Strafverfahren, erstmalseinen genauen Einblick in die Hintergründevon Hans Scholls Wandel,von dem vor allem auch seineSchwester Sophie und sein BruderWerner berührt waren. Ein bishernicht veröffentlichtes, bedeutendesFundstück: die Beschreibung desProzesses durch die Mutter MagdalenaScholl (S. 92 ff).Etwas bedauerlich ist, dass oft quellenkritischeErläuterungen fehlen,die Wiedergabe – Qualität der Dokumentenicht hoch ist, und schließlich,dass nicht nur die Weiße-Rose-Literaturvon 2013, sondern auch die von2011 und 2012 gar nicht oder nur amRande verarbeitet ist.Trotzdem: eine wichtige Bereicherungzu den Ursprüngen des widerständigenHandelns der GeschwisterScholl.Silvester LechnerInge Scholl: Sophies Schwester,Die „sanfte Gewalt“Christine Abele-Aicher (Hg.):Die sanfte Gewalt. Erinnerungenan Inge Aicher-Scholl. SüddeutscheVerlagsgesellschaft im Jan ThorbekeVerlag, Ulm 2012; 176 S., 19,90 ∑Christine Hikel:Sophies Schwester. Inge Schollund die Weiße Rose. Oldenbourg,München 2013 (= Quellen und Darstellungenzur Zeitgeschichte Bd. 94,hg. vom Institut für Zeitgeschichte);278 S., 29,80 ∑Innerhalb weniger Wochen sind zweiBücher über Inge (Aicher-)Scholl(1917-1998), die älteste Schwestervon Hans und Sophie, erschienen.Die Herausgeberin Christine Abele-Aicher und die Autorin Christine Hikelwussten nichts voneinander und – soist vorweg zu sagen – das ist absolutkein Schaden. Die Arbeiten, so unterschiedlichsie in Fragestellung undInhalten sowie vor allem in der Darstellungs-Methodesind, ergänzensich auf faszinierende Weise.Christine Abele-Aichers Buch versammelt50 Beiträge unter dreiAspekten: „vh ulm, hfg“, „Publizistin,Friedensaktivistin“sowie „Privatperson“.Der historische Bogenreicht von Zeitzeugen-Erinnerungenzu Kindheit und Jugend (SchwesterElisabeth Hartnagel, Schwägerinund Schwager Hedwig Maeser undGeorg Aicher, BdM-Gefährtin IrmgardKeßler) über Erinnerungen vonArbeits- und Gesinnungsgefährten,die Beschreibung von Feldern ihrerArbeit und ihres politischen Engagementsbis hin zu Beiträgen der dreiSöhne Florian, Manuel und JulianAicher. Letzterer stellte bei demProjekt die nötige unmittelbare Nähezur Person Inge Scholl her, währendseine Frau Christine als Herausgeberin,die Inge Scholl nicht mehr persönlichkannte, für die ebenso nötigeDistanz zum Gegenstand sorgte.So ist ein Erinnerungs-Mosaik zurhistorischen Gestalt der Inge Aicher-Scholl zustande gekommen, das einenachträgliche Begegnung möglichmacht, für diejenigen, die sie und dieZeiten, in denen sie lebte, nicht mehrkannten.Christine Hikels Buch basiert aufihrer 2011 eingereichten BielefelderDoktorarbeit und – ganzbewusst – auf der Grundlage vonder Öffentlichkeit zugänglichenArchivbeständen, insbesondere vondenen des Münchener Instituts fürZeitgeschichte (IfZ) bzw. dem dortseit 2005 zugänglichen Bestand desPrivatarchivs von Inge Aicher-Scholl.Die geschichtswissenschaftlichüberzeugend reflektierte Arbeit willin Inge Scholl, die von den Taten ihrerGeschwister nicht wusste, aber dannnach 1945 die entscheidende Gestaltfür deren Bekanntwerden wurde,DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201331


++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücein Doppeltes beschreiben: dassund wie die Weiße Rose zur Substanzdeutscher Erinnerungskulturbis heute wurde und wie sie selbsteine „Protagonistin des bundesdeutschen‚Demokratiewunders‘“wurde. So geht es Hikel einerseitsdarum, Inge Scholls „Geschichte derWeißen Rose in die Geschichte derBundesrepublik einzuschreiben“ als„Gegenerinnerungen“ zu den nationalsozialistischen„Verbrechensgeschichten“.Und andererseits gehtes ihr darum, exemplarisch an ihrdas „Funktionieren von Erinnerung“in all ihren „gesellschaftlichen Vernetzungen“,„Anpassungen undAktualisierungen“ nachvollziehbar zumachen. Ganz besonders spannendist dabei der Kampf um „Deutungsmacht“zwischen „der Aufbaugenerationder Bundesrepublik, den45ern, und der Protestgenerationder 68er“ (193), der am Beispiel vonChristian Petrys Buch „Die WeisseRose und ihr Scheitern“ von 1968dargestellt wird (177 ff).Christine Hikels Arbeit ist eine bisherunübertroffene, äußerst detaillierteund sorgfältige Beschreibung derWandlungsgeschichte von Erinnerungam Bespiel von Inge Scholls„Erzählungen“ zur Weißen Rosein ihren gesellschaftlich-politischenBedingtheiten.Zu hoffen ist, dass die Autorin dieRezeptionsgeschichte der WeißenRose, die sie mit dem Verstummenvon Inge Scholl ab den 1990erJahren enden lässt, noch bis in dieGegenwart fortsetzt.Silvester LechnerDetlef Bald/ Jakob Knab (Hg.):Die Stärkeren im Geiste. Zumchristlichen Widerstand derWeißen Rose. Klartext, Essen 2012,228 S., 19,95 ∑Im 4. Flugblatt der „Weißen Rose“,verfasst im Juli 1942, schreibt– wahrscheinlich allein, aber inspiriertvon Theodor Haecker – HansScholl: „Jedes Wort, das aus HitlersMunde kommt, ist Lüge. Wenn erFrieden sagt, meint er den Krieg,und wenn er in frevelhaftester Weiseden Namen des Allmächtigen nennt,meint er die Macht des Bösen, dengefallenen Engel, den Satan. SeinMund ist der stinkende Rachen derHölle, und seine Macht ist im Grundeverworfen.“ Und etwas weiter im4. Flugblatt heißt es: „Wohl ist derMensch frei, aber er ist wehrloswider das Böse ohne den wahrenGott, er ist wie ein Schiff ohneRuder, dem Sturme preisgegeben,wie ein Säugling ohne Mutter, wieeine Wolke, die sich auflöst.“Diese aus der biblischen Apokalyptikkommenden Motive sind die einzigePassage in den sechs Flugblätternder Weißen Rose, die einer spezifischchristlichen Vorstellungsweltentstammen.Diese Quelle allein ist noch nichtdazu geeignet, die Kerngruppeder Weißen Rose als „christlichenWiderstand“ zu bezeichnen. Imvorliegenden Band jedoch wird anHand von Briefen und Tagebücherndeutlich gemacht, dass in den letztenknapp zwei Jahren vor den Hinrichtungenim Jahr 1943 christlich orientierteBezugspersonen und Autorenund damit christlich grundiertesDenken und Fühlen – insbesonderefür Hans und Sophie Scholl – immerwichtiger wurden. Der nazistischenErsatzreligion entgegen wird diechristliche Wertewelt einerseitszu einer Legitimation des eigenenHandelns und andererseits zu einerHoffnungs- und Trost-Perspektive imAngesicht des drohenden Todes.Die Herausgeber des Bandes, derMilitärhistoriker Detlef Bald undder Theologe und GymnasiallehrerJakob Knab – beide schon mehrfachmit Veröffentlichungen zur WeißenRose hervorgetreten – begebensich zusammen mit der TheologinRenate Wind und dem LiteraturwissenschaftlerHinrich Siefken auf dieSuche nach den spezifisch christlichenSpuren in den Zeugnissen derGruppe.Portraitiert werden die beiden großen„religiösen Mentoren“ (Jakob Knab)seit Sommer 1941, Carl Muth (1867-1944) und Theodor Haecker (1879-1945), und andere Persönlichkeitenin deren Umfeld, wie Alfred vonMartin, Sigismund von Radecki,Werner Bergengruen. Sie suchtenund vermittelten eine Religiosität jenseitsder vielfach vom Nazi-Staat korrumpiertenkirchlichen Institutionen.Sowohl Detlef Bald als auch RenateWind glauben deshalb von einer„christlich-ökumenischen“ Religiositätinsbesondere bei Hans undSophie Scholl sprechen zu können.Von großer Bedeutung waren dabeiliterarisch-historische Vorbilder undderen Lektüre im Freundeskreis.Diese Vorbilder reichten von den Kirchenvätern(z. B. Thomas von Aquinmit seiner Lehre von der Berechtigungdes Tyrannenmords), über diePredigten des englischen BischofsJohn Henry Kardinal Newman (1801-1870) bis hin zum reformkatholischenDenken französischer Autoren.Fazit: Unmittelbar nach der BefreiungDeutschlands hatten Gestalten wieRomano Guardini (in einer Redeam 4. November 1945) und RicardaHuch (mit ihren erst 1997, 50 Jahrenach ihrem Tod herausgegebenen„Lebensbildern aus dem deutschenWiderstand“) die Weiße Rose nachgeradezur „religiösen Bewegung“gemacht. Diese Einordnung spieltein der „Weiße Rose Literatur“ (vielleichtmit Ausnahme von Inge Scholl)bis in die Gegenwart keine großeRolle mehr. So ist es ein Verdienstder vorliegenden Aufsatzsammlung,die heute in großer Breitevorliegenden biografischen Quelleneingehend betrachtet und auf ihrechristliche Motivik hin untersucht zuhaben.Silvester LechnerKurt Salomon Maier:Unerwünscht. Kindheits- undJugenderinnerungen eines jüdischenKippenheimers, hg. vonder Evangelischen Landeskirche inBaden, Upstadt-Weiher u. a. VerlagRegionalkultur 2011; 112 S., 13,90 ∑„… die Erinnerung an die Heimatlässt mich nicht los“, schreibt KurtSalomon Maier, der am 4. Mai 1930in Kippenheim im Ortenaukreis(Baden) geboren wurde und seitweit über 60 Jahren in den USAlebt, eingangs seiner „KindheitsundJugenderinnerungen“. Sie sindein anschauliches Zeugnis der 1933endgültig untergegangenen Welt desdeutschen Landjudentums, das sichim 15. und 16. Jahrhundert in deutschenKleinstädten entwickelte, da indieser Zeit die Juden aus den Reichsstädten,wie z. B. aus Augsburg, Ulm,Nürnberg vertrieben wurden.Diese Erinnerungen sind als Bucherschienen, illustriert durch vielehistorische Fotos. Ein einzigartigesFoto, das den Wendepunkt seinesLebens und damit das Ende desbadischen Judentums dokumentiert,ist auf dem Umschlag abgebildet: Eszeigt die Rückseite eines Lastautos,zu dem, bewacht von einem Uniformierten,vier Personen gehen; diedritte Person ist Kurt Maier mit 10Jahren, die erste seine Großmutterund die vierte sein Vater. Es ist der22. Oktober 1940, der Tag, an dem32


cher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++Neue Bücher+++NeuImpressumdie badischen und pfälzischen Juden– insgesamt etwa 6500 Menschen– aus ihren Wohnorten ins südfranzösischeInternierungslager Gursverschleppt wurden. Diese Deportationwar eine Vorab-Aktion zweierGauleiter zu den ein Jahr spätervollzogenen „flächendeckenden“Massendeportationen in die Vernichtungslager.Viele der nach GursDeportierten gingen dort infolge vonKrankheiten zugrunde, viele wurdenein Jahr später in eines der deutschenVernichtungslager deportiert.Ganz wenigen gelang die Emigration,so z. B. der fünfköpfigen FamilieMaier aus Kippenheim.Im Juli 1941 kamen die Maiersim New Yorker Hafen an und verbrachtendie ersten Monate im fürdeutsche Emigranten zentralenStadtteil „Washington Heights“. KurtMaier beendete in New York seineSchulzeit, war von 1952 bis 54 imHunsrück Soldat bei der US-Army,studierte Literatur und Geschichtean der Columbia Universität, promovierte1969 zum Thema „Imagesof the Jew in Postwar German Fictionand Drama“ und arbeitete biszum Ruhestand als Bibliothekar ander „Library of Congress“ in Washington.Seither reiste er oft in dieHeimat, wo er einst „unerwünscht“war, hält Vorträge und unterstützt dasProjekt der badischen Landeskirche„Mahnmal zur Erinnerung an die …verschleppten badischen Jüdinnenund Juden“.Fazit: ein kostbarer Nachruf auf dasLandjudentum, eine nicht mehrvorhandene Lebenskultur, die hierin vielen Details beschrieben wird:vom täglichen, auch religiösen Lebenübers Geborenwerden, Heiraten undSterben bis hin zur vielschichtigenErwerbsarbeit. Mit Wehmut, dochGewinn zu lesen!Silvester LechnerDeutscher Alpenverein, OesterreichischerAlpenverein, AlpenvereinSüdtirol (Hg):Berg Heil! Alpenverein und Bergsteigen1918-1945. Böhlau, Kölnu. a. 2011, 635 S., 450 Abb., 43,50 ∑Der „Deutsche und ÖsterreichischeAlpenverein“ (DuOeAV) hatte sichgerade in grenzüberschreitendem,„großdeutschem“ Anspruch 1873gegründet, als 1881 der bis heutegebräuchliche Bergsteigergruß„Berg Heil“ erfunden wurde undab der Jahrhundertwende breitesteAnwendung fand. Die Herausgeberder vorliegenden offiziellen Gesamtdarstellungbegründen deren Titeldamit, dass diese „Grußformelbeispielhaft die Vielschichtigkeitdes Bergsteigens zwischen einervermeintlich apolitischen Freizeitbeschäftigungund einer engen Verknüpfungmit Politik und Gesellschaftdeutlich macht“.Dieser Titel verweist einerseits aufdie Indienstnahme des „Heil“ durchdie Nazis (ab 1923), er beinhaltetaber auch, dass der Alpenverein– neben Turnern und akademischenVerbindungen – ab Ende des 19.Jahrhunderts zu denjenigen bürgerlichenOrganisationen in dendeutschsprachigen Ländern gehörte,in denen das Ideologien-Gebräu derNS-Bewegung vorformuliert wordenist. Antisemitismus, Militarismus,männlicher Heroen- und Todes-Kult, Antimarxismus lassen sich intausenden von Quellentexten nachweisen,ehe sie mit dem AnschlussÖsterreichs in „Großdeutschland“zur Staatsdoktrin wurden.In den ersten Jahrzehnten nach demZweiten Weltkrieg gaben unzähligealte NS-Funktionäre in den AV-Sektionenden Ton an, weshalb die personelleund ideologische Verwobenheitvon Alpenverein und NS tabuisiertund einige 68er, die nebenher auchBergsteiger waren und das Themavorsichtig ansprachen, als Nestbeschmutzeretikettiert wurden.Nun aber, „nur“ 68 Jahre nach demUntergang des NS-Staates, liegthier ein Werk vor, in dem in großerBreite alle Aspekte und Abgründedieser Mesalliance mit wissenschaftlicherGenauigkeit und ohneTabus aufgegriffen werden. Dafürkann man als geschichtsbewussterBerg- und Naturfreund nur dankbarsein. Freilich werden es nicht vielesein, die sich durch die über 600Seiten kämpfen. Für das wenigerakademisch-geschichtskundige AV-Publikum wäre eine Kurzfassung mitden wesentlichen Ergebnissen dahersehr wünschenswert.Anzumerken ist, dass der 2009erschienene, ebenso AV-offizielleBand „‚Hast du meine Alpengesehen?‘ Eine jüdische Beziehungsgeschichte“eine hervorragende,deutlich leichter zu lesende Ergänzungzu „Berg Heil“ darstellt.Silvester LechnerHerausgeber:<strong>Dokumentationszentrum</strong>KZ <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> Ulm e. V.Postfach 2066, 89010 Ulminfo@dzok-ulm.dewww.dzok-ulm.de(dort Infos zur Mitgliedschaft)DZOK-Büro mit Archiv, Bibliothek:Büchsengasse 13, 89073 UlmTel.: 0731 / 21312, Fax: 9214056Redaktion:Dr. Nicola Wenge (verantwortlich),Karin Jasbar, Annette Lein,Thomas Vogel, Ilona WalosczykDruck:Offsetdruck Martin, BlausteinAuflage:1.500 ExemplareMitarbeiterinnen:Dr. Nicola Wenge (Leiterin),Annette Lein, Ilona Walosczyk,Ulrike Holdt (Archivprojekt)Bürozeiten:Mo-Do 9–16 Uhr, Fr 9–12 UhrÖffnungszeiten:der KZ-Gedenkstätte: So 14-17 Uhr.Führungen sonntags um 14.30 Uhr,für Gruppen nach Vereinbarung auchwerktags (mind. zwei Wochen vorheranmelden).Details unter www.dzok-ulm.deEintritt:2 ∑ / 0,50 ∑ pro PersonFührung:40 ∑ / GruppeSpendenkonto:Kontonummer: 764 90 62Sonderkonto „Stiftung“:Kontonummer: 272 07 04beide bei der Sparkasse UlmBLZ 630 500 00Bezugspreis:Mitteilungen des DZOK: 1 ∑ / HeftRückmeldungen, Leserbriefe und Anregungensind erwünscht. Wir freuen unsauf Ihr Feedback.DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201333


Veröffentlichungen des DZOKDZOK-ManuskripteSonderveröffentlichungenBd. 1: Ulmer Geschichtswerkstattzur NS-Zeit (Hrsg.),Die „Hitlerjugend“ am Beispiel derRegion Ulm/Neu-Ulm. Ein Aspektim Umfeld der „Weißen Rose“,1942/43. Eine kommentierte Dokumenten-und Materialien-Sammlung,6. Aufl., Ulm 2004, 170 S., 10 ∑Bd. 2: Claudia Dauerer,Alfred Moos, ein Ulmer Jude aufder Flucht vor dem NS-Staat. EinBeitrag zur deutschen Emigrationnach Palästina.2. Aufl.,Ulm 1995, 150 S., 8 ∑Bd. 3: Silvester Lechner (Hrsg.),Schönes, schreckliches Ulm.130 Berichte ehemaliger polnischerZwangsarbeiterinnen undZwangsarbeiter, die in den Jahren1940 bis 1945 in die Region Ulm/Neu-Ulm verschleppt worden waren,2. Aufl., Ulm 1997, 420 S., 20 ∑(zurzeit vergriffen!)Bd. 4: Silvester Lechner,Ulm im Nationalsozialismus. Stadtführerauf den Spuren des Regimes,der Verfolgten, des Widerstands.Ulm 1997, 120 S., 8 ∑(zurzeit vergriffen!)Bd. 5: Myrah Adams,Die Würde des Menschen ist unantastbar.Das KZ <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> inUlm, 1933 – 1935, Katalog zur Dauerausstellung2001.Ulm 2002, 64 S., 138 Abb., 10 ∑Bd. 6: Oberschulamt Tübingen,<strong>Dokumentationszentrum</strong> <strong>Oberer</strong><strong>Kuhberg</strong> (Hrsg.),„Württembergisches SchutzhaftlagerUlm“. Ein frühes Konzentrationslagerim Nationalsozialismus(1933-1935). Materialien für denBesuch der Ulmer KZ-Gedenkstättemit Schülern,Tübingen/Ulm 2004, 120 S.,15 Abbildungen, 8 ∑(zurzeit vergriffen, überarbeitete Neuauflageerscheint im August 2013)„… daß es so etwas gibt, wo manMenschen einsperrt …“.Das KZ <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> bei Ulm.Ein Film von Bernhard Häusle undSiegi Jonas.DVD, Stuttgart 1995, 33 Min., 18 ∑„Ich bin ja jetzt der Letzte …“Arbeiterkultur – Jugendwiderstand– Konzentrationslager.Hans Gasparitsch, geboren 1918 inStuttgart, erzählt.Ein Film von Silvester Lechner undRoland Barth. Ulm 1999,VHS-Video, 40 Min., 25 ∑Silvester Lechner (Hrsg.):Die Kraft, nein zu sagen. Zeitzeugenberichte,Dokumente, Materialienzu Kurt Schumachers 100.Geburtstag.Ulm (DZOK) 1995,80 S., 10 ∑ (zurzeit vergriffen!)Markus Kienle:Das Konzentrationslager Heubergbei Stetten am kalten Markt.Ulm (Klemm & Oelschläger) 1998,220 S., 50 Abb., 10 ∑(zurzeit vergriffen!)Markus Kienle:Gotteszell – das frühe Konzentrationslagerfür Frauen in Württemberg.Die Schutzhaftabteilungim Frauengefängnis Gotteszell inSchwäbisch Gmünd. Ulm (Klemm &Oelschläger) 2002, 90 S.,12 ∑(zurzeit vergriffen!)Vorstand Stiftung Erinnerung Ulm(Hrsg.):Die Stiftung Erinnerung Ulm –für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde.Ihre Gründung, ihr Zweck, ihre Ziele.Ulm 2004, 64 S., 22 Abb., 10 ∑Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis27. Januar (Hrsg.):Als der Sport in Ulm 1933 nationalsozialistischwurde …Aufsätze und Dokumente.Manuskript; Ulm (DZOK) 2005,68 S., 8 ∑(zurzeit vergriffen!)Bestellung und Versand (zusätzlich Versandkosten)sind auch über das DZOK möglich!Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis27. Januar (Hrsg.):Łódz – Ulm – New Jersey. DieGeschiche der jüdischen FamilieFrenkel, die 1938 aus Ulm vertriebenwurde.Manuskript; Ulm (DZOK) 2006,72 S., 8 ∑Hans Lebrecht:Gekrümmte Wege, doch ein Ziel.Erinnerungen eines deutsch-israelischenKommunisten. Herausgegebenvon Silvester Lechner, Doku-Zentrum. Ulm (Klemm & Oelschläger)2007, 144 S., 30 Fotos, 19,80 ∑Roman Sobkowiak:Eindeutschungsfähig?! Einepolnisch-deutsche Biografie imNS-Staat und in der jungen Bundesrepublik.Herausgegeben von SilvesterLechner, Doku-Zentrum.Ulm (Klemm & Oelschläger) 2009,116 S., 60 Fotos, 19,80 ∑<strong>Dokumentationszentrum</strong><strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> Ulm e. V. (Hrsg.):Ulm – die KZ-Gedenkstätte undder Nationalsozialismus. Festschriftzur Verabschiedung von SilvesterLechner in den Ruhestand.Ulm (Klemm & Oelschläger) 2009,184 S., 17,80 ∑Markus Heckmann:NS-Täter und Bürger der Bundesrepublik.Das Beispiel des Dr. GerhardKlopfer.Herausgegeben von SilvesterLechner und Nicola Wenge, <strong>Dokumentationszentrum</strong><strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong>.Ulm (Klemm & Oelschläger) 2010,120 S., 19,80 ∑Annette Lein/Nicola Wenge:Jugendarbeit und Demokratieerziehungan KZ-Gedenkstättenin Baden-Württemberg. Ein Leitfadendes <strong>Dokumentationszentrum</strong>s<strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> Ulm für bürgerschaftlichgetragene Erinnerungsorte,Ulm 2010, 40 S., Versand überLpB oder DZOKOliver Thron:Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“.Ein Gedenkbuch für dieOpfer der NS-Militärjustiz in Ulm.Herausgegeben von Nicola Wenge,<strong>Dokumentationszentrum</strong> <strong>Oberer</strong><strong>Kuhberg</strong>. Ulm (Klemm & Oelschläger)2011, 84 S., 16,80 ∑34


DZOK-Veranstaltungen Sommer/Herbst 2013Büchse 13Veranstaltungen zur kritischenGeschichtskulturin der Regel dritter Donnerstag imMonat, 20 UhrOrt: Büchsengasse 13dzokki-TreffTreffen der Jugendgruppe des<strong>Dokumentationszentrum</strong>sin der Regel zweiter und vierterMontag im Monat, 17 UhrOrt: Büchsengasse 13Ulmer Geschichtezum Anfassen:Die KZ-Gedenkstätte imFort <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong>Öffnungszeiten der Gedenkstättefür Einzelbesucher:sonntags 14 - 17 UhrFührung: sonntags 14.30 UhrGruppen-/Klassen-Besuche sindnach Vereinbarung (mindestenszwei Wochen vorher) jederzeitmöglich;Gebühr für die Führung: 40 ∑Eintritt: 2 ∑ / 0,50 ∑Anmeldung über das<strong>Dokumentationszentrum</strong><strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong>Tel. 0731-21312info@dzok-ulm.deMontag, 15. Juli 2013Stadthaus Ulm, 20 UhrDie Bücherverbrennung in Ulm1933. Eine Lesung zum GedenkenVorgetragen von SchauspielerInnendes Theaters Ulm und Studierendender AdKGrußwort: Ivo Gönner, Einführung:Dr. Christoph Kopke, Moderation:Inge FriedIn Kooperation mit dem Haus derStadtgeschichte, Stadthaus, TheaterUlm, Stadtbibliothek, AdK und der vhDonnerstag, 18. Juli 2013Büchsengasse 13, 20 UhrDie Gleichschaltung des Rundfunksim NationalsozialismusVortrag von Dr. Birgit Bernard,Medienhistorikerin und Leiterin desHistorischen Archivs des WDRIn Kooperation mit der vhMittwoch, 31. Juli 2013KZ-Gedenkstätte, 10-12 UhrWo unschuldige Menschen eingesperrtwaren. Eine Spurensuchefür Kinder im Alter von 8-12JahrenIm Rahmen des Ferienexpress Ulmund Neu-UlmAnmeldung im Museum der Brotkultur0731/69955Europäischer Tag derJüdischen KulturSonntag, 29. September 2013Auch in diesem Jahr richtet dasDZOK in Kooperation mit derJüdischen Gemeinde wiederden Europäischen Tag der JüdischenKultur in Ulm aus. Schwerpunktthema:„Kultur und Natur“Synagoge am Weinhof, 10.45-11.45 und 17-18 UhrSynagogenführungmit Rabbiner Shneur TrebnikWeinhof/Brunnen, 11-13 UhrJüdisches Ulm im 19. und 20.Jahrhundert.Ein Stadtgang mit Dr. SilvesterLechnerBeitrag: 4 ∑ / 2 ∑<strong>Dokumentationszentrum</strong> <strong>Oberer</strong><strong>Kuhberg</strong> Ulm, Büchsengasse 13,15 UhrAuschwitz – Metropole desTodes: Dolf Hartog, meinVater, Auschwitzhäftling Nr.78833Eine literarische Annäherungan eine pervertierte Kultur undNatur durch Dr. Jennifer Hartog,Toronto, Linguistin und DZOK-MitgliedHaus der Begegnung, GrünerHof 7, Ulm, 19 UhrSteine – Bäume – Ewigkeit.Kultur und Natur auf jüdischenFriedhöfen in EuropaDia-Vortrag von Martin Tränkle,Pfarrer i.R. und Vorsitzender derDIG Ulm/Neu-UlmSonntag, 8. September 2013KZ-Gedenkstätte, 14.30 UhrTag des offenen Denkmals – Themenführung:Jenseits des Gutenund Schönen – ein unbequemesDenkmalFührung mit Dr. Nicola Wenge, Leiterindes DZOKSamstag, 14. September 2013KZ-Gedenkstätte, 16-19 UhrUlmer Kulturnacht – auch imDZOKDie sanfte Gewalt – Inge Aicher-SchollKurzlesungen von Christine Abele-Aicher und Julian Aicher aus demErinnerungsband.16 / 17 / 18 Uhr (jeweils 30 Min.)Im Anschluss Kurzführungen durchdie GedenkstätteDienstag, 1. Oktober 2013vh, 20 UhrVergleichende Faschismusanalyse:Deutschland und ItalienDr. Liana Novelli GlaabIn Kooperation mit der vhDienstag, 5. November 2013vh, 20 UhrAktuelle Forschungsansätze zurNS-TäterforschungDr. Wolfgang Proske, in Kooperationmit der vhMittwoch, 13. November 2013vh, 20 UhrZwischen UFA und SA: Max Kimmichund Wilhelm DreherDr. Frank RabergIn Kooperation mit der vhSonntag, 17. November 2013KZ-Gedenkstätte, 11 UhrGedenkfeier in der Ulmer KZ-Gedenkstätte am VolkstrauertagZur Erinnerung an die Opfer der NS-Gewaltherrschaft und an die Widerstandskämpfer1933-1945.Weitere Termine entnehmen Siebitte der Tagespresse, unseremNewsletter oder der Websitewww.dzok-ulm.de!DZOK-Mitteilungen Heft 58, 201335


Diese Nummer der Mitteilungen wird mit unten stehenden Anzeigen gefördert von:Braun Engels GestaltungJudenhof 11, 89073 UlmTel. 0731 - 14 00 73-0www.braun-engels.deCDU-Fraktionim Ulmer GemeinderatRathaus, Marktplatz 1, Tel. 0731 - 61 82 20www.cdu-fraktion-ulm.de, cdu.fraktion@ulm.deChristoph Mohn ArchitektBüchsengasse 24, 89073 UlmTel. 0731 - 960 81 91www.mohn-architekt.deEngel-Apotheke UlmApotheker Timo RiedHafengasse 9, Tel. 0731 - 6 38 84FDP-Fraktionim Ulmer GemeinderatRathaus, Marktplatz 1, Tel. 0731 - 161 10 94www.fdp-fraktion-ulm.de, fdp@ulm.deFWG-Fraktionim Ulmer Gemeinderat0731 - 61 88 52, 0731 - 161 10 95www.fwg-ulm.deGRÜNE Fraktion UlmTel. 0731 - 161 - 1096, www.gruene-fraktion-ulm.degruene-fraktion@ulm.deKulturbuchhandlung JastramAm Judenhof, Tel. 0731 - 6 71 37info@jastram-buecher.deOffsetDruck MartinErhard-Grözinger-Straße 1, 89134 BlausteinTel. 0731 - 954 02 11protel Film & Medien GmbHMünchner Straße 1, 89073 UlmTel. 0731 - 9 26 64 44info@protel-film.de, www.protel-film.deRechtsanwälte Filius-Brosch-Bodenmüller und KollegenMünchner Straße 15, 89073 UlmTel.: 0731 - 9 66 42-0; Fax: 0731 - 9 66 42-22info@kanzlei-filius.deSparkasse UlmHans-und-Sophie-Scholl-Platz 2, Tel. 0731 - 101 - 0SPD-Fraktionim Ulmer GemeinderatRathaus, Marktplatz 1, Tel. 921 77 00spdfraktion@ulm.de, www.spd-ulm.desteuer berater HIRSCHERElke ReutherVirchowstraße 1, 89075 UlmTel. 0731 - 509 77 81Unterstützen Sie das Ulmer <strong>Dokumentationszentrum</strong>! Werden Sie Mitglied!Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im <strong>Dokumentationszentrum</strong> <strong>Oberer</strong> <strong>Kuhberg</strong> Ulm e. V.– KZ Gedenkstätte –Postfach 20 66, 89010 Ulm; info@dzok-ulm.deIch erkenne die Satzung an und werde einen Jahresbeitrag* von .................. € entrichten.Beitrittserklärung und Lastschrift-EinzugsermächtigungName und Vorname: ................................................................................................................Straße und Hausnummer: ................................................................................................................PLZ und Wohnort: ................................................................................................................eMail-Adresse (optional): ................................................................................................................Bank, BLZ, Kontonr.: ................................................................................................................Datum und Unterschrift: ................................................................................................................Mit der Abbuchung meines Mitgliedsbeitrages im ersten Quartal des Kalenderjahresin Höhe von .................. € /jährlich bin ich einverstanden.* Der Mindestbeitrag beträgt jährlich € 35, für Arbeitslose, Schüler, Studenten und Rentner jährlich € 15.36

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!